Zukunft des Rathausforums / Marx-Engels-Forums

  • Echter Berliner:


    Zunächst einmal finde ich die Einwürfe von Dolff-Bonekämper schlüssig und richtig, auch wenn ich daraus andere Konsequenzen ziehen würde als die werte Frau. Gerade weil die Wiederherstellung des historischen Stadtgrundrisses inzwischen zum Mantra vieler Städtebauenthusiasten geworden ist (nicht nur in Berlin!), sollte man doch hinterfragen, was es mit dem Stadtgrundriss als solchem auf sich hat.


    Zum einen war der Stadtgrundriss in Berlin nie so unabänderlich wie immer getan wird. Man denke nur an die fortwährende Umgestaltung des Umfelds des Stadtschlosses und des heutigen MEFs (Anlage des Lustgartens, Abriss des Schinkeldoms und Bau des heutigen Berliner Doms, Durchbruch der Kaiser-Wilhelm-Straße, Anlage des Kaiser-Wilhelm-Denkmals nach Abriss von Wohnhäusern, Schleifung der Festungsmauern und Stadttore im 19. Jahrhundert, ... ). Nun kann man der DDR-Führung sicher zuschreiben, dass durch den sozialistischen Städtebau auch die Identität Berlins ganz bewusst umgeschrieben werden sollte, indem man Spuren der historischen Stadt gezielt beseitigt bzw. nicht mehr berücksichtigt hat. Dem städtebaulichen Wirken des 19. Jahrhunderts würde ich das z.B. nicht unterstellen!


    Zum anderen bringt das Pochen auf eine historische Straßen- und Blockstruktur nicht automatisch besonders gelungende Architekturen und städtebauliche Qualitäten mit sich. Ein (interessantes/warnendes) Beispiel: Die Mannheimer Innenstadt! Dort findest du einen komplett erhaltenen bzw. nach dem Krieg wiederhergestellten Stadtgrundriss. Historisch sehr interessant, aber zur Attraktivität trägt er nicht wirklich bei.


    Das heißt, es zählen eben doch auch andere Faktoren, wie Gebäudenutzung, -dimensionierung, Materialität, das Umfeld .... Das sollte und muss man berücksichtigen, wenn man über das MEF und den Rathausplatz spricht!

  • Ich sehe das ähnlich. Die Qualität der Gebäude spielt eine viel wesentlichere Rolle als der Stadtgrundriss. Neben Mannheim könnte man auch die Kölner Innen- bzw "Alt"stadt als Negativbeispiel heranziehen. Dort erfolgte der Wiederaufbau auch größtenteils auf Grundlage des historischen Stadtgrundrisses, das Ergebnis kann man an vielen Stellen jedoch trotzdem als scheußlich bzw. unattraktiv bezeichnen. Deshalb hielte ich es für wichtiger die Platten an der Karl-Liebknecht-Straße und die Rathauspassagen zu entfernen als 1 zu 1 den historischen Stadtgrundriss wiederherzustellen. Mag sein das die Rathauspassagen (zu ihrer Zeit) architektonisch herausragend waren, sie werden heutigen ästhetischen Vorstellungen trotzdem nicht mehr gerecht und von der großen Mehrzahl der Menschen (nachvollziehbarerweise) als einfache Stadtrand-Platten wahrgenommen.
    Ein Abriss des Fernsehturms steht (Gott sei dank) selbst bei den meisten Befürwortern der Wiederherstellung der Altstadt nicht zur Diskussion. Dieser ließe sich jedoch mit einem 1 zu 1 wiederhergestellten historischen Stadtgrundriss kaum ästhetisch ansprechend vereinbaren.
    Man kann sich gerne an einzelnen Stellen am historischen Stadtgrundriss orientieren, beispielsweise würde ich eine Wiederherstellung des Verlaufs der Kloster- und Lüttenstraße bis zur Rathausstraße (und ggf. darüber hinaus) befürworten. Auch auf dem Rathausforum wäre an einzelnen Stellen eine Bebauung entlang historischer Straßenzüge denkbar, jedoch müssten meiner Meinung nach größere Freiflächen rund um den Fernsehturm und auch vor dem Rathaus erhalten bleiben, um diese herausragenden Gebäude ästhetisch ins Stadtbild zu integrieren.
    Für die Gebäude entlang der Liebknecht- und Rathausstraße könnte ich mir eine Anlehnung an die Dimensionen und Formen (insbesondere Dachgestaltung) des neugebauten Adlon gut vorstellen. Dies würde dem Platz eine würdevolle Einrahmung verleihen.

  • @ echter Berliner


    ich weiss nicht ob Sie Frau Dolff-Bonekämper persönlich kennen? Sie hat meine Diplomarbeit mitbetreut, daher kenne ich sie ein wenig.


    Die Dame ist sehr offen für alle Epochen und sehr belesen, mit aktuellen Schwerpunkten der 50-60 iger in Berlin.
    Man darf nicht vergessen, das dies ein Diskussionsforum war, mit eingeladenen Gästen, von denen jeder seine Sicht auf die Dinge schildern soll. Frau Dolff-Bonekämper war ja nicht eingeladen, um Ihre persönliche Meinung zur Schönheit kundzutun. Ihre Argumente sind richtig. Die Schlussfolgerungen muss man dann aber aus allen Beitragen gemischt ziehen.



    Und wie schon mein Vorgänger schrieb: der Stadtgrundriss ist nur ein Teil der Identität. Es spielt das Klima, die Architektur der Fassaden, die verwendeten Materialien (gerade Paris zb. wirkt so besonders, wegen dem einheitlichen Stein überall), der Nutzung etc. alles mit rein.


    Zur Neuplanung muss man den historischen Grundriss und aktuellen Grundriss hervorziehen, schauen wo man alte gute Verbindungen wieder schaffen kann ohne neue Strukturen zu zerstören. Am Ende erhält man eine neue zeitgemässe Stadt.


    und somit hoffentlich eine schönere.

  • Sein Fazit war, dass es sich beim Marx-Engels-Forum / Rathausforum um ein herausragendes Ensemble des modernen Städtebaus handeln würde. Dieser Bereich wäre mittlerweile ein Stück historische Stadt, das in dieser Form in Europa einmalig wäre. Daher sollte dieses Ensemble unbedingt erhalten und möglichst komplett unter Denkmalschutz gestellt werden. Hillmann sprach sich für einen toleranten Umgang mit dem baulichen Erbe aus, der sowohl das moderne Erbe, wie das Rathausforum, als auch das vormoderne Erbe, wie die Spandauer Vorstadt, respektiert. Diese Vielfalt wäre eine Stärke Berlins.


    Verstehe ich das richtig, daß nur die Struktur des "modernen Städtebaus" (hier sozialistisch) des betreffenden Gebiets erhalten bleiben soll, der vorherige Zustand (alter Grundriss) aber völlig weggelassen bleiben soll?


    Dann wäre meiner Meinung nach das Argument "altes zu erhalten" in diesem Fall ja wieder rein subjektiv und nur an eine Epoche gebunden. Warum dann aber gerade diese Epoche (sozialistisch) und nicht die andere (alter Grundriss)? Kann man nicht als Konsens beide berücksichtigen?
    Das wäre durchaus schwierig, aber nicht unmöglich (wie einige Vorschläge von Usern hier zeigen). Man müsste nur wollen und diesen Konsens finden.

  • Was gesagt werden muß

    damar, mescha und sebiart


    Sind meine Beiträge so sophisticated?


    Lest ihn doch noch einmal genau.


    1. Ich sage mehrmals, daß für mich alte Grundrisse keinen Selbstzweck darstellen - wohl aber sehr gewichtige Maßstäbe sind. Die sich nicht mittels akademisch-intellektueller und mehrfach graduierter Relativismen wegfabulieren lassen.
    2. Ich kritisiere vor allem die Art und Weise, wie Dolff-Bonekämper argumentiert, also die recht willkürlichen Begründungszusammenhänge.
    3. Ich kritisiere in keiner Weise die Ansicht, das Rathausforum solle so bleiben, wie es ist. Dafür gibt es gute Argumente - nur meiner Meinung nach langfristig nicht gut genug.


    Ganz nebenbei kann ich mir auch durchaus vorstellen, daß nach historisierender Wiederherstellung des Umfeldes gerade das sozialistische Rathausforum attraktiv sein könnte, ähnlich wie die Stalin-Allee als Monument von Geschichte und Sozialismus. Als Geschichtsfragmente.


    Mir geht es wie gesagt in erster Linie um dämliche Begründungszusammenhänge und nicht um ein Pro oder Contra Rathausforum.

  • @ echter Berliner,


    ich war nicht auf der Veranstaltung, aber ich kenne bisher Frau Dolff-Bonekämpers Argumentationen als sehr durchdacht und schlüssig.


    Waren Sie dort?

  • Bei dem ganzen Bohai um das RF/MEF werden m.E. viel zu wenig ökonomische Sachzwänge thematisiert. Einen tiefgreifenden Wandel der Bebauung wird es erst durch entsprechenden "Baudruck" geben.Dazu bedarf es aber einer bedeutenden Attraktivitätssteigerung des Wirtschaftsstandortes Berlin.


    Ich finde das Ensemble eigentlich okay,würde aber keine Bestandsgarantie abgeben oder Denkmalschutz befürworten wollen.Gesetzt sind IMHO nur der Fernsehturm und das Rote Rathaus.Den Rest kann man bei entsprechenden Flächendruck umformen,abreissen oder wie auch immer.Allerdings muss einem klar sein,dass bei entsprechenden Bau/Investitionsdruck dort anschliessend keine Altstadtharmonie entsehen wird.Da würde dann max.Geschoßfläche hingestellt,jenseits alter Grundrisse.
    Und es bringt auch nichts,alte Straßengrundrisse wiederaufleben zu lassen,wenn anschliessend die Bebauung viel höher ist und das Ganze dann anders wirkt.Die alten Grundrisse sind ausserdem aus dem Gedächtnis der Stadt weitestgehend entschwunden.

  • Zu betonen, dass es nicht allein auf den Straßenverlauf, sondern auch auf die Bebauung ankommt, ist doch eigentlich überflüssig. Sicher ist letztendlich die Bebauung für die Atmosphäre wichtiger, als ob nun ne Straße nach links, nach rechts oder geradeaus führt. Die hist. Straßenverläufe waren ja nicht so ungewöhnlich oder unpraktisch, dass man sie - bei einer Neubebauung - modifizieren müsste.
    Nur hat man hier weder ansprechende Architektur (OK, Turm und Kirche natürlich, aber die zählen nicht), noch einen ansprechenden Straßenverlauf. Wie auch? Es gibt ja auf der Fläche keine Straßen :glubsch:! Die Nord-Süd-Verläufe bestehen allerdings teilw. noch und der Zusammenhang lässt sich auf dem Stadtplan erahnen (Poststr., Spandauer Str., Rosen-/Jüdenstr., Klosterstr., Littenstr.). Nur die beiden Platten stehen im Weg! Selbst wenn man es in seinem jetzigen Zustand beließe, die auf das RF zulaufenden Straßen von Süden und vor allem von Norden her ließen das ganze weniger wie Stadtteilzentrum von Plattenhausen, sondern wie eine Innenstadt lebendiger wirken.
    Man muss auch mal hinter die Riegel schauen. Diese Hinterhofsituation in diesem Umfeld kann doch nicht erhaltenswert sein, egal, aus welcher Baureihe das nun stammt.

    Einmal editiert, zuletzt von Ben ()

  • Verstehe ich das richtig, daß nur die Struktur des "modernen Städtebaus" (hier sozialistisch) des betreffenden Gebiets erhalten bleiben soll, der vorherige Zustand (alter Grundriss) aber völlig weggelassen bleiben soll?


    Dann wäre meiner Meinung nach das Argument "altes zu erhalten" in diesem Fall ja wieder rein subjektiv und nur an eine Epoche gebunden. Warum dann aber gerade diese Epoche (sozialistisch) und nicht die andere (alter Grundriss)? Kann man nicht als Konsens beide berücksichtigen?
    ....


    Man kann ja zwangsläufig nur etwas erhalten was auch existiert. Also immer nur den jeweiligen Istzustand konservieren sofern man dies möchte. Wenn man einen älteren nicht mehr existierenden Zustand wiederherstellen will ist "erhalten" nicht die richtige Bezeichnung für dieses Vorhaben.

  • Wenn ich so die Überformungen des modernen Bestandes betrachte ist das meiste schlicht versaut.


    • Die Sockel von Rathauspassagen und Karl-Liebknecht-Straße sind billigst umgebaut.


    • Die Schamonikiste auf dem Sockel des Fernsehturmes ist - wie auch andere Umbauten dort megahäßlich. Der Architekt soll schon sein Urheberrecht als verletzt ansehen.


    • Die Kaskaden vor dem FS sind mit dem letzten chinesischen Neureichengranik verkleidet worden (waren Beton), eine fiese Oberfläche der Postmoderne.


    • Der Alexanderplatz hat weder städtebaulich noch architektonisch etwas mit der DDR-Moderne zu tun.


    • Das MEF als "sozialistisches Forum" gibt s nicht mehr - es ist eine umgepflügte Wiese.


    • In allen anderen Bereichen des Thread-Gegenstandes sind die Oberflächen ausgewechselt, neue Bodenbeläge, neues Straßenmobiliar (wo sind die mobilen Drahtstühle?).


    Das ist alles wie eine 70er-Jahre-DDR-Platte mit Keramikfassade, die nach 1990 infantil "saniert" und legobunt gestrichen wurde.


    Die Liste liesse sich fortsetzen...


    Also ist - im Sinne der Denkmalpflege - nichts bis in eta 10 Meter Höhe noch original. Alles überformt, Plunder, der rückgebaut werden müsste.


    Was nun? Alles rekonstruieren?

  • Raster-Fahndung

    Bei dem ganzen Bohai um das RF/MEF werden m.E. viel zu wenig ökonomische Sachzwänge thematisiert. Einen tiefgreifenden Wandel der Bebauung wird es erst durch entsprechenden "Baudruck" geben. Dazu bedarf es aber einer bedeutenden Attraktivitätssteigerung des Wirtschaftsstandortes Berlin.


    Ich finde das Ensemble eigentlich okay, würde aber keine Bestandsgarantie abgeben oder Denkmalschutz befürworten wollen. Gesetzt sind IMHO nur der Fernsehturm und das Rote Rathaus. Den Rest kann man bei entsprechenden Flächendruck umformen, abreissen oder wie auch immer. Allerdings muss einem klar sein, dass bei entsprechenden Bau/Investitionsdruck dort anschliessend keine Altstadtharmonie entsehen wird. Da würde dann max. Geschoßfläche hingestellt, jenseits alter Grundrisse.


    Bis auf letzteres kann ich das unterschreiben. Es liegt eben an der Politik, vernünftige Vorgaben zu machen. Außerdem geht es nicht nur um ökonomischen Baudruck, sondern auch um ästhetischen Druck und die Entwicklung des Stadtgefühls, der Stadtgesamtheit.


    Ganz unabhängig von ökonomischen Aspekten wird das RF immer mehr in den Fokus rücken. Für die Sozialismus-Fans: Dieser Bereich kann sich durchaus gerade als interessant erweisen, wenn drumherum dichte Urbanität wieder entstanden ist. Man kann auch durchaus mit archäologischen Fenstern und dergleichen die Gegend grundsätzlich so belassen und sie trotzdem etwas historisieren und kontextuieren, was durchaus eine interessante Option ist.


    Eins muß ich aber sagen: Egal, was mit der Fläche passiert. Es wird doch hier nicht annähernd jemand dafür plädieren, die Passagen und den Liebknecht-Riegel zu erhalten. Dieser Schrott muß so oder so weg.


    Das Rathausforum ist wie gesagt eine durchaus interessante Sache, und man wird sehen müssen, wie sich das ästhetische Empfinden diesbezüglich in den nächsten Jahrzehnten entwickelt.


    Zitat von Ben

    Zu betonen, dass es nicht allein auf den Straßenverlauf, sondern auch auf die Bebauung ankommt, ist doch eigentlich überflüssig. Sicher ist letztendlich die Bebauung für die Atmosphäre wichtiger, als ob nun ne Straße nach links, nach rechts oder geradeaus führt. Die hist. Straßenverläufe waren ja nicht so ungewöhnlich oder unpraktisch, dass man sie - bei einer Neubebauung - modifizieren müsste.
    Nur hat man hier weder ansprechende Architektur (OK, Turm und Kirche natürlich, aber die zählen nicht), noch einen ansprechenden Straßenverlauf. Wie auch? Es gibt ja auf der Fläche keine Straßen ! Die Nord-Süd-Verläufe bestehen allerdings teilw. noch und der Zusammenhang lässt sich auf dem Stadtplan erahnen (Poststr., Spandauer Str., Rosen-/Jüdenstr., Klosterstr., Littenstr.).


    Dankeschön, Ben.


    Das ist auch noch mal die Gelegenheit, um diese Dame namens Dolff-Bonekämper zu kritisieren. Man kann hier gerne darauf hinweisen, wie erlaucht diese Frau ansonsten ist. Diese von Ben angesprochene Argumentation ist dem unbenommen trotzdem sehr unseriös und zeugt nicht gerade von Sachverstand.


    Wir Straßenraster-Fans wollen ja nachweislich nur das Raster wiederhaben. Was da dann für Gebäude stehen werden, ist uns so was von egal, daß es nur scheppert! :doof:


    Ich möchte einfach nur mal auf diese billige Art und Weise der Argumentation dieser Architekturfachmännin hinweisen. Man soll für oder gegen das Rathausforum argumentieren - aber mittels seriöser Argumente.

  • Man kann ja zwangsläufig nur etwas erhalten was auch existiert. Also immer nur den jeweiligen Istzustand konservieren sofern man dies möchte. Wenn man einen älteren nicht mehr existierenden Zustand wiederherstellen will ist "erhalten" nicht die richtige Bezeichnung für dieses Vorhaben.


    Das ist nachvollziehbar, wenn man die Überbebauung so lässt.
    U-Bahnbau und die gewollte Freilegung des Kirchhofs zeigen aber, daß es mit "Deckel drauf und nicht mehr existent" nicht so leicht funktioniert. Das Alte Rathaus soll in den neuen U-Bahnhof integriert werden, einige Ecken weiter wird auf einem "leeren Feld" auch wieder die Geschichte der Stadt frei und sichtbar gemacht. Es scheint also doch zumindest diesen Willen zu geben alte Strukturen wieder zu entdecken und ggf. zu erhalten.

  • Aus einem gewichtigen aber in der Diskussion fast untergegangenen Grund ist RF/MEF/Alex, kurz "Scheißgegend", in seiner jetzigen Form nicht zukunftsfähig: Die Bewohner Berlins.


    Fragt euch dochmal jenseits von allen Theorien und intellektuellen Gedankenspielen mal ganz ehrlich:

    Wann geht ihr dahin? Mal ein Paar typische Gründe eines Stadtbewohners für eine Fahrt ins ZENTRUM seiner Metropole:


    1: Ein Theaterbesuch? Eher alter Westen und Friedrichstraße


    2: Kino mit anschließend Bar? Kann man woanders in Berlin wesentlich besser.


    3: Schick mit der Frau/ Freunden/Kollegen/Kunden essen gehen? Gibt Grillwalker und Burger King, wer´s authentisch mag. Ansonsten kulinarisches Sibirien.


    4: Gästen die Stadt zeigen? Ein Hauch Bewohnerstolz reicht aus, um das möglichst nach hinten auf der Liste zu verschieben. Außer ich bin Architekt und hab meine Architektenfreunde da ;)


    5: Im Sommer "berlinmäßig" auf der Wiese liegen? Dann doch lieber Lustgarten, Monbijoupark, Victoriapark..bla als diese Brache.


    6: Wochenendbummel mit Café und Kumpels/ Familie? Bleibt man doch lieber im Kiez. Aber solange statt "Kiez" Brachfläche ist, bleibt auch keiner.


    7: Oder sogar zur Arbeit gehen? Wohl eher in der Friedrichstraße, am Potsdamer Platz, Kudamm oder Spandauer Vorstadt


    8: Einkaufen. Ok, das wäre ein halber Punkt, wenn die Schlosstraße, Kudamm oder Wilmersdorfer zu weit weg sind. Aber von Einkaufs-"Gegend" keine Spur. Nur dieser fette stetige Passantenstrom zwischen Bhf und Alexa-Mall.


    Um die Punkte 1 bis 7 jemals ansatzweise auf die ex-sozialistische Mitte anwenden zu können, muss gebaut werden. Häuser, wo überhaupt Galerien, Läden und Cafés die Erdgeschosse säumen könnten. Straßenzüge jenseits von Autoahnbreite, wo man überhaupt bummeln könnte. Bürogebäude, in denen man überhaupt arbeiten könnte. Usw...


    Die sozialistische Mitte war ja als reine Repräsentationsfläche gebaut. Und die schließt innerstädtisches Leben aus.
    Günter Stahn hat das schon vor 25 Jahren gewusst... Wer ist also da und bleibt, wenn die Denkmalpfleger verrückt spielen? Touris, Schulklassen-Touris, Tram-Umsteiger, der fette stetige Alexa-Passantenstrom und Asis. Geiles ZENTRUM.


    Die "Scheißgegend" geht in anbetracht ihrer Bedeutung (verkehrsmäßig, historisch, "mystisch", literarisch) völlig an den Berlinern vorbei - alles ist woanders in der Stadt besser als hier. Täglich 100.000e Umsteiger im Untergrund, aber oben das reinste Vakuum....

  • Mal abgesehen von der Frage warum jetzt überhaupt über den Alex diskutiert wird, sit deine Liste ein bischen unsinnig. Wie du schon feststellst, gibt es für die meisten Funktionen einen besseren Ort in Berlin als den Alex. Aber, warum sollte der Alex denn überhaupt eines dieser Dinge sein, oder sogar die eierlegende Wollmilchsau unter den Plätzen? Für mich ist der Alex ein Verkehrsknotenpunkt mit Einkaufszentrum. Du kannst dem Alex zwar den Status als Einkaufsgegend absprechen, aber die Tatsache dass es sich um einen der höchstfrequentierten Standorte in Berlin handelt, straft diese Aussage Lüge.


    P.S. Außerdem, sprich bitte nur für dich selbst und nicht im Namen aller Berliner. Ich finde das ziemlich anmaßend.

  • Der Alex grenzt ja nun mal ans RF, was wohl die eigentlich "Scheißgegend" ist. Es geht auch nicht darum, dass man Dinge an anderen Orten ebenso/besser machen kann. Es geht darum, dass man an diesem Ort nichts machen kann, außer ihn auf dem Weg von A nach B zu passieren und sich dabei den Fernsehturm anzuschauen oder nach ner abendlichen Sauftour die Kirche oder die Blumenbeete vollzustrullen. Der Alex mag durchaus einer der höchstfrequentiertesten Standorte Berlins sein. Nur spielt sich diese Frequentation wohl in erster Linie eben auf dem Alex bzw. im Alexa und nicht auf dem RF ab, trotz des großen Angebots an hochwertigen Geschäften wie kik und Rossmann.


    Baukunst spricht ja auch nur für sich. Die aufgelisteten Fragen sollste dir ja auch selbst beantworten. Die "Experten" sprechen sicher gar nicht für die Berliner, sondern vor allem für ihre Profession.

  • Baukunst


    Der Alex ist der Berliner Platz schlechthin. Und das spürt man jetzt schon. Es geht um die Atmosphäre. Die finde ich so selbst am Kudamm nicht. Der Alex strahlt am meisten Weltstadtfeeling aus, ohne daß ich mir jetzt darauf etwas einbilden will. Es ist einfach ein toller Platz, erst recht mit Fernsehturm.


    Zurück zum Thema: Ich finde übrigens das leere Rathausforum vertretbar, wenn man drumherum dichte Urbanität herstellt, die Spandauer Vorstadt (Hackescher Markt Süd) wiederherstellt, die Gegend ums Rote Rathaus, die Liebknecht- und die Spandauer Straße normalisiert. Also schlicht wieder eine urbane Umgebung herstellt. Dann macht das Rathausforum durchaus Sinn. Das MEF müßte natürlich bebaut werden.


    Das Rathausforum wäre dann ein bißchen wie ein zweiter Alexanderplatz. Dann wäre es wirklich erst ein Forum. Das wäre durchaus eine Option. Und auch pragmatisch anzuraten. Rathauspassagen, Liebknecht- und Spandauer Riegel müssen sowieso weg. Mein Traum ist es, die Alte Synagoge in der Heidereuther Gasse/Rosenstraße wieder zu rekonstruieren. Letztlich sind diese Gegenden viel wichtiger als das Forum selbst.


    Dann sind auch die Architektur-"Experten" zufrieden. Und die Option für eine Bebauung bleibt weiterhin offen. Leute wie ich müßten im Grunde genommen wie wild für einen Erhalt des Rathausforums plädieren, damit Frau Lüscher dort keine Bibliothek oder Tankstelle hinbaut.


    Das Rathausforum ist doch vor allem deshalb so ätzend, weil gegenüber ein häßlicher Plattenbau mit häßlicher Straße und häßlichem Fußgängerbereich steht. Das ist doch nun wirklich öde. Und die Rathauspassagen sind auch nicht toll. Sie entwürdigen das Rote Rathaus. Das sind die eigentlichen Problemzonen. Auch das MEF. Wenn dort alles paletti ist, hat das Rathausforum durchaus seinen Reiz, als echter Kontrast zu einer traditionellen Stadt.


    Für mich ist klar, daß dieser Müll weg muß, nur bin ich halt, wie schon oft gesagt, der Meinung, daß diese Bauten und auch die Berliner ein Recht darauf haben, daß diese Gebäude natürlich altern und erst bei entsprechenden Rahmenbedingungen abgerissen werden. Die energetischen Punkte der Stadtentwicklung sind momentan ohnehin woanders.

    Einmal editiert, zuletzt von Echter Berliner () aus folgendem Grund: Ergänzung

  • naja, angesichts des Ausmaßes an Terraforming durch den U5 Bau, wäre es eigentlich jetzt der richtige Zeitpunkt zumindest das MEF Areal sinnvoll und nachhaltig zu planen. Ansonsten entwickelt sich das Gebiet noch für die nächsten 20 Jahre zu einer ungestalteten Baustelleneinrichtung.

  • @ baukunst:


    "1: Ein Theaterbesuch?"


    Volksbühne, beinahe Theater des Jahres 2011, wenige Hundert Meter entfernt.


    "2: Kino mit anschließend Bar?"


    Cinestar für Mainstream, Babylon für Cineasten.


    "3: Schick mit der Frau/ Freunden/Kollegen/Kunden essen gehen?"


    Gold neun (Ex-HBC) direkt gegenüber der Marienkirche.


    "4: Gästen die Stadt zeigen?"


    Fernsehturm, Rathaus, Marienkriche, Alexanderplatz, Aquadom (das größte zylindrische Salzwasseraquarium der Welt), von der nahe gelegenen Spandauer Vortstadt oder dem Nikolai-Viertel etc. ganz zu schweigen.


    "5: Im Sommer "berlinmäßig" auf der Wiese liegen?"


    Weiß nicht genau, was "belinmäßig" bedeuten soll, aber unter dem Alex ist tatsächlich viel los und es macht Spaß, dem Treiben zuzuschauen.


    "6: Wochenendbummel mit Café und Kumpels/ Familie? Bleibt man doch lieber im Kiez. Aber solange statt "Kiez" Brachfläche ist, bleibt auch keiner."


    Wer Kiez will, sollte tatsächlich anderswo hingehen.


    "7: Oder sogar zur Arbeit gehen?"


    Wer dort arbeitet, wird dort zur Arbeit gehen, sonst nicht. Gilt für alle Orte.


    "8: Einkaufen. Ok, das wäre ein halber Punkt."


    Nein, das ist schon ein ganzer Punkt. Man kann in der Gegend alles kriegen.


    Es geht mir nicht darum, die Gegend künstlich schön zu reden, aber selbst wenn ich deinen Kriterien folge, baukunst, ist es leichter, sie zu verteidigen als sie anzugreifen.

  • Es geht ums RF und was es auf dieser quaderförmigen Fläche und entlang der sie einfassenden Straßenzüge zu tun/sehen gibt, weswegen man sich länger dort aufhalten möchte/könnte und nicht um Nahegelegenes, wie den Alex oder die Spandauer Vorstadt oder Unter den Linden, die durchs Bahnviadukt und die Spree von dieser Fläche abgetrennt sind


    Hm, geht man nach der Volksbühne und Babylon in Richtung RF oder eher in die SV oder RV, wo die Auswahl an "Etablissements" um 1000% höher ist, als am RF?


    Ja jut, 1-2 Restaurants mags vielleicht geben. Aber keine Auswahl, verglichen zu z.B. am/um den Kudamm, am Gendarmenmarkt oder Prenzlauer Berg. Das Cancoon und McDonalds sind nicht grad das, was man allegemein unter "schick" versteht. Bei den Restaurants im NV hält sich die Schickheit ggü. der Verstaubtsheit vermutlich auch in Grenzen.


    OK, zu sehen gibts da schon ein paar Dinge und "wirken" lassen (positiv oder negativ?) kann man das Ensemble auch. Und rumgammeln kann man da auch.


    Wer dort arbeitet...Tja...Wer oder eher wie viele arbeiten denn dort? Wenn dort ein Paar (natürlich nicht ausschließlich!) mehr Büros, als die im DomAquaree hinkämen, würden vielleicht auch die Geschäftsleute mal zur Mittagspause oder mit nem Kollegen nach Feierabend in eines der vielleicht auch nicht grad hochwertigsten, aber sicher doch etwas besseren gastronimischen Einrichtungen geht, statt das RF in schnellem Schritt zu überqueren um von seiner Arbeit im DomAquaree zur U-Bahn zu kommen oder gleich in die Straßenbahn einzusteigen.


    Hm, und was gibts dort zu kaufen? Toruistenkram, Bücher, Medikamente und hochwertiges bei kik (was eigentlich auch nicht mehr am RF liegt). Für den Rest gehts zu Kaufhof oder ins Alexa jenseits des Bahnviadukts.


    Ich habe zum Thema "Erschließung des RF von Norden und Süden" wieder mal bisl rumgespielt. Blau: bestehende Straßen; Grün: dem hist. Grundriss entsprechend neu zu schaffende Straßen und Gedenkstätte/Grünfläche Rosenstraße; Gelb: direkte N-S-Verbindung übers RF; Rot: ehem. nicht wieder herstellbarer Straßevverlauf; Dunkelblau: Bestand; Hellblau: Neubauten auf Leerflächen bzw. nach Abriss der Riegel unter Berücksichtigung des hist. Stra0enverlaufes.

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    4 Mal editiert, zuletzt von Ben ()

  • ^ Naja, wenn man sich wirklich strikt auf das RF beschränkt, entfallen einige von mir genannte Optionen (die aber alle in unmittelbarer Nähe sind). Aber dann finde ich es auch nicht fair, das RF mit dem kilomenterlangen Kudamm oder gar dem Prenzlauer Berg zu vergleichen. Das sind ja vollkommen verschiedene Größenordnungen.


    Bei den Geschäften und Läden an diesem Teil der Karl-Liebknechtstraße fällt mir auf, dass die Qualität schnell steigt.