Zukunft des Rathausforums / Marx-Engels-Forums

  • Wie schon oben vorgebracht stehen aus meiner Sicht Abrisse von Wohnbauten im Stadtkern gar nicht zur Debatte, es geht vielmehr um die Gestaltung von Neubauten. Dass das Cubix und das Alea eher der Konsumarchitektur der Jahrtausendwende folgt als einer Reurbanisierung einer Altstadt ist bekannt.


    Recht geben muss ich Kent, wenn dieser auf die Qualitäten der Bebauung aus DDR-Zeiten hinweist. Verglichen mit den Umbauten aus der Feder des Büros RKW (Rathauspassagen) und dem Zubau am westlichen Teil des Fernsehturm-Sockels, einstmals für Schamoni errichtet, sind die DDR-Bauten in ihrer Vielschichtigkeit Weltkulturterbe und mir allemal lieber als der 08/15-Fussgängerzonen-Schrott, der nun den Bereich prägt. Ob man den nolstalgischen Exkurs zur Lichtreklame sympathisch findet oder nicht - die Bauten sind in ihrer Dürftigkeit trotzdem vielschichtiger als ihre Nachfolger.

  • In Deutschland hatten wir in den letzten hundert Jahren so ziemlich jede Regierungsform durch, aber weder das Kaiserreich, noch die Weimarer Republik, von der Nazidiktatur ganz zu schweigen bis über die frühe Bundesrepublik, wurden so erbitterte Auseinandersetzungen über Abriss von Gebäuden, die stellvertretend für eine Regierungsform, bzw. Ideologie standen debattiert wie in den letzten 24 Jahren bei DDR Bauten. Und je weniger davon übrig sind, desto härter naturgemäss die Debatten. Rationalen Argumenten sind die Befürworter nicht zugänglich, da diese nicht angenommen werden, das Ganze spielt sich auf einer anderen Ebene ab, mehr einer Emotionalen wie bei Echter Berliner oder rein Ideologischen wie bei vielen anderen oder einer Mischung aus beiden.


    Erzähl' hier doch nichts vom Pferd, Theseus. Ich bin mir sehr wohl der rationalen Gegenargumente hinsichtlich der Rathauspassagen bewußt und vertrete sie z.T. sogar. Es gibt aber eben auch ein paar rationale Pro-Argumente und erst recht die emotionale Ebene, die nicht minder legitim ist. Zumal beide Ebenen nicht einfach so getrennt werden können.


    Ich habe schon zehnmal gesagt, daß die Sache ganzheitlich zu betrachten ist und man wohl am besten fährt, wenn man die Rathauspassagen noch 20-30 Jahre stehen und natürlich altern läßt. Sie haben nun einmal zu viele Vorzüge, als daß sich ein Abriß so mirnichtsdirnichts begründen ließe.


    Und nicht zuletzt sind die Debatten bzgl. der DDR-Architektur auch deshalb so emotional, weil die DDR nun einmal 40 Jahre existierte, viele Menschen geprägt hat und dummerweise am Ende kein Land in Schutt und Asche lag, 60 Mio. Kriegstote und 6 Mio. ermordete Juden zu beklagen waren. Kurzum: Wir haben hier eine völlig berechtigte und nachvollziehbare "Heimat-Artikulation" vieler Ostdeutscher.


    PS: Kent hat einen guten Punkt gemacht. Und je länger die Rathauspassagen dort stehen, desto positiver empfinde ich sie. Ich darf ja hier mal verraten, daß ich das Teil vor 10 Jahren auch als ziemlich häßlich und abrißwürdig empfand. Ich entdecke aber immer mehr seine (relativen) Qualitäten. Ich gehe sogar so weit, daß es seinen positiven Teil zu einer angenehmen Vielfalt leistet angesichts der fortschreitenden Verwestlichung des Zentrums. Nur zur Info: "Verwestlichung" ist bei mir kein paranoides Argument eines SED-Anhängers, sondern ein pragmatischer Ausdruck für Postwende-Architektur und die Orientierung an traditionellen Stadtproportionen.


    Wenn ich in der Gegend langmarschiere, empfinde ich beim besten Willen keinen Impuls, das Teil endlich abzureißen. Wir schaffen uns mehr Probleme als mutmaßliche Verbesserungen, wenn wir diesen etablierten und identitätsstiftenden Bau einfach so abreißen. Wer die Gegend wirklich gut entwicklen will, sollte geradezu darauf dringen, das Teil als Platzhalter noch 20 Jahre stehen zu lassen, bis wir dann einen würdigen und überzeugenden Ersatz haben. Man muß hier nicht zuletzt das Argument der "Stadtevolution" bringen, nach dem diese Entwicklung ihren eigenen Gesetzen folgt und nicht irgendwelchen Playmobil-Phantasien. Aber ich will hier nicht zu viel von der Stadt als lebendigem Organismus faseln. :)

  • Die Rathauspassagen werden - je weniger andere DDR Bauten noch stehen - mehr und mehr zum ideologischen Symbol sei es für Identifikation, untergegangener Heimat


    Das ist ja gerade so absurd. Denn erstens dachte ich, dass unsere Heimat Deutschland heißt und die Teilung durch die Sieger nach dem Krieg den Deutschen, unter Tränen, aufgezwungen wurde, insbesondere die Berliner alles, nur keine Mauer, durch ihre Stadt wollten. Oder soll die jahrzehntelange Ideologisierung, den Deutschen im Nordostteil Deutschlands einzureden, dass sie sowas wie ein "eigenes Volk" wären und ihre Landsleute im Westen und Süden Deutschlands "Fremde", gar "Feinde" seien, am Ende doch nachhaltig gewirkt haben? Die DDR war ein Mittel dazu, die Deutschen und die Berliner zu trennen - nicht umgekehrt. Und um sie wieder zu vereinen, musste sie verschwinden. So einfach ist das.


    Im Übrigen frage ich mich speziell in Berlin wer da eigentlich zu wem "beigetreten" ist, das neue Nachwendeberlin wurde ja komplett vom Ostteil dominiert und das Außenbild Berlins komplett durch den Ostteil bestimmt. Es gibt gerade zarte Ansätze im Westteil, dass die seit 1990 dort anhaltende Stagnation dort nun auch endlich mal endet, mehr aber auch nicht. Pointiert gesagt war die Wiedervereinigung Berlins ein "Schlucken" von Berlin (West) durch Ostberlin, nicht umgekehrt. Also gerade die Ostberliner haben ja nun wirklich keinerlei Grund für Ostalgie. Auch daran, Hauptstadt zu sein und daran es selbstverständlich zu finden, vom Rest des Staates, dessen Hauptstadt man ist, subventioniert zu werden hat sich ja nichts geändert. Das war vor 1989 so und ist heute so.


    Man muss da schonmal die Kirche im Dorf lassen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Leute annehmen, dass sich die DDR zwischen 1989 und dato nicht mehr verändert hätte, hätte es den Mauerfall nie gegeben und alles wäre so geblieben, wie man es (selektiv nostalgisch) erinnert. Da wäre auch so manches abgerißen und anders gebaut worden. Und nur weil unser gemeinsamer Staat jetzt nicht DDR sondern BRD heißt soll damit ein Stück Heimat verschwinden? Ich finde das einfach absurd.

  • Da wäre auch so manches abgerißen und anders gebaut worden. Und nur weil unser gemeinsamer Staat jetzt nicht DDR sondern BRD heißt soll damit ein Stück Heimat verschwinden? Ich finde das einfach absurd.


    Wenn die Gebäude mit oder in denen jemand lange gelebt hat verschwinden, verschwindet logischerweise für ihn ein Stück Heimat. Bürogebäude werden da wohl von den Beschäftigten weniger emotional gesehen als bewohnte Gebäude durch die Bewohner.;-) Wenn es aber finanziell besonders lukrativ wird dort etwas anderes zu bauen wird es wohl früher oder später auch geschehen.

  • @Eisber Was haben deine abstrakten Ausführungen damit zu tun, daß Ostberlin sein Antlitz seit der Wende drastisch verändert hat. Du argumentierst mit abstrakten politischen Zusammenhängen, die leider wenig über das Heimatgefühl im Ostteil der Stadt aussagen. DDR-Gebäude verschwinden nun mal, auch wenn Ostberlin angeblich Westberlin übernommen habe. Übrigens repräsentieren auch Kreuzberg und Neukölln und manch andere Ecke Westberlins einen Gutteil des von dir imaginierten neuen Berlin.


    Man weint ja nicht irgendwelchen zu Hauf abgerissenen Plattenbauten im Fernen Osten Berlins nach, sondern eben auch heute noch recht repräsentativen Bauten. Ich persönlich plädiere für eine ausgewogene Betrachtung. Der Palast der Republik war z.B. ein ziemliches Schrecknis in der historischen Mitte, was ich von den Rathauspassagen nicht sagen kann.


    Ostberlin mag Westberlin übernommen haben, die drastischen Veränderungen fanden aber im Osten statt.

  • Heimat ist doch fü jeden etwas anderes. Es gibt Ost- und Westnostalgiker aber eben auch Menschen, die noch die Baugeschichte kennen. Und natürlich die vielen Zuzügler nach 1989, für die der schroffe Konstrast etwas Faszinierendes ist weil sie das aus ihrer Heimat nicht kennen. "Haupstädtisch" ist kein objektives Kriterium, sondern das, was die Leute darunter verstehen. "Schön" ist das sicher nicht.

  • Heimat ist doch fü jeden etwas anderes.


    Das ist mir ein bißchen zu relativistisch angesichts der recht klaren größeren Blöcke. Ich meine mit Heimat auch nicht bloß die voll affirmative Heimat, sondern auch die pragmatische gewohnheitsmäßige, und hier sind die Rathauspassagen eben ein Stück weit erst mal Heimat und vertraut, auch wenn dereinst vielleicht mal etwas Besseres dort hinkommt. Sie sind wie gesagt natürlich auch als Ostexotik wertvoll für den Westmigranten und allgemein für die Ostqualität.


    Mich stört halt, wenn man den relativen Wert dieses Gebäudes völlig negiert und so tut, als würde jetzt ohne weiteres ein besserer Ersatz dort hinkommen können. Vermutlich wird sich erst das ganze Umfeld erst mal entwickeln müssen und dann - in 20 Jahren vielleicht - kann man über eine umfassendere Neugestaltung mit Abriß des Parkhauses nachdenken.


    Ich finde die Passagen immer kultiger. So richtig schön ostig. :)

  • Als Ostberlinerin habe ich keine Heimatgefühle beim Anblick dieser Platten. Das liegt hauptsächlich daran, dass das Zentrum Ostberlins eigentlich völlig tot war und sich das normale Leben für uns woanders abgespielt hat. Ntürlich gab es das Kaufhaus am Alex (wo man sich eh nichts kaufen konnte) oder den Fernsehturm, aber da ist man ja auch nicht jeden Tag hin. Aus (Laien-)architektonischer Sicht ist dieses Beispiel der kommunistischen Stadt(um)planung vielleicht interessant, aber als Lebensraum für die Berliner war und ist es eine Katastrophe. Selbst die SED-Führung hat dies Ende der 80er eingesehen und das Nikolai-Viertel wiederaufbauen lassen. Diese Kehrtwende wird gerne übersehen wenn man über die DDR spricht, nur war sie deutlich zu spät und der Schaden schon großflächig angerichtet.

  • Endlich sacht Necrokatzen mal wieder was. :) Mit Heimat meine ich aber weniger DDR-Nostalgie - als Kind war ich in der Gegend auch so gut wie nie - als eben das gewohnheitsmäßige Antlitz des Rathausforums und der Passagen. Man weiß halt, daß es DDR ist, und es steht dort seit der Einheit bereits 24 Jahre so - nun mit tollen westlichen Konsummöglichkeiten, die das Leben materiell bereichern.


    Heimat ist also in einem ganzheitlichen, nicht ideologischen Sinne gemeint. :)


    Es geht mir auch nicht um eine Per-se-Verteidigung der Passagen. Ich habe auch andere städtebauliche Grundvorstellungen. Es geht mir nur um eine pragmatische, relative Verteidigung der Passagen, welche in 20 oder 30 Jahren wohl deutlich schwächer sein dürfte.


    Gerade fällt mir auf, daß ich die Rathauspassagen deutlich gefälliger finde als das Zoohochhaus. Sie wirken steinerner, klassisch modern und haben auch sonst noch Vorzüge. Das Zoohochhaus ist für mich z.B. erst recht Plaste-und-Elaste-Architektur. Aber selbst da würde ich mein Heimat-Argument bringen. Da fiele es aber schon deutlich schwächer aus.


    Ich hoffe, ich konnte mich verständlich machen. Ich finde es halt doof, wenn man mit Pauschal- und Fundamentalvorstellungen kommt und eine Differenzierung missen läßt. Häufig nehmen Leute ja eine "100%-in-Bausch-und-Bogen"-Haltung ein. :)

  • Necro spricht als ehemalige DDR-Bürgerin trifft aber nicht ganz den Kern der Debatte, denn es geht nicht um den persönlichen Geschmack, sondern um den objektiven Vergleich zwischen verschiedenen Bauten. Die persönliche Idealvorstellung ist ein anderes Thema.


    @ EB:
    Ich glaube, dass in 20 bis 30 Jahren die Rathauspassagen eher in den Urzustand versetzt werde und umso wertvoller angesehen werden. Das ist ein üblicher Zyklus. Wenn es die DDR mal 50 Jahre nicht mehr gibt, sind die Rathauspassagen ein Relikt aus einer längst vergangen Zeit und deswegen umso wertvoller. Der Zeitgenosse schätzt den Wert seiner Bauwerke meist geringer ein als die nachfolgenden Generationen. :)


    Fehler haben andere Städte schon genug gemacht, da muss Berlin diese nicht auch noch wiederholen:
    Über den Abriss der Robin Hood Gardens in London (Blog-Eintrag in englischer Sprache)
    In Kurzform: der Abriss der Robin Hood Gardens in London wurde von vielen Architekten kritisiert, an die Stelle des Baus von Alison and Peter Smithson wird nun 0815 Investoren-Architektur rücken. Ein Umgang mit Architektur, der beschämend ist.

  • ^^ Unsinn. Es gibt keinen objektiven Geschmack. Das ist ein Widerspruch in sich. Meiner Meinung nach haben die Rathauspassagen weder eine besondere Qualität noch können sie emotional überzeugen. Sie werden daher früher oder später verschwinden, spätestens wenn es um die Frage Sanierung oder Neubau geht.

  • an die Stelle des Baus von Alison and Peter Smithson wird nun 0815 Investoren-Architektur rücken.


    Aha, gleich ein Beleg hierfür ;) :

    Der Zeitgenosse schätzt den Wert seiner Bauwerke meist geringer ein als die nachfolgenden Generationen. :)


    Ich sehe das übrigens nicht so. Wenn aus eine Epoche relativ viel erhalten ist, dann spielt eher die baukünstlerische Qualität eine Rolle. Es gibt z.B. viele sehr schlicht gestaltete vorgründerzeitliche Bauwerke, denen trotz ihres Alters niemand einen besonderen Wert beimisst und die dann häufig zugunsten einer höheren Bebauung abgerissen werden. Vielleicht wird man die Rathausgalerie irgendwann auch einfach als Teil der Architektur des 20. Jhd. sehen und davon gibt es jede Menge, meist höherwertig.


  • Ich glaube, dass in 20 bis 30 Jahren die Rathauspassagen eher in den Urzustand versetzt werde und umso wertvoller angesehen werden. Das ist ein üblicher Zyklus. Wenn es die DDR mal 50 Jahre nicht mehr gibt, sind die Rathauspassagen ein Relikt aus einer längst vergangen Zeit und deswegen umso wertvoller. Der Zeitgenosse schätzt den Wert seiner Bauwerke meist geringer ein als die nachfolgenden Generationen. :)


    Das mag so sein, solange ein Bauwerk grundsätzliche ästhetische Standards erfüllt. Da dies jedoch kein Wesenszug der Moderne ist, werden derartige Gebäude fortlaufend ersetzt, mit ähnlichen, nur halt technisch moderneren Funktionsbauten. Die Analogie zu Bauwerken vergangener Epochen passt hier nicht, zumindest nicht zu jenen, die heute noch stehen.

  • Ich glaube, dass in 20 bis 30 Jahren die Rathauspassagen eher in den Urzustand versetzt werde und umso wertvoller angesehen werden. Das ist ein üblicher Zyklus. Wenn es die DDR mal 50 Jahre nicht mehr gibt, sind die Rathauspassagen ein Relikt aus einer längst vergangen Zeit und deswegen umso wertvoller. Der Zeitgenosse schätzt den Wert seiner Bauwerke meist geringer ein als die nachfolgenden Generationen. :)


    Dazu sind die Rathauspassagen zu hässlich, banal und ersetzbar. Genauso käme niemals irgendjemand in Zukunft auf die Idee, dass dann mal fertiggestellte Stadtschloss wieder abzureißen um den Palast der Republik wieder aufzubauen.


    Was langfristig in Berlin überleben wird, die die im Zuckerbäckerstil gebauten Gebäude der Karl-Marx-Allee/Frankfurter Strasse und der Fernsehturm, der Rest ist Wegwerfware und ohne Chance auf Erhalt.


    Das mag so sein, solange ein Bauwerk grundsätzliche ästhetische Standards erfüllt. Da dies jedoch kein Wesenszug der Moderne ist, werden derartige Gebäude fortlaufend ersetzt, mit ähnlichen, nur halt technisch moderneren Funktionsbauten.


    Genau das ist der Punkt, auch was nach einem Abriss von Rathauspassage & CO kommt, wird auch nur eine begrenzte Zeit weilen ...

  • ^^ Unsinn. Es gibt keinen objektiven Geschmack. Das ist ein Widerspruch in sich. Meiner Meinung nach haben die Rathauspassagen weder eine besondere Qualität noch können sie emotional überzeugen. Sie werden daher früher oder später verschwinden, spätestens wenn es um die Frage Sanierung oder Neubau geht.


    soviele Beiträge und immer noch keine Stellungnahme zu der eigentlichen Frage :)
    Und wie beurteilst du nun die Rathauspassage im Vergleich zum Alexa und zum Cubix?


    Natürlich geht es nicht um objektiven Geschmack!


    Wir diskutieren hier letztlich aneinander vorbei. Leider haben wir hier keine naturwissenschaftliche Debatte bei der die Lösung von 1 und 1 immer 2 beträgt, tut mir leid. Versuch die Fragestellung einmal etwas geisteswissenschaftlicher zu begreifen. Marx sagte einmal, die Sichtweise hängt vom Standpunkt ab. Dies ist in unserer Diskussion nicht anders.


    Du gehst von einem Idealstadtbild aus. In diesem Idealstadtbild muss Architektur so und so beschaffen sein, sich dem Rathaus in Größe, Kubatur und Formensprache unterwerfen. Es gibt sicherlich ganz viele Entwürfe, die du an der Stelle des Rathausforums verwirklicht sehen möchte, alle ganz putzig, niedlich und so hübsch.


    Ich hingegen gehe nicht von einem Traumstadtbild aus. Ich rede konkret über den Ort. Dort stehen die Passagen. Objektiv handelt es sich nicht um einen Standardplattenbau (Baumaterialien, Wohnungsgröße, künstlerische Ausgestaltung). Objektiv wurde der Ort beachtet (in Material und Formengebung). Objektiv handelt es sich nicht um eine 08/15 Platte. Subjektiv hast du die Umbauten zum Nachteil der Rathauspassagen in der Nachwendephase ausgeblendet, schade. Objektiv ist der Bau sehr gut angenommen und die Wohnungen werden genutzt. Es gibt ja im Moment sogar den Trend in die Platte zu ziehen (Handelsblatt Videobericht über die gefragte Platte.
    Ich muss gestehen, mich hat es sehr gefreut, als in der Architekturkritik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in dem Artikel "Unsere Stadt soll häßlich werden" die Rathauspassagen als gelungene sachliche Architektur gelobt wurden. Das Fazit des Architekturkritikers war, dass man nicht damit gerechnet hätte, dass es mit Hines, die Mitte, dem Cubix und dem Alea so viel schlechter hätte kommen können. Das stimmt doch optimistisch :cool:



    Genauso käme niemals irgendjemand in Zukunft auf die Idee, dass dann mal fertiggestellte Stadtschloss wieder abzureißen um den Palast der Republik wieder aufzubauen.


    wirklich nicht? ;)


    Pigor: Baut den Palast der Republik wieder auf!

  • Das mag so sein, solange ein Bauwerk grundsätzliche ästhetische Standards erfüllt. Da dies jedoch kein Wesenszug der Moderne ist, werden derartige Gebäude fortlaufend ersetzt, ....


    Selbstverständlich erfüllen Bauwerke der Moderne ästhetische Ansprüche,wenn auch nicht Deine. Aus Deinen vielen Beiträgen, in denen Du moderne Architektur und Stadtplanung kategorisch als unfähig hinstellst, geht hervor, das Du gar kein Gespür für diese Dinge hast. Statt dessen erhebst Du selbstreferenzielle, ausschließlich am Vergangenen orientierte Gestaltungsprinzipien und Bauweisen zum einzig Wahren.


    Mir gefallen die Rathauspassagen im Übrigen auch nicht wirklich, sie sind ein Produkt der DDR Mangelwirtschaft. Aber die RP, das Berlin Carree und ähnliche Bauten sind keine DDR Dutzendware.
    Ein Abriss kommt im Moment sowieso nicht in Frage und wäre m.E. politisch auch gar nicht durchsetzbar. Welche Partei würde denn für den Abriß von 150 oder mehr Wohnungen im Zentrum ihren Kopf hinhalten wollen ? Aus bauphysikalischen Gründen wird es auch keinen absehbaren Abriss geben, bei guter Pflege können solche Gebäude mehrere hundert Jahre stehen.


    Im übrigen hat man zu allen Zeiten abgerissen und überformt. Nur war in vergangenen Jahrhunderten der Innovationsschub nicht so groß und es gab wenig bis kein Wirtschaftswachstum. Ein Gebäude das A.D. 1500 gebaut wurde, war 100 Jahre später nicht so veraltet, wie ein Gebäude, welches heute vor 100 Jahren erstellt wurde.

  • Aus einer realpolitischen um Interessenausgleich bemühten Sichtweise die versucht es jedem Recht zu machen herrscht wohl weitgehend Einigkeit darüber, dass in den nächsten Jahren nicht abgerissen wird.


    Wenn man hingegen einfach Planspiele macht - und überlegt was man als Allmächtiger ohne jegliche Finanzierungsprobleme oder sonstige Hindernisse und Rücksichtnahmen gern gebaut sehen würde kommt es zu unterschiedlichen Standpunkten. Es gibt hinsichtlich des Designs von Gebäuden und Verkehrsflächen, Parks usw. unterschiedliche Vorlieben. Dann gibt es Leute denen die "Geschichte" (besonders die vor ihren Lebzeiten) sehr wichtig ist und die wollen, dass alles wieder so wird wie es zu einem bestimmten Zeitpunkt früher (nicht) war.


    Anderen (wie mir) wäre das völlig egal und ich würde in meinen Planspielen darauf keinerlei Rücksicht nehmen und wäre auch bereit den gesamten Bestand abzureißen sofern ich entscheiden dürfte was stattdessen gebaut wird. Da kann man auch keine Einigkeit herstellen denke ich.

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  • Fragen wir mal so: Wieso sollte man die Rathauspassagen schön finden, wenn sie bereits 50 Jahre nach ihrem Entstehen noch nicht als gelungen gelten.


    Das Argument, daß Architektur mit dem Alter angeblich automatisch an Legitimität und empfundener Schönheit gewinnt, finde ich sehr zweifelhaft.
    Woher nehmen die Vertreter dieser Argumentation eigentlich ihre Sicherheit, daß diese auf jedes Bauwerk zutrifft?


    Da könnte man ja mal lustige Experimente machen und bewußt extrem häßliche Gebäude bauen, die dann dereinst als schön empfunden werden. :)


    Ich behaupte hiermit dreist: Wenn ein Gebäude auch nach 20 Jahren allgemein noch nicht als schön und gelungen empfunden wird, dann ändert sich das auch später höchstwahrscheinlich nicht. :)


    Die Modernisten sollten mal kritisch ihre recht formalistische und relativistische Argumentation hinterfragen.


    Kent: Es mag heute Leute geben, die den Republikpalast wieder aufbauen möchten. Die Argumentation von Jack lautete aber, daß dies dereinst niemand mehr tun möchte. In 50 oder 100 Jahren wird die Situation wohl eher so sein, daß man Krämpfe kriegt, wenn man sich vorstellt, daß anstelle des Schlosses mal dieses Monstrum gebaut wurde, und daß man sehr stolz auf unsere Generation ist, die das Schloß wiederaufbaute. :) Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß in 50 Jahren eine relevante Zahl von Leuten den Lampenladen wieder rekonstruieren möchte. Guck dich mal in der Gegend um. Da paßt ein Schloß wesentlich besser hin. Es soll ja auch noch so etwas wie Kontext und Historie geben.

  • Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß in 50 Jahren eine relevante Zahl von Leuten den Lampenladen wieder rekonstruieren möchte.


    Du kannst nicht verstehen was vor 50 Jahren gebaut und als schön empfunden wurde, du kannst kaum nachvollziehen was heute gebaut und von den Auftraggebern anscheinend als schön empfunden wird. Weshalb also solltest du in der Lage sein den Zeitgeist und Geschmack in 50 Jahren vorherzusagen? Bzw. weshalb sollte sich ausgerechnet dann deine Meinung durchgesetzt haben und zur stark dominierenden Sichtweise geworden sein?


    Alte Gebäude werden oft schon deshalb als etwas besonderes gesehen wenn bzw. weil sie anders aussehen als die kürzlich erst gebauten. Wenn sie etwas mit einem berühmt, berüchtigten früheren Herrscher zu tun hatten und im Stadtzentrum stehen oder standen werden sie besonders interessant.


    Und wenn sie besonders alt sind genügt schon die Besonderheit des hohen Alters. So, dass einige Menschen sogar schon die Mauerreste eines alten Kellers als verehrungs- und erhaltens- und bestaunenswürdige Reliquie sehen. Sieht man ja z.B. gerade vor dem Rathaus.
    http://www.deutsches-architekt…rum/showthread.php?t=9366

    2 Mal editiert, zuletzt von Chandler ()

  • Halten wir also für dieses Forum und die staunende Nachwelt fest, daß ein Erdenbürger namens Chandler der Meinung ist, daß man dereinst den Palast der Republik rekonstruieren möchte und daß dafür die Rekonstruktion eines Stadtschlosses weichen soll, welches zuvor dort über einen Zeitraum von 500 Jahren stand und diese Stadtgeschichte abbildete.


    Dieser Erdenbürger namens Chandler geht vielleicht auch davon aus, daß dereinst viele Spenden für dieses Vorhaben fließen werden.


    Die staunende Nachwelt wird dann vielleicht denken: Da hat wohl einer den prinzipiellen Unterschied zwischen moderner und vormoderner Architektur nicht verstanden. :)