Ruhrstadtgeflüster

  • nikolas

    Danke für den kleinen Exkurs. Du bist ja offensichtlich bestens informiert. Aber was glaubst du, ist das größte Problem des Ruhrgebiets? Ich möchte keineswegs Probleme klein reden, jedoch habe ich schon lange den Eindruck, dass es vor allem auch das immer noch schlechte Image des Ruhrgebiets ist, das die Städte in der Region vom Radar potenzieller Investoren und der "Creative Class" wischt. Ich habe gerade einen sehr schönen Film mit dem Titel "Düsseldorf - Die Weltstadt am Rhein" gesehen. Das Bild, das in diesem Film gezeichnet wurde, ist natürlich weitaus besser als die Realität denn so toll ist die Landeshauptstadt nun auch wieder nicht ;) Im Ruhrgebiet würde allerdings keine Stadt auf die Idee kommen, so dick aufzutragen, selbst wenn es sich um einen Werbefilm handelt. Aber vielleicht ist genau das das Problem?! Das Ruhrgebiet reduziert sich zu oft auf Klischees und schmückt sich damit, gar nicht mehr so hässlich zu sein, wie früher, statt zurecht zu sagen: "Hey, hier gibt es nicht nur den BVB und Bier sondern wir sind eine riesen Stadt mit super Infrastruktur, hoher Lebensqualität und hohem Freizeitwert, die nächste 500k-Stadt ist direkt nebenan und Köln, Ddorf, Stuttgart und so weiter entlocken uns höchstens ein müdes Lächeln. Wir sollten genauso ein internationaler Begriff sein wie andere image-gesunde europäische Städte auch und den Begriff Weltstadt können wir uns ebenso auf die Fahne schreiben wie unsere Konkurrenten!" Wäre also nicht schon ein Mehr an Selbstbewusstsein und Ausstrahlung enorm hilfreich im Strukturwandel?

  • die nächste 500k-Stadt ist direkt nebenan und Köln, Ddorf, Stuttgart und so weiter entlocken uns höchstens ein müdes Lächeln.


    Diese Optik hat gleich mehrere Schwachstellen:


    Für recht viele Menschen ist Düsseldorf nicht so weit entfernt wie Stuttgart, sondern gerade die 500K-Stadt nebenan (in Duisburg ganz besonders, wo Düsseldorf direkt hinter der Stadtgrenze, aber Dortmund weit entfernt liegt).


    Bereits in vielen Regionen Deutschlands vermag man zwischen Düsseldorf und den Revierstädten nicht zu unterscheiden, im Ausland noch weniger.


    In der Praxis sieht es kein Kommunalpolitiker so - wie kann man sonst etwa den Krieg auf gigantische EKZ-Flächen erklären, die dazu dienen, ohne Rücksicht auf eigene Verluste in der gewachsenen City den Nachbarstädten ein wenig Kaufkraft abzunehmen? Ähnlich werden ohne Rücksicht auf Folgekosten der Infrastruktur EFH-Neubaugebiete ausgewiesen, damit man nur der Nachbarstadt ein paar Einwohner abluchst.

  • Le-Wel

    Dass der harte Wettbewerb unter den Ruhrgebietsstädten ziemlich irrational geführt wird, ist mir bewusst. Ich würde aber nicht sagen, dass genau das einem guten Städtemarketing entgegenwirkt. Ich kann doch EKZs bauen soviel ich will und damit meine Nachbarstädte bekriegen und trotzdem damit werben, dass man mit dem RRX in einigen Jahren im 15-Minuten-Takt binnen 20 Minuten in eben jene Nachhbarstadt kommt und das ein toller Grund dafür ist, hier zu leben.


    Eigentlich ging es mir aber auch lediglich um den scheinbar unterschätzten psychologischen Effekt, den ein selbstbewusstes Auftreten einer Stadt nach außen hin hat. Der Kleingeist der Menschen ist dabei auch nicht zu unterschätzen. Wenn ich der Welt erzähle, dass Düsseldorf Weltstadt ist dann hat das ganz sicher seine Wirkung nicht verfehlt, ist aber schon recht überheblich. Die Landeshauptstadt dient hierbei gerade übrigens nur als Beispiel und ich berufe mich auf den Film, den ich gestern gesehen habe. Jedenfalls fehlt so ein Selbstbewusstsein den Städten im Ruhrgebiet und auch ihren Einwohnern. Würde Essen auf einmal behaupten, eine Weltstadt zu sein, dann würden viele Menschen dies glauben. Man muss ein Bild einer Stadt oder eine Marke auch einfach mal etablieren. Wenn man sich jahrzehntelang nur mit nem Fußballverein und besoffenen, fettbäuchigen Ex-Stahlarbeitern rühmt, dann muss man sich nicht wundern, wenn die Menschen einen nicht auf der Landkarte haben und man Sprüche hörte wie: "Da würde ich nichtmal aussteigen"

  • Soweit ich mich erinnere, das Ruhrgebiet wurde vor fast 100 Jahren als eine Gemeinschaft der Orte, wo man Kohle fördert und Stahl produziert, gegründet. Es erinnert als Begriff zwangsläufig an jene Fußballvereine und besoffene, fettbäuchige Ex-Stahlarbeiter. Wenn man diese vergessen will, fehlt jene Besonderheit, die das Ruhrgebiet von Düsseldorf abgrenzt und die Quintesenz einer Ruhrstadt ausmachen sollte.


    Auch mit einem RRX werde ich Düsseldorf schneller als Dortmund erreichen können.

  • ^^


    Ich glaube wir reden aneinander vorbei. Natürlich hat das Ruhrgebiet seine ganz eigene Geschichte und sollte diese auch imagetechnisch pflegen. Jedoch sollten die Städte sich nicht darauf reduzieren. Aber genau das scheint mir der Fall zu sein. Mir geht es auch nicht darum, irgendeiner anderen Stadt zu ähneln. Überhaupt nicht. Ehrlich gesagt gehen mir andere deutsche Städte mal sowas von am Hintern vorbei. Wenn du also lieber nach Düsseldorf als nach Dortmund fährst, dann spielt das überhaupt keine Rolle. Doch auch für einen Duisburger ist es ein immenser Vorteil, in so kurzer Zeit in zwei weitere große Städte wie Essen und Dortmund zu kommen und nicht nur nach DDorf oder sonstwohin. Mir geht es um das Selbstbewusstsein der Städte und ihrer Menschen im Ruhrgebiet und ich glaube, dass man mit Verbesserungen im Städtemarketing schon einiges mehr reißen könnte.

  • Ich sehe das auch so: Die Ruhrgebietsstädte müssen viel selbstbewusster werden, aber nicht überheblich. Wenn beispielsweise Düsseldorf damit wirbt (und das ja keineswegs zum ersten Mal), eine Weltstadt zu sein, dann ist das nicht nur dumm, sondern auch peinlich. Weder Düsseldorf noch Essen sind Weltstädte und deswegen sollte man in seiner Außendarstellung schon bei der Wahrheit bleiben. Trotzdem könnte man mit den Funden, die man hat, wuchern. Man sollte sich nicht immer so bescheiden geben, sondern die Highlights, die man hat, ruhig mal dick auftragen. Die Werbung, die die Ruhrgebietsstädte betreiben, respektive die das Ruhrgebiet betreibt, sind/ist jedenfalls zu leise klischeebehaftet und unzureichend.

  • Aber was glaubst du, ist das größte Problem des Ruhrgebiets? Ich möchte keineswegs Probleme klein reden, jedoch habe ich schon lange den Eindruck, dass es vor allem auch das immer noch schlechte Image des Ruhrgebiets ist, das die Städte in der Region vom Radar potenzieller Investoren und der "Creative Class" wischt.


    Erläuterung: "Image" ist ein vielschichtiges und interdependentes Begriffs- und Theorienkonstrukt. Dieses gilt es deshalb genauer einzugrenzen:
    In seiner theoretischen Fundierung wird das Image als ein wichtiger Bestandteil der Informations-, Bewertungs-, und Entscheidungsgrundlage von Menschen betrachtet und ihm damit auch handlungsleitende Funktionen zugesprochen. Im Kontext des Regionalmarketing gilt es darüber hinaus zwischen dem Außen-Image bzw. Fremdbild (d.h. stereotype Vorstellungen der Region die von außen an die Region herangetragen werden) und dem Eigen- Image oder Selbstbild (was die Bewohner der Region von der Region denken) zu unterscheiden.[FONT=&quot][2]http://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/#_ftn2 Aus strukturpolitischer Perspektive lässt sich demnach etwas plakativ festhalten: Um auswärtige Investoren anzulocken und bei der heimischen Bevölkerung ein „Wir-Gefühl“ zu erzeugen braucht das Ruhrgebiet ein positives Image! Mit der gezielten Beeinflussung des „Wir-Gefühls“ kommt auch der Begriff der „Identität“ als weitere Einflussgröße ins Spiel. Denn laut marketingtheoretischer Grundannahme stehen diese drei Komponenten in gegenseitiger Beeinflussung zueinander. „Image ist [...] ein subjektiv geprägtes Bild eines realen Objektes, das das Individuum selbst als Wahrnehmungskonstruktion in sich hineinprojiziert. Daraus wird deutlich, dass die regionale Identität als Teil der wahrgenommenen Raumeigenschaften und somit auch das Eigenimage als objektiv wahrnehmbare Größe u.a. zu den Faktoren zählen, die das Fremdimage eines Raumes beeinflussen“.[FONT=&quot][3] [/FONT] [/FONT][FONT=&quot]Im festen Glauben an die Form- und Konstruierbarkeit von Image und Identität versucht Regionalmarketing gezielt in diesen Konnex einzugreifen um das Selbst- und Fremdbild einer Region zu verbessern sowie das „Wir-Gefühl“ zu stärken.[/FONT]
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    [FONT=&quot][2] Vgl. Riemkus, Nils: „Wandel durch Kultur – Kultur durch Wandel“?, Bochum 2007, S. 2.[/FONT]

    [FONT=&quot][3]http://www.deutsches-architektur-forum.de/forum/#_ftnref3 Ebd. S. 3.[/FONT]



    Meinung: Am Außenimage krankt es der Region m.E. nicht unbedingt. Dank vielfälltiger, kostspieliger und selbstbewußter [Marketing-] Initiativen [vgl. IBA-Emscher-Park, Der Pott kocht, Route Industriekultur, Ruhrtrienalle, RUHR.2010 uvm.] wird die Region mittlerweile in der überregionalen Berichterstattung neutral bis wohlwohlend behandelt.
    Der Schwachpunkt lässt sich für mich deshalb eindeutig bei der Selbstwahrnehmung der meisten "Ruhreinwohner" verorten. So erstaunt mich bis zum heutigen Tage, das Selbstbewußtsein, mit welchem ein Großteil der hießigen Bevölkerung sich einer potentiellen Metropolenfähigkeit erfolgreich verweigert. Kommen andernorts 5,3 Mio. Menschen auf engstem Raum zusammen, entsteht daraus fast zwangsläufig "Urbanität" mit all ihren Folgeerscheinungen. Hier hingegen herrscht in der Breite weiterhin das "Revier der großen Dörfer" im regionalen Mindmapping vor. Plakativer: Bilden andernorts funktionierende und repräsentative Innenstädte mit urbanen Raumeigenschaften mentale Mittelpunkte, für die dort lebende Bevölkerung, konstituiert sich hier Selbstwahrnehmung über das sportliche Geschehen auf dem Ascheplatz in Wattenscheid-Eppendorf [ein kurzer Blick in die regionale Presselandschaft mag meine These verdeutlichen. Wer`s kompakter und wissenschaftlicher mag, dem sei der Aufsatz der beiden Stadtsoziologen Häußermann, H./ Siebel, W. (1994): Wie organisiert man Innovationen in einem nicht innovativen Milieu?, in Kreibich, Rolf / Schmid, Arno S / Siebel, Walter / Sieverts, Thomas / Zlonicky, Peter / Bauplatz Zukunft empfohlen].
    Dieser Zustand ist sicher auch der industrie- und bauhistorischen Vergangenheit der Region geschuldet; macht die Region deshalb jedoch keinen deut zukunftsfähiger.
    Um das Thema nicht allzu breit zu treten , möchte ich die Felder Innovationsmanagement und regionale Investitionspolitik mal außen vor lassen und mich auf den Makrozustand der sog. "Kreativen-Klasse" in der Region beschränken. Hier meine persönliche Sicht der Dinge:
    "Kreativität" entsteht ja nicht aus dem Nichts heraus, sondern lebt bekanntlich von Inspiration und finanziert sich in ihren Anfängen v.a. durch Binnen-/ Mikro- Nachfrage. Beide Faktoren scheinen mir im Ruhrgebiet jedoch nur in unzureichendem Maße vorhanden.
    An subventionierter Hochkultur in kommunaler Trägerschaft besteht in dieser Region ja wahrlich kein Mangel. An Ausbildungsplätzen für Kunst [-Gewerbe] Treibende aller Art bekanntlich auch nicht. In Sachen Großveranstaltungen mit Eventcharakter und überregionaler Außstrahlung hat sich in der letzten Dekade vieles zum besseren gewendet. An sog. "Möglichkeitsräumen" für freischaffende Kunst- und Kultur herrscht sogar ein Überangebot! Woran hackt´s also?
    V.a. in den Bereichen frei finanzierter Kulturinstitionen und damit eben auch in weiten Teilen der vielgerühmten "Kreativwirtschaft" tut sich ein krasses Gap auf.
    Will man hier am Markt als Galerist, Veranstaltungslocation, etc. bestehen, sollte die Angebotspallette möglichst medioker und maßenkompatibel gehalten sein. D.h. überwiegend das im Bauchkasten führen, was es andernorts schon lange gibt, zum mitsingen einlädt, bzw. liebgewonne Sehgewohnheiten nicht allzu sehr beleidigt.
    Aus dieser nachfrageinduzierten Selbstbeschränkung resultiert wiederum häufig, dass die hiesige Produktpalette außerhalb der Provinz auf wenig Nachfrage/ Wahrnehmung stößt, v.a. aber auch, dass selbst innovative Produkte sich unter dieser Adresse schwerer vermarkten und branden lassen, als aus echten Metropolen heraus.
    Mit diesem Makrozustand kann man sich arrangieren oder eben nicht. Ersteres überlebt als "Kreativwirtschaft Ruhr", zweiteres nennt sich brain drain und feiert in inspirierteren und urbaneren Gefilden, sofern erfolgreich, als high potential munter Einstand.

  • Wenn man ein wenig am öffentlichen Leben Teil nimmt und gleichzeitig anderswo gelebt hat, merkt man schnell, dass es weitgehend kleinstädtisch zugeht. Dies beginnt bereits beim ständigen Schwärmen der Mandatsträger für irgendwelche Leuchttürme - entweder inadequate technische Lösungen, die sich sonst nirgends bewähren konnten oder architektonische Entwürfe, die anderswo bereits aus der Mode kommen. Keinesfalls würde ich das Problem auf den Markt für die innovative darstellende Kunst reduzieren (dabei bin ich nicht sicher, ob es ein Zeichen einer Weltstadt sein muss, dass irgendwen Künstlersch...e begeistert, wie ich diese in einer Packung mit dieser Schrift einmal in der Londoner Tate Gallery gesehen habe).


    Nicht einmal den Rekord der Absurdität hält die Idee unseres OB, den Bahnhof mit dem Innenhafen mit einer Bimmelbahn zu verbinden (als Teil des regulären ÖPNV-Netzes), damit die Gäste mehr von der Innenstadt als von der U-Bahn aus sehen. Dabei ist die Innenstadt weder hässlicher noch schöner als die meisten Zentren der zerbombten 500K-Städte in Deutschland. Es ist keine Kreativität, sondern Verzweiflung, die auch im Beschwören einer Ruhrstadt durchschaut.


    Ich kenne Leute, die aus einer richtigen Stadt wie Aachen kommen und träumen, nach Düsseldorf überzusiedeln. Dabei ist Duisburg viel größer als Aachen - wenn 500K Einwohner die Masse nicht in genügend Klasse umgemünzt haben, werden es 5000K (auf die ganze Städteregion verstreut) genausowenig tun.

  • nikolas

    Will man hier am Markt als Galerist, Veranstaltungslocation, etc. bestehen, sollte die Angebotspallette möglichst medioker und maßenkompatibel gehalten sein. D.h. überwiegend das im Bauchkasten führen, was es andernorts schon lange gibt, zum mitsingen einlädt, bzw. liebgewonne Sehgewohnheiten nicht allzu sehr beleidigt.
    Aus dieser nachfrageinduzierten Selbstbeschränkung resultiert wiederum häufig, dass die hiesige Produktpalette außerhalb der Provinz auf wenig Nachfrage/ Wahrnehmung stößt, v.a. aber auch, dass selbst innovative Produkte sich unter dieser Adresse schwerer vermarkten und branden lassen, als aus echten Metropolen heraus.


    Mit anderen Worten: Im Ruhrgebiet finden die Produkte und Dienstleistungen der Creative Class keine ausreichende Nachfrage, wodurch sich das Angebot auf minder-innovative Produkte beschränkt. Die Creative Class räumt zu einem großen Teil frustriert das Feld bzw. ist nicht sonderlich angetan vom provinziellen "Ruhri" und seinem eingeschränkten Nachfrageverhalten.


    Wenn ich dich so richtig verstanden habe, dann steht dieser Umstand ja auch in einem Zusammenhang mit dem fehlenden positiven Selbstbild. Der Durchschnittsruhrgebietler ist in seiner Provinzialität dermaßen innovations-verdrossen, dass er schlicht keinen "Nährboden" für eine ausreichende Ansiedlung der Creative Class und damit für eine Metropolenbildung schaffen kann. Dies erkennt man auch gut an der ablehnenden Haltung vieler Ruhrgebietler bei den sogenannten "Leuchtturmprojekten". Dass diese Zeichen eben dieses mangelnden Selbstbildes auch in der Politik sind, bezweifle ich und kann Le-Wel in diesem Punkt daher nicht beipflichten. Schließlich gibt es auch in Hamburg und Berlin Projekte, die man durchaus als Leuchtturmprojekte bezeichnen kann (Elbphilharmonie; dieses komische Riesenrad am Berliner Zoo). Über Kosten und Nutzen solcher Vorhaben kann man sich überall streiten.


    In Anbetracht der Tatsache, dass das Außenimage des Ruhrgebiets besonders im Zusammenhang mit dem Kulturhauptstadtjahr kampagnentechnisch sehr gut gepflegt wird, wirft sich aber dann doch die Frage auf, ob die Politik marketing-technisch damit nicht vielleicht die falschen Akzente setzt und die Pflege der positiven Selbstwahrnehmung vernachlässigt. Gleichzeitig habe ich Zweifel daran, dass man ein positives Selbstbild überhaupt induzieren kann. Denn im Grunde genommen liegt wahrscheinlich ein Großteil der ruhrischen Provinzialität im wirtschaftlichen Untergang der Region verborgen. Denn ein nicht zu unterschätzender Teil der Menschen zwischen Duisburg und Hamm hat sicherlich andere Probleme als den Wunsch, in einer bunten Metropole zu leben. Da spielt dann sicherlich auch die Frustration eine große Rolle. Warum sollte ich auch eine Stadt schätzen, in der ich beruflich nur minder-erfolgreich sein kann und ständig Angst haben muss, dass der nächste große Arbeitgeber dem Wohnort den Rücken kehrt? Da ich ja nun doch noch recht jung bin, konnte ich in meiner Zeit in Dortmund oftmals sehr gut erkennen, wie sich so etwas auch vererbt. Viele Bekannte in meinem Alter, denen im Grunde noch alle Türen offen standen, ließen sich von dem Schlecht-Gerede einlullen und sprachen sehr abfällig über das Ruhrgebiet, obwohl sie hier mit einer guten Ausbildung wahrscheinlich ähnlich gute Chancen haben wie in anderen Großstädten.


    Ein äußerst wichtiger Aspekt ist für mich daher schon seit relativ langer Zeit die Förderung und Etablierung eines Studentenlebens. Man muss die jungen Leute dazu bringen, eine Stadt "geil" zu finden und sie daran binden. Dies würde auch dem Nachtleben auf die Sprünge helfen. In Bochum ist dies mittlerweile schon recht weit fortgeschritten. Ein wenig konkreter denke ich dabei daran, Studenten und damit hochqualifizierte von Seiten der Stadt her gezielt anzuwerben. Denn im Grunde haben Dortmund, Essen und Duisburg doch genau das, was man als junger Mensch auf Uni-Suche möchte: Guten Wohnraum zu Spottpreisen, günstige Lebenshaltungskosten, große Unis mit vielen Möglichkeiten für soziale Kontakte und ein tolles NRW-Ticket, mit dem man in kürzester Zeit ganze fünf Städte jenseits der 500k erreichen kann ;).

  • aktuelle Wasserstandsmeldung Kreativwirtschaft Ruhr

    ^^
    Am Institut Arbeit und Technik (IAT) im Wissenschaftspark Gelsenkirchen
    findet unter dem Titel „Kreative Metropole Ruhr – von Illusionen zu kollektivem Lernen“ ein Symposium mit Fach- und Führungskräften aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik statt. Ich werde zu gegebenem Zeitpunkt über die Ergebnisse berichten. Vorab schon mal das Programm
    sowie den "Klappentext":


    Zitat: „Das Ruhrgebiet hat in Sachen Strukturwandel viel erreicht, aber nichts gewonnen!“ – diese provokante These will das Institut Arbeit und Technik (IAT) der Fachhochschule Gelsenkirchen am 4. Februar 2010 auf einem wissenschaftlichen Symposium mit Fach- und Führungskräften aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik diskutieren. Vorgestellt werden erste Ergebnisse einer Studie, in der sich IAT-Direktor Prof. Dr. Franz Lehner und seine RUB-Kollegen Prof. Dr. Jörg Bogumil, Prof. Rolf Heinze und Prof. Dr. Klaus-Peter Strohmeier anhand der Visionen „Metropole Ruhr“ und „Kreativwirtschaft Ruhr“ systematisch mit der aktuellen Lage und den Perspektiven des Ruhrgebiets auseinandergesetzt haben.
    Auf die Frage nach den Entwicklungsperspektiven des Ruhrgebiets gibt die Studie eine Reihe von Antworten, die vielen Akteuren in der Region nicht gefallen werden. Dem Ballungsraum Ruhrgebiet mangelt es nach Einschätzung der Wissenschaftler an Einheit, an Arbeitsteilung und an nützlichen Vernetzungen – „deshalb ist die Region von einer „Metropole Ruhr“ noch weit entfernt“. Auch die Kreativwirtschaft an der Ruhr ist noch längst keine Realität: Zum einen fehlt es an wichtigen Grundlagen im Bildungsbereich, zum anderen braucht das Ruhrgebiet ein Konzept von Kreativwirtschaft, das auf die Region zugeschnitten ist und nicht nur wiederholt, was andere Städte und Regionen vorhaben. Auf dem Symposium sollen aber nicht nur kritische Thesen, sondern auch Lösungen und mögliche Chancen einer raschen, durchgreifenden Verbesserung vorgestellt und hinterfragt werden – „von Illusionen zu kollektivem Lernen“.

    Quelle:
    IAT - Aktuelle Veranstaltungen



    Vermischtes:







  • Baukunstführer Ruhr

    PM: "Die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen hat gemeinsam mit der
    Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen das Angebot des Baukunstführersbaukunst-nrw um Sonderseiten zur Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 erweitert. Die neuen Seiten umfassen eine Übersicht und detaillierte Angaben zu rund 300 Bauwerken aus dem Ruhrgebiet sowie Informationen über ausgewählte Programmpunkte der RUHR.2010. [...]


    Die umfassende Bild/Text-Datenbank bietet einen Überblick über qualitätvolle und relevante Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Objekte der Stadtplanung sowie über Werke der Ingenieurbaukunst in NRW. Aufgeführt werden sehenswerte bzw. historisch bedeutsame Objekte der Architektur bzw. Ingenieurbaukunst aus allen Epochen. Aktuell sind im Ruhrgebiet rund 300 Bauwerke erfasst, im ganzen Land Nordrhein-Westfalen können 1.000 Objekte abgerufen werden. Wobei die Sammlung kontinuierlich ausgebaut wird. [...]
    Darüber hinaus erhält der Besucher der Sonderseiten weitergehende
    Informationen zur RUHR.2010: baukunst-nrw.de/ruhr2010 verweist Freunde der Baukunst auf die aus baukultureller Sicht wichtigsten Programmpunkte aus dem umfangreichen Angebot der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 und stellt sie jeweils mit einer kurzen Beschreibung und weiterführenden Links dar."


    Link: baukunst-nrw
    Quelle: Newslist Route Industriekultur

  • Artikel im Spiegel

    Der Spiegel hat im Zusammenhang mit dem heute offiziell beginnenden Kulturhauptstadtjahr einen Artikel veröffentlicht, der sich vor allem mit dem Image des Ruhrgebiets und seinem Selbstbild befasst. Er kritisiert hierbei das mangelnde Selbstbewusstsein der Ruhrgebietler, spricht von einem Minderwertigkeitskomplex, der von der langen Reduzierung des Ruhrgebiets auf ein "Reservoir für Rohstoffe und Arbeiter" herrührt und zitiert dabei Clement. Das Kirchturmdenken sei ein Resultat dieses Minderwertigkeitskomplexes, glaubt er.


    Für meinen Geschmack ist der Artikel zu pessimistisch und befeurt letztlich selbst das schlechte Außenimage des Ruhrgebiets. Aber der Autor ist ja schließlich auch abgewanderter Dortmunder und viele ehemalige Ruhrgebietler scheinen zumindest meiner Erfahrung nach einen gewissen Groll auf die Region zu hegen. Vielleicht auch Resultat eines Minderwertigkeitskomplexes?

  • Rollbrettfahrer
    Diesen Groll kenne ich auch. Meiner Meinung nach ist er Ausdruck einer eintäuschten Liebe. Viele Einheimische und Zugezogene werden doch recht schnell in Elan etwas zu Verändern zurechtgestuzt.
    Die Sendung gesten im ZDF zur Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres hat es doch gezeigt: im Grunde trauert man den guten alten Zeiten des Bergbaus doch hinterher; früher war ja nicht alles schlecht.
    Die Masse der Ruhris ist doch mit ihrem provinziellen Kleinstadtstatus sehr zufrieden. Neuem gegenüber, besonders wenn es aus einer eher bürgerlichen Ecke kommt, ist man äußerst skeptisch eingestellt. Kein Wunder das dies bei den "Störenfriede" dauerhaft zu einem Groll und zur Flucht führt. Besonders traurig, fast alle Prominente die gestern im ZDF ein Loblied auf den Pott gesungen haben, wohnen inzwischen nicht mehr hier.
    Ich frage mich, ob dieser Metropolentraum den wir hier träumen, nicht an den wahren Bedürfnissen/Wünschen der Menschen vorbei geht.

  • Ach, easton.


    Ich fürchte, Du hast recht.


    Vielleicht ist es gerade das, was das Ruhrgebiet ausmacht, diese seltsame, aber einzigartige Melange aus Metropolendenken und Kleinstadtgefühl.


    Das ist an sich ja auch schon zu rühmen: Gibts sonst wohl nirgendwo, ausser hiä anne Ruhr.
    Das Ruhrgebiet muss irgendwie seinen Status neu auspegeln, hat keine Ahnung, wer es ist. Auf mich selbst schauend muss ich eingestehen: Ich halte es erschreckend ähnlich wie besagte Promis.
    Ich würde auch gerne an der Alster wohnen, und dort meinen Mithamburgern von der Ruhr vorschwärmen, auf eine Art und Weise, die die berechtigte Frage, wieso ich da weggezogen bin, im Keim erstickte.


    Und besagten Minderwertigkeitskomplex erlebe ich tatsächlich. Ein Beispiel: Warum wird der RRX zum Beispiel hinter Stuttgart21 zurückgestellt und nicht umgekehrt?
    (Ich habe das Argument gehört, Das Ruhrgebiet sei nicht an Schnellfahrstrecken angeschlossen. Na gut, dann erst recht die Frage: Warum nicht?)


    Und das Kirchturmdenken ist erstmal Teil dieser Region, man kann es sogar hier im Forum nachlesen, wenn darum gestritten wird, ob nun Bochum eine ausgebaute Innenstadt braucht, obwohl Essen doch jetzt den Limbecker Platz habe.


    Ich habe Kontakt zu Musikern, und sehe so aber auch, das da eine weite Vernetzung existiert, dass sehr viel kreatives Potential da ist.


    Was die Kulturhauptstadt 2010 anbelangt, habe ich den Eindruck, dass sie wahrgenommen wird als ein Spektakel von Intellektuellen für Intellektuelle, das gerade irgendwie im Ruhrgebiet stattfindet, immer mit dem Unterton "zum Glück ist der Spuk bald wieder vorbei", insbesondere die Stadtverwaltung Bochum vermittelt diesen Eindruck mit ihrem Handeln.


    Tja...
    Eine Region muss sich neu erfinden. Und tut sich nicht leicht damit.



    Nachtrag: Dies war definitiv ein Ausdruck enttäuschter Liebe.


  • Eine Region muss sich neu erfinden. Und tut sich nicht leicht damit.


    Ja, wohin geht die Reise?
    Ich teile deine Ansichten in weiten Teilen. Einzig beim Blick "auf Außen" bestehen Differenzen. Fragen a la "Warum Stuttgart21 und wir nicht?"; "Warum hat Dresden einen tollen Bahnhof und wir nicht?", etc. lenken von der eigentlichen Malaise dieser Region ab und erscheinen mir deshalb wenig zielführend.
    Der Sündenbock ist keinesfalls an mangelnden Subventions- und Finanzzuweisungen "von Außen" festzumachen. So lange diese jedoch per Gieskannenprinzip in der Region verteilt werden, bleibt deren Wirkung zwangsläufig bescheiden. Um im Beispiel zu bleiben; das Ruhrgebiet hat kein Stuttgart21, weil man sich lieber 15-20 Provinzklitschen-Hbf´s leistet.
    Vergleichbare Zustände finden sich in nahezu sämtlichen Institutionen, Siedlungs-/ Bebauungsstrukturen etc.
    Daran wird sich auch so lange nichts ändern, wie interkommunale Kooperation nicht mehr als ein politsches Lippenbekenntnis zum Abgreifen gesamtregional gebunder Fördermittel bildet.
    Once again: Nicht jede Ruhrgebietskommune kann und muss sich die Aufrechterhaltung einer kompletten Oberzentren-Infrastruktur leisten. An diesem Anspruch [Frei nach dem Motto: Ist zwar klein und hässlich und damit überregional unbedeutend und unbeachtet, aber Hauptsache es steht in Essen, respektive Dortmund] scheitern bereits heute sämtliche Ruhrgebietskommunen mehr als kläglich.
    Meine Prognose für die Zukunft: Auch wenn heute der Wille zu interkommunaler Kooperation noch unterdurchschnittlich ausgeprägt ist, werden langfristige Tendenzen wie der demographische Wandel und die mehr als unterirdische Haushaltssituation der meisten Ruhrgebietskommunen [siehe auch:„Städte stehen vor dem finanziellen Kollaps“] zwangsläufig dazu führen, die regionale Zusammenarbeit zu befördern.
    Ich gehe sogar noch weiter und behaupte, dass anbetracht der Tatsache, dass bereits heute nahezu die Hälfte der Ruhrgebietskommunen in der Haushaltssicherung stecken, und damit de facto handlungsunfähig sind, für mich damit auch ihre kommunale Eigenständigkeit zur Disposition steht.
    Dafür sprechen würden u.a. Synergieeffekte und eine sinnvolle regionale Aufgaben- und Schwerpunktverteilung, daraus resultierend wiederum Kosteneinsparungen und neue - nicht nur finanzielle[!] - Handlungsspielräume.
    Dagegen spricht einzig der Arbeisplatzverlust für einige Lokalnotablen in den kommunalen Institutionen sowie ein in den einzelnen Ruhrstädten propagiertes diffuses und irrationales, aber in keinster Weise mehr zeitgemäßes kommunales Identitätsbewußtsein.


    Passend hierzu noch eine Pressemitteilung:

    "Frühjahrsakademie soll Ideen für das Ruhrgebiet 2030 entwickeln: Neue Visionen für das Ruhrgebiet sollen in der interdisziplinären Frühjahrsakademie der Uni Duisburg-Essen entwickelt werden. Vom 22. bis zum 26. März treffen sich Wissenschaftler, Experten aus der Praxis und auch Bürger an den beiden Campi, um in Workshops Strategien für das Ruhrgebiet 2030 zu diskutieren. Die Akademie ist ein Beitrag zur Kulturhauptstadt RUHR.2010.
    Diskutiert wird u.a. über die gesunde Stadt, Gender und Arbeit im Ruhrgebiet, gesellschaftliches Miteinander und Migrationsgesellschaft, demographischer Wandel, Medizin und Gesundheitswirtschaft, Arbeitsmarktpolitik und berufliche Bildung oder die wirtschaftliche Lage des Ruhrgebiets in 20 Jahren.
    Die während der Woche erarbeiteten Ergebnisse werden zum Finale am Essener Campus präsentiert."
    Weitere Informationen und Anmeldung: http://www.uni-due.de/kulturhauptstadt/fruehjahrsakademie.shtml


    Quelle: Presseverteiler Informationsdienst Ruhr

  • nikolas


    Ich denke, in dem Punkt, in dem unsere Differenzen liegen, sind wir doch einer Meinung, haben nur aneinander vorbeigeredet.


    Es geht mir nicht um dem Ausbau tausendundeiner Hauptbahnhöflein zu Superluxus-Verkehrsknotenpunkten. Das Projekt RRX halte ich von daher wichtig, als das es genau das Gegenteil dessen ist: Eine Bahnverbindung, die die Region als Ganzes stärkt, die Städte zusammenwachsen lässt. Aber dieses Projekt steht in Punkto Finanzierung in direkter Konkurrenz zu Stuttgart 21.


    Auch ich bin davon ab, dass alle Bahnhöfe hier toll bis super seinen sollen. Für meine Heimatstadt Bochum zum Beispiel halte ich den Bahnhof im Großen und Ganzen für seine Funktion angemessen. Wichtig ist m.A.n., dass die Vernetzung innerhalb des Ruhrgebietes besser wird. Diese Vernetzung liesse wohl die Städte auch in den Köpfen zusammenwachsen. Wenn ich zum Bahnhof gehe und mich darauf verlassen kann, dass irgendetwas schon nach Dortmund fahren wird, dann kommt mir Dortmund näher vor, als wenn ich vorher erst nachschauen muss, wann dahin komme, und welche Bahn ich nehmen muss, um mich nicht zu verspäten, und damit irgendwo Wartezeiten in Kauf nehmen muss.


    Damit lenkt die Frage "Warum S21 und wir nicht?" nicht von der Malaise ab, sondern führt genau zu ihr. Diese 'Subventionskultur von Aussen' wollte ich nicht als Ursache hinstellen. Sie ist allenfalls ein Symptom, zum Einen für den besagten Minderwertigkeitskomplex, zum Anderen für das kommunale Klein-in-Klein-Denken.


    Der Prozess des Zusammenwachsens aber hat schon auf kleinerer Ebene angefangen: Die Verkehrsbetriebe im Ruhrgebiet sind untereinander immer kooperationsbereiter, man schreckt auch vor Fusionen nicht mehr zurück. Man hat die von Dir aufgeführten Synergieeffekte erkannt und begonnen, sie zu nutzen (siehe Pressemitteilung der EVAG). Darin könnte ein Anfang liegen für die Ruhrstadt.
    Die Vereinigung der Städte der Region kommt also schleichend ins Rollen. Deiner Prognose schliesse ich mich an: Die Städte werden fusionieren, wenn es nicht mehr anders geht.
    Und "anders gehen" hört allmälich auf.


    Das lässt träumen:
    Und plötzlich wachen wir auf in einer Stadt, die über 10 Mio. Einwohner hat, und fragen uns zurecht: "Wer ist eigentlich dieser Berlin, von dem alle reden? Muss man den kennen?" (Jaha: Wir sind größer! Wir liegen zentraler! Wir sind pleitererer!)


    Und trotz Zusammenwachsens ist der Weg dahin noch weit. Die einzelnen Städte müssen in dieser Ruhrstadt ihre Rolle finden. Bochum zum Beispiel (deswegen als Beispiel, weil es die Stadt ist, in der ich wohne und in der ich mich am besten auskenne) hat Stärken, auf die es sich besinnen sollte, und die es aus meiner Sicht vernachlässigt. Und diese liegen nicht in einer attraktiven Shopping-Innenstadt und werden sie wohl auch nie. (Was ich übrigens an der Einkaufszentrenkonkurrenz ein wenig naiv finde. So sehr sich alle um neue Einkaufszentren reissen: Die Dinger holen mehr Geld aus einer Region, als sie in die Region reinbringen. ECE aus Hamburg investiert hier nicht aus Liebe zum Ruhrgebiet. Wir folgern: Nur auf EKZtren zu setzten lässt die Region langfristig verarmen). In anderen Städten ist es, denke ich, genau so, dass man Möglichkeiten übersieht, weil man unbedingt das dickere Auto fahren will als der Nachbar.
    Dennoch: Ich halte hier viel für möglich. Potential ist da.


    Es ist an der Zeit, dass wir aufhören, dem nachzutrauen, was wir einmal waren, und anfangen, erst für uns, dann gegenüber anderen, klarzustellen, wer wir werden wollen.

    Einmal editiert, zuletzt von Xysorphomonian () aus folgendem Grund: Ich habe mich beim '@' vertippt und aus dem nikolas unabsichtlich eine nikola gemacht. Zu peinlich, um es stehen zu lassen.

  • das ruhrgebiet hat nicht unzählige großbahnhöfe und fernverkehrsknotenpunkte. nicht alles was sich hier HBF nennt ist dann auch tatsächlich wirklich einer ;)


    streng genommen hat das ruhrgebiet mit seinen mehr als 4 mio einwohnern 3 wichtige großbahnhöfe. dortmund im osten, essen in der mitte und duisburg (was mit der abstufung in kategorie 2 diese funktionen höchstens auf dem papier verloren hat) im westen.


    also 3 zentrale knotenpunkte für mehr als 4 mio menschen. das ist nicht viel.


    aber wenn wir hier über die milliarden reden, die jetzt in stuttgart verschleudert werden, geht es mir auch gar nicht um unsere bahnhöfe. wir brauchen nicht je 3 mrd euro für die hauptbahnhöfe in dortmund, essen oder duisburg :cool:


    aber, und das ist das entscheidende: wir bräuchten trotzdem dringend das geld....


    1,5 mrd euro soll ja der bund übernehmen (und wer weiss ob es bei dieser summe bleibt). also 1,5 mrd euro steuergelder, damit (etwas sarkastisch gesagt) der fernverkehr 20 minuten schneller durch die region stuttgart kommt.


    man, was könnten wir im ruhrgebiet mit 1,5 mrd euro alles anfangen. das wäre eine finanzspritze die wir dringend bräuchten. hier verrotten ganze stadtteile (im warsten sinne des wortes), eine halbmillionenstadt (duisburg) kann im sommer ihre brunnen nicht mehr anschmeissen, u-bahnhöfe, des total unterentwickelten schienennahverkehr, müssen um 23:00 uhr geschlossen werden, weil die finanzierung sonst zu teuer wird (essen).
    schulkinder die in duisburg-rheinhausen keinen sportunterricht mehr bekommen, weil die sporthalle einsturzgefährdet ist, hallenbäder die geschlossen bleiben müssen etc etc


    1,5 mrd euro, die am wirklich dringenden bedarf vorbeifliessen...
    das ist das, was mich als ruhrie richtig sauer macht.


    von mir aus soll stuttgart für 5 mrd. euro einen neuen HBF bekommen - aber nicht auf kosten von geldern, die bettelarmen und nach hilfe schreienden großstädten verwehrt bleiben, weil angeblich kein geld da ist :mad:


    und dafür mache ich übrigens nicht stuttgart verantwortlich, sondern berlin..... damit das geklärt ist ;)

  • Das ist nun wirklich kein Grund neidisch zu werden


    1,5 Mrd.€ Bundesmittel? Peanuts!
    Um an dieser Stelle nicht locker zu lassen...
    Das Ruhrgebiet leidet nicht an mangelnden Subventionszuweisungen, sondern wofür [vgl. Steinkohlesubventionen] und auf welche Art und Weise [vgl. kommunal-proportionales 'Gieskannenprinzip'] diese Zuweisungen versenkt werden.
    Ein paar Fakten:


    • Seit 1961 haben Steuerzahler und Stromkunden die Steinkohlförderung in der BRD mit rund 130 Mrd. € bezuschusst. Davon sind allein fast 38 Milliarden Euro in der Dekade 1997-2007 geflossen.
    • So erhielt der Steinkohlebergbau im Jahr 2000 noch 4,35 Mrd.€ von Bund und Ländern.
    • Bund und Länder zahlen aktuell jährlich bis zu 2,5 Mrd.€ Beihilfen für den Steinkohle- Bergbau [d.h. für Ruhrgebiet + Saarland].


    • Die Zusagen der damaligen rot-grünen Bundesregierung sehen bis 2012 einen Rückgang auf 1,83 Mrd. per anno vor.
    • Laut der KPMG-Studie "Stillsetzungskosten, Alt- und Ewigkeitslasten" werden sich folgende summiert und per anno auf über 200 Mio.€ belaufen.
    • Neben der Steinkohlesubventionierung hing und/oder hängt das Ruhrgebiet u.a. an folgenden Stadterneuerungsprogrammen des Landes, Bundesfinanzhilfen, Strukturfonds der EU/ EG, Fördertöpfen, ff: Gemeinschaftsaufgabe zur „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) , (EFRE) Europäischer Fonds für regionale Entwicklung, (ESF) europäischer Sozialfonds, Entwicklungsprogramm Ruhr (1968-1973), Nordhrein-Westfalen-Programm (1970) Aktionsprogramm Ruhr (1979-1983), NRW-Initiative Zukunftstechnologien [1984-1988], „Zukunftsinitiative Montanregionen“ (ZIM), „Zukunftsinitiative für die Regionen Nordhrein- Westfalens“ (ZIN), RECHAR, RESIDER, ZIEL-2 Förderung, „Ökologieprogramm Emscher – Lippe“ (ÖPEL), „Naturschutzprogramm für das Ruhrgebiet“, uvm. [ohne Anspruch auf Aktualität und Vollständigkeit, in Summe aber viele Mrd. € schwer]



    Quellen und weiterführendes:
    Bedeutung der Steinkohle sinkt

    Seit 1961 rund 130 Milliarden Euro für Kohlesubventionen

    Ewigkeitskosten bei Kohleausstieg höher als erwartet

    Geographische Revue

    + eigenes Material


    Fazit:
    Aus dem bisher gesagten, sollte ersichtlich werden, dass


    • im Ruhrgebiet die wohl am teuerst erkauften Wählerstimmen der Republik sitzen
    • es dieser Region deshalb definitiv nicht zusteht, eine bundesweite Neiddebatte anzustoßen
    • die hier geführte Debatte nicht um die absolute Höhe der Fördersummen kreisen darf, sondern sich auf eine sinnvolle Verteilung dieser konzentrieren muss!
  • Dieser Liste sollte man noch weitere Hilfen hinzufügen wie zum Beispiel einen Teil der Gelder, die zur Unterstützung der Autoindustrie (bundesweit 5 Mrd. EUR alleine für die Abwrackprämie) respektive der Opel-Werke ausgegeben wurden. Die Werke in Bochum sollten die im Bergbau entfallenen Arbeitsplätze ersetzen und einen Strukturwandel darstellen. Nur einige Dekaden später wurde die Autoindustrie selbst zum alten Wirtschaftszweig, dessen Überkapazitäten weltweit auf 25% bis 50% geschätzt werden. So hat die vermeintliche Strukturerneuerung selbst eine (inzwischen) überalterte Struktur geschaffen.


    Auch die NOKIA-Subventionen vom Bund und Land brachten Bochum keine dauerhaften Arbeitsplätze.

  • Darin stimme ich euch zu.


    Ich wollte aber auch niemals eine Neiddebatte vom Zaun brechen. Der Nied steht uns tatsächlich auch nicht zu. Es gibt es Regionen, denen es wesentlich schlechter geht als der Metropole Ruhr.


    Die Frage "Warum S21 und nicht wir?" könnte man als Neidfrage betrachten. Aber eben auch als eine Frage nach der sinnvollen Verteilung. Welches der beiden Projekte hat den größeren strukturellen Nutzen pro ausgegebenem Euro?
    Ich gebe zu, dass ich das nicht weiß. Nachdem ich aber heute mitbekommen habe, dass der Nahverkehr im Ruhrgebiet eingestellt wurde, weil die Strecke Duisburg-Dortmund im Fernverkehrsnetz ein Nadelöhr war, dass freigehalten werden musste, um auf bundesweiten Verbindungen die Verspätungen nicht komplett ausufern zu lassen, habe ich da einen Verdacht.


    Aber nikolas sagte es schon so schön plakativ: Unsere Wählerstimmen sind die teuersten. Es sind erkaufte Wählerstimmen. Das war es beim "Kohlepfennig", das war es bei Opel, das war es bei Nokia.


    Und da liegt das Problem. Die Steinkohlesubvention hat einen todkranken Industriezweig künslich am Leben erhalten, Opel und Nokia hat man mit horrenden Subventionen beinahe nach Bochum gezwungen ("Wir machen Euch ein Angebot, dass ihr nicht ablehnen könnt") Kein Pfennig, der innerhalb dieser genannten Subventionen geflossen ist, hat sich als nachhaltig erwiesen (mit Ausnahme vielleicht des Geldes, dass damals an Opel floss. Noch produziert das Werk ja).
    Bei dieser Steuerfinanzierungskultur ist eine etwas gefährliche Botschaft vermittelt worden, nämlich die, dass, wenn es uns mal dreckig geht, Papa Staat schon irgendwie eingreift.
    Das ist irre bequem.


    Wir benehmen uns wie ein Verletzter, der sich so daran gewöhnt hat, mit dem Rollstuhl gefahren zu werden, dass er sich die Frage, ob er schon wieder laufen kann, nie gestellt hat.
    Ich gebe zu, dieser Denke auch ab und zu zu verfallen. Aber damit sollten wir aufhören.
    Viel sinnvoller wäre es, zwischen Notwenidigkeiten und Träumerein zu unterscheiden. Und wenn wir bei Träumereien ankommen, sollten wir zwischen denen unterscheiden, die uns voranbringen und denen, die irgendwann nur ein Klotz am Bein sind (Stichwort Einkaufszentren).

    Die Metropole Ruhr ist von den strukturellen Vorraussetzungen her kein schlechter Wirtschaftsstandort. Eine hohe Dichte an Hochschulen, eine vorhandene (wenn auch ausbaufähige) Verkehrsinfrastruktur innerhalb und vernetzend mit anderen Wirtschaftsräumen, eine Menge arbeitsfähiger und -williger Menschen, die noch dazu konsumfreudig sind, ein ziemlich hoher Grad an Lebensqualität, viel günstige, freie Fläche, Nachbarschaft zu eine Vielzahl an Unternehmen jeder Größe.
    Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, denke ich, kann hier Einiges wachsen. Und mit Rahmenbedingungen meine ich explizit nicht Subventionen für Großunternehmen. Vielleicht auch etwas, was in Deutschland gerne übersehen wird: Nicht alle Maßnahmen, die uns vorran brächten, kosten Geld. Umgekehrt bringen uns nicht alle Maßnahmen, die Geld kosten, vorran.