Frankfurter Architekturdebatte: Wie zu bauen sei

  • @Immobilienmogul #61:
    Sehe hier eigentlich keine hysterische Art der Sicht auf diese Dinge. Man sollte aber auch nichts verstecken oder schönreden wollen. Es bleibt nun überhaupt nichts anderes übrig als diese 20 Jahre abzuwarten. Was aber wenn es sich nicht so wunderbar entwickelt?

    Für jede Art von Wohnungen, egal unter welchen Bedingungen, werden sich Käufer und Mieter finden. Sogar an den unmöglichsten Standorten werden ja laufend wieder neue Wohnungen geschaffen weil diese Grundstücke beispielsweise billig sind.

    Es geht aber darum, immer wieder neue Wege zu finden, um von vorneherein überall bessere Bedingungen für das Wohnen zu schaffen, auch an scheinbaren Luxusstandorten. Das geht wohl nur noch über die Politik.



    Postet von RKWF am 29.12.2009 im DAF Strang "Frankfurter Architekturdebatte: Wie zu bauen sei" direkt hinter Immobilienmogul #61

  • ^Bin gegen Einmischung durch die Politik. Politik soll den Rahmen vorgeben, ruhig auch strickte Gestalltungsordnung, sollte sich aber ansonsten raushalten.
    Immobilien Mogul hat da schon recht, die Zeit wirds zeigen, ob sich ein Viertel entwickelt und wohin.
    Im Moment habe ich den Eindruck, dass viele auch wohlhabende Leute wieder in die Stadt ziehen. Ist ein Vorteil finde ich. Das dadurch die ärmeren aus den In-Vierteln verdrängt werden ist die Kehrseite der Medaille, für die Stadt ist diese Entwicklung aber positiv.

  • Also die "Im Schnitt bessere, und Zeitgemäß konformen" Grundrisse im Europaviertel würde ich mir wirklich gerne mal von dir zeigen lassen. Die Vielzahl der neuen Wohnungen ist genau auf das Klientel ausgelegt das dort auch einziehen wird. Wochenendpendler. Familienfreundliches Wohnen, sei es auch nur für "Familien" mit ausreichend finanziellem Rückrad ist dort kaum zu finden, wenn überhaupt. Es wird dort ganz sicher über viele Jahrzehnte hinweg keine soziale Durchmischung geben und daher wird auch nie ein belebtes Viertel enstehen. Da kann selbst ein Urban Entertainement Center nichts ändern. Schon deshalb weil es am Ostende des Viertels stehen wird und die Besucherströme von dort doch wieder richtung Innenstadt gehen.
    Die Mieter die jetzt in das Viertel ziehen, sind meistens jene die nach einigen Jahren bereits aus Karrieregründen weiter ziehen werden. Der Anteil an Neubewohnern die dort blieben wird verschwindend gering ausfallen. Dafür fehlen einfach die richtigen Bedingungen.


    Wahnfried


    Wie kommst du zu dem Schluss, dass eine Verdrängung der "Ärmeren" Schichten aus sogenanten "In-Vierteln" für die Entwicklung einer Stadt positiv sein kann ?


    Ein lebendiges Stadtviertel wird ohne Soziale durchmischung nicht enstehen. Verdrängungsprozesse wird es immer geben, aber es ist eben Aufgabe der Politik die Rahmenbedingungen zu schaffen.

  • Tolbert, da hast Du mich falsch verstanden, oder ich habe nicht gut genug formuliert. Gut für die Stadt ist es, das wohlhabende Leute wieder in die Stadt ziehen und nicht mehr im Umland ihr Domizil suchen.
    Der Effekt ist dann, das die Preise für Wohnungen steigen. Arme können sich diese Kosten nicht mehr leisten und werden an die Stadtränder oder in nicht so begehrte Viertel verdrängt.
    Ist wie mit den Urlaubsgegenden. Zunächst sind dort Rucksack-Touristen und wenn sich das Gebiet entwickelt kommen die Reichen und die Rucksack-Touristen ziehen weiter.
    Ob, eine soziale Durchmischung nötig ist um ein Viertel attraktiv zu machen ist eine andere Frage, die ich auf anhieb nicht beantworten könnte.
    Früher gab es in Frankfurt, Viertel in denen die Reichen ihre Wohnungen hatten (Bahnhofsviertel, Innenstadt, Westend, etc.), Viertel wo die Mittelschicht wohnte (Bockenheim, Sachsenhausen, Nordend, etc) und dann Viertel für die Armen (Ostend, Gallus, Griesheim, etc). Vielleicht ist meine Auflistung nicht ganz korrekt. Meine Annahmen beruhen auf dem was von Altbaubestand übrig ist.
    Wie auch immer, die Städte damals haben wohl ganz gut funktioniert und prosperiert auch ohne soziale Durchmischung. Der Bauboom in der Gründerzeit bis zum ersten Weltkrieg muß enorm gewesen sein. Vermutlich so wie heute in China. Klar gerecht gings wohl nicht zu, aber der Wohlstand und die Lebensqualität stieg überall stark an, speziell wenn man das starke Bevölkerungswachstum mit in die Rechnung einbezieht.


    Edit: Was den Wohnungszuschnitt angeht. Klar ist der auf die Zielgruppe ausgelegt. Das war aber auch schon in früheren Zeiten der Fall. Die riesigen Wohnungen der Reichen in den Gründerzeitbauten, wurden später verkleinert. Oft wurden aus so einer Wohnung dann 3 oder 4 kleiner Appartments gemacht und an Single vermietet. Sollten sich die Zeiten ändern und Familien wieder in die Städte ziehen, im Moment wohnen die wohl noch lieber auf dem Land, kann man den Wohnungszuschnitt auch wieder ändern.
    Man könnte Familien auch wieder in die Städte bekommen, wenn man auf staatlich Regulierungen verzichten würde und zum Beispiel die Pendlerpauschale abschaffen würde.

    2 Mal editiert, zuletzt von Wahnfried () aus folgendem Grund: Ergänzung

  • Ich habe mir gerade gestern einige Grundrisse von Wohnungen im Europaviertel aus privatem Interesse angeschaut.


    - Die Wohnungen in der Größenordnung 70 - 100m² sind für einen Frankfurter Doppel-Normalverdiener-Haushalt durchaus erschwinglich (Man muss noch nicht mal FDP-Clientele sein)
    - Ein Großteil der Wohungen richten sich an das, was ich als "Durchschnitt" einer Familie in der Frankfurter Innenstadt betrachten würden: Ehepaar + 1 Kind (+/- 1 Kind). Singlewohnungen für W/E-Pendler sind dort eher nicht zu finden.


    Das Europaviertel wird in großen Teilen auch in 40 Jahren kein "urbanes" Viertel sein - eher vergleichbar mit der 50er-Jahre Wohnbebauung in der ehemaligen Altstadt. Aber ich halte das in dieser Lage für absolut sinnvoll. Ein enges Nebeneinander von verschiedenen Wohnformen ist typisch für Frankfurt und in anderen Städten so eher nicht zu finden. Der Platz ist da, also kann man ruhig etwas lockerer bauen, der Rest kommt schon von selbst.

  • Ich hab dich, denke ich, schon richtig verstanden. Das Problem mit Verdrängung ist vielmehr die Verlagerung von Problemen in Randzonen und die damit verbundene Gethoisierung von ganzen Stadtvierteln. Soweit ich mich entsinne ist das kein vorangiges Ziel einer städtischen Entwicklung. Zu verhindern ist dies also nur durch gewisse Regulierung und eben Durchmischung. Dadurch steigt auch die Soziale Kontrolle. Deine Idee, Wahnfried, Familien wieder in die Innenstadt zu holen, durch zum Beispiel die abschaffung von Subventionen á la Kilometerpauschale würde schon deshlab nicht funktionieren weil in den Innenstädten gar kein bezahlbarer Wohnraum für Familien vorhanden ist. So müssen diese eben aufs Land, oder in die Vorstädte ausweichen.
    Gegensteuern kann man da nur von Gesetzesseite, aber da traut sich ja keiner, weil natürlich kein Investor auf überteuerten Grundstücken familienfreundliches Wohnen realisiert. Gibt ja auch keine Rendite. Darum Planan sowas eben städtische Baugesellschaften, die natürlich Sozialen Wohnungsbau auf ihren Fahnen stehen haben.
    Ergebnis sehen wir ja offt genug.... Randlage, Gethoisierung, Mangelnde Soziale Kontrolle, Problemviertel, Abriss und Verlagerung.
    Lösung bietet eben eine gezielte Durchmischung der Bewohnerstruktur. Das so etwas funtioniert sieht man in Berlin sehr gut anhand z.B. der Spandauer Vorstadt.



    Ich wundere mich auch immer welch romantische und völlig verklärte Vorstellung die Meisten hier vom Leben der Leute zur letzen Jahrhundertwende haben. Vielleicht sollten sich manche darüber klar werden, dass sich die damalige Gesellschaft und die heutige grundlegend unterscheiden. Die Stadt bildet immer die Gesellschaft ab in der sie sich entwickelt. Die "Reichen" wohnen in den Villenvierteln und Luxuriösen Vorderhäusern (die auf den Postkarten). Arbeiter und "Arme" in den Hinterhäusern oder den Mittelalterlichen Stadtkernen. Der Bauboom in der Kaiserzeit hat diese Situation nicht verbessert, sondern in den meisten fällen noch Zementiert.

  • Ein lebendiges Stadtviertel wird ohne Soziale durchmischung nicht enstehen. Verdrängungsprozesse wird es immer geben, aber es ist eben Aufgabe der Politik die Rahmenbedingungen zu schaffen.


    Sorry für den Doppelpost, aber gerade ist mir noch ein Beispiel eingefallen, das Argumente gegen Deine Aussage liefert.
    In Berlin entstanden erhebliche Spannungen, als reichere Bürger sich in den Kiezen Kreuzberg und Prenzlauer-Berg niederließen. Autos wurden angezündet und insgesamt war der soziale Frieden gestört.
    Neid und Missgunst sind leider Teil der menschlichen Natur. Politik kann da auch nichts daran ändern. Von daher denke ich, sind sozial durchmischte Viertel nur dann ideal wenn die Unterschiede zwischen den Einwohner nicht zu groß sind.
    Allerdings stimmt es schon, die Viertel wo sich die Reichen niederlassen, sind oftmals reine Wohnviertel und das Leben (einkaufen und ausgehen) findet woanders statt.
    Familien und Retner zieht es ebenfalls eher in ruhige Wohnviertel. So, gesehen könnte die Viertel in denen viele junge und ungebundene Menschen wohnen, die Viertel sein, in denen in Zukunft die szenentypischen Einrichtungen entstehen.


    mahlzeit. Stimmt, die Wohnungen im Europaviertel wären durchaus für Familien tauglich. Ich hatte mir dort Wohnungen angesehen als ich im April diesen Jahres eine Wohnung gesucht hatte. Der Makler im ersten damals fertigen gewordenen Karree meinte, dass er alle Wohnungen in den Stockwerken 2 bis 5 innerhalb kurzer Zeit vermietet hatte. Im Erdgeschoß und bei den recht teuren Wohnungen in den oberen Stockwerken, gabs noch freie Appartments. Alle bisherigen Mieter wären allerdings Singles oder Ehepaare ohne Kinder. In dem ganzen Wohnblock gab es also keine Familie mit Kinder. Das entspricht auch meiner Wahrnehmung, dass Familien mit Kinder lieber auf dem Land wohnen, weil die Stadt als nicht Kindertauglich wahrgenommen wird.

    Einmal editiert, zuletzt von Wahnfried () aus folgendem Grund: Ergänzung

  • Du stellst hier einige Aussagen als allgemeingültig auf, die meiner Meinung nicht unwidersprochen bleiben sollten


    ...Familien wieder in die Innenstadt zu holen, durch zum Beispiel die abschaffung von Subventionen á la Kilometerpauschale würde schon deshlab nicht funktionieren weil in den Innenstädten gar kein bezahlbarer Wohnraum für Familien vorhanden ist.


    Gerade dies stimmt so nicht, in Frankfurt gibt es auch für Familien bezahlbaren Wohnraum in innenstadtnahen Quartieren. Die "hippen" Viertel sind da natürlich außen vor. Ohne Kilometerpauschale wäre ein Pendeln z.B. aus Bad Camberg für eine Familie wirtschaftlicher Wahnsinn.


    So müssen diese eben aufs Land, oder in die Vorstädte ausweichen.


    Bezahlbaren Wohnraum in "Pendelnähe" gibt es allenfalls im Lärmteppich des Flughafens. Die Wohnpreise in den bevorzugten Wohnlagen "im Grünen" übersteigen meist sogar beste Frankfurter Viertel (Kronberg vs. Westend).


    Ergebnis sehen wir ja offt genug.... Randlage, Gethoisierung, Mangelnde Soziale Kontrolle, Problemviertel, Abriss und Verlagerung.


    Tatsächlich gibt es auch in Frankfurt hierfür Beispiele - doch ich habe das Gefühl, dass die Stadt aus Ben-Gurion-Ring oder Frankfurter Berg durchaus gelernt hat. Ich sehe nicht das geringste Risiko von "Gethoisierung von ganzen Stadtvierteln".

  • Und gerade das Europaviertel muß doch auch im Zusammenhang mit den umgebenden Wohnvierteln betrachtet werden. Im Süden schliesst nahtlos das Gallusviertel an und im Norden die Kuhwaldsiedlung. Wenns gut läuft, entsteht allein dadurch eine soziale Durchmischung.
    Menschen aus dem Gallus werden sich im Europagarten aufhalten, Bewohner des Europaviertels im Gallus einkaufen oder essen gehen.
    Was die Wohnungen angeht vermisse ich hier noch eine "soziale" Schicht: Alte Menschen. Nicht jeder der alt ist, ist auch arm. Altersgerechtes wohnen mit kleineren, pflegeleichteren Grundrissen wird in Zukunft auch gefragter werden. Mich würden dann mal interessieren, wenn in dem ersten Wohnblock keine Familien eingzogen sind, wie hoch dann der Altersschnitt war.


    Anders ist es da dann wohl eher im Rebstock, Riedberg oder Frankfurter Bogen. Dort muss sich das Viertel aus sich selbst heraus beleben. Wohnen, arbeiten, Dienstleistung müssen da vorhanden sein, damit das Viertel "lebt". Aber das kann, wie richtig gesagt, nur die Zeit bringen.

  • In Berlin entstanden erhebliche Spannungen, als reichere Bürger sich in den Kiezen Kreuzberg und Prenzlauer-Berg niederließen.


    Die Spannungen sind ja eben erst durch die Verdrängung entstanden. Die Wohnbauten wurden von Investoren gekauft und Renoviert, welche dann natürlich die Mieten so hoch ansetzen, dass sich die Bewohner dort nicht halten konnten. So wars soweit ich weis zumindest in Kreuzberg, vom Prenzlauer Berg ist mir derartiges jetzt nicht bekannt, kann aber auch sein, dass ich da einfach schlecht informiert bin.
    Inzwischen ist zumindest der Prenzlauer Berg ein durchmischtes Viertel und funktioniert sehr gut. Solche Entwicklungen lassen sich ja durch Bestandsschutz steuern. Niemand will ja, dass Viertel ihre Bewohnerstruktur nicht erneuern. Aber ein Funktionierendes Viertel das plötzlich "In" ist wird durch Juppiisierung in seinem Bewohnergefüge nachhaltig gestört und verliert dadaurch eben genau den Charakter der zu diesem "In" sein beigetragen hat.
    Ebenso kann ein neues Stadtviertel wie das Europaviertel keine Bewohnerdynamik entwickeln wenn sich dort nur Singles und junge kinderlose Paare niederlassen, sei es nun aus finanziellen Gründen oder weil keine familienfreundliche Infrastruktur vorhanden ist.


    mahlzeit


    Gerade dies stimmt so nicht, in Frankfurt gibt es auch für Familien bezahlbaren Wohnraum in innenstadtnahen Quartieren. Die "hippen" Viertel sind da natürlich außen vor. Ohne Kilometerpauschale wäre ein Pendeln z.B. aus Bad Camberg für eine Familie wirtschaftlicher Wahnsinn.


    Stimme dir da durchaus zu, allerdings wäre die Familie aus Camberg wohl schwer in der Lage in Frankfurt vergleichbaren, oder bezahlbaren Wohnraum zu finden.


    Bezahlbaren Wohnraum in "Pendelnähe" gibt es allenfalls im Lärmteppich des Flughafens. Die Wohnpreise in den bevorzugten Wohnlagen "im Grünen" übersteigen meist sogar beste Frankfurter Viertel (Kronberg vs. Westend).


    In diesen "bevorzugten" Lagen wohnen ja nun doch eher die Leute die es sich leisten könnten in der Innenstadt zu wohnen, aber dennoch das Haus im Grünen vorziehen. Aus diesem Grund lassen sich ja diejenigen die dazu eben finanziell nicht in der Lage sind in Indstein, Camberg oder selbst noch in Limburg und Umgebung nieder. Sinnvoll ist das ohne Subvention nicht. Also muss man dann eben schauen ob man lieber Subvetioniert oder vor Ort in den Innenstädten bedingungen schafft die ein solches Abwandern unantraktiv macht. Da für viele der Traum vom Eigenheim inzwischen ohnehinn aus einem Reihenhaus mit 40-60qm Gartenfläche besteht, zum Preis ab 300.000 aufwärts, würden viele sicherlich auch eine Eigentumswohnung in zentraler Lage in ihre Planungen mit einbeziehen wenn entsprechende Bedingungen vorhanden wären.

  • Ich wundere mich auch immer welch romantische und völlig verklärte Vorstellung die Meisten hier vom Leben der Leute zur letzen Jahrhundertwende haben. .... Die "Reichen" wohnen in den Villenvierteln und Luxuriösen Vorderhäusern (die auf den Postkarten). Arbeiter und "Arme" in den Hinterhäusern oder den Mittelalterlichen Stadtkernen. Der Bauboom in der Kaiserzeit hat diese Situation nicht verbessert, sondern in den meisten fällen noch Zementiert.


    Auch wenn es off topic ist, muss ich dazu ein paar Worte verlieren. Ich wundere mich auch mit welcher Arroganz manche Leute denken, dass heute alles richtig gemacht wird.
    In der Kaiserzeit waren die Verhältnisse natürlich anders. Die Leute lebten vor der ind. Revolution auf dem Land. Die überzähligen sind entweder verhungert (wenn es Missernten gab) an Krankheiten gestorben, oder ausgewandert. Entweder nach Übersee, oder wie in Deutschland eher nach Ost- und Südost-Europa. Den Leute ging’s nicht wirklich gut, deshalb sind die Leute auch in die Elendsquartiere der Städte gezogen, als dort Arbeitsplätze entstanden. Keine Frage die Lebensverhältnisse waren mehr als schlecht, aber immer noch besser als auf dem Land. Nicht umsonst ist die Bevölkerung im 19. Jahrhundert in Europa stark angestiegen.
    Nicht weil sie plötzlich mehr Kinder bekamen, sondern weil weniger gestorben sind.
    Von 1871 bis 1913 hat sich die Lebensqualität der allermeisten Bewohner in deutschen Städten ständig verbessert. Alle relevanten gesellschaftlichen Daten waren positiv. Die Bildung war in Deutschland sehr gut, Arbeitslosenzahlen niedrig, Steuern und Abgaben sehr niedrig. Trotz des starken Bevölkerungswachstums von 40 Mio. im Jahr 1870 auf 65 Mio. im Jahr 1910 gab es genug Arbeitsplätze und er Wohlstand nahm zu. Irgendetwas mußten die da richtig gemacht haben.
    In der BRD lief es seit den 1970er Jahre aber nicht mehr so toll. Von 1970 bis 2009 hat sich einiges verschlechtert. Das Bildungssystem ist nur noch Durchschnitt, sogar unter dem Durchschnitt der Industrieländer. Die Arbeitslosenquote hat sich seit den 1970er Jahren stark erhöht, speziell wenn man noch die große Zahl der Hartz IV Empfänger mit einrechnet und das obwohl die Bevölkerung nicht gewachsen ist. Steuern und Abgaben sind gestiegen, neue Steuern und Abgaben wurden eingeführt und trotzdem macht der Staat Schulden. In den 1970er Jahren war die Kaufkraft wohl ebenfalls höher. Ich kann das zwar nicht mit Bestimmtheit behaupten, da ich es nicht selbst erlebt habe, aber ein Arbeiter konnte sich damals wohl eher ein Haus bauen als er es heute könnte. Sieht so aus als wäre da einiges falsch gelaufen.


    Was ich damit sagen will, ist je mehr sich der Staat einmischt, sei es durch Subventionen oder sonstige Eingriffe, desto schlechter ergeht es der Wirtschaft und damit der Allgemeinheit.
    Ich kenne keine Staatswirtschaft (Sozialismus) die erfolgreich gewesen wäre. China boomt auch erst seit, dort quasi Marktwirtschaft herrscht. Von daher bin ich gegen staatliche Eingriffe und sei es beim Wohnungsbau.
    Besser ist es, wenn der Staat sich zurück nimmt. Soll er die Pendlerpauschale abschaffen. Warum soll die Allgemeinheit die romantische Vorstellung unterstützen, dass Kinder in einem Haus mit Garten aufwachsen sollen? Wenn sie in der Stadt aufwachsen und im Park, oder auf dem Bolzplatz spielen ist das nicht schlechter. Die Landschaft würde nicht mehr so zersiedelt und die Autobahnen entlastet. Die Umwelt würde profitieren. Die Städte würden davon profitieren.

  • Wenn wir davon ausgehen, dass der Wohlstandszenith in Deutschland (BRD) irgendwann um 1970 herum gewesen sein muss: Dramatisch, dass gerade in dieser Zeit so viel Schrott gebaut wurde ;)


    In der Erinnerung mag es dem Durchschitt der Bürgern vielleicht besser gegangen sein, jedoch würde ich dies eher auf die gefühlt geringeren sozialen Unterschiede schieben. Denn auch 1970 konnte es sich kein Arbeiter leisten, sein Häuschen in Stadtnähe zu bauen - beachte, in diese Zeit fällt auch die Hochzeit des sozialen Wohungsbaus! Der Aufstieg der BRD hängt von Anfang an ganz klar mit staatlichen Eingriffen zusammen, leider ist das System in den letzten 30 Jahren aus allen Nähten geplatzt, erst in jüngster Zeit hat es sich ein wenig verbessert - die Subventionen für "Häuslebauer" sind doch gewaltig geschrumpft.


    Also, die Pendlerpauschale: Volkswirtschaftlicher und ökologischer Unsinn - gehört schlicht und einfach abgeschafft. Als Ausgleich möge der Staat die Kosten für eine ÖPNV-Jahreskarte unabhängig von deren Nutzung steuerlich absetzbar machen. Das würde die Städte fördern und die Autobahnen entlasten. In der Schweiz ist es übrigens so.


    Eine staatliche Förderung von Wohnraum für einkommensschwache Schichten (aber eben nicht in der Periferie), dies jedoch in Maßen, finde ich unbedingt sinnvoll. Es ist das Gleiche wie mit der Duldung gewisser Gestalten z.B. im Bahhofsviertel: Es ist Aufgabe des Staates, manche Leute an die Hand zu nehmen und darauf zu achten, dass sie nicht völlig abgehängt werden. Und es hilft ganz nebenbei gegen eine übertriebene Gentryfizierung.

    Einmal editiert, zuletzt von mahlzeit () aus folgendem Grund: Stilistische Korrektur - war anders gemeint ;-)

  • @Wahnfried #63:
    Ohne übergeordnete regulierende Eingriffe entsteht Chaos und Ungerechtigkeit. Diese übergeordnete regulierende Kraft muss dem Allgemeinwohl dienen, die Minderheiten schützen und wiederum selbst kontrolliert werden. Das oder so ähnlich soll in unserer Demokratie "die Politik" sein.

    Was meine ich also, wenn ich beispielsweise wie oben in #62 sage:......von vorneherein überall bessere Bedingungen für das Wohnen schaffen...... Das geht wohl nur noch über die Politik.

    Man darf den Wohnungsbau nicht nur den Ideen und Aktivitäten der Investoren überlassen. Gute Bedingungen für größere Projekte schaffen, das können die Investoren auch alleine gar nicht leisten. Einige Investoren haben das offenbar selbst schon aus Eigeninteresse heraus erkannt.
    Wie schon gesagt, so ziemlich jede Art von Wohnung findet derzeit in Frankfurt seinen Käufer oder Mieter, aber eben zu Lasten der Wohnqualität und damit zu Lasten der Bewohner und damit der Gesellschaft.

    Die "Politik" war und ist gefordert hier besser regulierend und allgemeinverantwortlich einzugreifen, was sie aber selbst im sozialen Wohnungsbau derzeit nicht mehr gut wahrnimmt.

    Neben der Großräumigen Planung, auch in der Steuerung des Wohnungsbaus, z. B. Stadtgebiet v. s. Umland, ist das jeweilige unmittelbare Wohnumfeld wieder verstärkt von der Politik in den Focus zu nehmen. Und genau darum geht es mir hier.

    Dabei ist natürlich zu berücksichtigen um was es sich jeweils handelt, z. B. Siedlungsbau, Reihenhausbau, verdichteter Innenstadtwohnungsbau etc., für Familien, Singles, Senioren, Wenig- und Besserverdiener usw. und noch die Standortbedingungen. Alles nichts Neues, nur eben vernachlässigt.

    So lassen sich sicherlich unter Fachleuten bestimmte Mindestanforderungen als Standartsituationen für Wohnungen formulieren, die dann nur noch für die jeweils speziellen Umstände modifiziert werden müssen.

    Zum Beispiel:
    - Ansprechende, kleinteilige Außengestaltung von Gebäude, Anhängen und Verkehrsflächen.
    - Vorgaben für Einzelhandelsflächen.
    - Verbindliche Lärmschutzvorsorgemaßnahmen, wo erforderlich.
    - Anordnung und Größe von Grün- und Aufenthaltsflächen.
    - Standorte für Spielplätze und deren Ausstattung in Bezug auf deren Umgebungswirkung.
    - Größe und Anordnung von Gehwegen, Radwegen, Zufahrten und deren Anbindung.
    - Verbindliche Abstände zu Straßen und anderen Verkehrsmitteln.
    - Beziehungen zu den Emissionen wirtschaftlicher Betriebe.
    - Entfernungen und Erreichbarkeit von Schulen, Kindergärten, Einkaufsmöglichkeiten etc.

    Das kann man weiter ausbauen, jeder kennt das.

    Dazu kämen dann noch bestimmte Mindestanforderungen an die jeweilige Gebäudeausstattung, über das übliche technische hinaus, die Wohnqualität außerhalb der Wohnung im Gebäude betreffend.

    Verbindliche Mindestanforderungen eben für eine nachhaltige Wohnqualität und nicht nur wachsweiche Empfehlungen.



    Postet von RKWF am 30.12.2009 im DAF Strang "Frankfurter Architekturdebatte: Wie zu bauen sei" direkt hinter mahlzeit #75

  • Wahnfried


    Ich bin absolut nicht der Meinung das heute alle richtig gemacht wird,wenn dem so wäre müsste ich ja hier nichts beitragen.


    Die Lebensbedingungen in den Arbeiterquartieren der Städte waren zur Kaiserzeit nicht besser als auf dem Land. Die Leute hat es vor allem wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten in die Städte gezogen. Ob das Wohnen mit 6-8 Personen in einem 20qm Zimmer mit Toilette auf dem Hof und Tageslicht durch einen 4x4 Meter "Hof" (solche mindestmaße wurden übrigens erst sehr spät eingeführt) besser war, mag ich hier ernsthaft bezweifeln.
    Sicher hat sich die Lebensituation im Großen und Ganzen verbessert, aber das ist allgemeingültig und liegt nicht daran das die Städte gewachsen sind und schon garnicht daran das man Leute in Mitskasernen gepfercht hat.
    Woher nimmst du eigentlich deine Informationen, dass Steuern und Abgaben niedrig waren und das es wenige Arbeitslose gab?
    Was mich auch wundert ist. Warum kamen denn die ganzen Ideen von Gartenstädten, neuem Wohnen, etc. auf die Tagesordnung wenn doch das leben der Arbeiter so rosig in ihren "Kein-Zimmer" Appartments war? Das waren ja jetzt nicht wirklich alles Sozialistische Spinner.


    Die Heutigen Probleme in Deutschland sind auch sicher nicht alle auf Eingriffe der Regierung zurück zu führen. Die Soziale Marktwirtschaft ist meiner meinung nach die größte Errungenschaft die unsere Demokratie je erreicht hat, weil sie die Bedürfnisse des gesamten Volkes und nicht nur einzelner Bevölkerungsteile berücksichtigt. Das Problem liegt eher daran, dass man es versäumt hat das Konzept neuen Randbedingungen anzugleichen oder eben falsch angeglichen hat. Hier liegt das versäumnis klar bei der Politik. Andererseits ist heute wieder eine Habgier bei vielen von dir genannten "Reichen" ( würde mich auch mal interessieren wie du den Begriff definierst) zu finden die den Auswüchsen der Kaiserzeit mit seinem Spekulativen Wohnungsbau in nichts nachsteht, ihn in vielen fällen sogar noch übersteigt. Seltsam ist es doch, dass es der Wirtschaft angeblich besser geht, aber dennoch weitere 18 Monate Kurzarbeit und Entlassungen aufgrund einer sogenannten Krise erforderlich sein sollen. Im Wohnungsbau fallen nun eben mal wieder die gleichen hinten runter wie schon vor hundert Jahren. Nicht die Sozialhilfeemfpänger, sondern die immernoch so genante gute deutsche Mittelschicht, die in den 70ern noch aus gewöhnlichen Arbeitern bestand, heute wohl eher Akademiker und selbstständige Kleinunternehmer (nicht diese Einmannselbstbelügungsbetriebe) beinhaltet (per definition), und offensichtlich nach Ansicht unserer derzeitigen Regierung, Mittelständler Betriebe ab 500 Arbeitskräften aufwärts und sogenannte "Leistungsträger" sein sollen.
    Wundern braucht einen so etwas freilich nicht, dass Bildungsniveau ist durchaus nur Mittelmaß bis schlecht, vor allem für die unteren Einkommensgruppen. Was vor allem dazu führt das das Gro der deutschen Bevölkerung politisch unmündig ist und sich dadurch alles auftischen lässt was man ihm vorsetzt, sei es auch reine Klientelpolitik die nicht einmal mehr mühevoll verpackt werden muss. Schließlich kann man sich inzwischen drauf verlassen das der gemeine Deutsche seinem Lieblingshobby nachgehen wird, dem Nörgeln und nichts tun und dann brav wieder alles glaubt was man ihm vor der nächsten Wahl aufs Brot schmiert.


    Zurück zum Thema.


    mahlzeit


    Die Idee mit dem ÖPNV Ticket ist sogar eine recht gute, müsste aber wohl eher anders umgesetzt werden, z.B. als Jobticket wies es schon offtmals der fall ist, welches dann aber Staatlich direkt unterstützt und vom Arbeitgeber und Nehmer gleichermaßen anteilig getragen wird.


    RobertKWF


    Deine Aufgeführten Beispiele sind heute alle samt entweder direkt Baurecht verankert und damit für jeden Bauherren verbindlich oder aber in dem entsprechenden Bebauungsplan festgelegt, der ebenfalls, entsprechend seiner Ausführung, bindend ist.
    glücklicherweise gibt es nicht nur wachsweiche Empfehlungen.


    Zu enge Standarts für Wohnungen halte ich aber aus Gründen zu hoher Uniformität und Monotonie für nicht sinnvoll. Die meisten Investoren schrecken ja ohnehinn schon vor Wohnungsbau zurück weil es dort sehr strickte Regulierungen gibt (aus diesem grund baut man auch als Investor nur Luxuswohnungen). Eine weitere Standartisierung, wie sie beispielsweise schon von Neuffert und anderen propagiert wurde, führt nur zur Ablesbarkeit der Sozialen verhältnisse. (Plattenbau, etc.) Ist somit keine Lösung.
    Was ich für sinvoller halte ist eben eine Soziale durchmischung der Bewohnerstruktur, nicht nur in einem Wohnviertel, sondern im Idealfall sogar innerhalb eines Gebäudes auf ebenengleiche. (nicht wie in den Gründerzeitmietskasernen) Eine solche Durchmischung würde das Wohnen in den Städten mit nachhaltiger Dynamik versehen und dafür sorgen, dass das Wohniveau für alle Einkommensklassen steigt.

  • ^ sorry Tolbert, Deine Antwort auf Wahnfried kann ich nicht unkommentiert lassen. Jedoch möchte ich nicht auf alles eingehen, sondern ich betrachte nur Dein Schlussstatement, das auch gewissermaßen den Höhepunkt bildet:

    "Wundern braucht einen so etwas freilich nicht, dass Bildungsniveau ist durchaus nur Mittelmaß bis schlecht, ... Schließlich kann man sich inzwischen drauf verlassen das der gemeine Deutsche seinem Lieblingshobby nachgehen wird, dem Nörgeln und nichts tun und dann brav wieder alles glaubt was man ihm vor der nächsten Wahl aufs Brot schmiert."


    Spätestens jetzt sind wir am Stammtisch angekommen. Gehört das wirklich hier her??

  • Also, zum Thema.
    Die Idee das Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten in den selben Häuser und Etagen wohnen sollten, rührt vermutlich vom sozialistischen Prinzip der Gleichheit.
    Die Theorie ist gut und edel, aber nach 150 Jahren sollte man langsam gelernt haben, dass der Sozialismus nicht funktioniert. Auch wenn man es schafft mehr Gleichheit zu erzeugen, erreicht man nicht den selben Wohlstand für die Mehrheit der Bevölkerung, sondern nur einen niedrigen Standard für alle.
    Nehmen wir mal als Beispiel das Skylight. Da sollen nach Deiner Idee, auf einer Etage Sozialhilfe-Empfänger zusammen mit Investment-Banker wohnen. Wer bezahlt denn die Miete für die Sozialhilfe-Empfänger? Der Staat, also die Allgemeinheit? Der Investor? Der Wohlhabende Nachbar? Welcher Sozialhilfe-Empfänger kommt denn dann in das Skylight und welcher muss zur besseren Durchmischung auf den Frankfurt-Berg? Ich glaube das muß man jetzt nicht beantworten, das sollte man schon erkennen, dass das nicht funktioniert.


    Was den Off Topic Teil angeht will ich nur soviel sagen. Von 1870 bis 1914 haben sich die Lebensbedingungen für den Großteil der Bevölkerung stetig verbessert. Die Gebäude die man damals gebaut hat und die Entwicklung der Städte sind noch heute unerreicht. Noch heute wohnt man in den Häuser dieses Zeitabschnitts, obwohl die einen Bombenkrieg überstehen mußten.


    Dagegen leben wir seit den 1970er Jahren über unsere Verhältnisse. Ein guter Teil der Bevölkerung lebt von Sozialtransfers, die Gebäude die gebaut werden sind in den meißten Fällen rein funktional und werden vermutlich keine lange Lebensdauer haben.
    Ich kenne mich in Volkswirtschaft nicht gut genug aus, noch will ich behaupten die Ursachen für alle Éntwicklungen zu kennen, aber es fällt schon auf, dass reine Marktwirtschaften wesentlich besser prosperien, als sozialistische Systeme.

  • Einspruch, Wahnfried!


    Ich möchte das Thema mal aus rein architektonischer Sicht betrachten. Welches "rein marktwirtschafliche" System fällt spontan ein? Richtig, die USA.


    In den USA stehen - spontan geschätzt - 50% der beeindruckendsten Gebäude dieses Jahrhunderts. Wie aber sieht die architektonische Wirklichkeit (also die restlichen Bauwerke) im marktwirtschaftlichen Musterstaat aus? 99,9% völliger Schrott! Was und wie in den USA und in anderen Ländern mit minimaler staatlicher Einflussnahme gebaut wird ist schlicht dramatisch schlecht.


    Ebenso die Entwicklung von Stadtvierteln - Vom Getto zum Hip-Viertel zurück zum Ghetto schaffen manche Neighborhoods in nicht mal 40 Jahren - ist das erstrebenswert?


    Dein Skylight-Beispiel ist schön provokant, aber völlig unzweckmäßig. Du und ich, wir leben im gleichen Stadtviertel, bei uns gibt es eine gewisse Tendenz zur Gentryfizierung, aber auch soziale Probleme und den dazugehörigen Wohnraum. Das macht die Urbanität des Bahnhofsviertels aus, und sozial ist es ebenfalls. Aber nicht sozialistisch, da gibt es einen gewaltigen Unterschied!


    ...


    Exkurs zum Wohlstand: Heute hat jedes Kind ein eigenes Zimmer, mit 18 ein Auto. Es gibt etliche Fernseher und Computer in jedem Haushalt. Geschirrspülmaschinen und Mobiltelefone. Von mindestens zwei Urlauben pro Jahr (geflogen wird, ganz selbstverständlich) ganz zu schweigen. Sehen wir die Wohlstandsentwicklung der vergangen 40 Jahre doch bitte mal aus einem anderen Blickwinkel und hören auf zu jammern.

  • Also, zum Thema.
    Die Idee das Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten in den selben Häuser und Etagen wohnen sollten, rührt vermutlich vom sozialistischen Prinzip der Gleichheit..


    Nein. diese Idee hat mit Sozialismus überhaupt nichts zu tun. Hierbei geht es lediglich um eine Durchmischung von Wohnverhältnissen zur dynamisierung oder eben dem erhalt eines Stadviertels.



    Die Theorie ist gut und edel, aber nach 150 Jahren sollte man langsam gelernt haben, dass der Sozialismus nicht funktioniert. Auch wenn man es schafft mehr Gleichheit zu erzeugen, erreicht man nicht den selben Wohlstand für die Mehrheit der Bevölkerung, sondern nur einen niedrigen Standard für alle..


    Demnach hat sich der Wohnstandart seit den Gründerzeitjahren für alle verschlechtert, was im Widerspruch zu deinen vorhergehenden Aussagen steht.



    Nehmen wir mal als Beispiel das Skylight. Da sollen nach Deiner Idee, auf einer Etage Sozialhilfe-Empfänger zusammen mit Investment-Banker wohnen. Wer bezahlt denn die Miete für die Sozialhilfe-Empfänger? Der Staat, also die Allgemeinheit? Der Investor? Der Wohlhabende Nachbar? Welcher Sozialhilfe-Empfänger kommt denn dann in das Skylight und welcher muss zur besseren Durchmischung auf den Frankfurt-Berg? Ich glaube das muß man jetzt nicht beantworten, das sollte man schon erkennen, dass das nicht funktioniert..


    Falsch! Was ich mein ist, dass der Innvestment-Banker mit einer 4-Köpfigen Familie, dem Renterehepaar und dem Sozialhilfeempfänger im selben Haus wohnt. Nicht aufgeteilt auf Vorder- und Hinterhaus. Wo ist denn da bitte die Dramatik? Oder denkst du es wäre für den Investment- Bänker so schrecklich zu wissen das bei ihm gegenüber noch jemand wohnt dem vielleicht nicht die gleichen finanziellen Mittel zur verfügung stehen, sommit die gesellschaftliche Realität vor Augen hat?
    Sicher habe ich oben den Idealfall beschrieben der nur in den wenigsten fällen erreichbar ist. Aber darum geht es auch nicht wirklich. Es geht wie ich bereits offtmals wiederholt habe darum, angemessene Durchmischung zu schaffen, die die Bedürfnisse vieler unterschiedlicher Wohnungsnutzer berücksichtig und das alles ohne künstliche gegenseitge Abgrenzung.



    Was den Off Topic Teil angeht will ich nur soviel sagen. Von 1870 bis 1914 haben sich die Lebensbedingungen für den Großteil der Bevölkerung stetig verbessert. Die Gebäude die man damals gebaut hat und die Entwicklung der Städte sind noch heute unerreicht. Noch heute wohnt man in den Häuser dieses Zeitabschnitts, obwohl die einen Bombenkrieg überstehen mußten..


    Die damalige Entwicklung der Städte ist heute noch unnereicht? Wahrscheinlich meinst du das damalige Wachstum der Städte, was ausschließlich auf die Industrielle Revolution zurückzuführen ist. Diese ist ja nun beendet. Das Wachstum hat sich allerdings lediglich verlagert. In der Nachkriegszeit wuchsen die Vorstädte zusammenhängend mit der entstehenden Wohlstandsgesellschaft. Die Leute die es sich leisten konnten bauten sich ein Haus auf dem Land, weil die Lebensbedingungen in den Städten zu schlecht waren (Hört, hört!) Dies führte zu Zersiedlung ganzer Landstriche und all den lustigen Problemen die sich noch heute wie ein gigantischer Rattenschwanz daran anschließen. Nicht umsonst schreit man heute ja wieder Mottos wie "zurück in die Innenstädte" oder "Ab in die Mitte"
    Was die Gebäude angeht die du hier so himmelhoch lobst. Wie du ja sagtest mussten die einen Bombenkrieg überstehen, und das haben nur die wenigsten getan. Was du heute siehst und ich denke das ist dir absolut bewust, sind Hüllen mit modernem oder zumindest modernisiertem Innenleben, die mit dem Original nicht mehr das Geringste gemein haben, abgesehen von hübschen Stuckdecken, Fassaden und ähnlichem.




    Dagegen leben wir seit den 1970er Jahren über unsere Verhältnisse. Ein guter Teil der Bevölkerung lebt von Sozialtransfers, die Gebäude die gebaut werden sind in den meißten Fällen rein funktional und werden vermutlich keine lange Lebensdauer haben.


    Ich stimme dir zu, seit den 70er Jahren leben wir über unsere Verhältnisse. Warum? Weil man der Befölkerung (und ich meine die Gesamte) suggeriert hat das es ewig uneingeschränktes Wachstum und Wohlstandszuwachs geben wird. Was wie wir alle wissen blödsinn ist. Aber die Augen zu verschließen ist einfacher als adequate Lösungen zu finden mit denen sich jeder hätte anfreunden können. Lieber warten und dann abwälzen.
    Zurück zu den Gebäuden. Du meinst wahrscheinlich Monofunktional, denn funktional sind alle Gebäude erstellt. Gerade die Gebäude in Deutschland sind wegen der herrschenden Baustandarts und dem Hang zum Massivbau haltbarer erstellt als sonst irgend wo. Einzig die Nutzung ist es die sich ändert. Wärend man heute bei vielen Neubauten gezielt auf Nachhaltigkeit setzt, sieht man dies auch daran, dass inzwischen viele Gebäude aus den 50-70ern durch eine Kernsanierung (nicht Entkernung, der Begriff wird von vielen völlig falsch angewandt) mit leichtigkeit in neue Nutzungen z.B. Büro in Wohnen, überführt werden. Sicher werden auch viele abgerissen. Bautechnisch notwendig ist dies aber in kaum einem Fall.



    Ich kenne mich in Volkswirtschaft nicht gut genug aus, noch will ich behaupten die Ursachen für alle Éntwicklungen zu kennen, aber es fällt schon auf, dass reine Marktwirtschaften wesentlich besser prosperien, als sozialistische Systeme.


    Jetzt bin ich zunehmend gespannt. Zeig mir dochmal bitte die Prosperierende reine Marktwirtschaft.


    Meinst du da Frankreich, wo in fast regelmäßigen abständen in den Vorstadtgethos der Großstädte nachts ein paar Autos in flammen aufgehen.


    Oder doch die USA, wo sich 40% der Bevölkerung nicht einmal einen Krankenhausaufnethalt, geschweige denn eine Zahnarztbehandlung leisten kann? Ein wirklich einwandfrei funktionierndes System, auf der reinen freien Marktwirtschaft gründenden Lobbyistisch gesteuerten Politik, welche für so zimlich alle weltweiten Wirschaftskrisen und Zusammenbrüche verantwortlich ist?


    Und wenn du damit fertig bist, zeig mir bitte auch nur ein einziges echtes sozialistisches System das je existiert hat.



    mahlzeit:


    Danke! warst schneller als ich ;)

  • Also, ich wollte hier keine Grabenkämpfe austragen, aber Bauen hat schon immer was mit Politik zu tun gehabt,verknüpft durch die entsprechende Gesellschaft oder die welche man durch Bauen erreichen will/kann. Da kommts eben auch mal vor das man über Politik spricht ;)
    Ich dachte übrigens das die Bewohner der Ernst May Siedlung sich dort sehr wohl fühlen. Gleiches gilt auch für die Siedlungen von Van der Rohe und Zeitgenossen. Im großen und ganzen funktionieren alle 20- 30er jahre Siedlungen hervorragend. Schlecht wurde es erst durch den Massenwohnungsbau in Satelitenlage in den 60er und 70er Jahren, hier speziell wegen fehlender Infrastruktur.

  • Es nicht zielführend mit gefühlten Prozentzahlen zu argumentieren und im Netz nach glaubwürdigen Statistiken zu suchen dazu habe ich weder Zeit noch Lust.
    Ich will deshalb nur aus eigenem Erfahren argumentieren. In den USA ist der Lebenstandard der arbeitenden Bevölkerung nicht schlechter als in Deutschland. Vielleicht sind die Gebäude nicht so massiv gebaut, oder wärmeisoliert, auch stören die vielen Oberleitungen. Aber, schlecht lebt dort die Mittelschicht keineswegs.
    Ich habe mal Bekannte in Housten besucht. Die Innenstadt ist am WE und nach Büroschluß ausgestorben wie die Bürostadt in Frankfurt. Die Leute wohnen in den sehr weiträumigen Suburbs. Die Grundstücke dort dürften im Schnitt so um die 1000 m² haben. Ein Pool zu haben, ist nicht aussergewöhnlich. Innerhalb der recht großzügigen Wohnungen gibt es immer zumindest ein Gästezimmer.
    Es stimmt zwar schon, dass sich die Situation dort schnell ändern kann, eine Boomregion plötzlich zum Slum wird (Detroit ist da ein Beispiel). Deshalb baut man da vermutlich mit billigeren Baustoffen um auch schnell umziehen zu können. Im Grunde würde ich aber der amerikanischen Volkswirtschaft zutrauen, dass sie mit den kommenden Herausforderungen besser klar kommt als der deutschen.


    Es stimmt schon, das Bahnhofsviertel ist auch wegen der vielfalt der Bewohner ein sehr spannendes und lebenswertes Viertel. Ich kann zwar nicht genau sagen an was es liegt. Die überwiegend gründerzeitliche Bebauung, mit den schönen Fassaden und Dächer mag ein Grund sein. Die vielen kleinen Läden und Restaurants die lange geöffnet sind ein anderer. Aber, es könnten auch rein psychologische Gründe sein.
    Der Mensch definiert sich über sein Umfeld. Auch wenn es ihm schlecht geht, wenn es allen um ihn herum noch schlechter geht fühlt er sich gut. Auch wenn es ihm gut geht, wenn es allen um ihn herum besser geht fühlt er sich schlecht. Leider ist der Mensch so. Vielleicht gewinnt das Bahnhofsviertel von daher sein Reiz. Die weite Spanne vom Junky zum Bordellbesitzer und vom Banker zum Angestellten eines indischen Tante-Emma Laden macht da wohl den Reiz aus.


    Tolbert, zum Thema Siedlungsbau, lies bitte mal diesen Artikel:


    http://einestages.spiegel.de/e…0/l0/F.html#featuredEntry


    Zum Thema Sozialismus vs Marktwirtschaft. Nenne mir doch bitte ein sozialistisches Land in welchem die Einwohner nicht lieber auswandern würden? Diese frage ist allerdings nur rhetorisch da ich schon jetzt die Antwort kenne. Im Zweifel sagen dann die Sozialisten, es gab noch gar kein sozialistisches Land, auch wenn sich Länder wie Nord-Korea, Kuba und der Ostblock so nenen. Korea ist übrigenes ein gutes Beispiel. Ich glaube jeder wird zustimmen das es den Menschen im marktwirtschaftlichen Süden von Korea besser geht als ihren Landsleuten im Planwirtschaftlichen Norden.


    Was ich mein ist, dass der Innvestment-Banker mit einer 4-Köpfigen Familie, dem Renterehepaar und dem Sozialhilfeempfänger im selben Haus wohnt. Nicht aufgeteilt auf Vorder- und Hinterhaus. Wo ist denn da bitte die Dramatik?


    Da ist keine Dramatik dahinter. Es ist nur relativ unrealistisch das dieser Fall eintritt. Da sich der Banker vermutlich in einem Haus einmietet, das sich der Sozialhilfeempfänger nicht leisten kann. Umsetzen könnte man das nur wenn man die Sozialhilfe deutlich erhöht, oder der Banker schlechter bezahlt wird, oder so hoch besteuert, das er sich die hohen Mieten nicht mehr leisten kann.
    In diesem Fall würde vermutlich der Banker lieber Sozialhilfe-Empfänger sein wollen.;)

    3 Mal editiert, zuletzt von Wahnfried () aus folgendem Grund: Antworten auf Tolberts Post.