^ Danke dafür. Ich habe es mir angeschaut. Die Sitzung vermittelt einen guten Überblick über das gesamte Verfahren und über die Verfahrensweise. Sie bietet für Anthropologen einen geeigneten Untersuchungsgegenstand, um zu verstehen, warum der Berliner (und auch der deutsche) Städtebau so ist wie sie ist, im Guten wie im Schlechten.
Ich habe jetzt nicht die Zeit und Ruhe, eine Analyse vorzunehmen, stattdessen einige subjektive Eindrücke: Ephraim Gothe war in meinen Augen der Einzige, bei dem ein echtes Anliegen zu spüren war. Bei den anderen überwog eine zuweilen lähmende Nüchternheit, insbesondere bei Frau Böhme, persönliche Referentin der Senatsbaudirektorin, die jede wie auch immer geartete Wertung vermied. Aber leben Städtebau und noch mehr Architektur nicht auch von naturgemäß subjektiven Wertungen?
Ich bin durchaus ein Freund von Sachlichkeit, dort, wo Emotionalität überwiegt. Wo dies aber nicht der Fall ist, kann sie jeden Enthusiasmus ersticken, jede subjektive Beteiligung. Das methodische Vorgehen, die vielen Analysen und Krterienkataloge, alles rational nachvollziehbar und wissenschaftlich akkurat – was sollte man dagegen vorbringen können? Aber am Ende reduzieren sich Entscheidungen auf Kriterien, die man abhaken kann, so wie bei einem Hotel, das noch irgendwo eine Spielecke hinstellt, um auch dieses Kriterium zu erfüllen und auf Booking.com angeben zu können. Am Ende herrschte eine schlaffe Energielosigkeit vor, wie nach einer langen Arbeitssitzung, eine regelrechte Entgeisterung. Die Verantwortlichen selbst schienen mittlerweile vergessen zu haben, dass sie das Privileg haben, an einer der wichtigsten Projekte der Stadtreparatur im alten Zentrum Berlins mitwirken zu können.
Ich erinnere an eine gute Unterscheidung des Philosophen Slavoj Zizek: Im Gegensatz zum Wissen, das sich auf eine unparteiische, "objektive" Haltung seines Trägers stützt, ist die Wahrheit niemals neutral, sie ist per definitionem kämpferisch, subjektiv engagiert. Ich würde mir von den Verantwortlichen wünschen, dass sie mehr Mut zur Subjektivität zeigen, ihre eigenen Präferenzen, Wünsche, Abneigungen, überhaupt ihre Emotionen stärker ins Spiel bringen. An Herrn Gothe können sie sich ein Vorbild nehmen.