Hannover: Landtag - Verlust eines Denkmals
Die Niedersäsische Regierung hat in ihrer unermesslichen Weisheit den Entschluss gefasst ein hochrangiges Denkmal und eines der wichtigsten Gebäude in Niedersachsen abzureißen und durch einen transparenten, weil demokratischen Neubau zu ersetzen. Der Bestand heißt es sei den Anforderungen an einen modernen Landtag nicht gewachsen, unter anderem wird die Stellplatzsituation (!) sowie der Abstand (!) der Sitzreihen bemängelt.
Zur Hilfe kann man sich das Gebäude mithilfe von GoogleEarth hier ansehen.
Das Leinschloss beheimatet den Niedersächsischen Landtag seit 1962, vorher war es die Residenz der Herzoge und Könige von Hannover. Das Gebäude liegt an der Leine (ach was?), an der Schnittstelle zwischen Altstadt und Regierungsviertel. Gebäudeprägend waren die Umbauten seit 1797 am Westflügel, der Umbau des Ostflügels durch Georg Friedrich Ludwig Laves und der Wiederaufbau durch Dieter Oesterlen. Der barocke Westflügel ist ein dreigeschossiger 34-achsiger Bau, der unterteilt wird durch 3 Risalite und sich entlang des Leineufers "schwingt". Der Ostflügel wird ab 1816 klassizistisch umgebaut. Beginnend mit der Schlosswache im Norden (gemeint ist das Risalit) plant Laves eine 21-achsige Idealfront mit einem 5-achsigen Portikus. Dieser, sowie die nördliche Hälfte der Fassade wurden bis 1844 fertig, danach wurden kaum Veränderungen vorgenommen.
Dann kam der Krieg...
Das Gebäude war Jehrelang eine Ruine, sollte aber, da gut gelegen zwischen "Altstadt" und Waterloo-Platz (Regierungsviertel) und natürlich aufgrund der Tatsache das es ja etliche Jahre Regierungssitz war zum neuen niedersächsischen Landtag umgebaut werden. Das Land als Nutzer schrieb eine offenen Wettbewerb aus, bei dem alles erlaubt war. So haben die hälfte der ~90 Beiträge einen vollständigen Abriss des Gebäudes vorgesehen, nur manchmal garniert durch einen erhaltenen Portikus. Unter allen Einsendungen stach eine besonders heraus - die von Dieter Oesterlen. Er bekam den einzigen (natürlich ersten) Preis, ansonsten war niemand so gut, dass er neben Oesterlen auf dem dritten, gar dem zweiten Platz hätte stehen können.
Oesterlen gehört zu den Architekten die die Braunschweiger Schule begründeten, also in die Gruppe um Friedrich-Wilhelm Krämer und Walter Henn. Diese besondere Niedersächsische Moderne zeichnete sich durch ein in der Nachkriegszeit ausgeprägtes Bewusstsein für die hiesigen Bautraditionen und eine sehr sachliche, handwerkliche und bis ins Detail geplante Architektursprache aus. So wurden nicht nur moderne Gebäude geschaffen, sondern auch zahlreiche zerstörte Gebäude von diesen Architekten wiederaufgebaut wie das Gewandhaus in Braunschweig oder die Marktkirche und das Leineschloss in Hannover.
Oesterlen konzipiert das Plenargebäude nicht neu, sondern auf der Grundlage des zerstörten Schlosses! Im Zentrum des Entwurfes steht die Sichtbarmachung der Entwicklung von der Monarchie hin zur Demokratie, die Demokratie entsteht hier nicht neu, sondern das Volk ist der legitime Nachfolger der ehemaligen Monarchen, so nimmt er dem Gebäude die Bedeutung als Symbol für die Monarchie.
Oesterlen konzipiert einen Plenarsaal südlich des Ursprungsbaues, nicht in der Mitte hinter dem Portikus (der Südflügel wurde wie gesagt nie begonnen), da dieser besondere und repräsentativste Bereich nicht den Abgeordneten gebührt, sondern dem Souverän, dem Volk. Von hier aus kozipiert Oesterlen seinen Entwurf. In der Achse des Portikus liegt ein offenes Atrium, umgeben von einer Galerie und den Treppen ins UG/OG. Dieser Raum ist als offener Hof gedacht, in dem der Bürger auf seine Abgeordneten trifft. Der südlich angrenzende Plenarsaal hat eine polygonale, runde Grundfläche und steht frei in dem kubischen Südflügel. Dieser Saal ist darauf angelegt die Konzentration der Abgeordneten auf das Innere Geschehen zu richten und ihnen keine Ablenkung zu schaffen. Die Besucher schauen durch große Fenster (man wünschte sich es wären Schießscharten) von ihren Tribünen auf das Geschehen. Der Raum zwischen dem Plenarsaal und der Außenhaut dient vielen Ausstellungen, die Besucher anziehen und auch ein bischen Ablenkung in den Pausen verschaffen. Das Gebäude bzw. dieser Trakt ist nur in eine Richtung geöffnet, auf den Platz der Göttinger Sieben die ein Symbol für Bürgerlichen Ungehorsam gegenüber dem Staat sind. Dieser Platz wurde noch mit der Flusswasserkunst zusammen konzipiert und bildet den Stadteingang. Die Aussenfassade ist sehr reduziert, aber unglaublich hochwertig aus Naturstein gebaut und sehr plastisch, zum reingreifen möchte man sagen.
Den Rest erzählen die Fotos.
Wie das so ist mit Gebäuden, irgendwann ändert sich die Mode. So hat sich die Landesregierung nun in den Kopf gesetzt das ausgerechnet ein Parlamentsgebäude ein Allerweltsglasklotz sein müsse. So werden unter anderem für eine Neubau folgende Argumente ind Feld geführt:
- Glas ist ein transparenter Baustoff, der (wel er transparent ist) automatisch demokratisch ist, man kann ja durchgucken.
- Aktuell müssen die Herren Abgeordneten ihren stuerzahlerbezahlten Paeton auf einem Parkplatz abstellen, man wünscht sich also eine Tiefgarage
- Der Abstand zwischen den SItzreihen ist zu eng, als das man unbemerkt den Plenarsaal vorzeitig verlssen könnte, andere Abgeordnete müssen nämlich aufstehen
- der verkleinerte (!) Landtag braucht mehr Platz! Der Raumbedarf Pro Person entwickelt sich (logisch oder) gegenteilig Proportional zur Anzahl der Personen.
- Die Regierung sitzt höher als die Abgeordneten das gäbe ein falsches Bild
Gestern war Ich Gast einer Podiumsdiskussion in Hannover, und Ich muss sagen, die Vertreter der Regierung waren regelrecht Lämmer die zur Schlachtbank geführt wurden. Vertreter des BDA, des Heimatbundes, eines INstituts für Regional und Stadtplanung (?), Kunsthistoriker etc haben eine einhellige Meinung gehabt, die Regierungsvertreter gerupft, geteert und und wieder gefedert, außer Ich will, Ich will, Ich will aber doppelt so viel Platz haben, obwohl der Landtag eigentlich kleiner sein sollte kein einziges Argument. Ich bin so was von geladen, das man einfach so mir nichts - dir nichts ein solches Baudenkmal abreißt. Wofür wähle Ich die Abgeordneten denn? Damit sie sich ihre Wünsche erfüllen, oder damit sie meine Wünsche erfüllen.
Mehr Fotos kommen noch...
to be continued ... hoffentlich
EDIT: Das Gebäude kann man sich mithilfe von GoogleEarth hier ansehen.