Nochmals zu Tesla und Nio:
Für den regionalen Standort ja, aber auch nur dort. Klar profitieren jede Menge Zuliefererfirmen von der Ansiedlung, aber die hätten auch profitiert, wenn dort eine VW/BMW/Daimler-Fabrik entstanden wäre. Tesla und Nio sind natürlich hier, um unseren Herstellern Anteile abzunehmen.
Sowohl Wettbewerber als auch Branchenexperten und Politiker haben die Tesla-Ansiedlung als sehr positives Signal für den Deutschen Automobilstandort bezeichnet und ich bin mir sicher, dass sie bei einem technologisch spannenden Unternehmen wie Nio zum gleichen Urteil kämen.
Wenn ausländische Konzerne kein vollwertiger Teil der Branche und Industrie wären, bräuchte man sich ja umgekehrt auch keine Gedanken mehr um die kriselnden Werke von Opel und Ford machen - gehören uns ja auch nicht (mehr) so richtig. Dann doch lieber sterben lassen und so ggf. VW etwas höhere Anteile verschaffen? Da faktisch aber ein Wettbewerb herrscht und Tesla, Nio und Co auch von Frankreich, Ungarn, Marokko oder sonstwo operieren könnten, ist jeder globale Wettbewerber mit Sitz in Berlin bzw. Deutschland mE eine gute Nachricht. Das sind alles wichtige Arbeitsplätze und auch Exporte. Und nebenbei bringen die Supercharger (Tesla) und Batteriewechselstationen (Nio) uns auch sehr willkommene neue Infrastruktur. Übrigens: Auch diverse Deutsche, Japanische und Südkoreanische Autokonzerne haben Abteilungen in Berlin angesiedelt (bei Daimler kam in den letzten Jahren sogar eine ganze Menge dazu, bei VW eine eigene Marke Moia). Und Hyundais in 2019 angesiedelter kleiner Ableger Cradle (die Design- und Entwicklungsabteilung sitzt in dem Fall in Hessen und wird aktuell deutlich ausgebaut) kauft nach wie vor spannende Start-Ups auf dem europäischen Markt auf (als dritter Standort nach Silicon Valley und Tel Aviv sowie inzwischen ergänzt um Peking - hier eine aktuelle Meldung) und so wird auch beim inzwischen wohl drittgrößten Autokonzern einiges von Deutschland und Berlin aus gesteuert.
Rechenzentrum für 1 Mia entsteht in Lichtenberg - nebenbei auch Wärmekraftwerk
Es ist gar nicht lange her, dass Google mit einer angekündigten Milliardeninvestition nahe Berlin für viel Aufsehen sorgte (Stichwort zweite deutsche Cloud-Region). Nun ist ein weiteres Rechenzentrum zu identischen Investitionen innerhalb der Stadt geplant, das es auf 100 MW Gesamtleistung sowie rund 70 MW IT-Leistung bringen soll. Bei der geplanten Eröffnung 2026 wird es damit nicht nur das größte Rechenzentrum Berlins sowie eins der größten Deutschlands sein, es wird dazu auch zu 100 Prozent mit Öko-Strom versorgt werden und zu den leider bislang nur sehr wenigen Rechenzentren gehören (6% in DACH-Region), die zwischen 50 und 100 Prozent der erzeugten Abwärme direkt in Heizleistung und Warmwasser überführen.
In Marienfelde entsteht Gründerzentrum mit 17.000m² Nutzfläche
Auf dem alten Schindler-Gelände wird u.a. mit Hilfe von europäischen Fördergeldern eine alte Werkshalle modernisiert und erweitert. Aufgrund der Förderung sollen bezahlbare Mieten für aufstrebende kleine Unternehmen ermöglicht werden. Insgesamt können so ab 2025 bis zu 5.000 Arbeitsplätze angesiedelt werden. Dabei legt man sich nicht auf eine Branche fest. Parallel baut u.a. die HTW das Gründungszentrum Oberschöneweise aus (Link) und auch in Tegel kommt die Planung des Kongress- und Gründungszentrums in Kooperation mit der BHT zunehmend voran (Link).
Es wird weiter geboren, geheiratet ... und gearbeitet und investiert
Wie ich schon mehrfach schrieb: Mir gefallen einige Entwicklungen auch nicht so wirklich (äußere wie selbst verschuldete). Aber die ewige Schwarzmalerei ist auch nur ermüdend bis lähmend. Ich verfolge diese Haltung jetzt schon seit ich hier schreibe - also noch vor Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Coronakrise und Krieg nebst Energiekrise. Tatsächlich waren die Zeiten u.a. für Berlin damals wirtschaftlich noch deutlich schwieriger als jetzt. Man steht also trotz der ganzen Krisen besser da und es warten auch noch eine ganze Menge Investitionen in der Pipeline (Tesla, Siemens, Google...), die alle noch wirksam werden und weitere Folgeinvestitionen erzeugen werden. Trotzdem wird die Zukunft immer düsterer gezeichnet. Und wenn einer der spannendsten aufstrebenden Autohersteller massiv seine Präsenz ausbaut (erst Nio House und Wechselstation, jetzt europäischer Innovationshub) und schon direkt mit 25-30 Top-Spezialisten aus 11 Nationen startet, dann wird das auch primär als Bedrohung wahrgenommen. Aber die Schwaben nehmen uns hier ja bekanntlich auch nur die Jobs und Wohnungen weg mit ihrer schrecklichen Qualifikation und Kaufkraft. Dann soll Berlin lieber weiter im eigenen Saft vor sich hin gammeln.
Man kann sich manchmal kaum vorstellen, dass Berlin Mal eine der führenden Metropolen der (westlichen) Welt war und zumindest in einigen Bereichen auch wieder auf dem Weg dorthin ist. Generell kann man von dieser Stadt und diesem Land gut lernen, dass man selbst nach dunkelsten Zeiten (u.a. 30-jähriger-Krieg, 2. WK, Kalter Krieg...) immer wieder zurück kommen und sich dabei sogar immer wieder neu erfinden kann. Denn die Welt dreht sich weiter und zumindest bisher ist uns mW auch noch nicht der Himmel auf den Kopf gefallen.