Zukunft des Rathausforums / Marx-Engels-Forums

  • Wohnungen abreißen dürfte schwierig werden. Hand anlegen an diese realsozialistischen Errungenschaften dürfte auch einen politischen Sturm heraufbeschwören. Linke Verweigerer sind mächtig im Bezirk. Es dürfte wohl nicht mehr als nur gebastelt werden - wenn überhaupt. Im Bezirk Mitte regiert der Kleingeist.

  • tel33


    Das sehe ich ebenso. Das Nikolaiviertel hat keine Luft zum Atmen. Die Interaktion, der Blutaustausch, mit Nachbarvierteln fehlt aufgrund der Stadt-Verweigerung, die die Plattenriegel despotisch vorgeben.


    Edit:
    Wir werden uns mit dem Step-by-Step begnügen müssen. Ein Marienviertel als Fremdkörper implantieren, und dann die Abwehrreaktionen der bestehenden Gewebeverhärtungen zum Anlass nehmen, diese zu amputieren. Ich glaube, so müsste es gehen.

    Einmal editiert, zuletzt von Tektor ()

  • (...) Nämlich all jene monströsen Riegel, mit denen die DDR Altvorderen versuchten, das Gesicht und damit die kulturelle Identität dieser Stadt auszulöschen.


    Ich denke, dass es zumindest bei dieser Fläche nicht im die Auslöschung von Identität als ideologisches Werkzeug ging, sondern um die Umsetzung der reinen Lehre des modernen Städtebaus im Wiederaufbau.... - Deine Deutungen tragen da nachträglich eine Diskussion an die Dinge heran (nämlich die Auseinandersetzung zwischen Moderne und "kritischer Rekonstruktion" von Stadtgrundrissen), die es zur Zeit der errichtung so noch nicht gab...

  • (...) und dann die Abwehrreaktionen der bestehenden Gewebeverhärtungen zum Anlass nehmen, diese zu amputieren. Ich glaube, so müsste es gehen.


    Mhm - "amputieren"?!? - die Sprachwahl verrät, wess Geistes Kind man ist... - klingt ziemlich rigoros und autoritär... - Das ist auch mein Eindruck von den Visualisierungen der "Marienviertel"-Aktivisten...

  • Stadtstruktur


    Dann nenne es von mir aus Herausschneiden eines Tumors. Das sind diese DDR-Platten - weil genau diese reine Lehre der Moderne in den Supergau führte.


    Und lass es sein, versuche es besser nicht, auch noch Menschen beurteilen zu wollen. (Wie ich diese Arruganz hier liebe! :) )



    Edit: Bevor die Strang wieder sonstwo landet, werde ich hier zu grundsätzlichen Architekturfragen nicht weiter antworten.

  • Mir ist klar, dass hier die übergroße Mehrheit Verfechter des Konzepts der "kritischen Rekonstruktion" ist - aber nicht 100% der Teilnehmer... - Daher auch der Titel: Kontroverse über das Rathausforum... - Meinungsstreit ist etwas produktives...


    Ich finde sanfte Konzepte besser, stadtverträglicher - als radikale Ansätze, die die eine, letztgültige Idee durchsetzen wollen - obwohl unklar ist, ob diese Lösung wirklich besser ist/funktioniert...

  • Ich denke, dass es zumindest bei dieser Fläche nicht im die Auslöschung von Identität als ideologisches Werkzeug ging, sondern um die Umsetzung der reinen Lehre des modernen Städtebaus im Wiederaufbau....


    Ich sehe darin keinen Widerspruch. Die vermeintliche 'Lehre des modernen Städtebaus' bedingt geradezu die ideologisch begründete Zerstörung des Vorhandenen und auch letztlich ihrer eigenen Gebilde. Der permanente Abriss ist quasi die Lebensader einer jeder Kultur und Ästhetik beraubten Funktionsarchitektur. Die Vernichtung von Identität ist systemimmanent.

  • Radikale Ansätze sind in jeder Hinsicht unbrauchbar, das stimmt. Am besten sieht man es hier auf dem Areal von Altberlin. Die Modernisierung war so radikal, dass die uns aus Jahrhunderten überlieferte Stadt praktisch aufhörte zu existieren, zumindest was die Gebiete innerhalb des S-Bahn-Bogens und der südlichen Spreeinsel betreffen. Ihre Radikalität war so nachhaltig, dass ein behutsames Weiterbauen in der Gegenwart ein zähes Abringen von Zugeständnissen bedeutet. Ihre Ideologische Radikalität vergrub jede Baudynamik unter sich; sie war so radikal, dass sie sich selbst in Frage stellt, weil sie keine Antworten auf das 21. Jh. mehr hat.


    Ich versuche Realist zu sein und sehe eher die sanfte und sich schleppende Mitbebauung des Areals als Lösungsansatz in der nahen Zukunft. Die Stadt sollte wieder 'natürlich' wachsen können, wie sie es in den über 700 Jahren tat. Nur sollte man sie lassen! Damit sie nicht in der verschorften Gegenwart hängen bleibt. Diese Stadt ist nicht fertig, und wird es nie sein. Ganz im Sinne Schefflers. Die momentane Gestalt des DDR-Staatsforums, also RF+MEF, ist kein Gottesurteil!

  • Wohnungen abreißen dürfte schwierig werden.

    In Berlin wurden im Jahr 2013 12471 Wohnungen gebaut. Bei den Riegeln sind jeweils einige 100 Wohnungen vorhanden. Ebenso würden ja auch neue Wohnungen entstehen.
    Wohnungstechnisch wäre das also ohne Probleme verkraftbar, aber da:

    Hand anlegen an diese realsozialistischen Errungenschaften dürfte auch einen politischen Sturm heraufbeschwören.


    ... sehe ich das größere Problem.

  • jack000


    Das Problem ist, dass in Berlin Mietwohnungen durch Eigentumswohnungen ersetzt werden. Das ist das Auge des Sturms, um bei Tektors martialischer Wortwahl zu bleiben.

  • jack000


    Das Problem ist, dass in Berlin Mietwohnungen durch Eigentumswohnungen ersetzt werden.


    Eine jede Wohnung hat einen Eigentümer. Wenn ein Eigentümer selbst in seiner Wohnung wohnen möchte, ist zumindest die Wohnung frei in der er vorher gewohnt hat oder er vermietet die dann wenn diese ihm selbst gehörte.


    Mir ist die Problematik der Berliner Wohnungssituation durchaus bewusst, aber von Verhältnissen wie in Stuttgart, München, Hamburg oder Frankfurt ist Berlin noch weit entfernt.


    Wenn in Berlin über 12.000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden und das Projekt "Abriss Riegel und Neubebauung" sich sagen wir mal über 6 Jahre hinzieht sind bis dahin bereits wieder über 70.000 Wohnungen entstanden. Die paar hundert fallen also nicht weiter auf.


    Ebenso erwähnte ich, dass ja aus preiswerter Wohnraum entstehen soll (politisch verordnet, das ist ja möglich).
    => Das mit den Wohnungen ist also insgesamt nicht das Problem.

  • Ich sehe darin keinen Widerspruch. Die vermeintliche 'Lehre des modernen Städtebaus' bedingt geradezu die ideologisch begründete Zerstörung des Vorhandenen und auch letztlich ihrer eigenen Gebilde. Der permanente Abriss ist quasi die Lebensader einer jeder Kultur und Ästhetik beraubten Funktionsarchitektur. Die Vernichtung von Identität ist systemimmanent.


    Von diesem Idenditätsgerede halte ich wenig. Wer will schon sein Leben lang die gleiche Umgebung, die gleiche Wohnung, die gleichen Möbel, die gleiche Kleidung. Da erstickt man doch. Die Sachen dann auch noch unbedingt der nächsten Generation bzw. den Kindern aufdrücken zu wollen macht es noch schlimmer.


    Der permanente Wandel erscheint mir da doch attraktiver. Tot ist man nachher noch lange genug da ändert sich dann nichts mehr. Wobei ich zugebe, dass es nicht immer leicht fällt sich von den gewohnten Dingen zu trennen - selbst wenn sie schon defekt sind. Den Fernsehturm würde ich auch etwas vermissen.(wenn es keinen Ersatz gäbe) Diverse andere alte Gebäude hingegen nicht.

  • @jack000Das Problem ist, dass in Berlin Mietwohnungen durch Eigentumswohnungen ersetzt werden. Das ist das Auge des Sturms, um bei Tektors martialischer Wortwahl zu bleiben.


    Das ist nicht dein Erst: von knapp 1,9 Mio. Wohnungen in Berlin sind gut 86 % (1,63 Mio.) Mietwohnungen. Die paartausend Eigentumswohnungen, die umgewandelt werden, ändern an der Struktur gar nichts.


    Was mir in der Diskussion fehlt sind die Auswirkungen des Zuzugs auf a) Einkommensteuer, b) Lohnsteuer und c) Kapitalertragssteuer. Schliesslich ist Berlin auch Gemeinde. Diese Mehreinnahmen ermöglichten vermutlich mehr Neubauten von Sozialwohnungen als bis dato initiiert.

  • Konstantin


    sicher ist das mein ernst.
    ... es werden keine „initiiert“ wie du es nennst.
    wie heute in der abendschau zu sehen war, werden von den 2000 Wohnungen der europacity am HBf ganze 24 für Normalverdiener erschwinglich sein. Das sind bei weitem zu wenige um all die Vertriebenen aus den Rathauspassagen aufzunehmen...

    3 Mal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • ^Ergebnis? Das ändert doch bei 1,9 Millionen Wohnungen nix an dem Verhältnis von etwa 86 % Mietwohnen im Vergleich zu Eigentumswohnungen in Berlin. Und an der Heidestrasse gab's keine Wohnungen, deren angeblich sozial schwache Klientel hätte vertrieben werden können. Bleibt doch mal auf dem Teppich.


    Was wäre denn das Ziel, die Herren? Das Privateigentum auf Wohnraum zu beschränken? Mit dem Grundgesetz in der Linken und der Berliner Verfassung in der Rechten vielleicht 75% Staat und 25 % Private? Aber natürlich nur, wenn das die richtigen Privaten sind...

  • Von diesem Idenditätsgerede halte ich wenig. Wer will schon sein Leben lang die gleiche Umgebung, die gleiche Wohnung, die gleichen Möbel, die gleiche Kleidung. (...) Der permanente Wandel erscheint mir da doch attraktiver.


    Jeder hat ein paar Erinnerungsstücke, die er/sie lebenslang behält. Wie so oft geschrieben - es geht nicht darum, die gesamte Stadt zum Stand X zu konservieren, sondern um einzelne Bereiche, die an die Wurzeln erinnern und generationenlang übergeben werden - der Rest kann sich wandeln. Was übrigens in Berlin und Deutschland weniger der Fall ist als verbaler Anspruch - de Facto wird die Bauhaus-Moderne nach 100 Jahren immer wieder repliziert und dadurch konserviert.


    London ist u.a. deswegen so attraktiv, weil es genauso erhaltene Altsdtadt-Bereiche gibt wie auch hoch innovative Neubauten. Die Briten haben auch keine Angst, bei Bedarf Altstädtisches wiederherzustellen, etwa am Paternoster Square - die rekonstruierte Zeile an St. Pauls verbunden mit passenden postmodernen Bauten. Es könnte ein Vorbild für die Gestaltung der hier diskutierten Bereiche sein.

  • ...Jeder hat ein paar Erinnerungsstücke, die er/sie lebenslang behält. Wie so oft geschrieben - es geht nicht darum, die gesamte Stadt zum Stand X zu konservieren, sondern um einzelne Bereiche, die an die Wurzeln erinnern und generationenlang übergeben werden ...


    Das ist doch genau die Krux. Es gibt kein Kontinuum. Es gibt einen Bruch. Nunmehr sind fast 3 Generationen mit dem aufgewachsen was jetzt dort ist. Ausser ein paar Wenigen über 80 Jährigen kann sich also kein Mensch an das erinnern was dort war. Keiner sonst der danach geborenen hat irgendwelche Assoziationen, Gefühle, Erfahrungen mit irgendwelchen Wurzeln dort. Umso mehr verwundert mich diese Einstellung bei Leuten die Berlin „nur“ als Touristen kennen.

  • ^ Altstädte sind per se Bereiche gestaltete in einer Zeit, an die sich niemand erinnern kann. Dennoch sind sie in jeder Stadt enorm beliebt, meist die bevorzugten Ausgehviertel - in Düsseldorf, Köln, London, Breslau usw. ist es nicht anders. Als Paternoster Square neu gestaltet wurde, konnte sich ja auch keiner erinnern, wie der Platz vor dem Krieg aussah - im WKII wurde er zerbombt, danach standen dort typische Kisten der 1960er Jahre. Als die Breslauer Altstadt rekonstruiert wurde, wurden einige Zeilen bewußt nach einer älteren Zeit als mit dem Bebauungsstand WKII-Anfang gestaltet, etwa 18. Jh. - an die man sich natürlich nicht erinnern konnte. Mehr - die Bevölkerung war ohnehin eine andere als zum Kriegsanfang, vorwiegend aus Lemberg oder Zentralpolen übersiedelt - dennoch hatte sie Bedürfnis nach einem Identitätsbereich, selbst wenn es nicht die eigene erfahrene Baugeschichte war.


    Mich wundert das Bestreben, keine Altstadt zu haben, nicht mal ansatzweise - wenn ohnehin klar ist, dass 99% der Stadt übrig bleibt.