Neubau Polnische Botschaft (Unter den Linden 70-72)

  • …. Eine Botschaft - also Landesvertretung - repräsentiert doch immer primär das hierdurch vertretene Land - nicht das ggf. problematische Verhältnis oder sogar direkt das Gastland. Die Architektur wird mE jeder Passant intuitiv mit dem dadurch vertretenen Land assoziieren, auch die vielen internationalen Gäste in der Berliner Innenstadt. Da wäre so eine vermeintliche Geste mE völlig verfehlt.


    Aber auch im Stil des Gebäudes sehe ich keinen Anlass für so eine Deutung. Es entspricht dem Zeitgeist (den man durchaus kritisch wahrnehmen darf), wirkt aber immer noch wertig und solide. Ich empfinde es zudem durchaus als respektvoll (vielleicht sogar etwas zu respektvoll), wenn sich eine Botschaft nahtlos in ihre Umgebung einfügt …

    …. Keine Frage, so sollte es sein, normalerweise.

    Aber das war nicht de Denkweise der alten polnischen PIS-Regierung. Mit ihrer Botschft hier haben sie quasi einen Coup gelandet.

    Die Deutschen wollen, das wir unsere Botschaft hier an ihrem „Pracht-Boulevard“ bauen, gut, kein Problem, aber nicht so wie sie sich das vielleicht wünschen würden.

    Dieser Bau ist für mich eine neugebaute Ruine, mit seinen leeren Öffnungen tiefen dunklen Einschnitten soll er mehr an ein von den Deutschen zerstörtes Warschau/ Polen erinnern als das er einen puristisch modernen Stil das Wort redet. Die Regiergunen mögen gehen, der Bau bleibt als Mahnmal und auch „en face“ den „russischen Freunden“ gegenüber mit einer ähnlich verhängnisvollen Geschichte in Bezug auf Polen.


    Man muss schon sehr naiv sein, das alles nicht sehn zu wollen oder nicht erkennen zu können.

  • Camondo Spannend, auf diese Assoziation wäre ich alleine anhand der Architektur wirklich nicht gekommen.


    Vom Sinn her wäre es aber schon eher nahe liegend: Tatsächlich wünschen sich die Polen ja schon seit längerer Zeit ein Denkmal bzw. eine öffentlichkeitswirksame Erinnerungskultur an das erlittene (aber hierzulande im Vergleich zum Holocaust weniger präsente) Leid. Dafür ist auch seit einigen Jahren ein Deutsch-Polnisches Haus in Planung, wo es neben Gedenken und Verstehen der Verluste aber auch um Begegnung gehen soll (was wiederum zumindest Hardlinern zu missfallen scheint). Ein mögliches Motiv für so ein architektonisches Denkmal gäbe es also schon.


    Die spannende Frage bei mir bleibt aber, ob Du diese konkrete Architektur auch bei jedem anderen Land so kritisch/negativ geprägt wahrgenommen hättest und Dich erst die Architektur auf die mögliche/vermeintliche Botschaft hinter der Botschaft gestoßen hat. Oder ob eher umgekehrt ein bestimmtes Vorwissen diese Deutung angeregt hat.


    Wenn man jetzt grundsätzlich annimmt, dass so eine Architektur eine negative Konnotation in sich trägt, dann bauen wir nämlich u.a. u.a. in Berlin gewissermaßen seit Jahren an einem riesigen steinernen Zeige- oder gar Mittelfinger. Mich erinnert die polnische Botschaft ja spontan u.a. an den modernen Flügel des Humboldtforums.

  • Man muss schon sehr naiv sein, das alles nicht sehn zu wollen oder nicht erkennen zu können.

    Au Weia, Verschwörungsalarm: Ich weiß was, was Du nicht weißt. Da bin ich raus...


    Ausgerechnet die PIS-Partei hätte auf nationalistische Symbole Unter den Linden mit Sicherheit größten Wert gelegt, ist aber offensichtlich nicht der Fall. Die russische, vormals sowjetische Botschaft, ist bewusst ein eigenes Gebilde und ein Fremdkörper. Das hat auch mit der damaligen Zeit und dem Selbstverständnis der UdSSR zu tun. Es ging um Abschreckung um Machtdemonstration. Die polnische Botschaft ordnet sich in der Bauflucht ein, wie die anderen Neubauten von Botschaften dort auch. Das ist schon ein wesentlicher Unterschied. Der Vorgängerbau im Stil der sozialistischen Moderne war auch nicht schlecht und im Stil der sozialistische Moderne eher symphatisch. Nur fällt mir bei dessen Betrachtung auf, dass es vergleichsweise wenig Vorkriegsarchitektur Unter den Linden gibt, auf die man zwingend Bezug nehmen sollte.

    Einmal editiert, zuletzt von Bousset () aus folgendem Grund: Beitrag zum Zitat angefügt.

  • Ich mag das Gebäude nicht, aber genau so könnte ich mir auch eine deutsche Botschaft in Warschau vorstellen. Es ist der typische nichtssagende bundesrepublikanische Stil, den man gerade in Berlin Mitte an jeder Ecke antrifft. Gerade Unter den Linden hätte ich mir ein prägnanteres, repräsentativeres Gebäude gewünscht, gerne auch in klassischer Architektursprache oder in Anlehnung an die Ursprungsbebauung.

  • ….Au Weia, Verschwörungsalarm: Ich weiß was, was Du nicht weißt. Da bin ich raus...


    Ausgerechnet die PIS-Partei hätte auf nationalistische Symbole Unter den Linden mit Sicherheit größten Wert gelegt, ist aber offensichtlich nicht der Fall. ..


    Eben nicht. Sie wollten auf keinen Fall eine schöne, angenehme, oberflächliche Architektur für ihre Botschaft.

    So ist es doch viel durchdachter, häßlich, abweisend, manche interpretieren es als „ Berliner Stil“ , und es regt dadurch vielleicht sogar zum nachdenken an…. Funktioniert doch auch hier im Forum ganz gut. Warum um alles in der Welt haben die Polen uns diesen Trumm an unseren schönen Boulevard gesetzt …? Was wollten sie uns nur damit sagen? „Denkmal“ im wahrsten Sinn.

  • Die PiS stellte bisher zweimal, von 2005 bis 2007 sowie 2015 bis 2023, die polnische Regierung. Die Architektur-Planung für diese Botschaft stammt aus dem Jahr 2012. Damals war Donald Tusk Ministerpräsident in Polen, dessen Regierung ganz gewiss nicht anti-deutsch war.


    Wir hatten das hier auch schon mal irgendwo oben im Strang thematisiert. Ich kann das Bedürfnis nachvollziehen, sich solche architektonischen Ergebnisse irgendwie nachvollziehbar erklären zu wollen. Aber dann muss man eher in das selbstreferenzielle und kaum lernfähige System aus Hochschulen, Jurys, Architekturzeitschriften etc. schauen.


    Ich finde durchaus, dass es Unter den Linden noch einiges an Vorkriegsarchitektur gibt, an dem man sich orientieren kann, wenn man dem Anspruch dieser Adresse als Prachtstraße gerecht werden möchte. Möchte man das nicht, schiebt man sich damit selbst ins Aus und wird als deplatziert wahrgenommen.

  • Camondo.


    Ich bin etwas verwirrt. Die Diskussionen um diese Botschaft wurden nach 2008 ernsthaft begonnen und in einem Wettbewerb Ende 2012 mit diesem Entwurf als Gewinner entschieden.

    Zu die dieser Zeit war Donald Tusk und ab 2011 Ewa Kopacz - beide von Der Bürger Plattform im Amt des Ministerpräsidenten/in und somit an der Regierung.

    Die Pis Partei hatte absolut nichts mit diesem Entwurf zu tun. Im Gegenteil, ich dachte gelesen zu haben, dass die lange Verzögerung des Baus auch eine Ursache darin lag, dass die Pis(s) Partei den Entwurf nicht mochte. Diese kam ja erst 2015 wieder an die Macht.

  • Ich finde nach wie vor, dass ein Dachgeschoss fehlt - leider. Mit der Fassade hat man sich schon Mühe gegeben. Gegenüber klassischen Gebäuden, fällt so eine Fassade natürlich deutlich ab. Am Schloss kann man es sich ja anschauen im Vergleich.


    Dass Polen hier prominent seine Botschaft hat, ist wunderbar.

  • @ Alle

    … entschuldigt, meine neue französische AI ( Le Chat), die eigentlich sehr zuverlässig ist, hat mich in diesem Fall , was den Bauherrn und somit die Gestaltung der Botschaft betrifft, im Stich gelassen.

  • ^Ist doch kein Problem. Spannend finde ich dieses kleine Missverständnis übrigens trotzdem. Es sagt mE einiges über die Psychologie von oder in Bezug auf Architektur aus.


    Dieser Bau strahlt schon eine gewisse Ambivalenz aus, sodass ich die Deutung insgesamt immerhin nachvollziehen kann (auch wenn ich sie so nicht selbst wahrgenommen habe).


    Spannend empfinde ich auch die optischen Kontraste zwischen den Botschaften von Russland und Polen. Klar ist das gewissermaßen einfach Zufall, dass die Eröffnung gerade in diese Zeiten fällt. Aber diese robuste, vielleicht auch etwas abweisende Gestaltung passt irgendwie wie die Faust aufs Auge.

    Im Zuge unserer Eindrücke habe ich übrigens die Eröffnungsreden angesehen und interessanterweise wird darin weniger auf die Architektur aber dafür umso mehr auf das Verhältnis zwischen den Ländern eingegangen.

    Dabei wird mehrfach der (hybride) Konflikt angesprochen. Es wurde sogar mehrfach explizit auf die Botschaft der Russen ("da drüben") verwiesen. Teils spaßig (weil es Störgeräusche/eine Rückkopplung beim Mikrofon gab), teils sehr ernsthaft.

    Dagegen wurde auf die aktuell so immens wichtige Beziehung zwischen Polen und Deutschland sowie die jeweils bevorstehenden, sehr wichtigen Wahlen verwiesen, aber auch auf das geplante Deutsch-Polnische Haus mit dem Denkmal für das erlittene Leid der Polen. Da hatte ich teilweise tatsächlich etwas Gänsehaut.

  • Ich kann dem Gebäude nichts abgewinnen. An einer x-beliebigen Straße wäre es schon nicht der Bringer, aber an diesem Ort ist es eine Zumutung und das fehlende Dach gibt dem ganzen noch den Rest.

  • Ich finde, dass die Bilder nicht einmal annähernd den Eindruck von vor Ort wiedergeben. Es ist ein wunderbar tektonisches, vielschichtiges Gebäude. Sauber verarbeitet und mit wertigen Materialien gebaut. Für mich ist es eines der besseren Neubauten Unter den Linden. Verglichen mit der Pupsschachtel Adlon oder der Botschaft Ungarns ein Quantensprung.