Umgestaltung Rathausforum / Marx-Engels-Forum

  • Ich bin immer wieder verwundert, mit welcher Hemmungslosigkeit über in sich schlüssig gestaltete Ensembles mit hohem historischem Aussagewert zumindest verbal verfügt wird. Die Freifläche vor dem Fernsehturm ist mitsamt Marienkirche, Rotem Rathaus und Fernsehturm selbst einschließlich seiner Sockelspitzen ein, wenn nicht das zentrale Motiv der Umgestaltung Berlins in den 60er Jahren. Was glaubt ihr denn, was kommt, wenn hier eine Bebauuung entstünde? Wären Townhouses wie auf dem Friedrichswerder oder eine Geschäftshausbebauung wie das gerade in Realisierung gegangene "Alea" von Sauerbruch & Hutton und RKW denn ein solcher Gewinn? Warten wir doch erst einmal ab, wie sich die Situation darstellt, wenn das Humboldt-Forum realisiert ist. Zur Verdichtung bieten die überdimensionierten Straßenräume vom Spittelmarkt über den Molkenmarkt bis zur Stadtbahntrasse bis dahin meines Erachtens genügend Spielraum. Wer weiß, vielleicht sind wir dereinst eher in der Lage als heute, den zentralen Freiraum zu schätzen, wenn drumherum die Stadt erst wieder dichter geworden ist.

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    Ob eine Geschäftsbebauung ein Gewinn wäre? Meiner Meinung nach: ja, auf jeden Fall. Das bringt mehr Umsätze und Verdichtung.
    In Berlin werden öffentliche Grün- und Freiflächen scheinbar eh weniger gepflegt. Da wäre eine Bebauung wenigstens sauberer. :)

  • Ähm, nein, wären sie nicht! Ich sage ja nicht, dass sie aufgrund ihrer Höhe entbehrlich sind, sondern aufgrund ihrer Nutzlosigkeit im Zusammenhang mit den Problemen, die sie durch ihre Form für eine mögliche einheitliche Bebauung darstellen könnten/werden/würden. ........


    Hmm, es ist doch wohl eher die nutzlose Kirche die einer einheitlichen Bebauung im Wege stünde.


    Der Sockelbau des Fernsehturms lässt sich im Prinzip als Büro und Geschäftsbau nutzen und wäre aufgrund seiner Symmetrie auch mit so einer Bebauung wie im Link kompatibel.


    http://www.stadtentwicklung.be…v/hochschulprojekte.shtml

  • Nutzlose Kirche? Auf welchem Stern lebst Du denn? Die Marienkirche ist eines der wenigen Gebäude in dieser Stadt, die uns nach den Verwüstungen des 20. Jahrhunderts noch daran erinnern, dass dieses Stück Erde schon länger besiedelt ist als 200 Jahre. Überdies empfinde zumindest ich es immer wieder als erhebend, in Räumen zu stehen, die nicht nur für den kleinen Nutzen unseres kurzen Daseins errichtet wurden, wie all diese Krämerbuden unterm Glasdachhimmel, in dem der ein oder andere in diesem Forum den alleinigen Sinn des Bauens entdeckt zu haben scheint.

  • Welche nutzlose Kirche? Da steht doch nur die sich in in Betrieb befindliche 800 Jahre alte Marienkirche? Die 30 Jahre alte Sockelbebauung hat durchaus nen Nutzen und wird ja ebenso wie die Kirche genutzt. Aber ich rede ja auch nicht von den Räumen, sondern von den Spitzen. Wenn du schon von der Kompatibilität redest, sollteste auch ein Beispiel bringen, wo die Sockelbebauung noch vorhanden ist. Die Kirche hingegen steht zwar etwas quer, scheint sich jedoch gut einzufügen. Ich sage ja nicht "Weg damit!" beim Sockel. Hab ja gesagt, ich finde diese Architektur durchaus interessant. Ich versuche nur Nutzen und Störfaktor nach meinem Ermessen etwas abzuwägen. Außerdem gings bei dem Foto eh um die Platten, und nicht um den Turm.

  • Wenn du schon von der Kompatibilität redest, sollteste auch ein Beispiel bringen, wo die Sockelbebauung noch vorhanden ist.


    Das Beispiel war ja vor einigen Postings der Ausgangspunkt für die Infragestellung des Sockelbaues. Aber dieser würde ja trotzdem gut zu einer modernen symmetrischen Bebauung passen. Während die Kirche eher als Fremdkörper erscheinen würde.


    Bzgl. der Nutzen und Altersfrage ist es wohl so dass betriebswirtschaftlich gesehen in der Regel die neuesten Gebäude die wertvollsten sind.

  • Ich finde ulgemax hat Recht.
    Mich wundert es, dass man die Marienkirche in der DDR (zum Glück) stehengelassen hat.
    Sakralbauten genossen im Sozialismus bekanntlich kein hohes Ansehen
    (Beispiele: Die Sophienkirche am Postplatz in Dresden, Oder die Pauluskirche in Leipzig die Walther Ulbrichs zum Opfer fielen)


    Aber das nur nebenbei...
    man sollte bei weiteren Planungen die Marienkirche hervorheben und sie als letztes Altstadtrelikt schätzen

  • Dass die Marienkirche stehen geblieben ist, wundert mich nicht, sie steht dort als wichtiger Teil einer architektonisch-historischen Collage, die ein sehr sprechendes Bild ihrer Zeit ist. Links vorne, wunderbar ins Bild gedreht und somit in ihrer ganzen Größe erkennbar, die Kirche als Symbol der spirituellen Instanz des Mittelalters, rechts, ebenfalls über Eck zu sehen und mithin als Baukörper präsent, das Rote Rathaus als Symbol der bürgerlichen Epoche, und dahinter, beides überragend und wie eine Rakete scheinbar bereit zum Vordringen in neue (gesellschaftliche) Welten der Fernsehturm als Zeichen der technischen und sozialen Überlegenheit des Sozialismus.
    Diese Zeit ist passé. Aber bevor man dieses Epochenbild zerstört, nur um noch an ein paar weiteren Ecken Starbucks-Coffee schlürfen oder in Bangladesch produzierte Mode kaufen zu können, sollte man vielleicht noch einmal Innehalten, bis sich vielleicht eine weniger würdelose Alternative bietet.

  • Starbucks ist doch schon längst im Fernsehturm-Sockelbau und Mode made in bangladesh gibt es inzwischen auch im KaDeWe. Aber ulgemax hat inhaltlich völlig Recht: erst einmal in der Breiten Strasse und am Molkenmarkt zeigen, dass man überhaupt etwas Stadtkerntypsiches hinbekommt.


    Der erste Versuch, im Stadtkern neuzubauen ist mit dem Domaquaree ziemlich schiefgegangen. Da hätte man auch gleich die DDR-Bebauung stehen lassen können.


    Der zweite Versuch, der Umbau der Rathauspassagen, ist ebenfalls desaströs. Sockelbebauung Beliebigkeit pur, das rückwärtige Parkhaus würdig eines Hochregallagers eines Möbelhauses. Grausam.


    Der dritte Versuch am sog. "Hackeschen Markt Süd" ist zwar vordergründig durch eine kleinere Parzellierung passabler. Durch die tertiäre Mononutzung ist das Areal aber nach Büroschluß eine Katastrophe. Auch die teilweise 10-Geschossigkeit ist masslos.


    Der vierte Versuch mit dem "Alea" scheint die gleichen Fehler zu wiederholen.


    Vor diesem Hintergrund würde ich von dem 5. Versuch abraten, ohne vorher nochmal grundlegend zu überlegen.

  • Ich finde es schon bemerkenswert: da hat Chandler mit seiner gelungenen Provokation versucht, all jenen einen Spiegel vorzuhalten, die gerade im Bereich Marx-Engels-Forum/Alexanderplatz gerne und schnell nach Abriss und Neubebauung schreien. Und was passiert - die Adressaten merken es gar nicht und legen sich wie wild ins Zeug zur Verteidigung der Marienkirche. :D


    Natürlich muss die Marienkirche bleiben - genauso wie der Sockel des Fernsehturms mit seinen Spitzen und allem, was sonst noch zum Ensemble gehört.


    Amüsierte Grüße,
    Hobrecht.

  • ich bitte euch, tut doch nicht so als hätte oder würde die marienkirche jemahls zur disposition stehen! wie absurd.
    gerade mit solchen bestehenden situationen umzugehen, daran wird sich zukünftiger städtebau an dieser herausragenden stelle beweisen müssen.

  • ^ Die Diskussion ist doch nur entstanden, weil wir immer wieder von Einzelnen mit ähnlicher Begründung die Sockelbebauung des Fernsehturms und damit ein essentieller Bestandteil des Berliner Wahrzeichens schlechthin in Frage gestellt wird. Mithin also nur ein Mittel dafür, die Absurdität auch dieser Forderung zu verdeutlichen.

  • Der Sockel ist aber nicht von essentieller Wichtigkeit, wenn es darum geht den Fernsehturm als Wahrzeichen zu sehen.
    Er würde auch mit einem neuen Sockel Wahrzeichen sein und bleiben.
    Sinnvoll ist es trotzdem nicht den Sockel abzureißen, weil er ein Teil des Turms ist.

  • ^ Die Diskussion ist doch nur entstanden, weil wir immer wieder von Einzelnen mit ähnlicher Begründung die Sockelbebauung des Fernsehturms und damit ein essentieller Bestandteil des Berliner Wahrzeichens schlechthin in Frage gestellt wird. Mithin also nur ein Mittel dafür, die Absurdität auch dieser Forderung zu verdeutlichen.


    Normalerweise würde ich ja nun einen Äpfel- und Birnenvergleich konstatieren - hier wären es aber wohl eher Ananas und Kitekat... Die Bedeutung der Sockelbebauung des Fernsehturms und der Marienkirche sollten doch eigentlich auch für kulturhistorisch sehr anspruchslose Mitbürger klar zu differenzieren sein. Soviel zum Thema 'Absurdität'...:ko:
    PS: Und ja, von mir aus kann sie ruhig bleiben. Die Sockelbebauung.

  • Ich finde auch, dass man dan letzten mittelalterlichen Sakralbau von Berlin Mitte nicht mit einem DDR-Zweckbau vergleichen kann!
    Außerdem ist zu bemerken, dass die Kirche immernoch als solche genutz wird, und nicht zu musealen Zwecken umhersteht...

  • Bei der ganzen Debatte sollten wir schon das Berliner Denkmalrecht berücksichtigen. Und da ist die Lage ganz eindeutig so, dass das Berliner Denkmalschutzgesetz keine Denkmäler erster oder zweiter Klasse kennt. Ein Gebäude ist entweder ein Denkmal oder es ist kein Denkmal. Die Marienkirche und die Fernsehturm-Sockelbebauung sind Baudenkmäler, daher sind sie zu erhalten. Daher sind tel 33 und Speer im Irrtum.


    Chandler hat mit seinem Beitrag ganz gut gezeigt, zu welchen Debatten wir kommen, wenn der Denkmalschutz infrage gestellt wird. Es würde extrem destruktive Debatte beginnen, bei der jeder seinen ganz persönlichen Geschmack zu Maßstab aller Dinge machen würde. Daher machen sich die Denkmalpfleger auch für den Erhalt von Baudenkmälern aus allen Bauepochen stark, ich habe ja schon mal eine Stellungsnahme des Landesdenkmalrates zu dem Gebiet zitiert. Und das ist auch gut so.


    P.S. Das Denkmalrecht der DDR kannte übrigens 3 Denkmalklassen. Diese Klassifizierung führte dann in der Praxis dazu, dass nur die bedeutendsten Baudenkmäler erhalten wurden und weniger bedeutende Denkmäler abgerissen worden sind. Ich denke, dass diese Praxis für uns heute kein Vorbild sein sollte.

  • Das was Klarenbach sagt klingt durchaus plausibel und ich denke die Baupolitik sowie der Denkmalschutz der DDR dienen in keinster Weise als Vorbild für die BRD.
    Trotzdem haben gewisse Gebäude im Vergleich zu anderen einen höheren 'Stellenwert' wenn man so will. Ich finde die Kirche unter historischen Aspekten betrachtet erhaltenswerter als den Sockelbau....
    Da beide letztenendlich unter Denkmalschutz stehen, kann man die Diskussion an dieser Stelle lassen. ;)

  • Die Marienkirche ist nicht der "letzte mittelalterliche Sakralbau von Berlin-Mitte", wie Speer behauptet. Die Nikolaikirche und die Heiliggeistkapelle sind nach ihrer Sanierung jetzt in hervorragendem Zustand, trotz Profanisierung. Und so ganz wollen wir doch bitte die Ruine der Klosterkirche auch nicht vergessen.

  • Freifläche bleibt erhalten

    Im Interview mit dem Tagesspiegel erklärt Stadtentwicklungssenator Michael Müller unter anderem, dass der Freiflächencharakter am Rathaus- bzw. Marx-Engels-Forum erhalten bleiben soll. Mit dem Bau des Humboldtforums entstünden neue Blickachsen, weshalb man die Wirkung dieses großen Baukörpers abwarten wolle. Über Freiräume sei man dann eventuell sogar froh.


    http://www.tagesspiegel.de/ber…g-zur-s-bahn/6682276.html