Umgestaltung Rathausforum / Marx-Engels-Forum

  • Ich wäre für den Philosophenhain. Zutritt nur für promovierte Philosophen und Nobellpreisträger. Daneben noch ein paar Bolzplätze und wir können uns sicher sein, dass das Areal bald wieder zur Disposition steht.


  • und beim Thema Streichelzoo gab es auch Einwände von Tierschützern. Dennoch zeigt diese Aufzählung, welcher Spagat hier bewältigt werden muss.


    Ohne Tierschützer marginalisieren zu wollen, das zeigt exemplarisch ganz gut, was eben auch ein Problem in Berlin ist. Solch unglaublich heterogene Menschen, die allesamt berücksichtigt werden wollen. Vom Altpreußenfan der das wilhelministische Berlin dort rekonstruieren möchte bis hin zum PETA Aktivist, für den offenbar schon ein Streichelzoo an Tierquälerei grenzt, reicht das Spektrum.


    Da sieht man gut die Grenzen von Bürgerbeteiligung. Man kann eben nicht immer einen basisdemokratischen Konsens finden. Und deswegen gibt es in der repräsentativen Demokratie gewählten Senat und Bürgermeister. Um Entscheidungen anzubahnen und dann auch durchzusetzen. Natürlich sind dabei Bürger zu hören. Aber da mir die Fantasie für eine eierlegende Wollmilchsau, die alle heterogenen Interessen bedient, in der Planung einfach fehlt muss halt jemand die Entscheidung fällen und dann auch damit leben sich - egal, wie er sich entscheidet - bei einer gewissen Zahl Bürger unbeliebt zu machen.


    Und da zaudern heutige Politiker leider ziemlich. Zumindest in Berlin. Diese ganzen Moderationsprozesse usw. sind in meinen Augen mitunter auch ein unter Lokalpolitikern beliebtes Instrument um Entscheidungen aufzuschieben und Kontroversen auszusitzen. Für meine These spricht auch, dass in dieser Sache seit sovielen Jahren Stillstand herrscht. Sicherlich nicht aus Mangel an Vorschlägen!

  • Wenn wir schon bei den Tieren gelandet sind...ich denke auch, dass man nicht jeden Frosch fragen sollte, will man den Teich trocken legen (der ist natürlich nicht von mir).


    Dennoch kann man pauschal Planungswerkstätten und Stadtforumsdiskussionen nicht deren Sinn absprechen. Das Planwerk Innenstadt hatte insgesamt 50 solcher Veranstaltungen, da ist nun schon konzeptionell was Gutes bei raus gekommen.

  • Das Planwerk Innenstadt hatte insgesamt 50 solcher Veranstaltungen, da ist nun schon konzeptionell was Gutes bei raus gekommen.


    ...außer einem Konsens, einer Entscheidung. Also meine Rede.

  • Ich würde nicht sagen, dass nicht grundsätzlich ein Konsens getroffen worden ist,trotz der unterschiedlich Ideologien, die immer noch bestehen. Auch würde ich nicht sagen, dass keine Entscheidungen daraus resultiert sind oder noch werden, Bsp. Friedrichswerder oder Molkenmarkt.


    Öffentlicher Raum muss öffentlich diskutiert werden, dass machen wir hier ständig, da reichen mir zwei Kreuze auf einen Stimmzettel nicht aus, zumal selbst innerhalb einer Partei es unterschiedliche Strömungen und Meinungen gibt. Wer soll denn da der Oberhäuptling sein, der "Howgh, ich habe gesprochen", sagt?

  • Wettbewerb für Lutherdenkmal ausgeschrieben

    Mit einjähriger Verspätung haben Evangelische Kirche und Senat den Wettbewerb für das Lutherdenkmal ausgeschrieben. Wie die Berliner Zeitung berichtet, soll es frühestens 2017 auf dem ehemaligen Neuen Markt vor der Marienkirche stehen und maximal 900.000 Euro kosten. An eine Rekonstruktion des Vorgängers war natürlich nicht zu denken.


    http://www.berliner-zeitung.de…in,10809148,33786978.html

  • Wär zu einfach. Da muss ein richtig schön verkrampftes Ding hin, womit ohne Erklärung niemand was anfangen kann. Wenigstens gibt es dann noch das alte Lutherstandbild, um die Verwirrung aufzulösen.

  • ^ Man muss halt wissen, was man haben möchte: Reicht einem ein Stück Stadtdekoration, die historisch aussieht und auf Postkarten was hermacht? – Dann kann man den zerstörten Vorgänger wieder aufbauen und bekommt Luther-Verherrlichung als Stifter der preußischen Staatskonfession. Wenn man aber ein Denkmal im Wortsinne haben möchte, dann braucht man eine Darstellung, die versucht, der Figur Luther in ihrer Ambivalenz gerecht zu werden – sie müsste also den Reformator genauso zeigen wie den frühmodernen Antisemiten, und sie hätte in irgendeiner Form die facettenreiche Rezeptionsgeschichte von Werk und Person zu reflektieren.


    Keine einfache Aufgabe für einen Bildhauer, und das Ergebnis wäre sicher nicht so bombastisch-touristentauglich wie der alte wilhelminische Brocken. Vielleicht wäre es auch tatsächlich ein bisschen verkrampft und viel weniger hübsch, aber aller Wahrscheinlichkeit nach wäre es wenigstens irgendwie interessant.

  • Genau diese verquaste Luthersicht meinte wohl Saxonia, als er seinen Beitrag schrieb.


    1. Luther ist nicht Begründer einer "preußischen Staatskonfession". In Preußen konnte jeder in Sachen Religion nach seiner Fasson selig werden und der Soldatenkönig hat in Potsdam die erste Moschee Mitteleuropas errichtet. Reformierte, unierte, Lutheraner - das war dem preuß. Staat einerlei. Die meisten Könige waren eh' Freigeister oder/und Freimaurer.


    2. Warum muss dieses Denkmal "die Figur Luther in ihrer Abivalenz" zeigen, "den Reformation genauso zeigen wie den frühmodernen Antisemiten"? Das Denkmal auf dem Neuen Markt ist doch weder ein Schulbuch noch ein Wikipediaeintrag - zudem soll die Figur bleiben wie sie ist und nur der zerstörte Sockel erneuert werden.


    Zusammenfasst: Das gewünschte abschließende, ausgewogene und wissenschaftlich fundierte Gesamturteil über die Person Luthers KANN ein neuer Denkmalsockel nicht leisten und MUSS er auch nicht.


    Nach solchen politisch korrekten Quatsch kann man nur ein Tintenfass werfen.

  • Das sehe ich genauso wie Konstantin. Luther ist eine große und ganz überwiegend positive Figur der deutschen Geschichte. Ich will hier jetzt nicht ins Detail gehen.


    Wenn man sein Denkmal in Berlin erneuert, so sollte es ihn einfach ehren. Es reicht ja schon das die Martin-Luther-Straße zu den besonders hässlichen gehört.;)


    Wenn man allen Lutheranern jetzt noch mit einem verquasten Denkmal eine auswischen möchte, dann sollte man es eben lieber lassen. Bei dem Gedanken wird mir übel. Ich selbst bin jetzt kein eingefleischter Fan des wilhelminischen Denkmals aber ich würde mir für Luther ein schönes, würdiges und gut sichtbares Denkmal in Berlin wünschen. Die Forderungen von Architektenkind finde ich ätzend. Dass man Luthers geistige Großtat mit seinem Antisemitismus auf eine Stufe stellt und ein Denkmal fordert, das genauso sehr mahnt wie ehrt, das sehe ich auch als politisch-korrekte Ausformung des deutschen Antipathos. Ich hoffe, dass die evangelische Kirche nicht auf solchen Unsinn anspringt.

  • Wenn ich die Antwort vom Architektenkind auf die von Saxonia geäußerte Befürchtung eines verkrampften Denkmals lese, hege ich die starke Vermutung, dass sie ironisch gemeint war. :lach:


    Anders kann ich mir jedenfalls die intellektuell getarnten Worthülsen ("Figur Luther in ihrer Ambivalenz", "frühmoderner Antisemit" oder "facettenreiche Rezeptionsgeschichte von Werk und Person reflektieren") nicht erklären.


    Verkrampfter geht's ja schon fast nicht mehr :D


    Sofern die Lüscher in der Wettbewerbsjury sitzt, wird es eh auf einen von Staab designten Granitblock hinauslaufen, der die Brüche in seiner Vita zu visualisieren glaubt. Selbstverständlich wird man diese erst beim Lesen einer zugehörigen Erläuterungstafel erkennen, auf der der Sinn und die beabsichtigte Wirkung des Denkmals ausführlich erläutert wird.

  • [...]


    1. Luther ist nicht Begründer einer "preußischen Staatskonfession". In Preußen konnte jeder in Sachen Religion nach seiner Fasson selig werden und der Soldatenkönig hat in Potsdam die erste Moschee Mitteleuropas errichtet. Reformierte, unierte, Lutheraner - das war dem preuß. Staat einerlei. Die meisten Könige waren eh' Freigeister oder/und Freimaurer.
    [...]


    Soweit ich weiß, waren die Hohenzollern seit Johann Sigismund sogar Calvinisten und keine Lutheraner.

  • Du hast Recht - und das stützt meine Aussage zur angeblichen "preußischen Staatsreligion".


    Für 900.000 Euro kann man jedenfalls einen schön-häßlichen Sockel erwarten.

  • Die Stadtdebatte sollte also nicht gestört werden, so so.
    Dies galt für die begonnen Umgestaltungen z.B. um die Marienkirche schonmal garnicht.


    Bezeichnend ist auch, daß man nur sehr begrenzten Wert auf eine Fertigstellung zum ursprünglich gesetzten Termin (dem wahrscheinlich zu unbedeuteten 500. Jahrestag der Reformation) anstrebt.


    Nun riecht es schon wieder danach aus der (Wieder-) Errichtung des Denkmals ein alles zerredendes Politikum zu machen.


    Ich befürchte, daß die selben Leute sich beim Umgang mit dem Marx/Engels Denkmal nicht ebenso ins Zeug legen werden.


    Ich persönlich empfände jedoch beides als sowas von überflüssig.



    Gruß, Jockel

  • Die deutschen (bzw. Berliner) sind schon echt doof. Einen ihrer besten Beiträge zur Menschheitsgeschichte, nämlich die Reformation des Christentums und damit die Initialzündung der Aufklärung darf man nicht würdigen, weil Luther auch ein paar (bekloppte) antisemitische Schriften hinterlassen hat. In diesem Moment höre ich Bach, dessen Werk ohne Luther nicht denkbar wäre. Ich finde, dass er eine uneingeschränkte Ehrung verdient hat und dass kritische Anmerkungen (wie Konstantin schreibt) in kritisch-historischen Ausführungen ihren Platz finden sollten und nicht in seinem Denkmal.


    - Hoffen wir, dass es nicht wahr wird. Von mir aus einen Sockel in moderner, schlichter Abstinenz. Aber nicht in Ambivalenz!

  • Anders kann ich mir jedenfalls die intellektuell getarnten Worthülsen ("Figur Luther in ihrer Ambivalenz", "frühmoderner Antisemit" oder "facettenreiche Rezeptionsgeschichte von Werk und Person reflektieren") nicht erklären.


    Auch wenn Ihr das alles für "politisch korrekten Quatsch" haltet oder als "ätzendes" "Zerreden" eines der "besten Beiträge zur Menschheitsgeschichte" ablehnt - ich meine das so, wie ich es geschrieben habe. Luther war eine ambivalente Figur, weil er nicht nur Verdienstvolles getan und gedacht hat, sondern auch einen Haufen übles Zeugs: Er wollte die Synagogen verbrennen, die Juden ihres Besitzes und ihrer Häuser berauben, ihnen Handel und "Wucher" verbieten, sie in Ställen einpferchen, und die jungen, kräftigen unter ihnen zur körperlichen Arbeit erziehen. Seine Gegenüberstellung von ehrlosem "jüdischem" Besitz und ehrenhafter "christlicher" Arbeit übersteigt dabei den klassischen Antijudaismus und trägt erste Züge des Antisemitismus, ohne bereits einen Rassegedanken zu kennen - deshalb frühmodern.


    Und auch wenn Rotes Rathaus das nicht wahrhaben möchte, gehören Texte wie "Die Juden und ihre Lügen" zu Luthers Werk dazu und sind über Jahrhunderte gelesen und interpretiert worden. Natürlich führt keine gerade Linie von Luther zum Rassen-Antisemitismus der Nazis - doch genauso wenig lässt sich der moderne Antisemitismus ohne Luther verstehen. Treitschkes später von Julius Streicher übernommener Satz "Die Juden sind unser Unglück" verstand sich als Luther-Paraphrase: "Denn sie uns eine schwere Last, wie eine Plage, Pestilenz und eitel Unglück in unserm Land sind".


    Was mit dem blöden Sockel wird, ist mir übrigens herzlich egal. Es ging mir darum, zu zeigen, was meines Erachtens zu einem Luther-Denkmal dazugehört, das sich selbst als Denkmal ernstnimmt. Wenn es Stadtdekoration werden soll, dann wird es eben Stadtdekoration.


    Es grüßt
    der politisch korrekte Satansbraten

  • Architektenkind, ich habe Dich völlig verstanden und teile Deine Meinung zu Luther voll und ganz.
    Er war enorm wichtig für die Emanzipation der nord- und mitteldeutschen Lande von der römisch- katholischen Kirche und natürlich vor allem auch für die Entstehung der modernen deutschen Sprache. Auf der anderen Seite ist mir sein Antisemitismus suspekt. Ganz wohl ist mir jedenfalls bei ihm definitiv nicht.
    Die extreme Heldenverehrung für Luther hängt eng mit dem deutschen Nationalismus im 19. Jahrhundert zusammen.
    Ein Lutherdenkmal in der fast völlig von Spuren der Geschichte beraubten / bereinigten ehemaligen Staatsmitte der DDR kann man definitiv als Anachronismus verstehen. Das es an seinen angestammten Platz zurückkehrt, begrüße ich ja durchaus. Doch eine getreue Wiederherstellung seines ursprünglichen Sockels und seiner Begleitfiguren könnte ich mir aber keinesfalls vorstellen.

  • Genau um solche Anachronismen geht es ja -sonst kann man gleich die Europacity IV bauen, die überall gleich aussieht. Es geht um MEHR Zeitschichten, nicht weniger, um ein Denkmal im Wortsinn, der von "denken" kommt.
    Die Marienkirche ist ebenfalls ein solcher Anachronismus, inklusive dem Langhans-Turmaufsatz. Die Reste des Erdgeschosses des Alten Rathaus, die eine weitere Zeitschicht hätetn zeigen können hat Frau Lüscher einfach einbetoniert - entgegen anderen Zusagen. Chance verpasst - wie auch bei der Gerichtslaube. Die dunklen Streifen um Pflaster der Marienkirche sind Erinnerungskultur, wie wir sie aus Kleinststädten kennen - gottlob ist es nicht (wie anfangs geplant) Corten-Stahl geworden. Wahrscheinlich war der einfach zu teuer.
    Mit einem historischen Lutherdenkmal und der Kirche, ggf. noch mit einer wiederhergestellten Grünanlage "Neuer Markt" liesse sich zeigen, dass der Große Freiraum nicht immer der Vorplatz der staatssozialisten Stadtkrone war, sondern eben auch einmal bürgerliches Stadtzentrum - im übrigen ohne die Blickachse auf dem Fernsehturm, die vielen so wichtig ist, zu stören. Stattdessen werden sogar um da Mendelssohndenkmal (das am falschen Platz steht - aber das macht bei derartig viel Abwesenheit von Geschichte nun auch nix mehr) und dem neuen Markt H-Steine aus Beton verlegt, als seit der Ort der ein Kaufland-Parkplatz am Stadtrand.
    Im übrigen, Architektenkind, sollte dir jüdische Geschichte wirklich wichtig sein (und nicht nur politische Korrektheit), wäre es an der Zeit sich mit der Geschichte der Bischofstraße zu befassen, die in fast genau der o.g. Blickachse verlief. Mehr als fünd jüdische Schulen, mehr als 80 % jüdisches Hauseigentum (weil Juden in anderen Arealen als der Altstadt nichts erwerben durften) und lebendiges jüdisches Geschäftsleben. Daran erinnern niemand.

  • Nun kann man mit der Figur Luther nicht einverstanden sein, ebenso wie vielleicht andere mit Marx und Engels, das ist völlig legitim.


    Nur verstehe ich im Zusammenhang mit dem Lutherdenkmal eines nicht...
    Lutherdenkmal ja aber auf keinen Fall mit historischem Sockel einschließlich der Begleitfiguren?


    Was macht denn den so unerträglichen Unterschied aus ob mit oder ohne historischen Sockel???





    Gruß, Jockel

  • Unerträglich ist er nicht, der historische Sockel samt Begleitfiguren, er ist halt nicht mehr vorhanden, und da eine Rekonstruktion unerwünscht ist, muss nun eben ein neuer Sockel für Luther entworfen werden.