Frankfurter Architekturdebatte: Wie zu bauen sei

  • Mod: Beiträge aus "Goetheplatz, Roßmarkt und Rathenauplatz" hierher verschoben, da ohne Bezug auf ein konkretes Projekt aus jenem Thread.



    Frankfurt könnte viel gewinnen, wenn man sich hier und da mal zur Rekonstruktion von im Krieg zerbombten Dachgestaltungen durchringen würde. Das Potential ist definitiv da. In Leipzig ist das auch in der Innenstadt an viele Stellen gelungen. In Frankfurt bin ich schon immer traurig, wenn ich am Bahnhofsplatz die gekappten Prachtbauten sehe.

  • Sehr wahr. Auch ein guter Kandidat für ein solchen Vorhaben, der mir durch die Bethmannhof-Thematik wieder ins Auge gefallen ist, wäre der Nordbau des alten Rathauses nebst der Paulskirche. Einfach nur grässlich diese Aufstockung. Würde man anstelle des geplanten Ersatzneubaus diese beiden Gebäude wieder mit ihren ursprünglichen Dächern versehen, wäre dies ein massiver Gewinn für die Innenstadt.


    Link zu Streetview

  • ^^ Ich stimme dir im Prinzip zu Saxonia , gleichzeitig macht es mich ratlos, wie das gelingen könnte. Der Einzige, der - nicht speziell dort am Bahnhofsvorplatz, aber ganz in der Nähe in der Kaiserstraße - so was mal angegangen war, war Dr. Jürgen Schneider, das ist 30 jahre her. Die Stadt selbst hat am Bahnhofsplatz kein Gebäudeeigentum, könnte also nicht mal die Initiative ergreifen. Es sind alles private Eigentümer, von denen ich nicht wüsste, wie man sie motivieren könnte. Wenn es die Eigentümer nicht zu ihrer Sache machen, wer sonst?


    Zur Nagelprobe könnte demnächst das Eckhaus Münchener Straße 61/Am Hauptbahnhof 4 (unten ist der irish Pub drin, und Oskar Schindler hat dort nach dem Krieg gewohnt), keiner der Prachtbauten mehr, ein Gebäude in sehr prominenter Lage, aber da geht's nicht um das Dach, sondern um Neubau. Das Haus aus den frühen 50er Jahre steht auf Abriss, es gehört einem Luxemburger Immobilienfonds, wird der Lokalpresse zufolge gerade entmietet; dort sind Dutzende von Kleinwohnungen und Appaprtments, das Haus ist in nicht sehr gutem Zustand. Ich finds gut, das dort was passiert, aber kann man Eigentümer und Architekten trauen, dass sie mit dieser Ecke im Sinne einer Stadtbildreparatur angmessen umgehen? Ich mache mir ehrlich gesagt keine großen Hoffnungen.


    In Bezug auf deine Erwartung hätte das Projekt aber durchaus das Potenzial, so etwas wie eine Initialzündung für private Investments zu sein.

  • Off-Topic: Ich persönlich finde es schon Wahnsinn, dass man keine einheitlichen Traufhöhen mehr hinkriegt, sondern dass es da sehr oft, selbst an zentralen Orten, so 0,5-1 Meter Versatz gibt, was die gesamte Ästhetik stört.

    Ich wäre auch offen dafür, dass man sich bei Neubauten an den früher Originalen orientiert, auch wenn man keine Spoilen hat, mit dem Playmobil-Vorwurf kann ich leben. Gerade das Gebäude direkt gegenüber an der Ecke war mal ein Highlight und ist heute einigermaßen grässlich.

  • ^ Deine These ist etwas allgemein: natürlich kriegt "man" einheitliche Traufhöhen hin. Es gibt haufenweise B-Pläne in dieser Stadt, die Traufhöhen festsetzen, z.B. in der Mainzer Landstr. vom Pl. d. Republik Richtung Galluswarte setzen neuere B-Pläne die überkommenen Traufhöhen von 18,00 m bzw. 22,00 m fest; oder entlang der Theodor-Heuss-Allee (Nordseite) 70,00 m.


    Die alten Frankfurter BauO aus preußischer Zeit brauchten keine Traufhöhenbestimmung, weil sie die max. Gebäudehöhe stadtweit auf 18,00 m bzw. nach dem I. WK auf 20,00 m festsetzen (ausgenommen gewerblich genutzte Gebäude z.B. Mousonturm, Gewerkschaftshaus, Kaufhäuser, IG-Farben-Gebäude, Großmarkthalle) und die Gebäudehöhe definiert war als die Höhe zwischen OK Fußweg vor dem Haus bis Schnittpunkt Außenwand/Dachhaut. Die Einheitlichkeit folgte dann meistens daraus, dass die max. Höhe ausgenutzt wurde. Im Übrigen ist kein Bauherr/Architekt gehindert, sein Vorhaben an den Nachbarn zu orientieren.

  • Die Stadt Hamburg hat eine Initiative über einen "Hamburg Standard" zum hochwertigen, aber preiswerteren Bauen veröffentlicht, der sicher auch für Frankfurt interessant ist. Die FAZ berichtet u.a. darüber.


    Insgesamt lassen sich bis zu 2.000€ pro Quadratmeter an Baukosten einsparen. Hierbei verteilen sich die Potenziale auf:

    • Bis zu 600 €/qm Wohnfläche durch vereinfachte Standards,
    • Bis zu 1000 €/qm Wohnfläche durch den Verzicht auf ausgewählte technische und bauliche Elemente
    • Bis zu 400 €/qm Wohnfläche durch optimierte Planungs- und Genehmigungsprozesse.

    Beispiele für potentielle Einsparmöglichkeiten beim Bauen sind:

    • Die Anpassung der Aufzugsgrößen auf krankentragegerechte Maße kann in Kombination mit alternativen Rettungskonzepten den inneren Treppenraum verkleinern
    • Verzicht auf Trittschalldämmung an Balkonen
    • Verzicht auf Fußbodenheizung in Fluren
    • Verzicht auf Sicherheitstreppenhäuser, wenn Feuerwehrfahrzeuge eine dreiteilige Schubleiter montiert haben

    Insgesamt zeigt sich hier aus meiner Sicht, dass man schon einiges machen kann, wenn man die bestehenden Standards neu interpretiert bzw. in der Planung und Ausführung besser zusammenarbeitet.

  • Mod: Aus "Neue Wohnquartiere am Sommerhoffpark und Gutleuthafen" hierher verschoben, da ohne konkreten Bezug zum dortigen Thema.



    Adama Es geht nicht um irgendeine Verschwörung, sondern um eine historische Tatsache: Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs dominiert der Modernismus – und mit ihm der Funktionalismus – den Städtebau und die Architektur nahezu vollständig. Architekten werden heute kaum noch in klassischer Gestaltung ausgebildet, und dementsprechend entstehen fast ausschließlich modernistische Bauten.


    Wie schon oft erwähnt: Der Modernismus gründet sich auf die Idee „form follows function“, Schönheit als objektiver Wert wird darin nicht anerkannt. Die Aussage „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ ist zentraler Bestandteil dieser Denkweise – genau wie du sie hier auch formulierst. Daraus folgt: Der Architekt kann gestalten, wie er möchte – ob das Ergebnis als schön empfunden wird oder nicht, spielt keine Rolle.


    Das Technische Rathaus in Frankfurt fanden der Architekt und sein Umfeld womöglich auch „schön“. Und doch stellt sich die Frage: Warum sind seit dem Siegeszug des Modernismus keine wirklich schönen Städte oder Stadtviertel mehr entstanden? Warum zeigen Umfrage nach Umfrage, dass die Mehrheit der Menschen moderne Architektur nicht mag und lieber in über hundert Jahre alten Arbeitervierteln wohnt als in neuen Quartieren?


    Der Punkt ist: Der Modernismus kann mit Schönheit nicht umgehen – weil sie schlicht nicht zu seinem Programm gehört. Genau das ist das Problem. Im konkreten Fall hier hätte man mit einer klarer gegliederten Fassade – etwa durch eine rhythmische Fensteranordnung und etwas mehr Symmetrie – sehr viel gewinnen können, ganz ohne Mehrkosten. So aber wirkt die Gestaltung monoton, auch wenn man es wieder versucht hat durch die Fassadenelemente zu kaschieren. Um auch etwas Positives zu sagen: Farbwahl und Materialität wirken durchaus angenehm. Es braucht auch kaum schmückende Elemente oder Ornamentik. Eine klassische Fassade kann allein durch Gliederung und Rhythmus – etwa bei den Fensterachsen – viel bewirken.

  • Mod: Beiträge verschoben. Es geht um das seit Kurzem wieder aktive Bauprojekt Opernplatz 2.



    Ich erlaube mir dieselbe Frage aufzuwerfen, die ich schon beim Bethmannhof hatte: gibt es denn Entwürfe oder Ideen, die gleichzeitig dem Anspruch an moderne Büros (großflächige Glasfassade für lichtdurchflutete Räume) und dem äußeren Anspruch der Architekturcommunity (Einfügen in das Gesamtensemble (hier: Opernplatz)) genügen? Denn zu Signa-Zeiten sollte das ja ein Bürohaus werden und ich vermute das will man weiterhin.


    Ich kann mir vorstellen, dass den Vorstellungen vieler - die ich ja auch total teile - am ehesten mit einem Hotel entsprochen werden könnte. Das geht gut ohne viel Glas und das Sofitel ist ja ein wunderbares Beispiel.

  • Ich erlaube mir einmal mit meinem Laienverstand das Spannungsfeld aus meiner Sicht aufzuzeigen. Gerne verschieben.


    Was will der Investor?


    1) Viel Fläche

    2) Möglichst vollständige Glasfassade für hohe Büromieten-

    3) Baldlgen Bau (aktuell ist die Brache totes Kapital)

    4) Kosteneffizienz (wobei das bei diesem Premiumobjekt eher von nachrangiger Bedeutung sein dürfte)

    5) EDIT: am liebsten auch keinen Nutzungsmix, um marktgängig zu bleiben

    ...


    Was will die Stadt / Architekturcommunity und letztlich auch die Allgemeinheit?


    1) Historisierte Steinfassade mit begrenztem Glaseinsatz

    2) keine Verschattung oder Dominanz des Opernplatzes

    3) Baldigen Bau (keine Brache am schönsten Platz der Stadt)

    ...


    Ich stelle mir als Kompromisslösung etwas vor, das mit begrenzter, an der Umgebung orientierter Höhe direkt am Platz ein historisiertes Gebäude im Stile des Sofitels baut, in dem z.B. ein hochwertiges Hotel oder Appartments unterkommen. Dass wird dann nach Hinten Richtung Citi-Hochhaus höher und bis zu einer Höhe, die nur durch mögliche Verschattungseffekte begrenzt wird, mit viel Glas gebaut.


    So bekäme der Investor seine Mieteinnahmen (viel Fläche und moderne Büros im hinteren, hohen Bereich) und der Platz bliebe schön und einheitlich, Architekturgourmets, Touristen und die Stadtbevölkerung kämen weiter auf ihre Kosten.

  • Vielleicht könnte auch etwas wie der neue Flügel des Fürstenhofs eine Lösung sein: Link.

    Große Fenster, moderne Büros dürften so möglich sein, trotzdem mit einem gewissen Charme, fügt sich neben dem historischen Bestand gut ein (auf dem Rendering). Gefällt mir zumindest besser als die Vorentwürfe aus der Signa-Zeit.

  • Farben, gerne! Aber bitte die richtigen – und vor allem in Kombinationen, die wirklich zur Stadt passen. Wenn jetzt jeder Architekt meint, mit knalligem Farb-Mut ein Statement setzen zu müssen, dann haben wir bald ein Stadtbild, das wirkt wie ein Flickenteppich aus Trend-Entscheidungen. Deshalb: Farbe ja – aber mit Bedacht. Das Thema muss strategisch und mit Fingerspitzengefühl behandelt werden, sonst wird es schnell zur Belastung fürs Gesamtbild.


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    (Bildrechte: Fettucine)