Zukunft des Rathausforums / Marx-Engels-Forums

  • Ja, wie sich die Zeiten ändern. So muss das alte Frankfurt ein gigantisches Freilichtmuseum des Mittelalters gewesen sein, selbst Anfang des 20. Jahrhunderts, wo es noch keine mit heute vergleichbare Zuwendung zu historischer Baubstanz gab, war Frankfurt dafür in ganz Europa bekannt und gern besuchtes Reiseziel. Nun, was ist heute noch davon übrig? Frankfurt assoziiert man mit ganz anderen Stadtbildern. Aber selbst nach der quasi kompletten Zerstörung und Jahrzehnte später will man in Frankfurt an jahrhundertelange Geschichte anknüpfen und diese nicht einfach in Archiven "ablegen", nur weil es jetzt auch Stahlbeton und Hochhäuser gibt. Man hat die Gelegenheit genutzt und das "Technische Rathaus" abgerißen und rekonstruiert dort nun einen Teil des alten Frankfurts.


    Die üblichen Debatten, die man erwarten kann, fanden natürlich dort auch im Vorfeld statt wenn ich an Pressemeldungen denke. Aber ich garantiere euch, in 20 Jahren wenn das dann fertig und "eingelebt" ist und schon etwas "Patina" entwickelt hat werden die Frankfurter Kinder ungläubig schauen, wenn man ihnen sagt dass das alles "nur rekonstruiert" sei - und diese Selbstverständlichkeit, mit der Gebäude dann wieder im Alltag der Menschen Fuß fassen und zu ihrer Heimat werden, die macht sie "echt" und so "original", wie sie nur sein können!


    Ich bin mir sicher, dass Berlin auch ganz verliebt in sein neues Stadtschloss sein wird, wenn es dann mal fertig ist. Alle Diskussionen werden vergessen sein und wenn dann nach 20-30 Jahren mal eine Sanierung ansteht wird man die Rekonstruktion vollenden, da bin ich mir fast zu 100% sicher. Und ich bin mir sicher, dass Berlin ein Stückweit neue Identität gewinnen könne, wenn es sich im Rückblick nicht immer nur auf Krieg und Teilung sowie Wiedervereinigung der letzten Jahrzehnte fokussiert, sondern an längere Geschichte anknüpft. Man wird auch ganz neue Einsichten finden, wie dass die vielen Nachnamen von "berliner Urgesteinen" nicht grundlos auf -sky oder -ski enden, sondern dass das Nachfahren von früheren "Migranten" aus Osteuropa sind, die in Berlin Fuß gefasst haben.


    Man wird auf die Hugenotten kommen, die in Berlin eine neue Heimat fanden um ihren Glauben frei auszuleben. Man wird die Geschichte Berlins mit ganz anderen Augen sehen, eben gerade nicht "völkisch-national", wie es die Nazis glauben machen wollten, sondern man wird feststellen dass unser Land, Berlin, schon immer "Multikulti" war. Ein ganz anderer Blick auf sich, durch das Bewusstsein der Vergangenheit - weiter zurückreichend als bis zum frühen 20. Jahrhundert. Und ich bin mir absolut sicher, dass dazu auch städtische Räume und Gebäude wichtig sind. Kleiner Beweis gefällig? Von den Hugenotten habe ich z.B. nur wegen einem einzigen Gebäude erfahren, dem "Französischen Dom". Gäbe es den nicht, hätte ich nie gefragt woher der Name kommt, nie die Geschichte dahinter erfahren. Ja, so simpel kann es sein.


    Gebäude sind steingewordene Geschichte, kulturelles Gedächtnis. Mehr als Nutzfläche. Und Gebäude zurück zu holen in den Alltag kann das Gedächtnis erweitern. In diesem Sinne, ganz ohne tolle Sightseeing-Hotspots oder so, würde ich fast alles dafür geben, auch nur einmal durch die Straßen Berlins des frühen 20. Jahrhunderts zu wandern, die Stadt so sehen zu dürfen, wie ich sie leider nur aus verwaschenen alten schwarz-weiß Filmen kenne, die mich schon als kleinen Jungen in ihren Bann gezogen haben (ich sage nur: Berlin – Die Sinfonie der Großstadt - wow!. Und ich denke, nicht nur mir ging es da so. Das ist doch nicht "nichts"?! Wenn es die Gelegenheit gibt, sei es nur punktuell, wünsche ich mir eine Anknüpfung an das "alte Berlin". Die eher temporären "Notlösungen" der Nachkriegszeit dürfen hingegen nicht auch noch zementiert werden, indem man sie z.B. unter Denkmalschutz stellt. Meine Meinung.

  • tel33
    in bezug auf paris blendest du leider voellig aus, dass bereits mitte des 19ten jahrhunderts baron eugene haussmann das mittelalterliche paris zugunsten der planung die wir heute als so schoen und nachahmenswert empfinden, plattgemacht hat.


    Haussmann hat nicht Paris plattgemacht, er hat es durch Schneisen und Sichtachsen überformt. Eine Praxis die er interessanterweise unter anderem auch im preußischen Berlin abgeschaut hat. Abgesehen davon ist das Pariser Zentrum selbstverständlich eine dicht bebaute Siedlungsfläche geblieben - ich vermag den Zusammenhang zum zerbombten und planierten Berlin in keinster Weise zu erkennen. Diese Diskussion ist doch völlig absurd. Es ist ja wohl offenkundig, dass das was momentan den Berliner Stadtkern ausmacht, nicht im Entferntesten die Geschichte dieses Ortes widerspiegelt, noch überhaupt minimalsten ästhetischen Ansprüchen an ein solches Areal genügt. Es ist eine Wunde, die endlich mal geschlossen werden muss.

  • tel33
    diese ,wunde' existiert seit mehr als 60 jahren viel laenger als du an jahren alt bist.
    entweder du bist ein naiver romantiker oder unbelehrbar was bestimmte fakten und die daraus resultierenden ergebnisse der juengeren deutschen geschichte betrifft. oder gar beides?

  • Wenn du dir jegliches beliebige schöne Viertel, das bei dir auf Erden Heimat- oder Wohlfühl- oder Identitätsgefühle .........


    Also bei mir löst das sehr schöne "Berliner Gefühle" aus. Können wir uns darauf einigen? Ist doch nun wirklich nicht schwer, die Intention zu kapieren.


    Nein: Heimat-, Identitäts-, "Berliner Gefühle" können sich meiner Meinung nach nur auf real existierende oder wenigstens selbst erlebte Gebäude beziehen. Als ich vorhin wieder mit dem ICE nach Berlin kam konnte ich den real existierenden Hauptbahnhof wiedererkennen mit dem ich inzwischen viele Erinnerungen und Erlebnisse verbinde.


    Ein altes Bild des Lehrter Bahnhofs der vielleicht vor hundert Jahren dort mal stand und den ich nie gesehen oder betreten habe kann das nicht auslösen. Das wäre auch widersinnig und ist in meinen Augen irrational.

  • Ich sehe das ähnlich wie Chandler.
    Das hier immer wieder praktizierte idealisierende Heraufbeschwören patinierter Bilder einer lange vergangenen Realität hat in meinen Augen etwas voluntaristisches und eskapistisches, es negiert die heutige Stadt.
    Ich hätte auch gern den Alex während der Weltjugendfestspiele 1973 erlebt, oder den Kurfürstendamm im Frühjahr 1968, aber die Zeitmaschine ist halt noch nicht erfunden.

  • Bitte keinen pauschalen Geschichtsrelativismus mehr

    tel33
    diese ,wunde' existiert seit mehr als 60 jahren viel laenger als du an jahren alt bist.
    entweder du bist ein naiver romantiker oder unbelehrbar was bestimmte fakten und die daraus resultierenden ergebnisse der juengeren deutschen geschichte betrifft. oder gar beides?


    Dafür, daß du hier neu in der Runde bist, bist du ganz schön keß. Bitte mehr Mäßigung. Ich stimme Tel33 weitgehend zu, auch wenn ich allgemein eher dialektische Lösungen bevorzuge, also keine Brachialrekonstruktionen. Wie auch der größte Depp mitbekommen haben müßte - um mal ein bißchen keß zu sein -, möchte hier niemand den Fernsehturm oder das künftige Alea 101 abreißen. Ich bin auch für einen Erhalt des Sockels. Es läßt sich aber durchaus dafür argumentieren, die totalitäre geschichtsnegierende sozialistische Gestaltung durch ein historisches Teilareal zu ergänzen und auf diese Weise viel besser der Geschichte gerecht zu werden, als es die rabiate Jetztsituation vermag.


    Müßte man mit der reduktionistischen Argumentation einiger hier nicht auch die Mauer stehen lassen, die Leere am Potsdamer und Leipziger Platz etc.? Kontexte ändern sich nun einmal, und die Staatsachse der DDR hat keinen Staat mehr und die diese Ästhetik bedingende Diktatur - welche im übrigen einen eklatanten Bruch darstellt, der einzigartig ist. Heute und außerhalb von sozialistischen Diktaturen baut man nämlich im wesentlichen so weiter wie früher und orientiert sich an alten Maßstäben wie Blockrand und Traufhöhe.


    Kommt doch mal ein bißchen in der Realität an. Dieser historische Relativismus, der hier ständig neunmalklug vorgetragen wird, ist wirklich an Primitivität und Simplizität nicht zu überbieten. Im Grunde genauso dumm wie eine Brachialrekonstruktion mit Zerstörung des Fernsehturms. Ist man hier nicht in der Lage zu differenzieren?


    Hier darf sich gerne jeder für die sozialistische Prägung begeistern - wie auch für die frühere Ausgestaltung. Nervig ist es, wenn man mit irgendwelchen billigen Pauschalkonstruktionen kommt wie "Alles ist Geschichte, deshalb muß man auch alles so erhalten, wie es ist." Oder "Alles, was weg ist, kann per se, apriori und per definitionem keine Heimatgefühle auslösen".


    Da kann man doch gleich sagen, all die Menschen, denen das Vorkriegsberlin am Herzen liegt san a bisserl deppert. Der Begeisterung für die sozialistische Prägung sollte keine Begeisterung für Diffamierungspraktiken in Diktaturen folgen. :)


    PS: Ich werde demnächst triumphal meine Variante für das Areal präsentieren. Ich plädiere für die Wiederauferstehung eines Teilareals direkt um die Marienkirche herum, so daß der sozialistische Rest so bleiben kann, wie er ist.

  • Diktaturenästhetikgeschwurbel

    Es läßt sich aber durchaus dafür argumentieren, die totalitäre geschichtsnegierende sozialistische Gestaltung durch ein historisches Teilareal zu ergänzen und auf diese Weise viel besser der Geschichte gerecht zu werden, als es die rabiate Jetztsituation vermag.


    Kontexte ändern sich nun einmal, und die Staatsachse der DDR hat keinen Staat mehr und die diese Ästhetik bedingende Diktatur - welche im übrigen einen eklatanten Bruch darstellt, der einzigartig ist. Heute und außerhalb von sozialistischen Diktaturen baut man nämlich im wesentlichen so weiter wie früher und orientiert sich an alten Maßstäben wie Blockrand und Traufhöhe.


    Kommt doch mal ein bißchen in der Realität an. Dieser historische Relativismus, der hier ständig neunmalklug vorgetragen wird, ist wirklich an Primitivität und Simplizität nicht zu überbieten. Im Grunde genauso dumm wie eine Brachialrekonstruktion mit Zerstörung des Fernsehturms. Ist man hier nicht in der Lage zu differenzieren?


    Dafür das du "die Geschichte" nicht gegen dich ins Feld geführt wissen willst führst du sie selbst verdächtig oft im Munde. "Der Geschichte gerecht zu werden..", was soll das denn sein? Eine Reko ist eine Reko, nicht Geschichte, niemals Geschichte! Allein historische Bestandsbauten sind Rückstände, Spuren und mitunter Zeugnisse die einen interpretierenden Blick auf mögliche Vergangenheiten erlauben. Rekonstruktionen hingegen sind bloß falsche Fährten.


    Was soll zudem dieses Geschwurbel mit der Diktaturenästhetik? Die Architektur die ich um das Rathausforum herum vorfinde ist "Zweite Nachkriegsmoderne". Nicht mehr und nicht weniger! Ein eklatanter Bruch, meinetwegen. Keineswegs aber einzigartig! Ein kurzer Blick zum Breitscheidplatz mag genügen, um deine Argumentation zu negieren. "Geschichtsvergessenheit" in der architektonischen Gestaltung der 1960 & 1970 Jahre ist doch kein Phänomen der DDR sondern eine weltumspannende Architekturmode.
    Die Bauten und der so umgrenzte Raum funktionieren genau in diesen Dimensionen und Proportionen. Butzen-Giebel-Rekonstruktionen aus absolutistischer Zeit machen da doch alles kaputt.
    Es macht also für mich keinen Sinn die bestehenden Bauten und Raumplanung ums Rathausforum zu dämonisieren, um sie dann um so leichter für deine Reko-Pläne zur Disposition zu stellen.
    War es nicht auch dieser komische Unrechtsstaat der 1987 das Nikolaiviertel rekonstruieren lies? Ein Bauprojekt das mich verdächtig an dein Disneyland-Projekt rund um die Marienkirche erinnert.


    Fazit: Sag doch einfach dass du ein Freund der Butzenästhetik bist und deshalb mit funktionalistischen Konstruktionsästhetiken, gepaart mit großen Plätzen nicht so viel anzufangen weist. Das ist dann eine Frage des Geschmacks und über diesen lässt sich bekanntlich nicht streiten. Knorriges Fachwerkzeugs, fieser Beton-Brutalismus, rosa Barbie Dreamhouse - alles eins! Es setzt sich folglich durch, was modisch eine Mehrheit hat. Nur "die Geschichte" bleibt bitte da wo sie hingehört - in den Büchern.


  • diese ,wunde' existiert seit mehr als 60 jahren viel laenger als du an jahren alt bist.
    entweder du bist ein naiver romantiker oder unbelehrbar was bestimmte fakten und die daraus resultierenden ergebnisse der juengeren deutschen geschichte betrifft. oder gar beides?


    Wenn du in dieser Diskussion keine weiteren Argumente hast, solltest du dich vielleicht einfach mal zurückhalten? Die Fakten, die aus der jüngeren deutschen Geschichte resultieren, sind mir wohlbekannt. Daraus habe ich gelernt Schlüsse zu ziehen. Offensichtlich unterscheidet uns das.
    Es gibt keinen Grund ausgerechnet jene Zeitschicht zu konservieren, die die Zerstörung der Stadt zum Inhalt hat - Krieg und Totalitarismus halte ich nicht für erstrebenswerte Prinzipien einer Gesellschaft und das sollte sich auch in der Stadtentwicklung widerspiegeln.
    Schlicht und ergreifend eine Frage von Kultur und gesellschaftlichem Bewusstsein.


  • Schlicht und ergreifend eine Frage von Kultur und gesellschaftlichem Bewusstsein.


    zerstörung mit zerstörung zu beantworten nennst du also eine frage von kultur und gesellschaftlichen bewusstsein.
    da hast du dich aber ganz schön selbst vorgeführt...


    und weil ich eine andere meinung als du habe lasse ich mir doch nicht den mund verbieten von dir.
    soviel zu kultur im weitesten sinne.

  • ^ liebe Leute lasst Euch leben. Ich denke es ist an diesem Platz viel einfacher und viel komplizierter zugleich.


    Einfacher deshalb, weil ich glaube, dass nicht eine gewissermaßen historische oder moralische abstrakte Betrachtung den entscheidenden Grund für die Beseitigung der bestehenden Moderne liefert, sondern tatsächlich ästhetische, die z.T. (aber nicht in der Hauptsache) subjektiv sind.


    Objektiv ist der geringe ästhetische Wert der bestehenden Substanz, was man ja alleine an diesen Umbauarbeiten sehen kann: http://www.deutsches-architekt…p?p=392838&postcount=1512, die gerade laufen. Wir sind uns einig das es sich hierbei, wie bei der aktuellen Gestaltung der Freiflächen um billige Funktionsarchitektur handelt. Ästhetisch mangelhaft sind auch die Fugen zu den älteren Bauten, am Rande des Areals. Es handelt sich ja zum großen Teil um industriell erzeugte Plattenbauten, die gnadenlos in den Bestand gesetzt wurden. Die Gebäudemaße passen gerade an den Rändern garnicht in das Gefüge. Keiner will die Stalinallee abreißen, obwohl sie historisch für noch viel schlimmere Zeiten steht. Ebenso wollen wohl alle hier das Tempelhofer Flughafengebäude erhalten, ebenso den Fernsehturm: auch Hinterlassenschaften von Diktaturen.


    Der Grund ist die Ästhetik und die ist keineswegs nur subjektiv, wie es hier einige Glauben machen wollen. Die Ursache der mangelhaften Qualität aber ist zum Teil die Verarmung der DDR, weshalb deren Bauten uns an ebenso arme Drittweltstaaten erinnern. Hier liegt der Unterschied zur Westmoderne. Diese war deshalb teilweise besser (Breitscheidplatz), weil die Gebäude individuell geplant wurden und eine deutlich höhere handwerkliche Qualität aufwiesen.


    So weit; so gut. Ich glaube nicht, dass diese Argumente widerlegt werden können. Sie erlauben zwei Meinungen:


    1. Obwohl es minderwertig ist, sollte es erhalten bleiben, weil es die Geschichte abbildet, weil es ein Mahnmal darstellt, weil es ökonomischen oder sozialen Zwecken noch hinreichend dient ....


    2. Weil es minderwertige Architektur in der Mitte der Stadt ist, weil der Platz hässlich und unstimmig ist, die Fugen zum Rest der Stadt Brüche darstellen, die riesigen unambitionierten phänomenal billigen Fassaden, die Wirkung der älteren Bauwerke entwerten und weil eine "organische" Fortentwicklung kaum möglich ist, brauchen wir eine langfristige Umgestaltung.


    Wenn man der zweiten These zustimmt wird es kompliziert, denn es ergeben sich u.a. die Fragen:
    Welche Bauwerke sollen Fallen?
    Wer wird investieren/ die Kosten tragen?
    Wie löst man die sozialen Fragen?
    Wie wollen wir neu bauen?
    Nehmen wir Anleihen am Vergangenen?
    Welches städtebauliche Leitbild verfolgen wir?
    Wie kann man eine langfristige politische Steuerung organisieren; Mehrheiten sichern; Kosten kontrollieren?
    Wie kann man sich davor schützen, dass ein Prozess in Gang kommt, der auf halber Stecke abgebrochen wird und vielleicht ein noch viel unbefriedigenderes Ergebnis hinterlässt, als es die jetzige Situation darstellt?
    usw.


    Für unsere Diskussion aber ergeben sich zwei Folgen.


    Diejenigen, die den derzeitigen Zustand konservieren wollen, können diesen Standpunkt äußern und fertig. Den Standpunkt kann man einnehmen und mit drei oder auch zehn Sätzen begründen. Das War´s!


    Diejenigen die einen Umbau wollen, haben Millionen von Möglichkeiten, können sich kreativ einbringen (s.o.). Sie können eine neue Stadt in der Mitte der Stadt fordern oder sie können Anleihen an Vergangenem machen, sie können DDR-Bauten in unterschiedlichem Maß miteinbeziehen (was alle von uns tun, siehe Fernsehturm) oder sie können Rekonstruktionen befürworten. Ein weites Feld also!


    Aber hört doch mal auf Euch mit Totschlag-Argumenten zu überziehen.


    Eins möchte ich noch einbringen. Natürlich gehört auch Goethe oder Christus zu meiner Identität, obwohl ich beide nie getroffen habe.
    Es reicht das ich ein paar Fotos oder auch nur einen Plan vom "Alten Berlin" gesehen habe, um es zum Teil meiner Heimat und Identität zu machen. Zum Glück ist der Mensch zu Abstraktion und Imagination fähig und kann so ein wenig über die Grenzen von Zeit und Raum gehen und der Mensch kann um Objekte trauern, die er gegenständlich nicht erfahren konnte. Gerade Deutsche sollten sich dessen bewusst sein.


    Psychologisch gesehen ist jede Erinnerung mit Verfälschungen verbunden, auch die, die ich in diesem Moment vom Alexanderplatz und Umgebung habe. Also mal sehen wie er morgen früh aussieht, wenn ich dort vorbei komme. ;)

  • Ich glaube eher, dass so mancher Beitrag hier keines weiteren Kommentars Bedarf und sich in seiner Radikalität und seinem Absolutheitsanspruch selbst ad absurdum führt !


    Gewisse Arten des Vortragens und sich Verhaltens gegenüber Forumskollegen und Themen sind einfach indiskutabel in einem DISKUSSIONSforum - zumal wenn man an den Inhalten klar erkennen kann, dass in keinster Weise verstanden wurde was der Tenor vorangegangener Beiträge war bzw. es offenbar nur noch darum geht, die Thematik und Denkansätze jeglichen anderen Teilnehmers ignorierend, die eigene Meinung radikalst durchzuboxen und eine sachliche Diskussion zu verhindern, in dem man polemisch angreift und Argumente vorbringt , die an Unlogik nicht zu überbieten sind um andere zu diffamieren und selbst besser dazustehen !


    Wo sind wir hier bitte schön ? Ich dachte dies wäre ein Architekturforum, in dem es um Städtebau und Gestaltung geht, in dem man MITeinander diskutiert und sich austauscht, Denkansätze und neue Sichtweisen vorbringt - und nicht versucht auf Deubel komm raus seine Forumskollegen zu zerfleischen, weil sie anderer Meinung sind !


    Und wie immer gilt : Wem der Schuh passt, der zieht ihn sich an !

  • ........ Nervig ist es, wenn man mit irgendwelchen billigen Pauschalkonstruktionen kommt wie "Alles, was weg ist, kann per se, apriori und per definitionem keine Heimatgefühle auslösen".


    Ja, nach meinem Verständnis des Wortes "Heimatgefühle" bezieht sich das eben einfach auf Orte an denen jemand oft war bzw. ist und die so mit seinen Erlebnissen und Erinnerungen verbunden sind. Der Architekturstil der Gebäude spielt dabei überhaupt keine Rolle.



    "Alles ist Geschichte, deshalb muß man auch alles so erhalten, wie es ist." Oder


    Da kann man doch gleich sagen, all die Menschen, denen das Vorkriegsberlin am Herzen liegt san a bisserl deppert.


    Ich bin nun eh nicht so geschichtsbegeistert. Die Geschichte endet aber nicht 1918. Wenn man sich aus der gesamten Geschichte einen Zeitraum aussucht aus dem einem die Gebäude besonders gefallen dann fände ich es ehrlicher geschmacklich zu argumentieren und nicht geschichtspathetisch.


    Mir gefallen viele Gebäude aus den 1920er Jahren. Aber die sind für mich nicht wegen ihres Alters oder der Geschichte super bedeutsam sondern sie gefallen mir halt.



    Der Begeisterung für die sozialistische Prägung sollte keine Begeisterung für Diffamierungspraktiken in Diktaturen folgen. :)
    ....


    Ich finde weder die DDR noch das 3.Reich noch die Monarchie gut. Wenn jemand die (Regierungs)architektur der Monarchiezeit schöner findet als die der späteren Epochen inklusive der Jetztzeit ist das aber auch nicht verwerflich. Aber ist wohl schwer die Architektur ganz von der Politik zu trennen. Unter anderem auch weil sie in den Geschmacksdiskussionen eine zusätzliche Argumentationsebene bietet um die eigene Position "zu stärken".

  • Rotes Rathaus
    ich gebe dir recht, es ist einerseits eine frage der ästhetik aber auch eine frage des gerechtwerdens der historie. ich glaube nicht, dass diese beiden fragestellungen auch nur halbwegs befriedigend zu lösen sind indem man die fläche nach altem strassenraster bebaut.
    aber es es gibt nicht nur diese beiden wege entweder oder. ich versuche den knoten von der platzfläche her aufzuschnüren.
    für mich wird an keinem anderen ort die geschichte berlins deutlicher als an diesem. für mich ist dieser ort die eigentliche mitte der stadt. er ist so konfrontativ in seinen architekturen, dass nur ein disaster zu diesem resultat geführt haben kann. aber was hilft es uns die erinnerung an das disater zu tilgen?
    die bestimmenden dominaten sind oder werden sein:
    der fernsehturm, das rathaus, das schloss, ein museum, der dom, einige hotels daneben, die marienkirche. der bahnhof alexanderplatz.
    alles was man für das zentrum einer stadt braucht.
    nun zur ästhetik.
    das wichtigste gebäude an diesem platz weil es an der langen südseite liegt, ist das rathaus. alle neuen gebäude die diesen platz umschliessen sollten sich der traufhöhe des rathausbaukörpers angleichen. das trifft auf die beiden hotelblöcke neben dem dom zu aber auch auf den plattenblock der das nicolaiviertel begrenzt. die platten an der nordseite und der rathauspassagenblock sollten fallen. und durch innovativen großstädtischen wohnungsbau erstzt werden. den plattenblock mit den arkaden neben dem rathaus stelle ich zur disposition. er hat zwar die traufhöhe des rathauses ist aber ästhetisch pikant.
    nun zur plaztfläche selbst.
    es sind ja zwei. durch die spandauer strasse getrennt.
    diese würde ich dicht machen oder unter die erde legen. wie in paris die strasse, die die tuilerien gärten unterquert.
    dann hätte man auch nicht mehr diese unsägliche teilung der fläche und könnte wirklich gestalterisch mit der fläche arbeiten.
    die tuilerien sind mir dabei ein gutes vorbild. wenn es gelingt diese fläche wirklich gartengestalterisch hochästhetisch zu entwickeln und nicht einfach als ungepflegte grünfläche verrotten lässt, die sich dann vom schloss bis zu den wasserspielen des fernsehturms erstreckt unterbrochen nur vom neptunbrunnen und der sich ins gefüge schiebenden marienkirche. wäre viel gewonnen.
    eine fläche wo die mitte der stadt erlebbar ist und auch die historie erfahrbar bleibt.
    ich wünschte mir einen pavillion der die historie dieses wichtigen platzes profund darstellen würde.

    2 Mal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • zerstörung mit zerstörung zu beantworten nennst du also eine frage von kultur und gesellschaftlichen bewusstsein.


    Auch Polemik der schlichteren Sorte sollte irgendwo bei der Wahrheit bleiben... einen Zustand der Zerstörung kann man wohl schwerlich zerstören - es sei denn man erhebt diesen zum Kulturgut. Hier geht es aber um die *Bebauung* einiger durch Krieg und Gewalt erzeugter Brachflächen - also das genaue Gegenteil!
    Nun mag man vielleicht geneigt sein, die temporäre Versiegelung dieses Areals als Ausdruck einer Zeitepoche anzusehen - letztendlich ist die stadthistorische Relevanz aber in keinster Weise mit jahrhundertealten Strukturen an dieser Stelle vergleichbar. Das hatte man ja seinerzeit sogar in der DDR erkannt. Es blieb nur nicht mehr genügend Zeit, die Sünden der jüngeren Vergangenheit im geplanten Maßstab zu korrigieren. Seitdem dümpelt das Ganze vor sich hin und harrt seiner Wiederbelebung.

  • Hier geht es aber um die *Bebauung* einiger durch Krieg und Gewalt erzeugter Brachflächen - also das genaue Gegenteil!


    das siehst du glaube ich falsch. hier gibt es seit nunmehr fast 60 jahren eine große bewusst gestaltete fläche. aber keine brache.
    auch wenn du dieses argument 1000mal widerholst wird es dadurch nicht glaubhafter. aber lassen wir dir deinen spass du wirst deine gründe haben.:nono:

  • Rathausforum = Breitscheidplatz?

    Was soll zudem dieses Geschwurbel mit der Diktaturenästhetik? Die Architektur die ich um das Rathausforum herum vorfinde ist "Zweite Nachkriegsmoderne". Nicht mehr und nicht weniger! Ein eklatanter Bruch, meinetwegen. Keineswegs aber einzigartig! Ein kurzer Blick zum Breitscheidplatz mag genügen, um deine Argumentation zu negieren.


    Das Wort Geschwurbel disqualifiziert Dich.


    Am Breitscheidplatz finde ich keine Diktaturenästhetik.


    Du scheinst meinen Beitrag um keinen Preis verstehen zu wollen. Dieses Muster ist hier leider durchgängig im Forum. Wer den Unterschied zwischen dem totalitären Städtebau vom Außenministerium bis zum Haus der Elektroindustrie und weiter nicht sehen will, disqualifiziert sich selbst.


    Ich selbst bin immer ratlos, wie es Menschen geben kann, die solche Thesen bei Verstand vertreten. Du kannst diese Ensembles gerne schön finden. Die Unterschiede sollte man aber schon sehen. Und vor allem den Punkt, daß außerhalb von Diktaturen im wesentlichen so gebaut wird wie früher. Dies nennt man gewachsene Städte. Wo Parzellen respektiert werden, Gebäudeproportionen und Straßenraster. Gewiß hat man auch in Demokratien diese Dinge nicht zum Alleinmaßstab genommen. Dies ist auch das gute Recht der Moderne, das ich sogar befürworte.


    Wer aber den Unterschied zum diktatorischen Städtebau nicht sehen will, disqualifiziert sich endgültig. Solche absurden Meinungen werden wohl hier häufiger vertreten.


    Leider mangelt es auch vielen Leuten, einen Irrtum einfach mal einzugestehen.


    Das bedeutet nicht, daß man für eine Rekonstruktion oder traditionelle Rückwendung auf dem Rathausforum sein muß. Dies kann jeder so denken, wie er will.


    Aber man sollte doch wenigstens halbwegs seriös diskutieren.

  • das siehst du glaube ich falsch. hier gibt es seit nunmehr fast 60 jahren eine große bewusst gestaltete fläche. aber keine brache.


    Meinetwegen eine 'bewusst gestaltete Brachfläche'. Mit Architektur hat es jedenfalls nichts zu tun, dem Ort angemessen ist es ohnehin nicht. Aber um das zu verstehen, muss das historische Bewusstsein durchaus etwas früher als dem eigenen Geburtstag beginnen.

  • Meinetwegen eine 'bewusst gestaltete Brachfläche'. Mit Architektur hat es jedenfalls nichts zu tun


    dann hat für mich eine rekonstruktion des mittelaterlichen strassenrasters auch nichts mit architektur zu tun. :D