Zukunft des Rathausforums / Marx-Engels-Forums

  • Ich kann Japher und Kleist nur zustimmen. Der Fernsehturm und der Freiraum rings um den Fernsehturm ist ein wichtiges und durchaus beliebtes Ensemble des Städtebaus der Moderne. Eine Einschätzung des Landesdenkmalrates zur Bedeutung dieser Ensembles hatte ich schon mal zitiert.
    Eine Bebauung dieses Freiraumes würde die städtebauliche Situation nicht verbessern, sondern deutlich verschlechtern, weil historisierende Strukturen in einem krassen Gegensatz zu dem Fernsehturm und zu den Wohnscheiben stehen würden. Daher ist es tatsächlich sinnvoller, die Energien auf andere Bereiche der Stadt zu konzentrieren.
    Zudem habe ich den Eindruck, dass sich die Debatte zu dem Thema ein bisschen im Kreise dreht. Eigentlich sind schon alle Argumente ausgetauscht. Was jetzt folgt, erinnert ein wenig an den Satz von Karl Vallentin: "Es wurde schon alles gesagt, aber noch nicht von allen."


  • Erst durch den Nachkriegsaufbau mit seinen grossen Gesten,grosszügigen Freiflächen und breiten Strassen wurde der Charakter als Mittelpunkt einer grossen Stadt wiederbelebt.


    Also dazu gehört schon was, eine offensichtliche Kriegsbrache dermaßen zu verklären. Das sogenannte 'Marx-Engels-Forum' war nach der Beräumung aller Gebäudereste über Jahrzehnte hinweg nichts anderes als namenlose Grünfläche, eines innerstädtisches Raumes unwürdig. Erst gegen Ende der DDR-Zeit erbarmte man sich und setzte die zwei Figuren dahin, um irgendwie einen Zusammenhang mit dem restlichen Ensemble zu konstruieren. 'Wiederbelebung' würde ich das nun wahrlich nicht nennen.
    Selbstverständlich haben wir nun die Pflicht, solche Kriegsnarben zu beseitigen und nicht etwa noch haarsträubende Ausreden für den Erhalt eines derartigen Zustands zu erfinden. Es geht dabei weder um Mittelalter (das an dieser Stelle ohnehin schon längst vergangen war), noch die Zerstörung von Wahrzeichen der Moderne. Schließlich ist der Bereich unbebaut. Wohl aber sollte man sich daran erinnern, dass es die Historische Mitte, quasi das Herz dieser Stadt ist und dementsprechend auch eine städtebauliche Würdigung verdient. Gern auch in zeitgenössischer Architektur.

  • Eine Bebauung dieses Freiraumes würde die städtebauliche Situation nicht verbessern, sondern deutlich verschlechtern, weil historisierende Strukturen in einem krassen Gegensatz zu dem Fernsehturm und zu den Wohnscheiben stehen würden.


    Es ist schon augenfällig: wenn es um Neubauten in geschlossenen, vormodernen Altbaugebieten geht seid Ihr stets FÜR den krassen Gegensatz ("spannend", "zeitgenössich-modern", "typisch Berlin" usw.). Geht es um eine wie auch immer geartete Bebauung, Nachverdichtung oder gar nur einen Umbau in einem Ensemble der Moderne (Marx-Engels-Forum, KMA 2. Bauabschnitt, Dessauer Meisterhäuser usw.) darf die Einheitlichkeit nicht gestört werden, eine konstrastierende Bebauung ist NICHT gewünscht.


    Merkt ihr denn selbst nicht, dass Ihr mit zweierlei Mass messt?

  • Meiner Meinung nach ist unbestreitbar, daß Berlin ein Defizit an historischer Identität und Verwurzelung hat. Und dieses Bewußtsein wird erst recht mit dem Schloßbau verstärkt einsetzen. Ich erhoffe mir davon eine weitere Bewußtseinsentwicklung hinsichtlich des Verlorenen und der eigentlichen Identität Berlins. Diese Identität gilt es geschickt und kreativ wiederherzustellen.


    Es sind nicht nur die Gebäude weg sondern auch die Menschen die sie schufen und die dort lebten. Deren Lebensweise ist Vergangenheit, die alte kleine Stadt von damals gibt es nicht mehr. Für unsere "Identität" sind Gebäude die während unseres Lebens gar nicht existierten logischerweise nicht von Bedeutung. "Wir" haben sie auch nicht verloren wir hatten sie nie. "Wir" sind nicht unsere Urgroßeltern.


    Unser Bild von einer Stadt wird von den markanten Gebäuden geprägt die wir erleben. Und es ist dabei bedeutungslos wie alt sie sind.


    Wir leben hier und heute im Jahre 2012 und bauen für die Zukunft.


    Diese historische Bewußtwerdung wird meines Erachtens in ein paar Jahrzehnten noch viel stärker sein und richtig an Fahrt gewinnen. Dann wird man auch weniger Hemmungen haben und die DDR-Architektur leichter über Bord werfen.


    Die Menschen die in der DDR lebten leben ja zum großen Teil auch heute noch. Warum sollten denen in Zukunft plötzlich Gebäude die dann schon seit 100+X Jahren nicht mehr stehen wichtiger sein als die Gebäude ihrer eigenen Jugend? Und warum sollten ihre Kinder darauf verzichten selbst die Gegenwart der Stadt ihrer neuen Zeit gemäß zu gestalten? Wie es die Generationen vor ihnen auch taten.


    Ich träume ja auch zuweilen davon Milliardär zu sein und dann ein Quartier das mir nicht gefällt einfach abzureißen und nach meinen Vorstellungen zu gestalten. Aber dabei würde ich nicht auf die Idee kommen einfach die Geschichte wiederholen zu wollen indem ich Gebäude nochmal bauen lasse die früher schon einmal dort standen. Das wäre eben nicht kreativ sondern würde eher hilflos wirken.


    Ich glaube, vielen geht noch das Bewußtsein dafür ab, was eigentlich alles Elementares von Berlin zerstört wurde. Da ist es zynisch, einfach zu sagen: Ja das ist halt weg und es ist unhistorisch, das wiederaufzubauen. Das ist genauso pauschal und platt wie ein stupider Historismus.


    Ich kann diese irrationale Überhöhung lange zerstörter Gebäude nicht nachvollziehen. Das waren auch bloß alte Sachen. Die sind nicht bedeutungsvoller oder wertvoller oder wichtiger für unser heutiges Leben als verschrottete alte Autos, zerstörte alte Möbel usw. Und auch nicht wichtiger als neue Gebäude.

    11 Mal editiert, zuletzt von Chandler ()

  • Bravo, Antirekonstruktionsagitation vom feinsten. Hat nur leider mit der Sache hier recht wenig zu tun da keiner vehement auf Rekonstruktionen im Marienenviertel beharrt sondern lediglich die Wiederherstellung des im Zusammenhang mit dem Rest der Stadt stehenden Stadtgrundrisses befürwortet.


    Wenn man Vergangenes so einfach hinter sich lassen könnte würden wir nicht Millionen in Gedenkstätten für den Holocaust oder die Geschichtsforschung im allgemeinen stecken.

  • Nunja liebe Leute, jetzt haben mal wieder die üblichen Verdächtigen (mich natürlich eingeschlossen) ihre Meinungen, die ja bereits weitegehend bekannt waren, dargestellt. Vermutlich können wir dies bei halbjährlicher Wiederholung noch ca. 20 Mal machen bevor vor dem Roten Rathaus wirklich etwas passiert.
    Und ganz im Ernst, ich finde es eine Bereicherung meiner Perspektive, wenn ich wie so oft die Karl-Liebknecht-Straße oder die Spandauer Straße mit dem Fahrrad lang fahre und darüber nachdenke, dass manch einer dieses Areal nicht als offene Wunde und schmerzliche Ödnis zwischen den dortigen Straßen wahrnimmt, sondern als ein erhaltenswertes Stück Moderne.


    Ich frage mich jedoch: Ist diese Haltung ästethischen Vorstellung geschuldet oder dem Wunsch, dass Orte der eigenen Geschichte nicht verschwinden? Das zweite finde ich menschlich plausibel aber als Leitbild für die Weiterentwicklung Berlins nicht geeignet.


    Eine weitere Überlegung möchte ich äußern: Es ist eine echte Schande, dass Freiflächen (z.B. der Alexanderplatz selbst) regelmäßig einem Budenzauber zum Opfer fallen. Wenn man große Plätze und Abstandsflächen hat, so müssen sie ordentlich gestaltet und gepflegt werden und auch fliegende Bauten müssen sich eingliedern. Das scheint aber in Berlin und ich glaube sogar in ganz Deutschland kaum möglich, weil es eine Unkultur hässlicher Budenzauber gibt.

  • Und ganz im Ernst, ich finde es eine Bereicherung meiner Perspektive, wenn ich wie so oft die Karl-Liebknecht-Straße oder die Spandauer Straße mit dem Fahrrad lang fahre und darüber nachdenke, dass manch einer dieses Areal nicht als offene Wunde und schmerzliche Ödnis zwischen den dortigen Straßen wahrnimmt, sondern als ein erhaltenswertes Stück Moderne.


    Also - mal ohne Witz: wenn ich - wie so oft - die Karl-Liebknecht-Strasse mit dem Fahrrad entlangfahre und darüber nachdenke, wie wenig dieser Ort mit der klassischen Moderne zu tun hat (eigentlich nur drei Gebäude: Platten "SK Scheibe" an der KLS, Rathauspassagen und Fernsehturm) und wieviel der reichen Berliner Berliner Architekturgeschichte noch zu sehen ist (Marienkirche, Bhf Alex, Rotes Rathaus, Panoramahaus, Schloßbrunnen als Verherrlichung des preuss. Staates, Heilig-Geist-Kapelle, Luther-Denkmal, DDR-Postmoderne "Magistratsbusen") fällt mir immer wieder auf wie unglaublich trivial die Gebäude und Umbauten der Neomoderne sind, die nach 1990 errichtet wurden und schon stehen (Dom Hotel, Rathauspassagen-Umbau, EG-Umbau Platten KLS, "Alea"/Redevko-Haus von Sauerbruch-Hutton.


    Und natürlich, dass ich lieber einen anderen Weg genommen hätte, da beide Strassen aufgrund ihrer Breite, ihres Zustandes und des Verkehrs für Fahrradfahrer nicht geeignet sind.

  • Hallo Leute,


    danke für eure Antworten. Ich gehe mal nur auf ein paar Argumente von Chandler ein, weil sie so beliebig sind. Ich gehe nicht auf alles ein.


    Wir sollten uns allen nicht irgendeinen Simplizismus unterstellen.


    Meine Position ist dialektisch, ganzheitlich, wobei ich den historischen Bezug in Berlin präferiere, weil so viel historische Identität fehlt.


    Da sind wir schon beim ersten Argument von Chandler. Geh doch mal bitte in dich und falsifiziere dich selbst, statt dies von anderen erledigen zu lassen.


    Ich bin selber Ossi und pfeife auf die Plattenbauten im Osten.


    Und niemand will bedeutende historische Bauten in Berlin weghaben oder geringschätzen, nur weil sie nicht aus der eigenen Lebenszeit stammen. Das ist doch unglaublich, so zu argumentieren.


    Lieber Chandler,


    eine Stadt ist ein Organismus, der historisch gewachsen ist. Diese Organik ist in Berlin erheblich gestört, sodaß historische Bezüge hiervon wieder etwas wiedergutmachen. Niemand befürwortet Brachial-Rekonstruktionismus ohne Berücksichtigung der Nachkriegszeit.


    Glaubst du wirklich, daß die Leute so ticken, wie du es darstellst? Vielleicht willst du es nur glauben.


    Meine Postition ist ganzheitlich.


    Ich möchte, daß viele Platten im Osten noch lange stehen bleiben und natürlich altern, also nicht brachial weggeholzt werden, sondern daß eine neue Stadt organisch und natürlich wächst. Und die sozialistischen Tot- und Fehlgeburten auf humane Weise langsam getilgt werden. Denn sie sind in der Tat auch meine Identität. Nur kann ich darauf langfristig verzichten.


    Genauso ist es mit dem Marienviertel. Wir sollten in der Tat von diesem Defizitdenken wegkommen und den sozialistischen Städtebau respektieren und akzeptieren - für die Zeit, die er noch steht. Er hat seinen Platz.


    Es wäre eine Vergewaltigung, jetzt oder sehr bald dort etwas neues zu starten. Das meine ich mit Ganzheitlichkeit. Spätestens 2020 werden wir uns stärker dem Marienviertel zuwenden.


    Wir sollten uns mit dem Wiederaufbau Berlins vor allen Dingen Zeit und Muße lassen.


    Ich finde zum Beispiel die Bauten vom Palais Behrens toll, die ich vor kurzem hier sah. Es ist einfach eine Freude, wie hier etwas historische Würde des alten Berlins wiederzurückkehrt.


    Für den Bereich zwischen Alex, Brandenburger Tor und Potsdamer Platz sollte das die Marschrichtung sein. Moderne Architektur hat hier nur den Reiz einer kleinen kontrastierenden Zugabe.


    Es sind nicht nur die Gebäude weg sondern auch die Menschen die sie schufen und die dort lebten. Deren Lebensweise ist Vergangenheit, die alte kleine Stadt von damals gibt es nicht mehr. Für unsere "Identität" sind Gebäude die während unseres Lebens gar nicht existierten logischerweise nicht von Bedeutung. "Wir" haben sie auch nicht verloren wir hatten sie nie. "Wir" sind nicht unsere Urgroßeltern.


    Also auf mich trifft deine "Erkenntnis" schon mal nicht zu. Dein Einblick in die emotionale Welt deiner Mitmenschen scheint nicht ganz richtig zu sein. Für meine Identität ist das alte Berlin sehr sehr wichtig und es ist eine große Freude, die historisierenden Bauten wie Adlon oder Palais Behrens zu erleben. Dein Argument ist konstruiert, da du die historische Fassung der Stadt und deren Überreste ausblendest. Ich will nur zeigen, wie künstlich deine Argumentation ist. Wenn neben einem wunderschönen Altbau ein häßliches Parkhaus steht, bekommt auch der Nachgeborene Bauchschmerzen.


    Aus dem vorhandenen alten Berlin ergibt sich also die Sehnsucht, das alte (in modifizierter Form) wiederzuerlangen.


    Unser Bild von einer Stadt wird von den markanten Gebäuden geprägt die wir erleben. Und es ist dabei bedeutungslos wie alt sie sind.


    Ich kann diese irrationale Überhöhung lange zerstörter Gebäude nicht nachvollziehen. Das waren auch bloß alte Sachen. Die sind nicht bedeutungsvoller oder wertvoller oder wichtiger für unser heutiges Leben als verschrottete alte Autos, zerstörte alte Möbel usw. Und auch nicht wichtiger als neue Gebäude.


    Was hältst du eigentlich vom VW New Beetle oder vom Mini? Oder vom Maybach?


    Dein Vergleich ist tendenziös und interessengeleitet, Gebäude werden nicht planmäßig nach einer Zeit verschrottet.


    Deine Vergleiche und Argumente sind im Großen und Ganzen beliebig.


    Sie bestehen aus Rationalisierungen, Konstruktionen und Intellektualisierungen. Du stellst Zusammenhänge her, die nicht notwendig so existieren, wie du sie darstellst. Es ist völlig okay, wenn du die DDR-Moderne gut findest.


    Wir sollten zu einem Nenner kommen, daß ich es auch als Vergewaltigung empfinde, die DDR-Moderne nicht altern zu lassen. Mich würde es auch stören, wenn man im Marienviertel jetzt anfinge groß loszulegen.


    Das ist auch ein Problem für dieses Forum, was ich auch im SSC schon öfter angesprochen habe. Wir können mit der Stadt nicht Playmobil spielen und dauernd alles über einen Haufen werfen. Seien unsere ästhetischen Vorstellungen noch so schön.


    Mir persönlich ist das auch ein Herzensanliegen. Daß man die Stadt natürlich wachsen und sich verändern läßt, sie also als Heimat begreift. Es ist gut für Berlin, wenn es in Zukunft etwas langsamer vor sich geht - und wir mal an einen gewissen Status quo ankommen. Daß Berlin also mal etwas zur Ruhe kommt und sich so etwas wie ein Ist-Zustand bildet.


    Ich möchte also auch, daß der sozialistische Städtebau noch eine Weile existiert - zum Beispiel in der Wilhelmstraße, am Fernsehturm.


    Im Marienviertel ist in der Tat keine Not am Mann. Das kann auch erst mal alles so bleiben. Da können wir uns auch noch in zwanzig Jahren drum kümmern. Das wäre für mich ein natürliches Städtewachstum.


    Das meine ich mit ganzheitlich. Die DDR-Moderne gehört zumindest temporär zur Identität Berlins. Wir sollten respektvoll mit jedem städtischen Erbe umgehen. Mit dem Defizit-Denken aufhören. Und Berlin als neue Ganzheit begreifen und respektieren.


  • Dein Vergleich ist tendenziös und interessengeleitet, Gebäude werden nicht planmäßig nach einer Zeit verschrottet.


    Die Geschäftshäuser und auch viele Wohnhäuser und Hotelgebäude in der Innenstadt sind Investitionsobjekte die planmäßig abgeschrieben werden. Die werden nicht für die Ewigkeit gebaut. Wenn sie nach ein paar Jahrzehnten nicht mehr den aktuellen Anforderungen genügen wird recht unsentimental kalkuliert ob sich ein Umbau noch lohnt oder man sie besser ersetzt.



    Es ist völlig okay, wenn du die DDR-Moderne gut findest.


    Du verstehst mich da falsch. Ich mag den Fernsehturm und ich mag Freiflächen und weite Ausblicke. Auch im Stadtzentrum.


    Dem größten Teil der Nachkriegsbauten im Osten wie im Westen kann ich wenig abgewinnen. Ich würde sie gegebenenfalls ohne Sentimentalität abreißen und durch für mein Empfinden schönere Gebäude ersetzen.


    Bei gut vermieteten Wohnbauten deren aktuelle Mieter sich dann keine der Neubauwohnungen in der Gegend mehr leisten könnten finde ich es mehr aus sozialpolitischen als aus ästhetischen Gründen fragwürdig sie ohne Not zu ersetzen. Die Interessen der Menschen die dort oft schon lange Zeit wohnen sollte man auch angemessen berücksichtigen.



    Deine Vergleiche und Argumente sind im Großen und Ganzen beliebig.


    Sie bestehen aus Rationalisierungen, Konstruktionen und Intellektualisierungen.


    Ich kann metaphysischen Stadtbetrachtungen und sentimentalem Vergangenheitsballast eben wenig abgewinnen. Für eine Neubauplanung finde ich es unwichtig was an der Stelle früher mal stand. Man sollte eher rationale auf Gegenwart und Zukunft bezogene Überlegungen anstellen.


    Nunja liebe Leute, jetzt haben mal wieder die üblichen Verdächtigen (mich natürlich eingeschlossen) ihre Meinungen, die ja bereits weitegehend bekannt waren, dargestellt. Vermutlich können wir dies bei halbjährlicher Wiederholung noch ca. 20 Mal machen bevor vor dem Roten Rathaus wirklich etwas passiert.


    Stimmt. Die Wiederholungen haben immerhin den Vorteil dass man nicht alle 670 Postings lesen muss um die Meinungen zu kennen. ;)

    11 Mal editiert, zuletzt von Chandler ()

  • heute hab ich mir das MEF und den Platz vor dem Rathaus mal wieder live zu Gemüte geführt. Ohne Zweifel, hier gibt es viel Verbesserungspotential.


    Wenn ich aber aus rein ästhetischen Motiven (ökonomische und soziale Aspekte lass ich der Kürze wegen einfach mal raus) hier Tabula Rasa machen könnte, ich würde nicht zu Lösungen tendieren die sich an den Maßen der Vorkriegsbebaung orientieren.


    Vielmehr finde ich die Idee der großen Grünfläche mit großzügiger Umbauung nach dem Konzept der DDR im Prinzip recht gelungen. Betrüblich ist leider die bescheidene Qualität der Fassaden des Rathausforums und des Baus an der Karl-Liebknecht-Straße.


    Ein (ohnehin illusorischer) Abriss und eine Bebbauung im üblichen Berliner Maßstab würde das Areal relativ verwechselbar machen, es eindampfen auf ein räumliches Niveau noch unterhalb dem des Wittenbergplatzes, der Schlossstraße, der Friedrichstraße.


    Das geplante Höhenwachstum und die starke Verdichtung am Alex sollte hier ein freiräumliches, großzügig umbautes Pendant erhalten. Ein Platz umsäumt von ähnlich voluminösen, freilich besser akzentuierten Gebäuden wie derzeit vorhanden wäre für mich eine viel bessere Lösung als ein "klein klein" nach Vorbild der Vorkriegssituation.


    Vorbildfunktion hat dabei für mich zum Beispiel ein Platz wie der Washington Square in NYC:

    http://commons.wikimedia.org/w…rk_pano_01.jpg?uselang=de


    d.

  • Gut Ding will Weile haben.

    Ich kann metaphysischen Stadtbetrachtungen und sentimentalem Vergangenheitsballast eben wenig abgewinnen. Für eine Neubauplanung finde ich es unwichtig was an der Stelle früher mal stand. Man sollte eher rationale auf Gegenwart und Zukunft bezogene Überlegungen anstellen.


    Das ist aber ein ganz gewaltiger Irrtum meines Erachtens. Du kannst da ja so rangehen. Für viele ist dies aber ein steriler rationalistischer Zugang, mit dem die meisten nichts anfangen können.


    Viele vermissen eben etwas von der historischen Identität Berlins. Für mich wäre ein echter Rathausplatz etwas Tolles. Natürlich geht es um eine modifizierte Orientierung am Vergangenen.


    Du konstruierst hier irgendeine Sentimantalität und Gefühlsdösigkeit, die gar nicht vorhanden ist. Es ist ein durchaus rationales Bedürfnis, ein Stück legitimer Berliner Identität wiederherzustellen.


    Deine sozialen Argumente sind sicherlich nicht falsch. Ich hatte dich bei diesen Leuten eingeordnet, die die DDR-Moderne so toll finden. Was ja aus westdeutscher Perspektive erst mal ein bißchen verständlich ist.


    Das Marienviertel wird vielleicht etwas für die 800-Jahr-Feier Berlins. Das wäre eine tolle Sache. Ich würde dort einzelne Bauten rekonstruieren und den überwiegenden Rest historisierend bauen. Den Fernsehturm würde ich modern integrieren.


    Es ist doch gerade ein typischer Berliner Witz, wenn aus einem rekonstruierten Altbauviertel der Fernsehturm herausragt. Wo gibt es so etwas sonst?


    Ich denke, du verkennst die emotionale Wirkung des alten Berlin und daß es sich nun einmal um die "eigentliche" Stadt handelt, die man nicht einfach so ignorieren kann. An dieser Stadt hängen viele Menschen. Anderswo bewahrt man diese Stadt. Hier (und in Deutschland) muß sie teilweise wiederaufgebaut werden.


    Diese "eigentliche" Stadt ist kein Selbstzweck, man kann sie aber nicht einfach so ausblenden. Was glaubst du, warum so viele das Marienviertel wiederhaben wollen, Bürgerinitiativen etc.? Warum man den Pariser Platz wiederaufgebaut hat usw.?


    Eben weil es die Identität Berlins ausmacht. So einfach ist das.


    Der Rathausplatz ist ein ganz essentieller Teil Berlins und seiner Geschichte. Ich bin mir sicher, daß früher oder später dort das alte Viertel rekonstruiert wird.


    Hierfür ist das historische Bewußtsein aber noch nicht da. Dies muß sich noch entwickeln. Das ist ein natürlicher Prozeß, weshalb es mir lieber auch zu langsam als zu schnell geht mit solchen Projekten.


    Wenn die ersten Hochhäuser am Alex stehen und das Schloß, wird der "städtebauliche und emotionale Druck" in bezug auf das Marienviertel steigen.


    Meiner Meinung nach ist das ein natürlicher emotionaler Prozeß der Wiederrückgewinnung der Stadt durch die Berliner.


    In kleineren Städten und ohne diese traumatische Geschichte und Stadtzerstörung Berlins wäre diese Identifizierung mit der städtischen Geschichte vermutlich stärker und schneller gegangen.


    In Berlin braucht das eine Weile.

  • Das Auferstehungsviertel

    Das geplante Höhenwachstum und die starke Verdichtung am Alex sollte hier ein freiräumliches, großzügig umbautes Pendant erhalten. Ein Platz umsäumt von ähnlich voluminösen, freilich besser akzentuierten Gebäuden wie derzeit vorhanden wäre für mich eine viel bessere Lösung als ein "klein klein" nach Vorbild der Vorkriegssituation.


    Wo gibt es denn am Alex eine starke Verdichtung?


    Der Platz ist ungefähr doppelt so groß wie früher. Er ist auch nach der Bebauung immer noch sehr groß.


    Man kann meinetwegen ein Marienviertel als zu eng empfinden. Angesichts der Größe des Alex ist die jetzige Situation am Fernsehturm meines Erachtens mit Sicherheit zu weit, zu frei.


    Ich denke, es ist eine Sache der Gewöhnung. Man muß das Prozeßhafte und "Ganzheitliche" des Ganzen bedenken.


    Na ja. Ich prophezeie, daß ein paar Jahre nach dem Schloßbau eine Diskussion einsetzen wird über die Verlegung des Neptunbrunnens an seinen Ursprung - und dann ist es nicht mehr weit bis zum Marienviertel.


    Ich hab ja schon geschrieben. Es ist ein Prozeß der historischen Bewußtwerdung. Ich will hier keine Nichtberliner diskriminieren, aber ich hab den Eindruck, manchen fehlt irgendwie der Zugang zur Seele Berlins. Da muß man sich nur mal die alten Filme und Bilder angucken.


    Ein Stück davon sollte wiederauferstehen.

  • Es ist ein Prozeß der historischen Bewußtwerdung. Ich will hier keine Nichtberliner diskriminieren, aber ich hab den Eindruck, manchen fehlt irgendwie der Zugang zur Seele Berlins.

    es klingt fasst wie eine Stunde bei Herrn Dr. Freud, sorry.



    ich bin ja der Meinung das die "Rekonstruktionisten" Berlin nicht verstanden haben. Jeder Auswärtige schätzt gerade den Platz, die Großzügigkeit der Stadt. Gerade das ist es was sie so besonders macht! Mehr oder weniger gut aufgebaute Altstädte findest du in jeder anderen deutschen Stadt zu hauf.


    Derart üppigen Freiraum, gepaart mit vielseitiger Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts bietet aber keine andere Metropole Europas! Wer nun glaubt die "Seele Berlins" durch die Rekostruktion des Marienviertels zu streicheln katapultiert die Stadt geschichtlich zurück in die Liga von Städten wie Magdeburg oder Schwerin.



    zum Höhenwachstum und zur Verdichtung :


    1. Schon heute ist der Alexanderplatz belebt wie nie zuvor in seiner Geschichte. Allein Alexa, Kaufhof und Saturn verfügen über annähernd 100 000qm Einzelhandelsfläche und generieren weit über 1 million Besucher im Monat. Die Tendenz ist durch weitere Neubauten ja noch steigend!


    2. Berücksichtigt man die geplante Hochhausbebbauung erfährt der Alex noch eine weitere Verdichtung in Form von Büro und Einzelhandel, teils wohl auch Wohnen. Anders als eine Reko des Marienviertels sind diese Pläne auch konkret.



    Setzt man also Nutzung und Besucherströme in ein angemessenes Verhältnis, wird schnell klar das der Platz heute stärker verdichtet ist als je zuvor.
    Der Verweis auf ein mehr an physischem Raum (im Vergleich zum "historischen" Außmaß des Platzes) ist völlig irrelevant!




    Anders als mein "Vorredener" bin ich der Meinung, das die Fläche in Zukunft durch umliegende stetige Verdichtung und Bebauung noch wertvoller wird als bislang. Mit jedem fertig gestellten Projekt in der Nachbartschaft, mit jedem zusätzlichem Passanten in fußläufiger Nähe wird eine Bebbauung des "Marienviertels" unwahrscheinlicher.



    d.

  • Auch Stadtklimatisch ist so ein großer freier Platz gesünder. Mehr Luft, mehr Raum, mehr Wind (im Winter vielleicht etwas zugig), mehr Himmel. Es fehlt am Ende nur etwas, was einem auch auf dem Platz hält, wie Bänke, Cafe's und Pavillions.

  • Was mich als Berliner immer wieder wundert ist der Zwang zum Aussergewöhnlichen, der Berlin immer wieder aufgenötigt wird. Warum muss denn Berlin immer alles "besonders" sein und sich in allem von allen anderen Städten unterscheiden? Warum wird dieser Karl-Scheffler-Quatsch vom ewigen Verdammtsein "zum Werden" und der Unmöglichkeit des Seins stets erneut kolportiert?


    In Berlin sagt man es ja meist härter als es gemeint ist, deshalb: das ist doch reine Wunsch-Projektion der zugezogenen, altstadtüberdrüssigen und -satten ehem. Kleinstadtbewohner, die in Berlin "die grosse weite Welt" suchen. Zwangsbeglückung, bestenfalls.


    Auch Berlin hat ein Recht darauf einfach mal zu sein.

  • Was mich als Berliner immer wieder wundert ist der Zwang zum Aussergewöhnlichen, der Berlin immer wieder aufgenötigt wird.

    sorry, aber diese "Blut und Boden Argumentation" ist absurd.


    Berlin wäre nicht das was es heute ist, hätten Urbanisierung und Industrialisierung aus dem Dorf in der Sumpflandschaft in gerade mal 50 Jahren nicht eine Weltmetropole gemacht.
    Zuzug und "Zwangsbegückung" der Zugezogenen, allen voran der Berlin-skeptischen Hohenzollern, machten die Stadt schon damals zur ersten echten deutschen Metropole (und bislang zur Einzigen, sieht man von Wien einmal ab).


    Berlin wäre heute auch nicht das was es ist, hätten vermeintliche "Zwangsbeglücker" aus Ost wie West der Stadt nach dem Krieg, und dann noch mal nach der Wiedervereinigung, keinen hochpriveligierten Neuanfang ermöglicht.



    Die "Reko-Fundis" beklatschen das historische eindampfen Berlins auf das Niveau eines märkischen Provinzflecken.
    Wie das in der Realität dann aussieht kann man im Nikolaiviertel begutachten.


    d.

  • Erstens bezieht sich "Blut und Boden" nicht ausschließlich auf die "Nazis" und zweitens hab ich von dir keinerlei Argumentation erkennen können.


    Ausschließlich eine Schelte den "Zugezogenen" gegenüber.


    d.

  • ich finde eine mischung aus alt und neu immer sehr gut...das ist mein persönlicher geschmack. Ich finde es super dass das stadtschloss rekonstruiert wird und bitte mehr davon. Es muss nicht 1 :1 sein, aber tolle bezirke, viertel enstehen doch gerade in den orten, wo historisch und neu aufeinander trifft, abgesehen von den hässlichen nachkriegsbauten, die zähle ich nicht dazu.


    Wenn historisches so langweilig ist, warum sind dann städte wie rom,wien,paris,prag begeehrt, weil sie nur aus großen grünflächen bestehen und glatten fassaden?? guckt euch die bezirke an, wie spandau,marzahn,rudow,staaken usw usw....alles bezirke die langfristig zu keine gute wohnqualität führen und nie etwas zur einer Weltmetropole beitragen können. Eine qualitative stadt kann nur mit urbanisierung stattfinden und eine mischung aus historischem und neuem....

  • "Blut & Boden"

    Selbst wenn, Konstantin... Bodenständigkeit, Regionaltypisches etc. ist denen ein Gräuel, die ihre Bodenhaftung verloren haben und ihr Heil irgndwo im internationalen Nirwana suchen.
    Das Nicolaiviertel - bei allen Mängeln im Detail - ist immer noch besser als Hansa- und Märkisches Viertel, Gropiusstadt und Marzahn.
    Die Townhouses auf dem Friedrichswerden schlagen alles bislang Versuchte.
    In der Luisenstadt entsteht Beispielhaftes.
    Danach können wir sicherlich optimistischer weiter über das "Rathausforum" diskutieren.
    Kommt Zeit, kommt Rat! :lach: