Umgestaltung Rathausforum / Marx-Engels-Forum

  • Ob Paris jetzt eine Stadt zum Leben oder für den Urlaub ist, sei doch mal dahingestellt, hatte die Pariser Hausmann'sche Stadt doch wenig Ähnlichkeit mit der Berliner "Altstadt" rund um das rote Rathaus. Auch der Vergleich mit Köln erscheint ein wenig weit dahergeholt, weil die dortige Altstadt als wirklich über tausende Jahre gewachsenes Zentrum eine ganz andere Identifikationsfunktion hatte. Mich würde viel eher interessieren, welchen Bedarf die Reko-Freunde denn hier erfüllt sehen wollen und wie der Wunsch nach großflächiger Reko finanziert werden soll. Wenn selbst in Altbauquartieren Lückenbebauung oft in Form von Großstrukturen erfolgt ist doch klar, wonach Bedarf herrscht und wonach nicht.

    PS: Mal 'ne kleine Zwischenfrage: ist corleone jetzt der neue Zweitnick von Berliner1983? Die ähnliche Unfähigkeit zur Interpunktion ist doch recht frappierend.

  • ad #385: Reclaim the streets

    Finde auch, dass Architektator hier etwas unfair angegangen wurde. Das Foto, das er gepostet hat, macht doch vor allem deutlich, das vor den heutigen Baufluchten noch genug Platz fuer die alte Eckbebauung wäre.


    Ich will hier nicht einer Reko das Wort reden, aber die heutige Tiefgaragenzufahrt zum Dom-Aquaree-Parkhaus ist numal auch keine gelungene Lösung. Es macht auch deutlich, welcher Flächenverbrauch in Berlin dem Strassenverkehr zugestanden wird.


    Insofern sollte doch Architektators Beitrag zumindest den Gedanken anstossen, ob man diese riesigen Verkehrsflächen an der KLS wirklich braucht oder dauerhaft erhalten will.


    Ich wage hier mal die Prognose, dass wir einen weitestgehenden Rückbau alle noch erleben werden, nicht ideologisch motiviert, sondern weil man sich diesen Flächenverbrauch einfach nicht mehr leisten können wird.

  • Zu dem wie ich finde recht hinkenden Vergleich Paris-Berlin:


    1. Paris ist französisches Finanzzentrum Nr. 1. Der Tourismus ist sicher ein nettes Zubrot. In Berlin allerdings mit seiner lächerlichen (auch der ewig wirtschaftsfeindlichen Mentalität zu verdankenden) Wirtschaftskraft braucht Touristen ganz dringend, um viele Berliner überhaupt in Lohn und Brot zu bringen.


    2. Außer dass beide Hauptstädte sind, sehe ich wenige Parallelen. Eher zwischen Paris und London. In diesen Städten kann der Normalbürger überhaupt nicht mehr zentrumsnah wohnen, was in Berlin allen Unkenrufen zum Trotz noch immer möglich ist.


    3. Paris ist eine fertige Stadt, Berlin muss erst wieder mühsam dahinkommen, wo es vor dem Krieg war - auch städtebaulich. Reko hin oder her, aber so wie jetzt kann die alte Mitte nicht bleiben, schon aus Gründen nicht nachvollziehbarer Platzverschwendung. Grünflächen sind ja schön und gut, aber man kann´s zuweilen auch übertreiben. Berlin besteht ohnehin schon zu rund 30 Prozent seiner Stadtfläche aus Grünflächen, Gewässern und Wald. Muss man da um jede extra Fläche so verbissen kämpfen - gerade auf dem Gebiet der Altstadt, wo der Lustgarten um die Ecke ist?


    4. m.E. ist und bleibt Paris die schönste Stadt der Welt. Zwar eine eingebildete Diva und sauteuer aber eben ein Gesamtkunstwerk der Spitzenklasse. Berlin war auch vor dem Krieg keine Schönheit gemessen an Paris. Dafür zieht Berlin mehr junge und interessante Leute (mit vielen Ideen aber wenig Kohle) an, die als Pioniere die Basis für Berlins künftigen Erfolg legen.


    Eins noch an berliner1983: Sieh dir mal andere Oststädte an, wie die z.T. florieren, etwa Leipzig. Das Problem ist glaube ich weniger die LINKE oder "Ossis", sondern die Nachwehen von einem halben Jahrhundert Subventionen (in Ost und West), die Berlin so antriebslos gemacht haben. Wenn es schon politisch wird: Würde es die Berliner CDU auch nur einen Deut besser machen? Als Berliner Patriot wünsche ich mir manchmal, dass die Stadt direkt der Bundesregierung unterstellt wird, scheinbar packen wir´s selber nicht - bei dem Potential!

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  • DaseBLN hat einen guten Punkt angesprochen wie ich finde, nämlich: Wie soll eine Reko überhaupt finanziert werden und was soll in den Gebäuden für eine Nutzung herrschen? Mal angenommen, es würde zwar kleinteilig, aber weitestgehend modern gebaut, eben dass nur der Platz nachverdichtet wird. Eine Reko im engeren Sinne halte ich alleine ästhetisch für unvereinbar, weil es nicht zu der nun mal modernistischen Umgebung passt und auch schnell Gefahr läuft ein neues kleines Disneyland zu werden, wie z.B. das Nikolaiviertel.
    So, die Häuser sind gebaut, es ziehen vll. ein paar Läden unten ein, wenn Ladenfläche vorhanden, aber wer zieht oben ein? Das riecht verdammt nach weiteren Luxuswohnungen in Zentrumslage und die Gentrifizierungsgegner wären prompt wieder auf den Barrikaden. Mittelschicht wird sich solche Wohnungen nicht leisten können, weil die Baukosten durch die Mieten gedeckt sein und zusätzlich noch etwas abwerfen müssen, also auch entsprechend hohe Mieten.


    Lange Rede, gar kein Sinn: Wer braucht die Reko-Gebäude (unabhängig vom Baustil erstmal) als Nutzobjekte und nicht nur als Kulisse für gepflegte Spaziergänge?

  • @ Vorposter:
    Ich befürworte zwar nur sehr bedingt Rekos (auf dem MEF meinetwegen, nicht den sog. "Neuen Markt" z.B.) allerdings um deine Frage zu beantworten:
    Rekonstruktionen an derlei Orten und Stellen schaffen mit Sicherheit einen recht guten NPV. Um Nutzungen müsste man sich da sicherlich keine Gedanken machen. Der Hauptmieter im EG wäre sicher sehr schnell gefunden (in den Kandidaten Starbucks und Co) - derart frequentierte Lagen gehen im EG weg wie warme Semmeln. Die OGs lassen sich auch mit den üblichen Kandidaten (Praxen, Kanzleien), die auch immer gern zentral mieten recht gut füllen würd ich vermuten.


  • Lange Rede, gar kein Sinn: Wer braucht die Reko-Gebäude (unabhängig vom Baustil erstmal) als Nutzobjekte und nicht nur als Kulisse für gepflegte Spaziergänge?


    Was für eine Reko? Wer will denn wirklich eine Rekonstruktion irgendwelcher alter Stadtkerne - abgesehen von ein paar notwendigen Leitbauten? Ich finde es ziemlich traurig, das hier ständig nur noch irgendwelche Mutmaßungen und sattsam bekannte Platitüden rausposaunt werden und im Grunde überhaupt nicht gelesen wird, was andere hier zum Thema schreiben. Hier geht es um die Wiederherstellung von Strukturen, nicht um irgendwelchen hsitorisierenden Mummenschanz.

  • ^^
    @RichardNeutra #405: Ich bin recht skeptisch bei dem "Disneyland"-Begriff. Neuschwanstein in Florida ist Disneyland oder Retortenstädte in China in deutschem Fachwerkstil, ein Gebäude an alter Stelle wieder zu errichten jedoch sicher nicht. Oder ist die Kommandantur Unter den Linden Disneyland? Oder das Schloss und die Bauakademie? Das Nikolaiviertel ist m.E. auch kein Disneyland. Hier hat man sich zum Großteil am alten Straßenraster orientiert, was ich für grundlegend halte (kritische Rekonstruktion). Die paar Rekos (das meiste sind ja Platten) stehen zudem am Originalplatz. Ansonsten Zustimmung zum Vorredner: Es geht tatsächlich nur um Strukturen - die haben ja auch bis zur DDR sämtliche Umbaumaßnahmen v.a. der Kaiserzeit überdauert.
    Und wenn Gentrifizierungsgegner maulen ob einziehender Praxen und Kanzleien: Ist es jetzt besser? Ein zugiger assliger ungefasster Transitraum?
    Das ganze ist unerträglich ideologisch aufgeblasen: Die jetzige Situation sieht einfach nur nicht gut aus, völlig egal, ob es sich um DDR-Bauten handelt oder nicht. Wer also Rekos bzw. eine Wiederherstellung des Straßengrundrisses erreichen will, muss aufhören den DDR-Städtebau ständig politisch zu verunglimpfen - wenn überhaupt dann nur ästhetisch (und dann auch nur ab 1960, da wurde es im Westen genau so ätzend). Ansonsten gehen die Gegener von vorneherein in eine Abwehrhaltung, da sie hier eine Chance zur politischen Profilierung sehen. Nehmen wir doch einfach mal ein Westbeispiel, den Breitscheidplatz. Hier verändert sich gerade vieles zum besseren, aber man kann dem Platz seinen 60er Mief immer noch ansehen. Doch wer stört sich an der Politik, die dazu führte? Hier werden auch nur ästhetische Gründe zur Verbesserung der Ist-Situation herangezogen, warum geht das im Osten nicht?

  • Weshalb etwas wiederholen was schon einmal da war? Was verbindet ihr mit diesen Dingen die schon vor eurer Geburt vergangen sind? Nostalgie kann es ja eigentlich nicht sein.


    Es ist schlicht eine Frage der Kultur. Ich fühle mich als Berliner nicht wirklich jener Kultur verbunden, die diese Stadt einst zerstört hat. Ich weiß um ihre Geschichte und ich weiß um die Bedeutung ihrer Bauwerke, Straßen und Plätze. Es ist für mich ein ganz wesentliches Anliegen, dass die bizarren Wunden der Vergangenheit auch hier wieder geschlossen werden. Auch oder gerade weil es offenkundig viele dieser Stadt nicht gönnen.

  • @ Cavendish: In Berlin hat man doch momentan noch ein Problem mit zu vielen ungenutzten Brachflächen als mit übermäßigem Flächenverbrauch.


    Ob das Linke der gezeigten Gebäude im Übrigen Deckungsgleich mit der Südwestecke des Domaquarees ist, ist doch vollkommen irrelevant, fest steht, dass es jetzt dort nicht gebaut werden kann und ein Abriss des Domaquarees nicht zur Debatte steht.

  • Die Frage von DaseBLN halte ich für sehr wichtig. Mir ist bis jetzt überhaupt nicht klar, was die Reko-Fans auf dem Rathausforum eigentlich an positiven Leistungen schaffen wollen. So richtig klar ist mir eigentlich nur, was sie beseitigen wollen, nämlich eines der wichtigsten Ensembles der Nachkriegsmoderne in Deutschland, wenn nicht sogar in Mitteleuropa. Dieser Stadtraum wird sicher nicht von allen, aber doch von vielen geschätzt, ebenso wie andere Stadträume auch umstritten sind. Zudem sind derartige Urteile auch immer zeitabhängig. Schon um 1900 wurde über die historistischen Gebäude extrem negativ geurteilt, man lese nur Walter Rathenaus „Die schönste Stadt der Welt“, heute werden sie geschätzt.


    Noch unhaltbarer werden die Argumente für Neubebauungen, wenn man die Alternativen präsentiert bekommt. Geradezu erbärmlich ist das Konzept von Bernd Albers, der den Fernsehturm hinter einer Hinterhofbebauung verstecken will. Dieses Konzept würde nicht nur den Fernsehturm, sondern auch das Rote Rathaus in seiner städtebaulichen Wirksamkeit beeinträchtigen. Zudem würden die Wohnscheiben in der Rathausstraße und der Karl-Liebknecht-Straße, deren Dimensionen genau auf diesen Stadtraum zugeschnitten sind, mit den Neubauten kollidieren. Durch solche Bebauungen würde Berlin ein herausragendes Ensemble der Nachkriegsmoderne verlieren, aber nichts Herausragendes gewinnen. Ebenso wenig überzeugend sind Vorschläge, neue Büro- und Geschäftshäuser mit Läden und Starbucks im Erdgeschoss zu bauen. Davon hat Berlin schon reichlich, wer solche dichten Strukturen liebt, der muss ja nur in die Friedrichstraße gehen.


    Was soll dort entstehen, was es nicht schon gibt in Berlin? Diese Frage wurde bis jetzt von keinem Befürworter einer Bebauung beantwortet. Daher würde ich sehr für eine ideologische Abrüstung und mehr Toleranz plädieren. Berlin ist deshalb so spannend, weil hier die unterschiedlichsten Architekturen und städtebaulichen Vorstellungen zu finden sind. Die Stadt ist groß genug, damit sowohl Gründerzeitfans als auch Fans der Moderne auf ihre Kosten kommen. Daher erscheint es mir unsinnig, wenn Moderne-Fans die Beseitigung von Gründerzeitstrukturen fordern, und ebenso engstirnig finde ich es, wenn Gründerzeitfans die Zerstörung von Ensembles der Nachkriegsmoderne fordern.

  • Es ist schlicht eine Frage der Kultur. Ich fühle mich als Berliner nicht wirklich jener Kultur verbunden, die diese Stadt einst zerstört hat. Ich weiß um ihre Geschichte und ich weiß um die Bedeutung ihrer Bauwerke, Straßen und Plätze. Es ist für mich ein ganz wesentliches Anliegen, dass die bizarren Wunden der Vergangenheit auch hier wieder geschlossen werden. Auch oder gerade weil es offenkundig viele dieser Stadt nicht gönnen.


    Das verstehe ich nicht. Ich fühle mich nicht vergangenen Gebäuden oder "Strukturen" verbunden die man nur noch aus alten Fotos rekonstruieren kann. Das hat nichts mit mir und meinem Leben zu tun.


    Meine Wirklichkeit ist doch der Zustand während meines Lebens. Und bei Veränderungen sind für mich Gegenwart und Zukunft die nahe liegenden Bezugspunkte.
    Wenn ich selbst Einfluss nehmen könnte würde ich etwas Neues schaffen wollen und nicht einfach verstaubte Vergangenheit wiederholen.


    Wenn du heute Karl Friedrich Schinkel bewunderst, dann doch sicher nicht dafür, dass er vor seiner Lebenszeit abgerissene Gebäude und Straßen wieder aufbauen ließ.


    Und ein kulturelles Verbundenheitsgefühl zum deutschen Kaiserreich oder gar Preußen usw. geht mir völlig ab. Religion, Sexualität, Musik, Filme, Kleidung, Essen .... nun ja. Muss man glaube ich nicht erklären.

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  • Spät geworden, aber diese Diskussion ist einfach zu interessant. Volle Zustimmung zu Klarenbach bzgl. ideologischer Abrüstung. Hatte ich mir vor wenigen Posts auch gewünscht. Wenn wir das nicht raffen, sind wir nicht besser als Krakel-Ideologen, egal welcher Couleur.


    Ich bezweifle jedoch, ob das Ensemble Fernsehturm, MEF und Platten wirklich so einmalig in Europa bzw. historisch/ kunsthistorisch so wertvoll ist. Jede ehem. Ostblock-Hauptstadt hat so etwas ähnliches zu bieten. Der Fernsehturm als Henselmann-Hauptwerk ist natürlich einmalig, keine Frage. Das Hansaviertel in Westberlin wird auch immer gerne als Wahnsinnsensemble hingestellt, ästhetisch gesehen finde ich es außer der beiden Kirchen ebenso fragwürdig. Einmalig ist bei beiden Ensembles die Radikalität und jegliche ideologische Geschichtsverleugnung in Ost WIE West - das ist einfach Fakt und der multinationalen Ideologie der autogerechten Stadt zu verdanken.


    Was vor allem nicht vergessen werden sollte, ist dass das sozialistische Ensemble zwischen Alex und Linden schon längst zerstört ist - Außenministerium der DDR und Palast der Republik waren Teil des sozialistischen Bandes und sind nun weg, ebenso wie das Radisson Hotel (zu DDR-Zeiten Forum-Hotel) Und auch nicht zu vernachlässigen ist der von mir des öfteren schon erwähnte Punkt, dass die DDR selbst in den letzten Jahren ihrer Existenz ihren Städtebau um 180 Grad gewendet hat, hin zu Kleinteiligkeit und historischen Bezügen. Zurück in die Stadt hieß das Credo. Wer offenen Auges durch Ost-Innenstädte läuft, wird viel an 50er und 80er-Substanz finden, weniger 60er und 70er - in dieser Zeit standen die Stadtrandsiedlungen im Vordergrund. Das Nikolaiviertel ist das prominenteste Beispiel dieses Paradigmenwechsels. Ebenso wie der Wiederaufbau vieler historischer Gebäude in Mitte ebenfalls erst in den 80ern erfolgt ist, wie z.B. der Gendarmenmarkt (Platz der Akademie zu Ostzeiten). Oder Lückenfüller etwa in der Linienstraße, deren Grundstücke bis dato unbebaut waren. Selbst die sozialistischen Oberen haben also zum Ende hin den Wert der Tradition und der Ästhetik erkannt.


    @Chandler/tel33: Ihr habt unterschiedliche Sichtweisen, beide verständlich (auch wenn ich eher Tel33 zustimme, Stichwort "Kultur"). Die Wahrheit wird wohl in der Mitte liegen: Nachverdichting mit historischen Bezügen (Straßengrundriss), ohne dabei die sozialistische Entstehung völlig zu verleugnen (was eh nicht geht, oder soll der Fernsehturm etwa weg? ;)) Das neue Quartier am Hackeschen zeigt ganz gut, wie man´s machen könnte. Neue Architektur, die sich aber gut einfügt ohne anzubiedern. Historische Remineszenzen etwa durch Materialwahl, in diesem Fall das Backstein-Haus, was gut zum Bahnhof passt.


    Berlin kann ne Menge an moderner Architektur vertragen, gerne auch in der ehem. Altstadt, nur keine Ödnis mitten in der Stadt. Den Status Quo zu erhalten wird keinem gerecht, nicht mal den Fans des sozialistischen Städtebaus (den es von 1949 bis 1989 gab - in den Fokus werden aber scheinbar nur die 60er und 70er gerückt), wie oben erörtert.

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  • Götz Aly beweist mit diesem Artikel nur, dass er keine Ahnung von Berliner Baugeschichte hat. Wie schon erwähnt, die Berliner Altstadt wurde vor allem während der Kaiserzeit zerstört. Um 1940 stammten von 440 Gebäuden Alt-Berlins nur 132 aus der Zeit von vor 1840. Die Bevölkerung Alt-Berlins verringerte sich von rund 32000 Einwohnern im Jahr 1871 auf rund 10000 Einwohner 1914. Und als das "Herz" der Stadt wurde dieses Gebiet schon vor 1945 nicht betrachtet. Davon zeugt die Einrichtung des U-Bahnhofes Stadtmitte an der Friedrich- / Ecke Leipziger Straße im Jahr 1936. Angesichts dieser Fakten wirkt der Aly-Artikel reichlich bizarr.

  • Wie ist die Altstadt zerstört worden

    @ Klarenbach: Deine Antwort beweist nur, daß Du auch anderen Argumenten nicht zugänglich bist und die Post immer nur selektiv liest. Die Argumente hast Du doch alle schon oben vorgetragen, Wiederholungen machen es nicht eindrucksvoller.


    1840 waren es ca. 1.100 Gebäude im Stadtkern (Du warst in der Austellung im Palais Ephraim, sehr vorbildlich!), 1940 - wie Du richtig schreibst - nur noch 440 (wovon nur noch 132 aus der vormodernen Zeit, mithin vor 1840 stammen).


    Von den 440 "Alt"bauten (1940 und früher) überlebten nur 116 den Krieg.


    Davon wiederum haben die Sozialisten bis 1976 (danach ist bis 1990 nichts mehr abgerissen worden) 77 Häuser abgerissen, darunter so wervolle Gebäude wie das Haus Hoher Steinweg 15, den Kapitelsaal des Grauen Klosters, die Garnisonkirche, das Palais Creutz, die Synagoge (Rosenstraße), das Stadtgericht und eine Reihe von anderen Bauwerken, die nicht schlimmer beschädigt waren als die wiederaufgebauten Bwerke Rotes Rathaus oder Palais Podewils.


    Bei einer Zerstörungsquote von über 66 % zwischen 1945 und 1976 willst Du doch nicht ernsthaft behaupten, die Kaiserzeit sei brutaler vorgegangen als der Sozialismus - ich glaube in ihrer Abrisswut nehmen sich die Systeme des 20. Jahrhunderts nicht viel.


    Literaturempfehlung: Benedikt Goebel, der Umbau Alt-Berlins zum modernen stadtzentrum, Berlin (Verlagshaus Braun) 2003 Goebel hat die Ausstellung im Palais Ephraim kuratiert.

  • Wie schon erwähnt, die Berliner Altstadt wurde vor allem während der Kaiserzeit zerstört. ........



    Bei einer Zerstörungsquote von über 66 % zwischen 1945 und 1976 willst Du doch nicht ernsthaft behaupten, die Kaiserzeit sei brutaler vorgegangen als der Sozialismus.....



    Literaturempfehlung: Benedikt Goebel, der Umbau Alt-Berlins zum modernen stadtzentrum, Berlin (Verlagshaus Braun) 2003 Goebel hat die Ausstellung im Palais Ephraim kuratiert.


    Ich kenne das Buch nicht. Interessant ist aber die Wortwahl im Titel. Denn da ist nicht von Zerstörung die Rede sondern von Umbau zum modernen Stadtzentrum.

  • Bei einer Zerstörungsquote von über 66 % zwischen 1945 und 1976 willst Du doch nicht ernsthaft behaupten, die Kaiserzeit sei brutaler vorgegangen als der Sozialismus - ich glaube in ihrer Abrisswut nehmen sich die Systeme des 20. Jahrhunderts nicht viel.


    Ob man jetzt nur die Kaiserzeit nimmt oder auch die vorhergehenden 30 Jahre kann man sicherlich diskutieren, ist aber sicherlich eher eine semantische als inhaltliche Frage. In jedem Falle komme ich bei 1100 zu 132 auf fast 90% Abrissquote, da sind dann (wenn ich den Term "stammen aus vormoderner Zeit" richtig interpretiere) optische Umbauten, wie sie damals gang und gäbe waren, noch nicht mit Inbegriffen. Und 90 ist größer als 66...


    Sehen wir der Tatsache doch ins Auge: diesen Umgang mit dem Alten (der in anderen Städten zu jener Zeit genauso stattfand) findet man doch nur deswegen nicht so schlimm, weil zu jener Zeit gefälliger und verzierter gebaut wurde und die Stadtgrundrisse größtenteils erhalten blieben. Mit der Altstadt an sich hat das aber nur noch wenig zu tun, so ehrlich sollte man sich selber gegenüber da schon sein.


    Zum Thema an sich: m.E. ist der Rathausplatz samt Neptunbrunnen für den Fernsehturm und das Umfeld weitaus wichtiger als das M-E-Forum und funktioniert auch ohne dieses. Dort hätte ich persönlich nicht unbedingt etwas gegen eine Bebauung, auch als Verbindung Hackescher Markt-Nikolaiviertel-Mühledamm. Leider stand halt gerade auf diesem Gelände weitaus weniger bedeutsames und es gab wenige bis keine spannende Durchwegungen und Stadträume im Inneren des Quartiers, d.h. hier wäre dann eher ein "Weiterbauen" der Stadt, wie es am Hackeschen Markt geschehen ist, angebracht. Das sollte aber erst geschehen, wenn hier wirklich Bedarf herrscht, d.h. auch, wenn das neue Quartier am Mühlendamm weitgehend bebaut ist.

  • Konstantin
    Das Buch von Benedikt Goebel ist tatsächlich lesenswert, und es präsentiert eine völlig andere Geschichtssicht als der Artikel von Götz Aly. Vielleicht hätte Aly vorher dieses Buch lesen sollen, dann wäre ihm dieser Artikel nicht unterlaufen.

  • Ich glaube die Frage nach einer Bebauung der Fläche zwischen Fernsehturm und Neptunbrunnen stellt sich nicht.


    Die Proportionen die durch den Fernsehturm vorgegeben sind errzwingen regelrecht eine weiträumige Bebauung, die mit den Rathauspassagen und dem westlichen Pendant gegeben sind.


    Was dort fehlt ist eine Aufwertung der Freiflächen, die ja hoffentlich dieses Jahr startet. Die zu niedriegen Bäume und dunklen Ecken sind teilweise unangenehm.


    Wo ich eher eine neue Bebauung sehe, ist um das eigentliche M-E-Forum an der Spree. Dort müssten dann zwar viele Bäume fallen, jedoch könnte ein Rahmen für den Denkmal geschaffen werden und ein Übergang zum Humboldtforum.



    Eine Wiederherstellung alter Strassengrundrisse ist völlig fehl am Platz, da dies einen Koplettabriss der umliegenden Quartiere bedeuten würde und eine komplette Überarbeitung der Verkehrsführung.
    Dies ist weder ökonomisch noch Städtebaulich sinnvoll, da sich die Ansprüche an die heutige Stadt in diesem Bereich stark gewandelt haben.