Wirtschaft, Politik, Forschung, Gesellschaft

  • Bericht auf tagesschau.de über ein Thema, dass mir als ausgesprochenen Event-Muffel noch nie aufgefallen ist.


    Demnach ist Berlin im Vergleich zu manch kleinerer Stadt infrastrukturell und demografisch wesentlich schlechter für Konzerte à la Taylor Swift aufgestellt und wird deshalb geradezu von den Veranstaltern gemieden.


    Vieles klingt plausibel, aber ein kleiner Hauch augenzwinkerndes Berlin-Bashing scheint auch manchmal mitzuschwingen. ; )


    Ein interessantes Stück Zeitgeist 2024 ist es allemal.


    https://www.tagesschau.de/inla…rs-berlin-meiden-100.html

  • Schon sehr viel Berlin Bashing. Bzw. selbst Bashing, da vom RBB - Gras ist Grüner auf der anderen Seite vom Zaun kann man in der Berliner Gegend bekanntlich ja sehr gut. Was ist da jetzt der Kritikpunkt? Das Berlin nur ein 75.000 Personen fassendes Stadion hat (Und nebenbei noch eine ganze Latte anderer ausgewachsener Locations)? Da will ich mal die Liste der Städte sehen, die überhaupt ein 75k+ Stadion aufweisen können. Das genannte Volksparkstadion in Hamburg zu mindestens nicht. Und das man in München ein Pop-Up Stadion für eine Person aufbaut, ist in Zeiten wo alle nach mehr Nachhaltigkeit schreien, auch fraglich. Und seit wann hat das Ruhrgebiet 13 Millionen Einwohner? Und wo sind da die vielen 75k Personen Stadien genau - maximal Dortmund und Gelsenkirchen. Und wo ist ausgerechnet(!) im maroden Ruhrgebiet die Infrastruktur besonders gut? Auch erschließt sich mir die Logik nicht, warum Bands wie Rammstein, U2 etc. im Olympiastadion absolute Megakonzerte veranstalten können und das dann andere Stars abschrecken sollte?

    Der Artikel liest sich so, als hätte jemand einfach viel Frust und müsste den mal loswerden. EM, DFB Pokal Finale, Special Olympics, Istaf, tausende große Konzerte, Berlin Marathon, Paraden für 100.000ende und zahlreiche andere Events sollten doch wohl gezeigt haben, dass Berlin schon immer mit Großevents sehr gut klar kommt - auch was die Öffi Infrastruktur angeht.

    Wo wir gerade beim Thema EM sind um auf das Kernthema des Threads einzugehen: Gestern wurde in den Nachrichten des Berliner Rundfunks berichtet, dass Berlin-Brandenburg der Konjunktur-Flaute in Deutschland trotzt. Wirtschaftswachstum Q1/2024 war laut dem Bericht bei satten 1,6% und soll aufgrund der EM für Q2 noch auf 2,0% steigen. Auch von entsprechend positiven, langfristigen Folgen der EM wurde gesprochen.

  • ^Es ist sicher kein Standortvorteil aber auch kein riesiges Drama. Das gönne ich Hamburg, München und Co.

    Ich persönlich vermisse da tatsächlich eher die etwas größeren Musicals, die es in Deutschland primär in Hamburg gibt.

    Im Vergleich zur xundfünfzigsten Zwischenstation Taylor Swift und Co finde ich ein EM-Finale oder selbst das DFB-Pokal-Finale dann aber doch relevanter. Und es ist ja nicht so, dass es in Oly, Uber Arena, Waldbühne und Co nicht trotzdem noch genügend Künstler im Angebot gibt.


    Das mit dem Wirtschaftswachstum ist sehr erfreulich. Leider sieht es da in anderen Teilen Deutschlands aktuell schwieriger aus. Allerdings hatte ich kürzlich von einer Analyse der Deutschen Bank gelesen, wonach die Industrie (ähnlich wie bspw auch in Japan) inzwischen innovativere und hochwertigere Produkte mit höheren Margen produziert und sich so trotz Verlusten auf dem Massenmarkt inzwischen wieder der identische Handelsüberschuss wie vor den Krisen eingestellt hat. Allerdings kann es natürlich trotzdem sein, dass so Arbeitsplätze verloren gehen und der Wohlstand weniger in der Breite der Gesellschaft ankommt. Übrigens soll dieser Anpassungsprozess aber auch schon länger laufen und bspw auch vor Corona und den Kriegen und Handelskonflikten begonnen haben...

  • Allerdings hatte ich kürzlich von einer Analyse der Deutschen Bank gelesen, wonach die Industrie (ähnlich wie bspw auch in Japan) inzwischen innovativere und hochwertigere Produkte mit höheren Margen produziert und sich so trotz Verlusten auf dem Massenmarkt inzwischen wieder der identische Handelsüberschuss wie vor den Krisen eingestellt hat.

    Also bei den Süddeutschen Autoherstellern und den Zulieferern ist der Gewinn um 20% bis 30% und teilweise sogar mehr eingebrochen, das größte Chemiewerk der Welt in Ludwigshafen macht täglich (!) 4 Millionen Euro Verlust. Berlin kann froh sein das hier vor allem gut bezahlte Dienstleistungsjobs angesiedelt sind. Für das produzierende Gewerbe stehen die Zeichen aktuell sehr schlecht, vor allem wenn man mit den Leuten intern redet.

  • yourrulez: Dachte ich mir auch. Es gibt in Deutschland genau drei Stadien in der 75.000+ Liga – Dortmund, München und Berlin. Wobei Berlin angesichts des großen Innenraums bei Konzerten das größte Fassungsvermögen haben dürfte. Auf jeden Fall mehr als der Signal-Iduna-Park, in dem Taylor Swift gespielt hat.


    Auch sonst argumentiert der Artikel inkonsistent: Das Tempelhofer Feld ist nicht immer für Konzerte verfügbar – okay. Aber andere Städte haben oft gar nichts vergleichbares. Für das Olympastadion soll Fußball ein Problem sein – für Gelsenkirchen oder Hamburg aber nicht? Die Metropolregion Berlin hat 6,3 Mio. Einwohner mit einer Bevölkerungsdichte von 208 Personen pro Quadratkilometer, die Metropolregion Hamburg hat 5,4 Mio. mit einer Bevölkerungsdichte von 191 Personen – aber Hamburg soll ein dichtes besiedeltes Umfeld haben, Berlin ein dünn besiedeltes? Naja.


    Sogar die Waldbühne als hervorragende Location für mittelgroße Open Airs gerät hier zum Nachteil, und ein großes Festival wie das Lollapalooza wird als Negativbeispiel genannt, obwohl der letzte Ärger sechs Jahre her ist und es auf dem Olympiagelände mittlerweile einen festen Standort gefunden hat.


    Also ja, dass Taylor Swift nicht in Berlin war, ist schade. Dass Berlin zu schlecht sei für große Konzerte, wie es der Artikel nahelegt, ist pseudo-kritisches RBB-Selbst-Bashing. Ich glaube, die Stones waren auf jeder Europa-Tour der letzten 20 Jahre in Berlin. Und so viele Acts in dieser Größenordnung gibt es nicht. Was bleibt: Berlin ist doof, weil es Adele kein Stadion gebaut hat. Damit kann ich leben.

    Berlin Marathon, Paraden für 100.000ende und zahlreiche andere Events sollten doch wohl gezeigt haben, dass Berlin schon immer mit Großevents sehr gut klar kommt

    Zumindest, wenn parallel keine Wahl stattfindet. ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Architektenkind () aus folgendem Grund: Unklaren Bezug geklärt.

  • Regent Es betrifft ja nicht unbedingt die identischen Unternehmen, die alle diesen Transformationsprozess im Gleichschritt meistern. Es wird durchaus schmerzhafte Verluste geben, was aber angesichts der globalen Größenverhältnisse auch nicht besonders überraschend kommen kann.

    Wobei bspw Daimler auch zunehmend den Volumenmarkt meiden und kleine Modelle einstellen bzw durch große luxuriöse Limousinen, SUV, Sportmodelle etc ersetzen will. BMW ist mW schon länger etwas erfolgreicher als die anderen bei den Margen und VW wurde auch schon mehrfach verfrüht abgeschrieben. Da werden es bspw die Franzosen und Italiener mit deutlich größerem Fokus auf Kleinwagen ggf noch schwerer haben. Für die Berliner Region wird aber ohnehin eher spannend, wie sich Teslas Volumenmodelle mittel- bis langfristig behaupten können. Und ob das Kompaktmodell überhaupt noch vor Ort zur Produktion kommt.

  • Das Olympiastadion steht für musikalische Großevents kaum zur Verfügung. Mir scheint, dass dies der entscheidende Punkt ist. Die Zahl der Events ist limitiert und die entsprechende Regulierung umfasst das ganze Olympiagelände inkl. der Waldbühne. Der Hintergrund dafür liegt u. a. in Anwohnerinteressen, Lärmschutzauflagen, etc.


    Und weil das Olympiastadion kaum, nur für ihr wenige Großevents gebucht werden kann, gibt es dann doch einen Mangel in Berlin an möglichen Locations für Großevents wie z. B. von Taylor Swift. Vor allem, wenn wenn es um mehrere Tage hintereinander geht.


    Ich bin auf dieses Thema gekommen im Rahmen der Thematik, dass Hertha BSC im Bereich des Olympiageländes ein Fußballstadion bauen möchte.

  • Ich bin auf dieses Thema gekommen im Rahmen der Thematik, dass Hertha BSC im Bereich des Olympiageländes ein Fußballstadion bauen möchte.

    Ja das stimmt. Das Problem ist , dass Bewohner die in der Nähe Wohnen er dagegen sind. Gemeint an der : Sportforumstraße ( östlich des Olympiastadion .Der Grund ist das Manche Wohnhäuser abgerissen werden müssten für die Fläche des neuen Stadion. Es soll Laut Plan für ca. 55.000 Zuschauer Gebaut werden. Das Olympiastadion mit ca. 74.000 Plätze gehört eigentlich nicht mal den Verein Hertha BSC. Das ist nur gemietet. Daher möchte Hertha unbedingt in dieser Gegend am olympiastadion bauen bzw. Bleiben. Als Alternativ war mal die Rede am Mailfeld aber der soll, wenn ich mich nicht Irre so bleiben. So " kurz" Zum Thema Olympiastadion.

  • Zunächst einmal ergänze ich der Vollständigkeit halber mal eine der Quellen für die Analyse der deutschen Bank und hier das Fazit im O-Ton.

    Eine der Kernaussagen ist mE, dass die Gesamtproduktion - und proportional hierzu zunehmend auch die Beschäftigung - (i.e. die industrielle Basis) signifikant schrumpfen, der Gesamteffekt auf das "Volkseinkommen" aber stabil bleibt und daher eigentlich eher von einer industriellen Evolution als von einer generellen Deindustrialisierung die Rede sein müsse. Die Deutsche Bank gibt hierbei laut eigenen Worten Optimisten und Pessimisten gleichermaßen ein Stück weit Recht. Ich finde man sieht das u.a. gut an dem letzten Bayer-Invest in Berlin, wo eine extrem leistungsfähige Fertigungsanlage aufgebaut wurde, für die jedoch nur gut eine Hand voll neue Mitarbeiter angestellt wurden. Generell ist Berlin bei der Transformation weit vorne dabei, da hier bereits sehr viel "alte Industrie" abgebaut wurde und eher neue entsteht, während sich viele der bestehenden Betriebe wandeln (aber einige auch nach wie vor akut von Abwanderung bedroht sind wie z.B. Gilette in Richtung Polen). Die Zahl der Industrie-Beschäftigten ist hier schon seit einigen Jahren weitgehend stabil, faktisch ist die Produktivität und Wertschöpfung pro Mitarbeiter aber enorm gestiegen und der Standort entsprechend konkurrenzfähig (hatte ich hier im Thread auch schon alles mal näher ausgeführt und Quellen verlinkt, weiß aber gerade nicht mehr wo).

    Klar ist aber zugleich auch, dass so oder so Existenzen daran hängen und es wie in jeder Umbruchphase zu entsprechenden sozialen Verwerfungen führen wird. Vor allem aber müssen die Menschen entsprechend qualifiziert werden, um die nach wie vor nachgefragten Stellen adäquat besetzen zu können.


    Umso wichtiger wäre es, dass die Bundesländer ihre Hausaufgaben in Sachen Bildungspolitik besser erledigen (denn Bildung bleibt Ländersache) und die junge Generation breit, flexibel und resilient aufstellt. Und genau das ist so ein Feld, wo ich wirklich sehr neidisch auf den Norden der Republik blicke. Speziell Hamburg mit einigermaßen ähnlichen Ausgangsvoraussetzungen hat sich bei der Vermittlung der basalen Kompetenzen massiv verbessert. Dagegen sieht es in Berlin nach wie vor traurig aus, wie u.a. dieser Artikel treffend beschreibt. Inzwischen ist er hinter einer PayWall, aber kurz gefasst:

    - Berlin hat über Jahrzehnte gepfuscht und die heranwachsenden jungen Generationen müssen es ausbaden.

    - Während anderswo - u.a. in Hamburg - das (längst vorhandene!!!) Wissen über Sprachförderung (insbesondere Lese- und Schreibflüssigkeit sowie Textkompetenz) aber auch Rechenkompetenz angewandt und die eingesetzten Verfahren auch beständig evaluiert und angepasst wurden, gab es hier immer wieder Diskussionen, Entschuldigungen und [meine Ergänzung] zermürbende Reformen ohne vernünftige Pilotphase oder Evaluierung.

    - Inzwischen kann fast die Hälfte der Kinder nach 2 bis 3 Jahren Schule nicht mal auf Mindeststandard lesen (aber selbst Informationen hören) oder rechnen und bis zur 8. Klasse wird das Defizit nur noch größer.

    - Immerhin: Die neue Bildungssenatorin treffe hierbei keine Schuld. Während ihre Vorgänger noch die Veröffentlichung der Ergebnisse verhinderten (mE ein handfester Skandal, der nie angemessen gewürdigt wurde), sei nun im Gegenteil in diversen Bereichen weitflächige Transparenz etabliert worden und die Senatorin blicke auch ohne jede Eitelkeit auf eben jene Bundesländer die es seit Jahren empirisch nachweisbar deutlich besser machen. Inzwischen gebe es vielversprechende Ansätze (nachzulesen auch hier).

  • Erstes Halbjahr 2024 mit recht positiven Signalen

    Inzwischen gibt es immer mehr Ergebnisse und Analysen zum ersten Halbjahr und es sieht insgesamt gar nicht mal so schlecht aus. Da es eine Menge an Themen und Daten gibt aber sich die Artikel teilweise auch überschneiden, werde ich es mal selbst etwas sortieren und dann anschließend die Quellen separat auflisten bzw. verlinken.


    BIP soll wohl mit ca. 2% etwas stärker wachsen als 2023

    Nachdem das BIP im Vorjahr einigermaßen überraschend doch noch um 1,6% wuchs, soll es dieses Jahr sogar für rund 2% Wachstum reichen. Wir wären damit zwar noch immer weit entfernt von alten Bestmarken, aber mE doch wieder auf einem durchaus soliden Niveau unterwegs. Besonders bei den Dienstleistungen geht es insgesamt wohl rauf aber auch bei den Startups sowie beim Tourismus sieht es wieder besser aus. Dazu aber unten mehr.


    Deutlich mehr Ansiedlungen und Expansionen

    Insgesamt gab es in den ersten 6 Monaten des Jahres bereits 58 von Berlin Partner betreute Ansiedlungen und damit nur 17 weniger als im gesamten Vorjahr (was mit insgesamt 75 Ansiedlungen auch als gutes Jahr galt). Rund zwei Drittel oder 64% der neuen Firmen stammten dabei aus dem Ausland (besonders viele aus UK, Türkei, USA und Ukraine. Hinzu kommen noch 150 betreute Expansionen von Bestandsunternehmen. Unter ersteren ragt die große neue Zentrale der Warner Music Group heraus und unter letzteren Bayers neues Translationszentrum für Zell- und Gentherapien aber auch die Modernisierung des Mercedes Werks. Neue Wachstumsimpulse gibt es zudem mit dem Baustart für Siemensstadt Square sowie starken Aufträgen bei den Zugbauern Alstrom, Siemens Mobility und Stadler aber auch bei Siemens Energy. Insgesamt betreute Berlin Partner im ersten Halbjahr Investitionen von rund 650 Mio und damit ein "Rekordvolumen".


    Erholung bei den Startup-Investitionen - anhaltender Fokus auf Fintechs, neuer Boom in Gesundheitssektor

    Hier gibt es zunächst einmal deutschlandweit gute Nachrichten: Es wird wieder deutlich mehr Geld investiert (mit 3,4 Milliarden bestes erstes Halbjahr seit 2015) und das Geld verteilt sich inzwischen auch auf immer mehr Regionen (Berlin erhielt 1,1 Mia, neu auf Platz 2 und inzwischen recht dicht hinter Berlin ist bspw. NRW mit 822 Mio). Dadurch ragt die Hauptstadt nicht mehr so stark heraus wie früher, was insgesamt aber gut für das "Ökosystem" ist. Auffallend stark bleibt Berlin beim Thema Fintechs, wo man 88% der Gesamtmittel oder 283 Mio einsammelte (bspw. NRW als 2. noch 33 Mio und der Finanzstandort Hessen als Dritter sogar nur noch 2 Mio). Mit der Gründung des "House of Finance and Tech" will man zudem Europas größten Fintech Hub etablieren und so weitere Gründungen begpünstigen. Ein erfreulicher neuer Trend ist dagegen, dass es u.a. aufgrund besserem Zugang zu Daten von Charité und Co inzwischen zunehmend auch Gründungen im Health Tech Bereich gibt. Zudem bleibt Berlin insgesamt die gründungsfreudigste Region Deutschlands (7,1 Gründungen pro 100.000 Einwohner, 2. HH mit 4,1, 3. Bremen mit 2,3 und 4. Bayern mit 1,9).


    Quellen:

    ausführliche PM von Berlin Partner

    Präsentations-Folien von Berlin Partner

    Sueddeutsche Zeitung zur Wirtschaftsbilanz

    Tagesspiegel zur Wirtschaftsbilanz

    Ernst & Young zur StartUp-Bilanz

    Zeit mit Analysen und Prognosen der Investitionsbank Berlin

  • Berliner Wirtschaftslage nach wie vor enorm dynamisch in beide Richtungen - Ausgangslage und Impulse im Herbst

    So wie das Wetter sich aktuell nur schwer entscheiden kann, ob wir noch ein wenig (Spät-)Sommer erleben sollen oder uns vollends auf nass-kalte Herbsttage einstellen sollten, muss auch die Wirtschaftslage als launisch und wechselhaft beschrieben werden. Die Stimmung ist auch in der Hauptstadt ohnehin zunehmend bereits winterlich-frostig (Sommer endgültig vorbei und kein neuer Frühling in Sicht), die neue Gesamtwetterlage hat sich aber wie gesagt noch gar nicht richtig gefestigt. Schauen wir uns also mal einige interessante Wetterfronten und Indikatoren etwas näher an.


    Zunahme an Insolvenzen und Bereinigungseffekte wird auch Berlin treffen - laut Analysten jedoch kein Grund für Panik

    Die Berliner Zeitung berichtete kürzlich (hinter einer Paywall), dass neben dem Statistischen Bundesamt auch die Analysten des privaten Akteurs "Creditreform" nach einer zweistelligen Zunahme an Insolvenzen im ersten Halbjahr 2024 auch für den Herbst mit einer weiteren Zunahme an Zahlungsausfällen und Firmenpleiten rechnen. In Deutschland habe sich laut letzteren in den starken Jahren viel Bequemlichkeit eingestellt, was einigen Unternehmen nun in Zeiten globaler Krisen und (teils politisch gewünschter oder zumindest begleiteter) Transformationszwänge auf die Füße falle. Ähnlich wie auch die Deutsche Bank wolle man aber gar nicht das umgehende Gespenst der Deindustrialisierung und des umfassenden Abstiegs an die Wand malen. Insgesamt verfüge Deutschland nach wie vor über eine bemerkenswerte Breite an stark aufgestellten und wirtschaftlich relativ gesunden Unternehmen, auch wenn sich einige davon nun ehrlich machen und neu für die Zukunft aufstellen müssten. Solche "Bereinigungseffekte" seien aber völlig normal und notwendig (in einigen Fällen eher schon überfällig), auch wenn es in der aktuellen globalen Situation schärfer ausfalle als gewöhnlich. Übrigens sei man kein Fan von großen staatlichen Rettungsaktionen, die man meist eher als symbolische Pille und politisches Instrument ansehe.

    Was hat das nun mit Berlin zu tun? Zum einen ist Berlin letztlich natürlich im selben Boot wie alle anderen. Auch wenn die Transformation hier schon viel weiter ist (wenig alte Industrie, viele Dienstleistungen, hohe Anziehungskraft für gefragte Fachkräfte und somit für die Motoren der Transformation in den einschlägigen Zukunftsbranchen), werden die größeren Trends also unweigerlich (wenngleich teils zeitversetzt) auch hier einlaufen. Zum anderen wird in Berlin (wie auch schon im letzten Beitrag beschrieben) besonders fleißig gegründet und es fließt auch nach wie vor viel Risikokapital in die Hauptstadt. (Viele) Gründungen und hoher Einsatz von Risikokapital hängen jedoch logischerweise mit Insolvenzen zusammen wie Geburten und Todesfälle (und auch hier zeigte sich zuletzt, dass beim Verteilen von Venture Capital inzwischen deutlich genauer hingesehen wird, was einige jedoch auch als überfällig betrachten) .

    Nicht zu vergessen: Berlin hat in den letzten Jahren ja enorm viele neue Menschen aus Krisenregionen aufgenommen. Diese verursachen zunächst einmal vor allem Kosten und fließen zunehmend auch in die Statistiken wie die Arbeitslosenquote mit ein. Da der Bund den Gürtel nun eher enger schnallt, wird auch das einige Indikatoren nach unten ziehen. Auch wenn zuletzt nach wie vor viele zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden, nähert sich die besagte Arbeitslosenquote wieder rasant der zweistelligen Marke (zuletzt schon 9,9%), die man einst so erleichtert hinter sich gelassen hatte (ich glaube, der beste Wert waren unter 8 Prozent).


    Gründungen nehmen zu, Kapital fließt weiter in Startups - Finanzindustrie etabliert sich als neue Größe

    Was oben gesagt wurde, gilt in diesem Falle aber auch umgekehrt: Wo viel zusammen gestutzt oder auch gefällt wird, wächst auch wieder viel Neues. Neben den Insolvenzen nehmen auch die Gründungen zu und von diesen neuen Trieben geht auch nur ein Teil wieder ein, während andere weiter sprießen. Analog zu den im vorherigen Beitrag erwähnten Daten von Berlin Partner hat die Berliner Zeitung sich kürzlich mal den gesamten Trend der letzten Jahre und den aktuellen Stand der digitalen Startup-Branche angesehen. Demnach liegt Berlin in Europa auf Platz 2 hinter London. Nach 2,4 Mia in 2023 flossen auch im 1. Halbjahr 2024 wieder 1,1 Mia in Berliner Startups (bei 28% mehr Gründungen). Insgesamt gebe es aktuell 21 Unicorns (Startups, die mindestens mit 1 Mia Dollar bewertet werden), in Deutschland insgesamt 33.

    Besonders spannend ist aktuell der Blick auf die Finanzindustrie, wo in den vergangenen Jahren aber gerade auch in den Umbrüchen und Krisenzeiten eher Jobs nach Berlin verlagert wurden (u.a. aus London und UK aber auch etwa aus Russland). Wie die Morgenpost schon im Juli berichtete (Paywall), hat etwa die Deutsche Bank alleine 2023 ganze 900 neue Jobs nach Berlin verlagert. Das aus Moskau und St. Petersburg verlagerte Kompetenzzentrum für globale IT-Themen (jetzt "Berlin Tech Center") beschäftigte zuletzt schon 1.400 Spezialisten und aktuell seien 300 weitere neue Stellen ausgeschrieben worden. Doch auch in anderen Bereichen wächst die Deutsche Bank an ihrem einstigen Gründungsstandort Berlin weiter und modernisiert auch weiter seine Immobilien, während umgekehrt der Kahlschlag bei den Filialen abgeschlossen sei. Stand Juli 2024 arbeiteten schon 6.200 Berlin für die Deutsche Bank, womit sie immer mehr zu einem der größten und wichtigsten Arbeitgeber der Stadt aufsteigt und der Standort zugleich immer deutlicher zu den mit Abstand größten und bedeutendsten 4 auf der Welt zählt (Platz 1 bleibt der Hauptsitz Frankfurt mit rund 8.000 Angestellten aber zuletzt eher abnehmendem Trend, dahinter folgen London und New York und dann eben Berlin).

    Dieses Wachstum ist in der Form einzigartig aber insgesamt doch kein Einzelphänomen. Auch bspw. die Commerzbank hatte kürzlich expandiert. Aber auch internationale Großbanken sowie auch nationale und internationale Privatbanken haben sich angesiedelt.

    Wie ein Sprecher der Deutschen Bank nüchtern erklärte: Der Finanzstandort Berlin hat stark aufgeholt und an Attraktivität gewonnen. Das gilt jedoch nirgendwo stärker als bei den FinTechs, wo auch 2024 wieder fast 90 Prozent des Wagniskapitals nach Berlin flossen und insgesamt rund 40 Prozent aller deutschen bzw. in Deutschland tätigen FinTechs ihren Sitz haben. Auch hier darf man fest mit weiterem Wachstum rechnen. Gerade erst wurde das House of Tech and Finance eröffnet, mit dem sich Berlin als größten FinTech Hub Europas etablieren möchte. Und nun verkündete die Regierung gemeinsam mit großen Unternehmen (darunter auffallend vielen Finanzunternehmen wie Deutsche Bank, Commerzbank aber auch Blackrock, daneben jedoch auch andere Konzerne wie Deutsche Börse, Allianz, Münchner Rück oder die Telekom) ebenfalls in Berlin beim ersten sogenannten "Startup Summit" einen neuen Startup-Fonds mit einem Startvolumen von 12 Milliarden Euro bis 2030 - womit man auf einen Schlag etwa die erste und die die laufende Runde des französischen Äquivalents aufbietet, das der Deutschen Politik davor gerne unter die Nase gerieben wurde und das Paris gegenüber Berlin deutlich hatte aufholen lassen.

    Ziel ist, dass die in Deutschland traditionell bereits starke Forschung und Innovationskraft noch deutlich besser in neues Wirtschaftswachstum übersetzt werden kann. Es ist mE ziemlich sicher davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil davon auch gleich wieder nach Berlin mit den vielen einschlägigen Innovationszentren fließen (und darunter gerade auch den FinTech-Sektor enorm aufleben lassen) dürfte. Natürlich werden aber auch andere aufstrebende Startup-Zentren wie NRW und Bayern enorm profitieren. Und auch Frankfurt darf sich freuen, denn die vielversprechenden Deutschen Jungunternehmen sollen so auch eher die Kraft finden, in Deutschland an die Börse zu gehen statt wie zuletzt häufiger im Ausland.


    Für Berlin selbst ist es neben dem neu aufgestellten Siemens-Campus mE mal wieder ein größeres Aufbruchssignal, das die einstige Gründermetropole sich hoffentlich auch in den aktuellen geo-politischen und -ökonomischen Herbststürmen nicht nur aufreiben, sondern auch neu aufstellen und immer wieder neu erfinden kann.

    Quelle Business Insider

    Quelle manager magazin

  • Deutlich weniger Wirtschaftswachstum im 1. HJ 2024 - Lage überwiegend stabil, Stimmung eher verhalten

    Das Berliner BIP hat im ersten Halbjahr inflationsbereinigt lediglich um 0,3 Prozent zugelegt. Laut IHK könne man mit viel Anstrengung vielleicht 1 Prozent noch schaffen. Dafür müsste sich jedoch die Entwicklung des letzten Jahres nochmal wiederholen (da sah es lange auch mau aus, zuletzt wurde dann aber mehrfach nach oben korrigiert und schließlich kamen 1,6% BIP-Wachstum raus).

    Allerdings gleicht die aktuelle Stimmung (und somit auch die Bereitschaft für Investitionen und Neueinstellungen) der Betriebe gemäß der turnusmäßigen Umfrage von IHK und Handwerkskammer eher ziemlich genau der eingetrübten Konjunktur. Zwar ist die Stimmung inzwischen seit Jahren (teils deutlich) schlechter als die tatsächliche Geschäftslage, jedoch bremst das dann dennoch die Entwicklung.


    Schaut man etwas genauer in den Bericht, wird die aktuelle Lage überwiegend als stabil bis gut bewertet (sattes positives Saldo von +17 Punkten), zugleich wird aber keine zeitnahe Verbesserung mehr erwartet und einige Branchen rechnen zumindest für die kommenden Monate (teils womöglich auch saisonbedingt) mit Einbußen (-5). So liegt der Gesamtindex trotz guter Geschäfte mit 105 (-3) Punkten nur noch knapp im positiven Bereich. Das Saldo im Bereich geplanter Investitionen lässt mit +14 leicht nach und auch das Saldo von geplanten Neueinstellungen vs. Kündigungen lässt mit +5 von niedrigem Niveau kommend nochmals minimal nach.

    Im Branchenmix ergibt sich ein gemischtes Bild mit viel Licht und Schatten:

    - Überraschend starke Signale vermittelt die Industrie: Die aktuelle Lage sehen 47% positiv, 35% zufriedenstellend und nur 18% negativ (sprich: das Saldo beträgt +29). Allerdings erwartet nur eine knappe Mehrheit, dass es jetzt sogar noch besser wird (+5) und schielt dabei laut Fließtext teils auch mehr auf ausländische Märkte (die Exporte haben sich generell weiter verbessert, obwohl auch die globale Konjunktur teils stottert).

    - Bei den Dienstleistern liegt das Saldo für die aktuelle Lage bei erfreulichen +17, beim Ausblick aber leicht negativ bei -1 (wobei es bei den unternehmensnahen Dienstleistungen noch schlechter aussieht, was meist kein gutes Signal für die zeitnahe Konjunkturentwicklung darstellt).

    - Beim Handwerk gibt es je nach Branche eine weite Streuung aus Licht und Schatten. Die aktuelle Lage wird im Saldo positiv bewertet (+26), der Ausblick dagegen negativer (-7).

    - Noch krasser ist es beim Bau, wo trotz anhaltender Flaute im Hochbau insgesamt ein überraschend positives Lagebild herrscht (+42), dafür aber ein ziemlich negativer Ausblick (-17). Vermutlich spielen hier aber auch saisonale Faktoren eine Rolle, da bei milder Witterung mehr auf den Baustellen passiert.

    - Die stark vom inländischen Konsumklima abhängigen Sektoren Handel und Gastgewerbe teilen sich einen düsteren Ausblick.

    Der Handel betrachtet das aktuelle Geschäft bereits als negativ (-6) und erwartet weitere Einbußen (-16). Das gilt übrigens für stationären Handel wie auch Onlinehandel gleichermaßen.

    Beim Gastgewerbe sind die Schwankungen wiederum saisonbedingt noch stärker, da es in der kalten Jahreszeit in der Regel ohnehin nicht besser wird und dies die anhaltend schwache Binnenkonjunktur noch überlagert (aktuell +9, Ausblick -34).


    Fazit: Auffällig ist, dass die regionale Wirtschaft seit Jahren regelmäßig den Ausblick negativer wahrnimmt, als die jeweils aktuelle Lage (in 3 von 5 Jahren waren die Erwartungen mit -51, -34 und -11 sogar deutlich pessimistischer als jetzt mit -5, tatsächlich war das Lagebild dann aber nur einmal mitten während Corona wirklich negativ (-14). Zumindest bisher haben sich die wiederholt schlechten Erwartungen also fast nie bestätigt. Es herrscht aber anhaltende Skepsis und Unsicherheit vor, was sich natürlich auch nachteilig auf Investitionen und neue Jobangebote auswirkt. Etwas traurig ist übrigens der mehrjährige Trend: Direkt vor Corona gab es Höchstwerte und direkt vor dem Ukraine-Krieg hatte sich die Konjunktur wieder enorm erholt und neu belebt. Seither dümpelt das Wachstum auf vergleichsweise niedrigerem Niveau herum und man muss im Vergleich zu anderen Regionen trotzdem schon froh darüber sein.


    Steuereinnahmen fallen absehbar - Sparkurs setzt sich fort/ trotzdem Fortschritte möglich?

    Der Zensus und die Konjunktur bedeuten auch, dass sich die pessimistischen Steuerprognosen des Senats laut Steuerschätzern wohl erfüllen werden. Zwar wird es 2024 wohl sogar ein leichtes Plus von 45 Mio geben, in 2025 dann aber eine Korrektur um rund -900 Mio. Immerhin hat sich der Senat bereits darauf eingerichtet, die unter Rot-Grün-Rot noch rasant angestiegenen Ausgaben nun entsprechend stark kürzen: 2025 will man 3 Mia sparen und 2026 sogar 5 Mia. Erwartungsgemäß schlägt die Opposition schon Alarm, dass soziale Leistungen gekürzt werden.

    Hoffnung macht mE, dass zuletzt in wichtigen Bereichen trotzdem auch durchaus positive Meldungen zu vernehmen waren.

    - Beim Bildungsmonitor konnte sich Berlin nur wenige Jahre nach Regierungswechsel bereits deutlich verbessern (von 15 auf 12, bundesweit deutlichste Verbesserung). Der Bildungsmonitor ist bewusst ökonomisch orientiert, misst gleichwohl aber auch sozial-ökonomisch wichtige Indikatoren wie Reduzierung von Bildungsarmut bzw. Gewährleistung von Chancengleichheit, Qualifizierung zu potentiellen Fachkräften und Beitrag zur Sicherung von künftigem Wohlstand und Wachstum. Und von allem was ich mitbekomme, orientiert man sich künftig noch deutlich stärker an dem bisher nachhaltigsten Aufsteiger und neuen Musterschüler Hamburg.

    - Beim Thema Verwaltungsreform bzw. Bürokratie(abbau) ist man dank parteiübergreifender Bemühungen offenbar kurz davor, die hochgradig komplexe und oftmals ineffiziente Berliner Verwaltung neu zu ordnen. Jedenfalls nehme ich es sehr positiv wahr, dass auch die Opposition den Prozess auf einem guten Weg sieht und die Bezirke offenbar auch weitgehend mitziehen.


    Fazit: Zumindest für die Wirtschaft aber auch für die Berliner stehen Themen wie Fachkräftebedarf/Bildungsperspektiven und Bürokratieabbau stets weit oben auf der Wunschliste (bei den Unternehmen sind Fachkräftemangel und Bürokratie sogar regelmäßig zwei der drei am häufigsten genannten Problemfelder). Und zugleich sind dies zwei von nur sehr wenigen Punkten, die theoretisch kaum Geld kosten müssten. Im Gegenteil hat sich mir über Jahrzehnte regelmäßig der Magen umgedreht, wie die Berliner Bildungspolitik und damit zahlreiche Bildungsbiographien durch sinnlose bis kontraproduktive (aber gleichwohl oft teure) Maßnahmen massiv vor die Wand gefahren wurden.

  • In Nauen kommt noch ein neues Rechenzentrum mit 200 MW Kapazität

    Wie kürzlich schon beschrieben, steht die Hauptstadtregion vor einem Bauboom an neuen Rechenzentren. In und vor allem um die Stadt wird die zuletzt erreichte Rechenlast von rund 100 MW sich absehbar vervielfachen. Allein bereits laufende Projekte werden diese in den kommenden paar Jahren auf ca. 700 MW bringen und bis 2040 will allein Amazon mit rund 8 Mia Investitionen in Brandenburg voraussichtlich ähnlich viel zusätzliche(!) Kapazität schaffen (denn 100 MW kosten aktuell meist ca. 1 Mia).

    Nun steigt auch die Frankfurter Firma maincubes mit ein und errichtet bis 2027 auf einem Grundstück am Rande Nauens auf 14ha mehrere Rechenzentren bzw. genauer 6 knapp 30m hohe Rechenhallen mit einer Gesamtkapazität von 200 MW. Der Name lautet übrigens BER02 - in Anlehnung an bestehende und entstehende Projekte in Amsterdam und Frankfurt sowie einen sehr kleinen Ableger in Berlin (BER01) - und trägt somit nicht etwa den Titel NAU01. Ich erinnere mich dumpf an den Ärger in Grünheide über "Giga Berlin". Die Stadt Nauen erhält dafür aber eine neue Firmenniederlassung mit voraussichtlich um die 120 Jobs sowie ca. 3,6 Mio jährlichen Steuereinnahmen und on top eine Menge kostenlos nutzbarer Abwärme. Entsprechend wohlwollend hat man dem Vernehmen nach auch auf die Ansiedlungspläne reagiert und alles möglichst zügig in die Wege geleitet, sodass möglichst schon Anfang 2025 mit dem Bau begonnen werden kann. Platz genug hat man auch. Schließlich ist Nauen eine der größten Gemeinden Deutschlands (u.a. größer als bspw. Maincubes Heimatstadt Frankfurt aber auch als bspw. Stuttgart oder Düsseldorf).

    Und neben dem durch Fontane berühmten Ribbeck ist das 20.000 Seelenstädtchen im Havelland auch u.a. bekannt für die älteste noch bestehende Funkanlage der Welt, in der vor gut 100 Jahren einst wohl wichtige Pioniersarbeit geleistet wurde. In dieser Tradition soll das neue Rechenzentrum insbesondere im nahen Berlin wohl Wertschöpfung und Innovationsschübe in den Bereichen Cloud Computing, High Performance Computing und KI ermöglichen. Die Kunden sollen dabei von grüner und sicherer Energie profitieren, denn der Anschluss an die Nauener Platte und das extrem ausfallsichere Umspannwerk Wustermark sei neben der Nähe zur aufstrebenden IT-Infrastruktur-Region Berlin ein entscheidendes Kriterium gewesen sein (nicht zufällig entstehen im Havelland parallel auch zwei weitere große Rechenzentren). Zusätzlich wird man auf dem Grundstück aber auch ein eigenes Umspannwerk sowie ein Batterie-Speichersystem (BESS) installieren. Um die Kolosse auch nach außen etwas grüner wirken zu lassen, wird man wohl etwas Deckung hinter einer doppelten Baumreihe nehmen (mW zumindest teilweise aber wohl Bestandsbäume).

    Quelle unserhavelland.de (zwar nur ein regionales Blättchen aber überraschend fundiert und mE auch unterhaltsam geschrieben!)

    PM Maincubes

    PM Stadt Nauen

    Quelle entwicklungsstadt.de

    Quelle meiner anekdotischen Einschiebsel: Wikipediaeintrag über die Stadt Nauen


    Deutsche Bahn cancelt ICE-Werk in Stahnsdorf/ dafür Ausbau und ggf. bis zu 400(?) neue Jobs in Rummelsburg und Schönholz

    Wie es auch laufen kann, erlebt man dagegen in der zumindest einwohnertechnisch kaum kleineren Gemeinde Stahnsdorf. Dort ist man sich zwar auch einig - aber das fast ohne Kommunikation und mit gegenteiligem Ergebnis: Niemand vor Ort will das ICE-Werk wirklich und nun kommt auch kein ICE-Werk. In guter Tradition erfuhr die Gemeinde erst aus den Medien, dass die DB stattdessen nun doch lieber bestehende Kapazitäten in Rummelsburg und Schönholz ausbaut, die dann für die nächsten paar Jahrzehnte erstmal reichen sollen (denn ebenfalls aus den Medien hatte man überhaupt erst von den Ansiedlungsplänen erfahren und sich dann auch während des Planungsprozesses immer wieder eingleisig per Einbahnstraßenkommunikation um Infos bemühen müssen). Verständlicherweise empfindet man den Stil der Bahn rückblickend etwas anstrengend und ärgerlich. Traurig ist man dagegen so oder so nicht. Vor Ort herrsche schon jetzt praktisch Vollbeschäftigung und es hätte eine schöne Naturlandschaft beeinträchtigt. Keiner war also recht glücklich mit dem Projekt und die starken Proteste von Anwohnern haben dann womöglich auch eine entscheidende Rolle gespielt. Erfahren wird man es vermutlich nicht. Und ob die für Stahnsdorf geplanten 400 Jobs nun alle vollumfänglich und identisch in Berlin entstehen, hat die Bahn leider auch noch nicht kommuniziert. Jedenfalls dürfte es die beiden lokalen Standorte aber deutlich aufwerten - und somit dürfen sich trotz des Wegfalls irgendwo alle als Gewinner fühlen.

    Quelle rbb24

  • Philip Morris schließt endgültig Neuköllner Fabrik, Coca Cola Logistikstandort in Hohenschönhausen

    Schon seit einigen Jahren werden in Berlin weder Coca Cola noch Marlboro mehr produziert. Nun gab es binnen weniger Wochen die Meldung, dass Philip Morris aufgrund anhaltend rückläufiger Zigaretten-Nachfrage in Europa auch die letzten übrig gebliebenen Mitarbeiter am Standort der einstigen Neuköllner Fabrik entlässt (je nach Quelle ca. 75-100 Mitarbeiter) sowie den letzten verbleibenden Produktionsstandort in Dresden schließt und dass Coca Cola aufgrund veränderter Bestellprozesse zur Erhöhung der Auslastung und zur Verbesserung der Kosteneffizienz nun auch diverse Logistikstandorte dicht macht, darunter auch den in Berlin (knapp 50 Jobs werden dort abgebaut, der Rest zieht in Coca Colas Deutsche Hauptzentrale in Friedrichshain um). Coca Cola bleibt somit nach wie vor in der Hauptstadtregion präsent. Neben der Firmenzentrale gibt es auch noch eine Produktion in Ludwigsfelde. Anders bei der Marke Marlboro, wo Philip Morris schon vor einiger Zeit aber schon neue Pläne für die alte Neuköllner Fabrik entwickelt hat (wohl neue Industrien, Kultur, Sport und Gastronomie).

    manager magazin zu Philip Morris

    rbb24 zu Philip Morris

    rbb24 zu Coca Cola


    Tesla stellt 500 Leiharbeiter fest ein und erhöht erneut die Gehälter

    Umgekehrte Tendenzen zeichnen sich für Europas einzige Tesla-Fabrik ab. Hier wurden im Oktober 500 unbefristete Arbeitsverträge geschlossen und es wird wohl weiter eingestellt. Außerdem wurden nun bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr die Löhne angehoben. Tesla kämpft bekanntlich seit längerem mit einem hohen Krankenstand, wobei Kritik an den Arbeitsbedingungen geäußert wurde. Allerdings bezweifelt Tesla, dass wirklich so viele Mitarbeiter krank sein können und hatte in einigen Verdachtsfällen sogar umstrittene Hausbesuche gemacht. Man darf mE dabei nicht vergessen, dass ein vierstelliger Anteil der inzwischen etwa 12.000 Tesla-Angestellten sich allein aus Berliner Langzeitarbeitslosen rekrutierte (die Job-Center haben allgemein sehr eng mit Tesla kooperiert). Ein zweiter Grund für die erhöhten Festanstellungen und die Lohnzuwächse liegt womöglich daran, dass Tesla zuletzt immer mehr relevante Genehmigungen und Teilgenehmigungen für den geplanten Ausbau der Produktion und Logistik erhalten hatte (zuletzt erst wieder im Oktober). Nach jetzigem Stand ist mW nach wie vor geplant, dass Tesla die Produktionskapazität von 500.000 auf gut 1 Mio Autos sowie von 50 GW auf 100 GW Batteriekapazität verdoppelt und einen großen eigenen Güterbahnhof aufbaut.

    Quelle Sueddeutsche Zeitung

    Quelle ntv


    Fazit: ein Trend setzte sich fort: traditionelle Industrieprodukte haben teilweise zu kämpfen, innovative Industrien haben Zuwächse

    Im letzten Konjunkturbericht von IHK und HWK wurde ja berichtet, dass die Berliner Industrie sich zuletzt sehr gut entwickeln konnte und es u.a. deutlich wachsende Exporte gibt. Generell weist die Hauptstadtregion eine vergleichsweise noch eher kleine aber sehr innovationsfreudige und generell stark auf Wachstumsfelder orientierte sowie überdurchschnittlich produktive Industrie auf. Auch wenn bekannte Marken gehen, muss man sich zumindest nach aktuellem Stand eher keine Sorgen um diesen Industriestandort machen. Man merkt aber auch: Wo man sich nicht gezielt anpassen will und kann (und dafür gibt es erfreulicherweise auch eine Menge positiver Beispiele), dort nützen auch Jahrzehnte an Tradition nichts groß.


    Edit:

    Da es aktuell ja sehr stark nach einer 2. Amtszeit von US-Präsident Trump aussieht und die Exporte in die USA in Deutschland wie Berlin auf Platz 1 sind (mit weiter steigender Tendenz): Es gibt natürlich längst Analysen, wie sich ein Wahlsieg Trumps wirtschaftlich auswirken könnte. Bei einer mittelstarken Erhöhung der Zölle könnte das Deutsche BIP zum Ende seiner Amtszeit um 1 Prozent niedriger ausfallen, bei einer starken Erhöhung vermutlich 1,5 Prozent.


    Das ist gerade aktuell keine erfreuliche Aussicht, zumal in den USA parallel sicher weiter Industrieansiedlungen forciert werden. Da der Trend in Deutschland aber ohnehin stark weg von energieintensiven Industrien sowie hin zu hochwertigeren Produkten mit besseren Margen geht, dürfte es auch nur ein weiterer Katalysator sein. Hier dürfte die Berliner Region zudem etwas Glück haben, dass vergleichsweise ohnehin eher weniger energieintensive Industrie vorhanden ist und man beim Strukturwandel der Industrie (wenngleich unfreiwillig) längst weit vorne mit dabei ist.


    Wohlgemerkt hat auch Biden und würde auch Harris den eingeschlagenen Weg fortführen, wenn auch etwas moderater bezüglich Zöllen. Das merkt man mE auch daran, dass die ermittelten Auswirkungen auf das BIP nicht exorbitant hoch ausfallen.

    2 Mal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Da der Trend in Deutschland aber ohnehin stark weg von energieintensiven Industrien sowie hin zu hochwertigeren Produkten mit besseren Margen geht, dürfte es auch nur ein weiterer Katalysator sein. Hier dürfte die Berliner Region zudem etwas Glück haben, dass vergleichsweise ohnehin eher weniger energieintensive Industrie vorhanden ist und man beim Strukturwandel der Industrie (wenngleich unfreiwillig) längst weit vorne mit dabei ist.

    Faszinierend wie man so die Deindustrialisierung und Wohlstandsvernichtung in Deutschland beschreiben kann. Was für "hochwertigere Produkte mit besseren Margen" denn und vor allem in welchem Umfang?

  • Blaine Dazu hatte ich hier mal eine Studie der Deutschen Bank geteilt, die auch schon von anderen Analysten bestätigt wurde: Zumindest bisher hat sich der traditionell enorme deutsche Exportüberschuss offenbar wieder auf dem hohen Niveau von vor dem Strukturwandel eingependelt. Ähnlich wie schon seit längerem in Japan zeigt sich dabei aber, dass eher stärker verarbeitete Produkte mit entsprechend höherer Wertschöpfungsdichte und auch besseren Margen das Rennen machen. Das kann leider umgekehrt auch bedeuten, dass weniger (höher qualifizierte) Menschen daran partizipieren. Für die Volkswirtschaft insgesamt wirkt es somit eher wie ein Nullsummenspiel und die kollektive Untergangsstimmung ist deutlich überzogen. Für betroffene Branchen, Firmen und Individuen ist es jedoch durchaus existentiell dramatisch. Das differenziert zu betrachten und beides gelten zu lassen, ist ein Balanceakt.