Verkehrsprojekte

  • der Radentwicklungsplan täuscht mehr vor als er bringt. Beispiel Fahrradstraßen: Diese verlaufen oft in Wohn und Siedlungsgebieten, werden also zwingend auch PKW-freigegeben sein und beparkt werden. Dann sind es genau solche Alibi-Fahrradstraßen wie im Zentrum (Dittrichring) - Nutzen nahe Null. Erschreckender ist, dass selbst zentrale Abschnitte am Ring nicht verändert werden, konkret Radführung von Kreuzung Grünewaldstraße bis Augustusplatz. Derzeit sind die Gehwege frei gegeben, die Platten machen eine Holperpiste draus, die Goldschmidtstraße ein Querungsproblem, das Versicherungshochhaus mit dem Arkadengang ein Sicherheitsproblem und der Hoteleingang lässt über den roten Teppich radeln - alles aber nicht zukunftstauglich. Hier wäre es auch an der Zeit, eine der Fahrspuren umzuwidmen, so wie es in Gegenrichtung kommendes Jahr passiert.


    Die Wahrnehmung in der Bevölkerung ist grottig, nach 60 bis 70 Jahren Platzzuteilung an den KfZ-Verkehr empfinden diese Nutzer ein erhebliches Beschneiden ihres Freiheitsgefühls als Weltuntergang. Diese Gefühlswelt wird von zwei Stadtratsfraktionen aufgegriffen, welche sich aus dem ehemals einstimming mitbeschlossenem Nachhaltigkeitsszenario verabschiedet haben und wortbrüchig geworden sind. In Personalunion verteten diese auch die HWK und machen mit den zwingend erhobenen Kammergeldern Stimmung gegen jedwegliche Verbesserung anderer Verkehrsträger. Allerdings haben diese auch in der stockkonservativen LVZ-Presse ein treues kritikfreies Verbreitungsmedium gefunden.

  • Welche Grabenkämpfe nun ausgetragen werden - in einer Phase, in der nicht mehr nur geredet oder geplant sondern umgesetzt wird, zeigte letzten Donnerstag die Stadtbezirksbeiratssitzung Ost. Der Saal übervoll, Tagesordnungen von Interesse war:

    1) Parkraumkonzept Anger-Crottendorf (das Areal nördlich der Zweinaundorfer Straße beiderseits des Parkbogens)

    2) Ausweitung Superblocks auf das Gebiet nördlich der Eisenbahnstraße zwischen Torgauer Platz und Listplatz


    Zu 1. gab es eine Analyse, welche 2022 durchgeführt wurde und eine Auslastung von 90% der möglichen Parkplätze im öffentlichen Raum abbildete, es wurde von 6 bis 22 Uhr ermittelt. knapp 15% Falschparker (krass!!) rund 3100 kfZ sind dort gemeldet, rund 2.500 Parkplätze gibt es im öffentlichen Raum, der Rest n TG oder Höfen oder privaten Flächen --- ein Parkhaus ist am Platz vor der Ostwache geplant, denn dort wird die Rettungswache neu gebaut, soll im EG eine Art Konsum rein und nebenan eine Grund oder Mittelschule gebaut werden. Der Platz, aktuell zugeparkt, wird Grünfläche. Die Straße unter der Brücke wird leicht abgesenkt (dann können auch Busse passieren!) Das Parkhaus soll knapp 400 Plätze fassen.

    --> Ein SBB Mitglied monierte, dass seit 2022 sich Rahmenbedinungen geändert haben und verlangte eine neue (Meine Meinung: Es ändert sich laufend etwas, das ist nutzloses Verzögern ohne grundlegend neue Erkenntnisse)

    --> ein Zuhörer monierte, dass nach 22 Uhr es noch voller wird, wenn Schichtarbeiter heim kommen (mein Einwand: statistisch fahren auch Schichtarbeiter los, es sollte sich weitgehend ausgleichen und ohnehin zahlenmäßig nicht gravierend sein)

    --> selbst merkte ich als Zuhörer an, dass Parkhäuer eher eine trügerische Lösung sind. Das vor meiner Haustür wird demnächst abgerissen, weil es nur zu 10% genutzt wird. Neue Parkhäuser zu heutigen Bau- und Betriebskosten werden monatliche Gebühren von gut 150 bis 200 Euro erfordern, nur dafür, dass man zu Hause parken kann. Bei 49 Euro für ein bundesweit gültiges Nahverkehrticket ein sehr großer Kostennachteil fürs Auto. Es wird sozial schwer werden, festzulegen, wer sich dann dort einmieten muss, wenn bisherige Stellfächen entfallen. Gefragt hatte ich, ob der Autobesitz in der städtischen Statistik aufteilbar ist in Arbeitsnehmeralter und Rentneralter bzw. generell eine Alterspyramide existiert.

    --> vor der Sitzung hatte ich einen Busfahrer der neuen Linie 71 gefragt, wie er denn diese enge Tour wahrnimmt: Es bräuchte zwei Begegnungsstellen in der Th.-Neubauer-Str, also parkierungsfreie Bereiche, wo sich KfZ begegnen können und bestehende Verbote müssten konsequent durchgesetzt werden (dafür braucht es neues Führungspersonal im Ordnungsamt)

    --> ein weiterer seniorer Bewohner meinte, dass die Bewohner dort gespalten werden sollen, weil so viele junge Leute dorthin ziehen die alles anders haben wolllen


    zu 2.) Hier gab es dann tumultartige Szenen. Die Tagesordnung sah vor, dass zuerst nur der SBB sich diskutierend eine Meinung bildet. Doch nach kurzer Zeit riefen Zuhörer Unmut und Gezeter in die Runde und setzten diese Regel außer Kraft.

    - Die SBB Leute mit ablehnender Haltung monierten, dass sie (= die Bevölkerung) nicht informiert wurde, nicht beteiligt wurde. Rein objektiv stimmt das nicht. Die Ablehner sind trotz Einladung nicht zu den Veranstaltungen erschienen. Von Superblocks noch nie gehört zu haben, obwohl der Pilot Hildegardstraße seit ein paar Jahren besteht, ist auch eine ich sage mal mutige Behauptung.

    - eine Zuhörerin (ablehnend, bekannt mit der Petentin der Gegenpetition) kämpfe laut ihrem Bekunden unablässig für Demokratie und Beteiligung. Es kam aber heraus, dass sie nicht wusste, welche Funktion das Gremium SBB hat und wie sich Informationen zu beschaffen sind. Da lagen offenbar Anspruch und Wirklichkeit meilenweit auseinander.

    - im Vorfeld wurden von der LVZ ungeprüft Desinformationen verbreitet, welche von den anwesenden städtischen Mitarbeitern aufgeklärt wurden. Trotzdem tauchte ein Bürger mit migrantischen Wurzeln auf und schrie unablässig von Lüge, er werde alles stoppen und das zu verhindern wissen. Donald Trump könnte viel von ihm lernen, wie ein Kapitol erfolgreich gestürm wird

    - eine migrantische Frau erklärte, dass eben jener Typ alle Fürsprecher im Quartier massiv bedroht, auch sie wurde von ihm schon angegangen...

    - ein SBB Mitglied mit ablehnender Haltung zählte auf, dass es mehrere Vereine gibt, in denen die Hauptakteure die gleichen Bürger seien, die Superblocks befürworten und sprach von Verflechtungen usw. Das muss man sich mal vorstellen: Ein Teilnehmer des basisdemokratischsten städtischen Gremiums beschimpft Bürger, welche sich engagieren und das halt in mehreren Vereinen machen --- wie perfide ist das denn?

    - Das Hauptziel, den Durchgangsverkehr aus dem Quartier heraus zu halten, sollte eigentlich die Wohnqualität stärken. (eine Studie hat den gemessen, es sind im westlichen Teil rund 1.700 kfz / Tag!) Statt sich zu freuen über mehr Ruhe wird nun befürchtet, dass dies eine geplante Verdrängung der stark migrantischen Bewohnerschaft sein soll, das Gentrifizierung geplant sei. Im persönlichen Gespräch danach war diese Meinung (eines arabischen Studenten) nicht zu kippen.

    - auch der Herr Lux, HWK-Chef und CDU-Ratsmitglied meldete sich und betrieb wieder einmal in gewohnter Scheinheiligkeit mit Strohmannargumenten Boykott des aufgekündigten Nachhaltigkeitsszenarios. Er kündigte Hr. Dienberg (im Podium anwesend) an, im Stadtrat dagegen zu sein, weil die städtische Begründung für Superblocks Klimaverbesserung sei und schon der Pilotabschnitt zeige, dass diese nicht eintritt und auch die Ausweitung sich klimatisch nicht messbar auswirke. Ich weiß nicht, ob das die einzige Begründung der Stadt war und/ oder wie diese zustande kam. Lux forderte erst den Piloten komplett zu evaluieren. Das ist sein täuschender Ansatz. Der Pilot ist so klein, dass dessen Wirkung zwar evaluiert werden kann, aber die Wirkung von Superblocks erst im Zusammenspiel mehrerer auftritt. Dann sprach er davon, dass er kurzfristig soundsoviel seiner Kammermitglieder angeschrieben habe und eine große Anzahl habe wohl mit überwiegender Skepsis und oder Ablehnung geantwortet. Noch eine Scheinheiligkeit. Erst erschien er nicht zu den Infoveranstaltungen und dann hat er es verpasst, seine Kammermitglieder über die verpassten Inhalte zu informieren und nun moniert er, nicht informiert zu sein. Klar, dass jemand ohne gründliches Wissen über Superblocks sich da nichts drunter vorstellen kann und erst mal ablehnend reagiert. Leider stürmter er nach dem Thema davon, so dass ich ihn nicht direkt fragen konnte, warum er ein so dreister Falschspieler ist.

    - dann wurde im SBB angezweifelt, dass am Abend ein Votum zu Superblocks notwendig sei. Die Sitzungsleiterin musste dem SBB selbst erklären, dass ohne Votum der Stadtrat kein Meinungsbild vor Ort bekommt, wenn der die Planung beraten und beschließen soll. Das gab nochmal Tumulte im Saal

    - die Abstimmung endete mit 5 Für, 3 Gegen Superblocks

    - in den Gesprächen danach wurde mir deutlich, dass skeptische Gewerbetreibende in der Tat von den Planungen überrascht waren. Ich bezweifle, dass ein ehrenamtlicher Verein (Superblocks) verantwortlich ist, hier wäre eben die HWK und/oder IHK und auch die Stadt in der Pflicht gewesen. Wobei ich nicht weiß, ob und was jemals im Amtsblatt gestanden hat.

    - Die Gentrifizierung sitzt den Bürgern und Hauseigentümern stark im Nacken, die Veränderung des Durchfahrverbotes wird als Anlass dafür gesehen. Später kam heraus, dass ein Hausbesitzer eher wegziehen würde, wenn die zwei FamilienPKWs nicht mehr parken können, dann ist es jedoch keine Gentrifizierung sondern eine Prioritätensetzung.


    Ich kann jedem empfehlen, sich derartige Veranstaltungen mal anzutun. Die Bürgerschaft überrascht doch immer wieder.

  • selbst merkte ich als Zuhörer an, dass Parkhäuer eher eine trügerische Lösung sind. Das vor meiner Haustür wird demnächst abgerissen, weil es nur zu 10% genutzt wird

    Danke für den interessanten Bericht.

    Kurze Frage: Welches Parkhaus ist das, welches 10% ausgelastet ist und demnächst abgerissen wird?

  • Wir brauchen Volksabstimmungen wie in der Schweiz, bei denen nach einem gewissen Beteiligungsprozess abgestimmt wird und im Nachgang der weitere Rechtsweg ausgeschlossen ist.

    Permanent alle zu hören und beteiligen zu wollen funktioniert nicht, und bis mal relativ kleine Projekte wie Superblocks umgesetzt werden sind wir alle schon lange tot. Die breite Masse ist einfach zu dumm, so kommen wir nie zu Potte.

  • 555Farang


    neee, Volksabstimmungen gehen schief, dann hätten wir weder einen schönen Hbf, noch einen City-Tunnel oder andere wichtige Errungenschaften.


    LEurban

    Diese Ideen trägt der Eigentümer mit sich, ob und wie diese konkret umgesetzt werden weiß ich auch nicht. Das Parkhaus ist jedenfalls ein irrer Schandfleck.

  • neee, Volksabstimmungen gehen schief, dann hätten wir weder einen schönen Hbf, noch einen City-Tunnel oder andere wichtige Errungenschaften.

    Was zu beweisen wäre. Die Schweiz hat jedenfalls ein paar längere Tunnel als wir.

  • Beweis:


    In der Schweiz sind beide "Verhandlungspartner seit Jahrzehnten in Abstimmungen geübt. Das heißt: Die Einreicher wissen, dass sie mit konkreten Fakten und Zielsetzungen überzeugen müssen und das Stimmvolk weiß, dass es sich Informationen beschaffen muss und informieren muss. Nimm hießige Großinvestitionen: Den Sinn der A72 Leipzig - Chemnitz versus der Verlängerung der ohnehin vierspurigen B2/94 ab Borna kann niemand mit echten Fakten begründen, es ist Geldvernichtung. Hier kommen dann im Politsprech Worte wie modern und transeuropäisch und bedeutsam usw. Also schwammige Begriffe. Damit wäre kein Schweizer Stimmvolk überzeugbar. Ich habe mal dort erlebt, wie der Umbau der Bahngleise zwischen Zürich und Chur begründet wurde, da wurde der Bevölkerung haarklein erläutert, warum welche neuen und schneller befahrbaren Weichenverbindungen diese und jede Taktknoten sichern helfen und die Gesamtfahrzeit um soundsoviel Sekunden stabiler wird. Übertrag das mal nach Leipzig: Da gibt es bis heute keine Weichenverbindung, damit die Flughafen-S-Bahn die Stationen Essener Str. und L-Nord bedienen kann. Aber die Adjektive der Hochglanzprospekte klingen wundersam --- Nein, hier in Deutschland kann weder erklärt werden (da wird eher geschummelt) oder die Bevölkerung ist mit der Komplexität der Maßnahme überfordert. Siehe Radnetzplanung oder City-Tunnel. Weder Medien noch Bürger haben gründlich VORHER gewusst, WARUM das eine eine sinnvolle Investition ist und der immer noch gewünschte Ost-West-Tunnel KEINE sinnvolle Investition ist. Defintiv ist es besser, wenn Fachleute die Entscheidungen vorbereiten und den demokratischen Gremien vorlegen. Da Bürger ja die Teilhabe ausüben können, in TÖB, Verbänden und Vereinen, wird grundsätzlich keine Idee ausgeschlossen. Allerdings - und das zeigte die Diskussion Superblocks auch - man muss sich selbst rechtzeitig informieren und KÜMMERN.


    Die Schweizer bekamen mit dem Gotthard-Basistunnel eine echte Verbesserung. Da dort seit 1980 umgesetzt wird, was seit wenigen Jahren erst nun auch für für ganz Deutschland gelten soll, ein Integraler Taktfahrplan, stand schon Jahrzehnte vor der Eröffnung fest, wie viele Taktsprünge (also 30 Minuten Raster) die Züge schneller im Tessin sind. Der Fahrplan stand quasi fest. Geografisch determiniert. Das wollen die Schweizer und beschlossen zwei mal, dass weitere Milliarden Franken ob der Kostensteigerung eines solchen Mega-Projektes zu bewilligen wären. Die deutschen Schnellfahrstrecken kommen gern 5 bis 7 Minuten NACH den sinnvollen Taktknoten an, vergeigen also trotz zig Milliarden Baukosten Flächeneffekte. Damit wäre keine Volksabstimmung zu gewinnen.


    ausreichend bewiesen?

  • @ C. S. Interessanter Text, aber ich bin verdutzt. Beweist du damit doch eher die Vorteile von Volksabstimmungen. Indem Vorhaben gut begründet werden müssen, durchlaufen sie eine Prüfung. Auch hierzulande wird natürlich viel geprüft, aber da am Ende nur wenige Köpfe entscheiden, flutschen unsinnige Kuhhandel und fixe Ideen doch etwas leichter durch. Im Verkehrsbereich kenne ich mich nicht gut aus, aber mir fällt spontan die Streckenführung Berlin-München ein, die unbedingt über Erfurt führen musste, weil der Thüringische Ministerpräsident seine Kontakte hat spielen lassen. Zugegeben, für Erfurt hat das mehr Positives bewirkt als ich erwartet hätte, aber gesamtgesellschaftlich wäre ein anderer Streckenverlauf wohl sinnvoller gewesen.


    Eine Gewähr, dass immer richtig entschieden wird, gibt es natürlich auch bei häufigeren Volksabstimmungen nicht. Recht hast du, dass so etwas eingeübt werden muss, aber das ist ja kein Grund, nicht damit anzufangen. Die Demokratie unter Adenauer hat überhaupt nicht dem entsprochen, was wir heute noch akzeptabel fänden, aber es war ein Anfang und als solcher sehr gut.


    In Verbänden und Vereinen kann und muss man sich auch in der Schweiz organisieren, wenn man einen Wandel herbeiführen oder sonstige Ziele erreichen will. Da sehe ich kein Entweder-oder. Dass man bei der Möglichkeit von stärkerer Beteilugung und basisdemokratischen Entscheidungen keine Großvorhaben mehr umsetzen kann, halte ich für Unsinn. Du schilderst ja selbst ein Gegenbeispiel. Aber sie müssen eben gut begründet sein.

  • ich hatte erläutert, dass die Deutschen nicht geübt sind, sich qualifiziert informiert zu halten (das zeigen auch die Anstiege populistischer Deppenparteien). Und nein, es wird fachlich disktiert, nur muss man ganz schnell dabei sein. Stuttgart21 zeigt die Volksabstimmung, was passiert, wenn eine kleine Mehrheit JA zum dümmsten Bahnprojekt sagt. Die VDE8 über Erfurt ist hingegen sinnvoll, hier wärst du selbst Opfer der Sinnesttäuschung bei einer etwaigen Abstimmung geworden, weil der Umweg zum einen kein nennenswerter in Summe ist (Strecke UND Höhenbezogen) und zum anderen VDE9 (Anbindung Dresden via Leipzig Richtung Westen (Frankfurt) schon mal bis Erfurt mitabgefrühstückt wird. Der Rest sind zum großen Teil Ammenmärchen, weil die Politik sich gern in den Vordergrund spielt, wenn Ingenieure vorab Pläne auf den Tisch gelegt haben, die scheinbar doch sinnvoll sind. Die rappelvollen ICEs und sukzessiven nachverdichtungen (Halle Berlin demnächst im 30er Takt) beweisen den Erfolg.


    Wie man mehr Basisdemokratie erreichen kann, weiß ich nicht. (und wenn, würde ich es erst als Patent anmelden und dann schreiben *lach*), aber Volksabstimmungen zu entwickeln braucht Jahrzehnte. Was passiert in den kommenden Jahrzehnten? (Spekulation:) Die Welt wird immer komplexere Problemlagen bekommen, weil unsere Veränderungsbereitschaft so lange klein ist, bis das sprichwörtliche Kind im Brunnen aufgeschlagen ist. Klartext: Unsere fossile Energieabhängigkeit wird auf Jahre hinaus zu seltsamen Sitationen führen, mit krassen Folgen in Sachen Konflikten, Kriegen und Erpressbarkeit. Dann kommt die mit voller Wucht hochlaufende Erderwärmung hinzu. In wenigen Jahren werden Länder mit Hunderten Millionen Einwohnern wärmer als 50°C werden, unbewohnbar also. Wohin mit den Menschen? Sterben lassen? Auswandern? Wohin? Platz und Sicherheit ist eigentlich nur auf der Nordhalbkugel, davon eher weniger in der riesigen russische/chinesischen Hälfte, denn Diktaturen sind da so uncool. Also EU und Nordamerika. DANN reden wir nochmal über Polykrisensituationen, wenn nicht 200.000 Migranten, sondern 20 Millionen anklopfen, ein Lindner2.0 sich an die Schuldenbremse kettet oder populistisch Massenerschießungen im Gespräch sein werden. 5 Jahre, 10 Jahre, einerlei - zu kurz um dem Volk die nötige Ruhe und Gelassenheit beizubiegen, als spontanen Bauchentscheidungen (die Radspuren sind scheiße, es muss sich ja stauen) rational denken und rechnen zu lernen (gar nicht so schlecht, wenn mehr Rad gefahren wird, und es ist ja eh wichtig, wie viele Kfz hinfahren und wieder wegfahren können und wie viele die längst gebauten anderen Wege nehmen könnten. Bis ALLE Bürger als wirksame Volksabstimmung so weit mitgrübeln gelernt und verinnerlich haben, sind längst populistische Rattenfänger da gewesen und haben Köder ausgelegt.


    Deshalb halte ich den Weg über Vereine, Verbände und als Interessierte Einzelperson Basisarbeit zu leisten für sicherer und zielführender.

  • Die großräumige Trassenführung (Stichwort "Erfurter Beule") entgegen einer direkten Linienführung kann man auch anders sehen. Es ist hinlänglich bekannt, dass die Entscheidung auf Klüngelei zwischen den Parteifreunden Vogel und Kohl zustande kam. Selbst Tiefensee als er schon thüringischer Wirtschaftsminister war hat in der LVZ die Entscheidung zum Knoten Erfurt als einen Fehler bezeichnet, der (Zitat) "hoffentlich in vielleicht 30 Jahren korrigiert wird". Noch einmal: Der Mann ist Minister in Thüringen! Dass Leipzig bei der ganzen Sache mehr oder weniger "links liegen gelassen wurde" ist aufgrund der Größe und Bedeutung der Stadt und seiner bahninfrastrukturellen Kapazitäten durchaus ein Ärgernis (die Bahn-Historie gar nicht erst berücksichtigt).

  • die Fahrgastzahlen zeigen, dass es kein Fehler war. Dass Leipzig noch keinen 30er ICE Takt hat, kann man jetzt nicht der kurzen Reisezeit der Berlin - Nürnberg- München - Kunden anlasten.


    Was wäre denn die Alternative gewesen?

  • Wieso sollten denn die Fahrgastzahlen mit einer direkten Linienführung und einem Knoten Leipzig schlechter sein?! Letztendlich Makulatur da schon lange beschlossen und umgesetzt aber die damalige Entscheidung gegen Leipzig als Kernstadt Mitteldeutschlands mit großer, unausgelasteter Bahnhofskapazität (und gelegen auf direkter Linie zw. B und N) war der hiesigen Entwicklung nicht förderlich. Nun hat Erfurt halt massiv profitiert.

  • Ja, Erfurt ist Systemknoten der Ost-West-Strecke Frankfurt - Dresden und Berlin - München (bzw. alles was in deren Relationen rollt). Bahnsteiggleiches Umsteigen wird angeboten und als Durchgangsbahnhof zeitsparend schnelle Ein- und Ausfahrten. Ein Idealfall. Warum die Führung über Halle: Selbst mit oder ohne Auslassen Halles als Halt ist es deutlich schneller als via Leipzig für den Bedarf Berlin - Erfurt - Frankfurt, den Bedarf Berlin - Erfurt - Nürnberg und Berlin - Erfurt - München. Nimmt mal als Potenzial mal die Flugverbindungen Berlin - München und Berlin - Nürnberg ergeben diese bereits volle ICE-Längen im Stundentakt, sofern flugrelevante Zeiten drin sind. Die sind halt via Erfurt drin.


    Darum fragte ich wie eine Alternatve ausgesehen hätte, welche diese Bedarfe adäquat via Leipzig geführt hätte.


    Wichtig: Dass diese schnelle Route so dicht befahren wird und weiter verdichtet wird, zeigt, dass die Bahn erfolgreich gegen Auto (A9) und Airlines angehen kann.


    Noch wichtiger: Das ist völlig unabhängig davon, dass Leipzig auch häufige Verbindungen in all diese Richtungen haben muss. Haken daran: Bisher waffelten sich die früheren Landesfürsten, weil immer nur Mini-Mengen geplant wurde, und eine Linie als Wollmilchsau alle Aufgaben gleichzeitig schaffen sollte. Inzwischen löst sich die Bahn von den Zwängen und es gibt weitere Angebote, sogar Anbieter.


    Haken an der Sache: Für eine Führung über Leipzig, die das geschilderte unabhängig von der Gesamtregion Mitteldeutschland bestehende Aufkommen nötige Taktgefüge auf die Gleise bekäme, hat Leipzig in keine Richtung Strecken: Überall Mischverkehr mit Einschränkungen. Hier hätten wir uns alle abgesägt, wenn VDE8 nicht gekommen wäre. Denk das mal konsequent zu Ende.

  • Es ist ein altes Thema, welches wir hier diskutieren, aber ich möchte dazu auf den Spiegel-Artikel verweisen, den ich damals gelesen habe und einleuchtend fand:


    https://www.spiegel.de/spiegel…ehlplanung-a-1182450.html


    Die Essenz lässt sich mit euren beiden Ansichten m. E. in Übereinstimmung bringen. Demnach ist die Strecke natürlich eine große Angebotsverbesserung und die Auslastung könnte als Erfolg gewertet werden. Allerdings wäre wohl noch viel mehr drin gewesen. Statt einer Verkürzung von sechs auf vier Stunden wären demnach weniger als drei Stunden möglich gewesen. Dies wäre auch der Wunsch der Bahn gewesen. Damit hätte dem Flugzeug noch stärker Konkurrenz gemacht werden können. Die Streckenführung über Erfurt hätte zudem die Baukosten durch viele notwendige Tunnel und Brücken im Vergleich zu München-Nürnberg-Leipzig-Berlin stark erhöht. Schließlich sei die Strecke für den Güterverkehr kaum geeignet. Der Artikel erschien 2017.

    Der Rest sind zum großen Teil Ammenmärchen, weil die Politik sich gern in den Vordergrund spielt, wenn Ingenieure vorab Pläne auf den Tisch gelegt haben, die scheinbar doch sinnvoll sind.

    Hierzu wird im Artikel Eckart Fricke, der für die Strecke zuständige Bahn-Bevollmächtigte zitiert:


    "Es war seinerzeit allein eine politische Entscheidung, ob die Neubaustrecke als Direttissima oder mit dem Knick über Thüringen von Berlin nach München geführt wird."


    Stuttgart 21 sollten wir hier lieber nicht diskutieren, aber den (zu) spät durchgeführten Volksentscheid als Beleg für Dysfunktionalität von Basisdemokratie gegenüber Experten- und Politikerentscheidungen anzuführen, passt nun wirklich nicht.

  • sehr interessant, danke. Der Spiegel ist halt der Spiegel. Der hat nicht umsonst die Skizze der Direttissima verschwiegen, denn mir sind aus den 90ern keine Pläne bekannt, wo und wie die hätte verlaufen sollen. Das ist wohl eher die Fata Morgana des heiligen Ideals welche da bemüht wurde. Der Letzt-Stand der angeblichen Direttissima via Leipzig liegt mir nämlich so vor: ICE via Bitterfeld, Hbf - City-Tunnel - Altenburg - Reichenbach - Plauen - Vogtlandtunnel bis Nähe Weischlitz, dann Bestandstrasse nach Hof, von dort Neubaustrecke gerade parallel zum Gebirgskamm rüber nach Nürnberg (also fast Ost west ohne sich auf München zuzubewegen und dann weiter wie gebaut wurde. Ohne dazu einen Fahrplan zu kennen würde ich dafür 5 statt 3 Stunden veranschlagen. Und Leipzig hätte keine S-Bahn.


    Es stecken auch weitere Fehler drin: Systemhalt ist kein Zwangshalt. Um wie in Frankreich schnell zu sein, wäre der Vergleich dann redlich, wenn Halle, Erfurt und Nürnberg ohne Abbremsen mit 300km/h hätten umfahren werden können. Wie lange braucht man dann?


    Noch ein Spiegel-Ding. Aus der 3,5h Regel der Flugzeugkonkurrenz macht der mal 3h und das bleibt ohne Beleg. Warum? Gerade München mit dem Am-Arsch-der-Welt-Flughafen ist selbst mit den nun realen 4 Stunden gut dabei. Zeitlich ist das Flugzeug gut geschlagen. Einer der damaligen Player ist auch weg, die Air Berlin flog ja mit LH um die Wette. Als Netzknoten hat der Flughafen allerdings weiterhin ein und sein Aufkommen. Selbst München Stuttgart wurde oder wird mit 4 x täglich geflogen - für Umsteiger halt. 50% des Münchener Aufkommens sind Umsteiger.


    Erfurt mag heute niedlich daher kommen. Ist immerhin viel größer als Göttingen oder eher wie Kassel, welche die westliche Nord-Süd-ICE-Strecke "ausbremsen" und dort Flugzeugkokurrenz abbügeln helfen. Hm.


    Die Luftlinie Berlin - München führt übrignes durch Tschechien, selbst Leipzig liegt seitlich abweichend, Nürnberg nicht ganz so weit wie Erfurt aber fast so weit. Ist dass dann auch schlecht? NEIN - das klärt der Spiegel nämlich nicht. Wie Fahrgeschwindigkeiten, Reisegeschwindigkeiten, Luftliniengeschwindigkeiten und Tür-zu-Tür-Reisezeiten zusammenn hängen. Da ist der seitliche "Ausschlag" von Erfurt von was weiß ich, halt 90km weit weniger schlimm als 62 statt 58 Miin Fahrzeit zwischen München und Nürnberg. So werden Taktknoten verpasst, es heißt für Anschlussreisende dann knapp 1 h warten und trotz Milliardenausbau genauso langsam sein wie vorher. ITF ist halt mehr als nur das Schielen nach Frankreich.


    Baukosten wären via Leipzig nicht anders als via Erfurt. Letzterer hat schon mal einige Milliarden gespart, die sonst in Dresden - Frankfurt hätten zusätzlich gesteckt werden müssen.


    Dass die Strecken bautechnisch nicht optimal sind, halt frühe 90er, ist davon unabhängig.

  • Stuttgart 21 zeigt in der Tat, wie riskant Volksabtimmungen sind, wenn es das Stimmvolk nicht schafft, sich fachkundig zu machen. Klar, man hatte damals Stressstest usw. gespielt. Aber die echten harten Knackpunkte für den Betrieb, die standen in ausländischen Magazinen (ERI), die Kapazität von S21 wird wohl grottig werden, oder die Betriebssicherheit wird abgeschafft. Mal sehen, wie weit sich die Politik getraut aus dem Fenster zu lehnen. (v.a. fehlender Durchrutschweg wird nur 1 Zugbewegung erlauben, je Richtung gleichzeitig. Damit weniger als Halle Saale Hbf. Von den "Abweichungen" der üblichen Vorschriften (Längsneigung = starker Steigung statt 0 Promille) ganz abgesehen. Für den Dtl-Taktfahrplan ist es ein unbrauchbarer Bahnhof.


    Politik hat Stimmvolk besoffen gequatscht = Abstimmung verursacht rund 15 Mrd. Euro Fehlinvestition. , wenn du mich fragst, keine gute Wahl.