Arty Deco : Dass Deutschland das China der USA sei, ist zwar eine hübsche Polemik, aber falsch. Deutsche Firmen lassen (wie amerikanische) seit den Nullerjahren gerne in Fernost produzieren, weil dort die Lohnstückkosten geringer sind (die Fallstricke dieser Logik lasse ich mal außen vor). In Deutschland sind die Löhne aber höher als in den USA, zudem die Arbeitnehmerrechte stärker. Auch wenn Tesla einfache Tätigkeiten bislang 20 Prozent unter Tarif bezahlt: Billiglöhne dürften kaum der Grund für die Ansiedlung sein – zumal zwei der bislang vier Tesla-Fabriken in den USA stehen und eine fünfte dort gerade gebaut wird.
Warum also Grünheide? Ich vermute, Musk wollte eine Fabrik in Europa, um dort sein Markenimage zu verbessern. Berlin bietet sich als Standort aus mehreren Gründen an – erstens hippes Start-Up-Appeal, zweitens zentrale Lage, drittens tatsächlich auch günstigere Arbeitskräfte aus dem nahen Polen (die trotzdem dem deutschen Arbeitsrecht unterliegen, was Musk vielleicht unterschätzt hat). Dass Grünheide nicht in Berlin, sondern nur bei Berlin liegt, dürfte aus seiner Perspektiive keine Rolle spielen – ich bin sicher, dass er von "our berlin factory" spricht und nicht von "our oder-spree county factory".
Ich sehe die Fabrik sehr kritisch. Zum einen, weil ich E-Autos nicht für die Lösung des Mobilitätsproblems halte; zum anderen, weil das Wasserproblem für die Region fatal werden könnte. Auch stehe ich der Silicon-Valley-Ideologie ablehnend gegenüber. Dass Staat und Wirtschaft von dieser Ansiedlung nicht profitierten, stimmt aber nicht: Tesla zahlt Gewerbe- und Grundsteuern wie jeder Tante-Emma-Laden (auch wenn die Gewinnbesteuerung in den USA liegt); Grünheide wird eine sehr reiche Gemeinde werden. Und 12.000 Leute zusätzlich zahlen Lohnsteuern (auch wenn sie in Polen leben). Zulieferbetriebe dürften neu entstehen, kleine Händler und Handwerker in der Region vom Zuzug profitieren.
Ich wünsche der Tesla-Belegschaft einen starken Betriebsrat, der Tariflöhne durchsetzt. Aber schon jetzt ist dieses Tesla-Ding ein Boomfaktor für Brandenburg, kein Dritte-Welt-Standort für Billigproduktion.