Frankfurter Architekturdebatte: Wie zu bauen sei

  • ^ Eine große Zahl begrünter Fassaden ist eher ein deutlicher Hinweis auf furchtbare Architektur. Gute Architekten brauchen kein Gestrüpp um ihre Gebäude gefällig wirken zu lassen.

    Es geht - wie üblich, wenn Du mit Beschimpfungen (Format oben von mir) loslegst - nicht um klassische architektonische Schönheit oder gar Gefälligkeit, sondern um die Funktion der Gebäude, die gesteigerte Rücksicht auf ihre Umgebung durch die Begrünung. Warum eigentlich nicht zurück zur klaren Straßengestaltung der 70er - viel glatte, einheitliche Fahrbahn Glasfassaden, notgedrungen ein wenig Fußweg am Rand und bloß kein unregelmäßiges, sich durch Wachstum veränderndes Grün - oder ausnahmsweise mal ne Pappelallee, ausgerichtet wie die Soldaten zur Parade, noch besser, Kaiserzeit, DAS war noch Architektur, wie?.


    Wir haben aber inzwischen 2021. Wir wissen, dass unsere Städte Hitzeinseln sind und wir können uns nicht auf die - hier im Forum auch teils gehassten - "Frischluftschneisen" verlassen, denn deren Leistung lässt inzwischen auch nach, weil sie zu oft unterbrochen werden. Also muss in der Stadt selbst ausreiched Grün und Wasser für Verdunstung und Kühlung sorgen. Da wir jetzt nicht großflächig abreißen und horizontales Grün anlegen können, ist vertikales Grün damit einfach gesetzt. Und gute Architekten des 21. Jahrhunderts werden das mehr und mehr in ihre Gebäude integrieren (müssen), um unsere Städte lebenswert und -fähig zu halten.

  • Ich weiß ja nicht welch seltsame Gedankenverrenkungen du vornehmen kannst, um da irgendwo Beschimpfungen rauszulesen, aber ist ja deine Sache. Und nein, gute Architektur kommt ohne Efeu etc aus. Fassadenbegrünung ist für mich eher ein hinnehmbares Übel um furchtbare Bausünden im Stadtbild halbwegs zu kaschieren, aber das Gros der Gebäude sollte doch eher durch ihre ureigene Architektur überzeugen. Das mit der guten Architektur ist bei den meisten Neubauten heutzutage leider ein frommer Wunsch, aber es gibt immer noch ein paar gute Architekten und selbst im furchtbar geschundenen Frankfurt noch einiges an Altbausubstanz. Der auf den Erfahrungen jahrhundertelanger der Bautätigkeit basierende Städtebau der Gründerzeit war denn sämtlichen Versuchen seit dem ersten Weltkrieg, die krampfhaft versuchten das Rad neu zu erfinden, in wirklich allen Belangen überlegen.

    Das mit der angeblichen Überhitzung ist auch eher eine Pseudodiskussion. Bevor Frankfurt den Hitzetod stirbt, müssten erstmal hunderte Moloche weltweit regelrecht verglühen.

    Wenn es nach dir ginge, dann müsste ja die antiurbane Vorstadt-Zeilenbebauung in der Altstadt städtebaulich das nonplusultra sein. Noch die Dächer durch Staffelgeschosse mit grünem Flachdach ersetzt, etwas Efeu an die Fassaden geklatscht, und fertig ist der urbane Traum des 21. Jahrhunderts... Nein Danke!

    Wer lieber im Grünen wohnt, muss halt raus aufs Land ziehen. Aber viele Großstädter schaffen es selbst dort noch sich zu beschweren, aufgrund der Gerüche und der manchmal gewöhnungsbedürftigen Geräuschkulisse...

  • Du kannst natürlich durch das Heraussuchen schlechter Umsetzungen grundsätzlich gute Ideen verspotten. Deine Sache.


    Die Erfahrungen jahrhundertelanger Bautätigkeit basiseren auf dem jahrtausendelangen, im Vergleich zu den letzten 200 Jahren einigermaßen schonenden Umgang einiger Millionen Menschen mit diesem Planeten. Durch die Veränderung unserer Anzahl (8-fach in den letzten 200 Jahren) und unseres Verhaltens (durchschnittlicher Ressourcenverbrauch verdreifacht, Industrieländer deutlich höher), sind diese gewachsenen Erfahrungen leider nicht mehr tragfähig - wie die Autobahnbrücken der 1960er, die durch falsche Nutzung und Überlastung halt auch überraschend nicht mehr tragfähig sind.


    Also brauchen wir neue Konzepte, wie wir - ohne 50% oder mehr unversiegelter Bodenfläche um jedes Gebäude herum - die Wirkung einer solchen minder dichten Bebauung auf das Stadtklima erreichen können.


    Das Zeigen auf Andere, die es nicht besser machen (wollen/können?), ist nach meinem Gefühl eine besonders faule Ausrede, um in seiner Komfortzone sitzen bleiben zu können.

  • Wer im Grünen wohnen will muss aufs Land ziehen? Müssen Städter in Betonwüsten leben? Und schon mal im London gewesen? Da gibt es alle drei Straßen ein hübsches Grünes Square. Schon mal in Paris gewesen? Mailand? Athen?

  • Diese Argumente scheinen aber bei manchen hier im Forum gar nicht gut anzukommen - das betrifft auch die Kritik an verantwortlichem Bauen, wenn die heiligen Kühe "höher bauen, teurer Wohnen" in Frage gestellt werden und nur die Gegenpositionen als Ideologie verschrien werden.

  • Was ich mich insbesondere beim Anblick von oben frage: wieso sind die Dächer alle leer und ungenutzt?

    Solarstrom in Mietshäusern oder Eigentumswohnungen ist ein riesiger bürokratischer Aufwand, weswegen sich das niemand antut. Das macht man maximal, um die Kosten für den Gemeinstrom zu senken, aber wenn Du das richtig machen willst (Treppenhaus-/Garagen-Beleuchtung oder Aufzugstrom in den Abend- und Nachtstunden) brauchst Du auch wieder Pufferspeicher, welche die Kosten wieder nach oben treiben.


    Das haben alle Regierungen seit damals rot-grün am Ruder war nicht angefasst, obwohl das speziell in den Ballungsräumen natürlich ein Riesenthema wäre. In meiner WEG würden wir das liebend gerne machen, wenn es sich denn lohnen würde (was es leider nicht tut).

  • Könnte der Eigentümer denn mit der PV nicht ins Netz einspeisen und erhält die übliche Vergütung? Ich sehe auch das ein Weiterverkauf dieses Stromes vom Eigentümer an die Mieter ein Thema ist. Der direkte Verkauf vom Eigentümer an das EVU, mit dem er ohnehin vertraglich wg. des Gemeinstromes zusammenarbeitet, sollte seinen Aufwand jedoch nicht wesentlich erhöhen.


    Über kurz oder lang muss der Eigentümer die Warmwassergewinnung für heizen und waschen auf Wärmepumpensysteme umstellen da Ölheizungen und Gasheizungen - auch via BHKW - keine klimaneutralen Systeme sind. Die Wärmepumpen benötigen mehr Strom was das Volumen des konsumierten Gemeinstromes erhöhen würden. Und überschüssiger Strom könnte als warmes Wasser zwischen gespeichert werden was niedrigere Verkaufspreise abfedert würde.

    Oder habe ich da was übersehen?

    Einmal editiert, zuletzt von main1a ()

  • Bei der Aufstockung der Fritz-Kissel-Siedlung in Sachsenhausen hat die Mainova die Dachflächen von der Nassauischen Heimstädte/Wohnstadt gepachtet und auf den Dächern 1400 Photovoltaikmodule in 34 Anlagen mit einer Gesamtfläche von rund 5000 qm und einer Leistung von 500 kWp installiert; es geht also. (siehe Nachverdichtung Fritz-Kissel-Siedlung (Bauphase))

  • Der "Trick" besteht darin, dass die Mainova als Stromerzeuger und Netzbetreiber den Strom problemlos in ihr Netz einspeisen kann. Ein Eigentümer, der das Gleiche machen wollte, hätte den oben genannten Aufwand.

    Durch die Vermietung an die Mainova bekommt der Vermieter natürlich nur eine Teilmenge der mögliche Erträge aus dem Stromverkauf.

  • ^ Was gerade bei der Platensiedlung, aus der diese Diskussion hervorging, ja wurscht wäre: sowohl die ABG als Vermieter der Solarflächen als auch die Mainova als Mieter und Stromerzeuger sind kommunale Betriebe. Also so oder so landet der Ertrag am Ende bei der Stadt als Eigentümer von beiden, zur Not halt aufgeteilt auf zwei Unternehmen. Ob der Strom dann direkt in dem Gebäude verbraucht oder eingespeist wird, ist aus meiner Sicht zweitrangig, hauptsache er kommt von der Sonne und die Dachfläche wird vernünftig genutzt, wenn's schon ein Flachdach sein muss.


    Es sollte also kein Problem sein, man muss es aber halt wollen und mal aus einer übergreifenden Perspektive betrachten - es ist also konkret die Aufgabe der Stadt, in den Aufsichtsräten darauf zu dringen, dass beide Firmen bei solchen Vorhaben kooperieren sollen. Kann doch alles nicht so schwer sein.

  • Bei der Platensiedlung sehe ich momentan, anders als in der Fritz-Kissel-Siedlung, noch keine Fertigstellung der eigentlichen Baumaßnahme. Sind wir denn sicher, dass die Solardächer nicht noch kommen?

    Und wenn ich sehe, wie schwierig es in einem Konzern mit verschiedenen Töchtern ist, eine Leistung einer Tochter durch eine andere in Anspruch zu nehmen, dann überrascht es mich nicht, wenn hier Planungen nicht verzahnt werden sondern der Eine erst anfängt, wenn der Andere ganz fertig ist.

  • Mod: Diskussion wegen Abschwiff aus dem Thread "Wohnquartier "Stadtgärten am Henninger Turm" hierher verschoben.




    Schön dicht die Bebauung, aber die Architektur ist leider kein Highlight. Heute sieht es akzeptabel aus, da es neu und frisch ist. Das Problem ist 60-70% der Fassadenfläche besteht aus Fenster. Wenn man so baut gibt es nicht viele Freiräume für sonstige Gestaltung.

  • ^Kann man so nicht unbedingt sagen, aber viele "moderne" Grundrisse sind dann doch für volldigitalisierte und ansonsten besitzlose Menschen gemacht, da sie keinen Platz für Bücherregale oder Schränke bieten - und dabei noch nicht mal, ersatzweise, das amerikanische Konzepte des Einbauschranks, bei dem die Gestaltungsfreiheit des Nutzers an der Tür endet, einführen.

    Eine so hohe Dichte an Fenstern birgt dann schon die Gefahr, dass es keine Wandflächen gibt, auch nicht senkrecht zur Außenwand, an die etwas gestellt werden kann, weil die Fenster seitlich so nah an der Innenwand sind, dass man tatsächlich keinen Stellplatz übrig behält, der nicht Licht oder Öffnungswinkel des Fensters blockiert.


    In meinem Arbeitszimmer ist auf der einen Seite knapp 40cm, auf der anderen Seite nur 20cm Raum neben den Fenstern und auf der 20cm-Seite öffnet sich noch eine Balkontür. In der Küche hat der Architekt auf der Seite, auf der Herd und Spüle geplant sind, das Fenster so gezeichnet, dass es geöffnet nur 54cm von der Wand entfernt ist, somit also beim Öffnen über die Arbeitsplatte schwenkt. Mit den Originalfenstern war zwischen Standard-Arbeitsplattenhöhe von 85cm und Fensterunterkante gerade mal 5mm Platz. Seit der Erneuerung letzten September sind es 5cm.

    Einmal editiert, zuletzt von Xalinai () aus folgendem Grund: typo

  • Mod: Beitrag aus dem Thread "Das Präsidium - Neuentwicklung mit 175-m-Hochhaus" hierher verschoben.



    Wie immer spielen bei einem Begrünungskonzept ausser den Einrichtungskosten auch der spätere Unterhalts- und Pflegeaufwand eine Rolle... Wenn der Bauherr die entsprechende Bereitschaft hat: hier ein Beispiel von vielen möglichen, eine "Maximalversion" für eine Parkhausfassade (Avignon). In dem Render weiter oben sehen wir natürlich das Sparmodell... img_1122kopie5nkl5.jpeg


    Handyfoto von mir

  • Bei der Gebäudebegrünung dürften später ein nicht unerheblicher Teil der Gesamtkosten die Unterhaltskosten sein. Denn die Begrünung muss nämlich ganzjährig, im Winter weniger in einem Sommer wie diesen wesentlich öfter, gegossen werden. Wenn die Liegenschaft nicht an das kommunale Brauchwassernetz angeschlossen werden kann weil die Kommune parallel zum Trinkwassernetz keines unterhält dann muss die Bauherrin eine ausreichend große Regenzisterne errichten damit die Begrünung über Monate bewässert werden kann. Die Nutzung von Trinkwasser scheidet für sowas aus denn übers Jahr kann sich der Wasserbedarf - wie beispielsweise beim Tower X - auf einige Kubikmeter aufsummieren. Wenn aus ökologischen Gründen in HH oder großen Bürokomplexen noch die Toilettenanlagen und andere Anlagen konsequent und ganzjährig mit Brauchwasser betrieben werden sollen müsste eine Zisterne entsprechen dimensioniert sein. Mit 5 Kubikmetern kommste da nich weit.


    Das gleiche gilt letztendlich auch für die Straßenbäume innerhalb einer Kommune. Insbesondere junge Bäume aber auch zunehmend alte Bäume überstehen sonst nicht die immer längeren Trockenzeiten, und die erstrecken sich dank Klimawandel mittlerweile über Monate.


    Wenn die Kommunen das Regenwassermanagement an Liegenschaftsbesitzer delegieren dann müssen deren Zisternen auch diese Wassermenge (zwischen-)speichern können.

    Wobei ich aber die Kommunen diesbezüglich nicht frei von Verantwortung sehe denn der Schutz vor Hochwasser und Überschwemmungen ist ein staatliche Aufgabe.

    3 Mal editiert, zuletzt von main1a ()

  • Und wenn Du schon dabei bist: Dann müssen diese Zisternen die erforderlichen Wassermengen auch aufnehmen dürfen - Baugenehmigungen braucht es dafür ja auch. Ud die verminderte Wasserabgabe (vor allem Spitzenmengen) ins Kanalnetz sollte sich auch in den zu zahlenden Gebühren der Anlieger niederschlagen.

  • Mod: Verschoben, war in "Europaviertel West: Quartier Boulevard Mitte" im Zusammenhang mit dem Projekt "Timber Pioneer".




    Zum Vergleich mal Holz-Hybridbauweise in den USA: da sind fünf Geschosse über Erdgeschoss als Holzbau erlaubt, wobei das erste Geschoss eine Stahl-Alurahmenkonstruktion ist, und damit zu 7-geschossigen Gebaude fuehren. So ist der CO2 Abdruck natürlich deutlich geringer.

    https://phillyyimby.com/2021/1…e-south-philadelphia.html

  • Das Gebäude im Artikel sieht für mich allerdings nach einer (für die USA) relativ normalen Holzständerbauweise aus. Das ist sicherlich kaum mit der sehr massiven Konstruktion hier in FFM/Deutschland vergleichbar.

  • In der Frankfurt Rundschau ist ein Interview mit dem Frankfurter Architekten Moritz Kölling, der auch Vorsitzender de Frankfurter Gruppe des BDA ist. Er war auch an der Planung für die Günthersburghöfe beteiligt.


    Das Interview spricht viele Themen an, aber zum Teil nur sehr kurz.


    Trotz gestiegener Preise geht Kölling davon aus, dass im Rhein-Main-Gebiet weiter investiert wird, wobei er aber im Wohnungsbau eine Verschärfung der Situation befürchtet. Er schlägt eine Reduzierung der Kosten durch einfachere Standards vor.


    Kölling hält die Verdichtung und Konversion von Büroflächen alleine nicht für ausreichend, um die Nachfrage an Wohnraum zu befriedigen. Hierfür hält er auch Außenentwicklung für notwendig und sieht in der Josefsstadt eine gute Entwicklungsmöglichkeit, weil diese aufgrund der höheren Verdichtung auch ökologischer wäre als Einfamilienhaus-Neubaugebiete im Umland.


    Generell spricht er sich für den Erhalt von Bestandsgebäuden aus und nennt hier das Juridicum und den Lurgikomplex. Er geht davon aus, dass ein Gestaltungsbeirat helfen würde, Bestandsgebäude zu erhalten.


    Kölling rechnet in der Zukunft mit mehr Holz- und Holzhybridbauten. Er begründet dies mit der seriellen Fertigung von Bauteilen der Holzelement und sieht darin den Baustoff der Zukunft.


    https://www.fr.de/frankfurt/fr…ukunft-sein-92008656.html