Stadt der Moderne - Stadt im Umbruch

  • Die Stadt kann aber zumindest Rahmenbedingungen setzen - möglichst natürlich mit den Großvermietern und privaten Eigentümern. Gegenwärtig wurschtelt jeder vor sich hin, weil keine Vorgaben gemacht werden. Dieser aktive Ansatz im Sinne der Stadtentwicklung fehlt größtenteils. Dabei wären Zuckerbrot (städtisches Gebäudesicherungsprogramm, Sanierungszuschüsse im Konservierten Stadtquartier), aber eben auch Peitsche (keine kommunalen Investitionen in perspektivisch nicht erhaltungsfähigen Gebieten, Erhaltungssatzungen) denkbar. Der aktuelle Zustand der Stadtentwicklungspolitik ist sicher nicht optimal, auch wenn gewisse Fortschritte erkennbar sind. Wenn der größte Vermieter in städtischer Hand ist und seit 20 Jahren nicht einen Euro in seine Altbaubestände investiert, wodurch ganze Stadtteile wie der Brühl oder der Sonnenberg vor die Hunde gegangen sind, kann etwas nicht stimmen.

  • Dazu auch folgender offener Brief des Vereines "StadtHalten Chemnitz e.V."


    Offensichtlich sollen jetzt Sicherungsmittel die für die leer stehende Chemnitzer Altbausubstanz gedacht waren, an Projekte kommunaler Wohnungsgesellschaften umgeleitet werden.
    Ich finde den Hinweiß im Brief auf die wirtschaftlichen Auswirkungen auch wichtig.


    Chemnitz, den 21.01.2011


    Offener Brief an die Stadträte der Stadt Chemnitz
    Keine Mittel für Altbausanierung im Haushaltsentwurf


    Sehr geehrte Stadträte,


    im Entwurf zum Haushaltsplan 2011 der Stadt Chemnitz sind keine Eigenmittel für bereits abrufbare Fördermittel aus den Programmen für Städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen (SEP) und Stadtumbau Ost – Aufwertung Wohnquartiersgestaltung für die Altbausanierung vorgesehen. Besonders schwerwiegende Folgen hat das für die weitere Entwicklung auf dem Sonnenberg1. Ein wesentlicher Grund für vielfältige Probleme (u. a. auch Kriminalität und Vandalismus, wie aus der Studie für Sicherheit und Kriminalität der TU Chemnitz von 2010 klar hervorgeht) sind jedoch die Leerstände in unsanierten Gebäuden. Ausgelöst durch vielfältige Aktivitäten und Projekte zur Entwicklung des Stadtteils (z. B. Bunte Gärten, Straßengalerie, Projekt Konserviertes StadtQuartier, ein
    aktives Stadteilmanagement und viele soziale Initiativen) und ein positives Echo in den Medien steigt gerade jetzt die Bereitschaft von privaten Eigentümern, in die
    Gebäudesubstanz zu investieren, die über 60% des gesamten Wohnungsbestandes
    ausmachen2. Alle diese Bestrebungen werden konterkariert, bleibt der Eigenanteil der Stadt für Fördermittel aus.
    Mittel zur Städtebauförderung sind zudem investive Mittel, die sich rechnen. Laut eines Gutachtens des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW, stößt ein Euro an Städtebaufördermitteln weitere 6,40 Euro bei privaten Investitionen und 8,50 Euro an Investitionen im öffentlichen und privaten Bauvolumen an. Die Verweigerung der Stadt, die Eigenanteile für Fördermittel in Höhe von 10% bis 30% der Fördersumme zur Verfügung zu stellen, hätte danach bei einem Volumen von einer Million Euro Fördermittel den Ausfall von 6,4 Millionen Euro privater Investitionen und 8,5 Millionen Euro beim öffentlichen und privaten Bauvolumen zur Folge – das sind Aufträge, Arbeitsplätze, Kaufkraft und Sicherheit für viele Mitbürger.


    Sehr geehrte Stadträte, wir weisen Sie auf die Dringlichkeit der nochmaligen Änderung des Entwurfs zum Haushaltsplan hin. Bitte ermöglichen Sie durch Ihre Entscheidungen, dass mehr Geld von Bund und Land in unsere Stadt fließen kann – zum Wohle des gesamten Gemeinwesens.


    "Wer bei öffentlichen Geldern sparen muss, ist auf private Investitionen angewiesen. Genau dies wird durch die Städtebauförderung erreicht. Sie ist keine Subvention, sondern die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben bei der Entwicklung der Städte und außerdem eine strukturpolitische Querschnittsaufgabe. Sparen bei der Erneuerung der Städte ist so gesehen wider alle ökonomische Vernunft.“ (Lutz Freitag, Präsident des GdW)


    Mit freundliche Grüßen
    Der Vorstand von StadtHalten Chemnitz e. V.


    Verweise


    1Entwurf zum Haushaltsplan 2011 der Stadt Chemnitz, S. 379
    (die eingestellten Mittel unter 511200443171000 betreffen die Sanierung der Plattenbauten der GGG und SWG, nicht aber die Altbauten aus der Gründerzeit)
    2Beschlussvorlage Entwurf Haushaltssatzung B-019-2010, S. 5 (Aus dieser Beschlussvorlage geht hervor, dass die kommunalen Eigenanteile für die Fördermittel in die Plattenbestände von GGG und SWG zum großen Teil übernommen werden. Das heißt auch, dass für private Bestände keine Mittel vorgesehen sind. Warum wird nicht auch den Privaten die Möglichkeit eingeräumt, sich an der Finanzierung zu beteiligen und damit Fördermittel zu erhalten?


    Damit wir nicht falsch verstanden werden: StadtHalten Chemnitz e. V. misst der Sanierung der
    innerstädtischen Plattenbauten auf dem Sonneberg gleich hohen Stellenwert bei wie der Sanierung der
    Gründerzeitbestände – aber eben diesen gleichen Rang sehen wir derzeit noch nicht.

  • Zum Thema Altbausanierung und GGG gab es einen langen Brief der GGG vom 15.5.2009 anlässlich eines Beitrages des ARD-Magazins "Monitor".


    http://www.architekturforum.ne…7a13853d28da2f884f#p87157 Hinweis Cowboy: Link repariert.


    Konkret heißt es hier:
    "Auch zeigen die Vermietungsquoten, die die Wohnwünsche der Bevölkerung eindeutig widerspiegeln, wo die Menschen in Chemnitz leben und wohnen möchten: Die überdurchschnittlich hohen Leerstandszahlen gerade und insbesondere im sanierten Altbau bestätigen die Zurückhaltung der GGG und deren kaufmännische Vorsicht bei der Sanierung von Altbausubstanz in schwierigen Lagen (z.B. an Einfallstraßen). Gleichwohl verfügt die GGG bereits über einen großen Bestand an saniertem Altbau in deren Bausubstanz auch weiterhin investiert wird. - das Beispiel der aktuell laufenden Sanierung auf dem Kaßberg bekräftigt dieses Bekenntnis."


    Diese Aussagen stehen in einem Widerspruch zu den Aussagen von Iguenth 1. Was ist nun richtig?

  • Die Chemnitzer Haushaltsdebatte ist auch vor dem Hintergrund der parallel in Leipzig laufenden interessant. Hier wurde auch zunächst vorgeschlagen, die Eigenmittel für EFRE etc. bis auf nahe null abzuschmelzen.


    Mittlerweile fordern die Grünen einen Zuschlag von einer Millionen Euro für die Kofinanzierung vorhandener Fördermittelzusagen bei den Programmen Soziale Stadt, EFRE Ost und EFRE West. „In die Mittelfristplanung für 2012 und 2013 werden jeweils zusätzlich 2.600.000 Euro Eigenmittel zur Kofinanzierung wichtiger Projekte im Rahmen der Städtebauförderung aus den EU-, Bundes- und Landesförderprogrammen zur Stadterneuerung und EFRE aufgenommen“, heißt es von Seiten der Linken. Und bei der SPD liest sich das so: „Für Projekte des Amtes für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung (ASW) sollen im kommenden Jahr zusätzlich bis zu 2,5 Millionen Euro als städtische Eigenmittel zur Kofinanzierung von Fördermitteln zur Verfügung gestellt werden.“


    Siehe LIZ vom 14.01.2011 , Gernot Borriss
    Stadtentwicklung im Leipziger Westen: Chancen auf Weiterführung steigen
    http://www.l-iz.de/Politik/Bre…Westen-Jpsephstrasse.html


    Wäre doch nett, wenn Stadtverwaltung und die einzelnen Fraktionen in Chemnitz wieder häufiger auf die große Schwester hören und von ihr lernen würden.

  • @ Klarenbach


    Die überdurchschnittlich hohen Leerstandszahlen gerade und insbesondere im sanierten Altbau bestätigen die Zurückhaltung der GGG und deren kaufmännische Vorsicht bei der Sanierung von Altbausubstanz in schwierigen Lagen (z.B. an Einfallstraßen).


    Das ist die Erklärung bzw. Rechtfertigung der GGG für ihre Unternehmenstaktik. Vermutlich glauben sie sogar selbst daran. Und natürlich ist es auch eine Art selbsterfüllende Prophezeiung, bei der sogar eine ganze Menge dafür getan wird, dass sie sich erfüllt. Gründerzeithäuser werden seit längerer Zeit systematisch leergezogen und nicht neu vermietet, auch nicht an interessierte "Selbermacher". Der Verkauf im großen Stil über die SGA hat erst von kurzem begonnen, ein wenig Vorlauf brauchen auch Sanierungen.


    Die hohen Leerstandzahlen z.B. auf dem Sonneberg hängen auch damit zusammen, dass da nahezu ganze Karrees, deren Häuser zum großen Teil im GGG-Besitz sind, leerstehen. Siehe z.B. das "Konservierte Stadtquartier" ( http://www.deutsches-architekt…d.php?p=259709#post259709 ) und Folie 12/23 in http://www.chemnitz.de/chemnit…nloads/1003/VortragD6.pdf


    Werbung, die Vermietungsangebote auf den Websites, das gesamte Engagement der Wohungsbaugesellschaften wie der GGG konzentrieren sich auf die Neubaugebiete wie York-, Beimler-, Comenius- und Heckertgebiet.


    Ich bin mir sehr sicher, dass man z.B. in Leipzig genau die gleiche Aussage von der LWB bekäme, würde man sie zu den Vermietungschancen in Leipzig fragen. Nur spricht hier das Wohnungsmarktbarometer der Stadt Leipzig eine ganz andere Sprache. Während das Überangebot an Wohnungen im Eigenheimbereich und im sanierten Gründerzeitbestand hier massiv abnimmt, gehen die Überkapazitäten beim DDR-Wohnungsbau nicht zurück. Leerstände konzentrierten sich künftig vor allem auf unsanierte Objekte. Drei Viertel der Befragten prophezeien für die Plattenbauwohngebiet eine sinkende Nachfrage.


    Wohnungsmarktbeobachtung und Stadtumbaumonitoring
    http://www.leipzig.de/de/buerg…/step/monitoring/wohnung/


    LVZ-Immo vom 07.01.2011
    Nachfrage steigt – Mieten in Leipzig ziehen an
    http://www.lvz-immo.de/q/-them…eten-in-Leipzig-ziehen-an


    Warum soll sich der gemeine Chemnitzer so fundamental von der Leipzigerin unterscheiden? Zumal die ja nicht alleine ist, sondern den Trend auch mit den Brüdern und Schwestern in fast allen ostdeutschen (Groß)-Städten teilt (Wahrscheinlich außer in Jena, dort ist es mittlerweile so voll, dass auch die Platten im Süden und Norden nachgefragt werden).

  • Zum Thema Altbausanierung und GGG gab es einen langen Brief der GGG vom 15.5.2009 anlässlich eines Beitrages des ARD-Magazins "Monitor".


    Konkret heißt es hier:
    "Auch zeigen die Vermietungsquoten, die die Wohnwünsche der Bevölkerung eindeutig widerspiegeln,


    Diese Art der Wohnwünsche basiert aber auf dem real Vorgefundenen und nicht auf dem realen Potential. Zum Vorgefundenen gehört auch das Umfeld.


    wo die Menschen in Chemnitz leben und wohnen möchten: Die überdurchschnittlich hohen Leerstandszahlen gerade und insbesondere im sanierten Altbau bestätigen die Zurückhaltung der GGG und deren kaufmännische Vorsicht bei der Sanierung von Altbausubstanz in schwierigen Lagen (z.B. an Einfallstraßen).


    Ich würde auch nicht von der GGG erwarten, dass sie als erstes bspw. an der Leipziger Straße saniert. Ansonsten gilt aber, dass wo man nichts macht, automatisch eine „schwierige Lage“ entsteht.


    Nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass es im wesentlichen die persönlichen Präferenzen und Prägungen der maßgeblichen Mitarbeiter sind, die die Strategien der Wohnungsunternehmen und -genossenschaften ausmachen. Wie die GGG mit dem Altbaubestand umgegangen ist und teilweise umgeht, siehe Wächterhausprojekte u. ä., lässt sich kaum auf bloße Wirtschaftlichkeitserwägungen zurückführen.


    Gleichwohl verfügt die GGG bereits über einen großen Bestand an saniertem Altbau in deren Bausubstanz auch weiterhin investiert wird. - das Beispiel der aktuell laufenden Sanierung auf dem Kaßberg bekräftigt dieses Bekenntnis."


    Das war übrigens eine Wohnanlage aus den zwanzigern mit x gleichartigen Häusern – da gibt es eine Parallele zum Plattenbau.


    Diese Aussagen stehen in einem Widerspruch zu den Aussagen von Iguenth 1. Was ist nun richtig?


    Den suggestiven Konditionalsatz von Iguenth1 („Wenn der größte Vermieter in städtischer Hand ist und seit 20 Jahren nicht einen Euro in seine Altbaubestände investiert, […]“) wollte ich auch schon bearbeiten.


    Aus eigener Anschauung: Das Haus der Gebäudewirtschaft, in dem ich als kleiner Junge gewohnt hatte, ist heute saniert und steht zumindest unter Verwaltung der GGG. Ich schätze, dass es ihr auch noch gehört. Das Nachbarhaus (auch GGG?) wurde übrigens abgerissen.

  • Die Philippstraße 17 gehört tatsächlich noch der GGG, eine Wohnung ist laut wohnen-in-chemnitz.de noch frei. Ein bißchen zugespitzt formulieren darf ich aber sicher. Bei der nächsten SGA-Auktion werden wir garantiert wieder ein dutzend unsanierte Altbauten von der GGG präsentiert bekommen. Mit der Liste vom Experimentellen Karree müßte man mal über den Sonnenberg spazieren und die Zahl der sanierten GGG-Gebäude festhalten. Um dieses krasse Mißverhältnis geht es mir. Natürlich kann man hier keine Sanierung erwarten, die Sicherung der Gebäude und eventuell auch ernsthafte Verkaufsbemühungen sollten aber eine Selbstverständlichkeit sein. Deshalb habe ich die Auktionen auch als positive Entwicklung begrüßt.

  • wichtige Frage?


    Ich bin mir sehr sicher, dass man z.B. in Leipzig genau die gleiche Aussage von der LWB bekäme, würde man sie zu den Vermietungschancen in Leipzig fragen. Nur spricht hier das Wohnungsmarktbarometer der Stadt Leipzig eine ganz andere Sprache. ... Drei Viertel der Befragten prophezeien für die Plattenbauwohngebiet eine sinkende Nachfrage.


    Warum soll sich der gemeine Chemnitzer so fundamental von der Leipzigerin unterscheiden? Zumal die ja nicht alleine ist, sondern den Trend auch mit den Brüdern und Schwestern in fast allen ostdeutschen (Groß)-Städten teilt ...


    Hm, vielleicht müsste man diese Frage zuerst klären. Warum können die hiesigen Wohnungsunternehmen denn vglw. gute Vermietungszahlen in den Platten vermelden, sprich, warum zieht der gemeine Chemnitzer nicht mit Pauken und Trompeten in die Altbaukarrees?


    Fehlt es an geeigneten Angeboten im Altbau? Sprich saniert/bezahlbar/günstige Lage? Gibt es dazu verifizierbare Daten, sprich Leerstand im sanierten Altbau?
    Wie groß wäre die Nachfrage nach unsaniertem Altbau für Kreative/Experimentelle? Hat StadtHalten dazu Zahlen?
    Wird von den Unternehmen tatsächlich in Schieflage zugunsten der Platten geworben?
    Spielt die Altersstruktur, sprich der höhere Rentneranteil eine Rolle (hohe Stufen, kein Fahrstuhl vs. flache Treppen, Aufzug)? Der Sonnenberg gilt als jüngster Stadtteil, mal so als möglicher Beleg. Vielleicht müssten die Altbauten altengerechter aufbereitet/angeboten werden?
    Wie sind diese Fragen zB in Leipzig zu beantworten? Altersstruktur der in den Altbau ziehenden usw.?

  • Vermutlich speist sich der Zuzug in die Leipziger Gründerzeitviertel vorrangig aus den generell steigenden Einwohnerzahlen. Für dieses junge Potential, das zum Teil auch aus Studenten besteht, sind die zentrumsfernen Plattenbauten eher keine Alternative.


    Gerade sehe ich noch einen FP-Artikel, der die Frage nach der Nachfrage im unsanierten Altbau ansatzweise beantwortet. Nach dem Erwerb des Abrisshauses an der Augustusburger Straße 102 hat Chemmedia-Chef Lars Fassmann nämlich ein weiteres Gründerzeitgebäude gekauft. Es geht um das markante Eckhaus an der Weststraße/Andréstraße (Luftbild), dessen früherer Eigentümer Insolvenz angemeldet hatte.


    Die Aussagen von Lars Fassmann sollten zu denken geben:


    Fassmann will das Haus nach eigenem Bekunden nicht umfassend sanieren lassen. Dennoch sei das Gebäude bereits jetzt voll vermietet. Es gebe eine große Zahl von Interessenten für derartige Wohnungen. Interessenten seien Studenten und Künstler, die ihre Wohnung in Eigenleistung auf Vordermann bringen wollen. Nach Fassmanns Worten sei dieser Weg eine Möglichkeit, städtebaulich wichtige, aber leer stehende Altbauten in Chemnitz vor dem weiteren Verfall zu bewahren. "Man muss sich natürlich auf die Mieter einlassen und ihnen Vertrauen entgegen bringen", sagte er. Für manche Mieter sei Freiheit das Wichtigste. "Und diese Freiheit kann ich hier bieten."
    Das um die Jahrhundertwende errichtete Eckhaus besticht mit seinen Kachelöfen und dem Fischgrät-Parkett vor allem durch seinen weit gehend original erhaltenen Zustand. Die Wohnungen im Inneren sind zwischen 120 und 240 Quadratmeter groß und dokumentieren so auch die großzügige Lebensweise des gutbürgerlichen Chemnitz zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der neue Eigentümer hat bislang das Dach abdichten und die Dachrinnen reparieren lassen. Weitere Instandhaltungsmaßnahmen seien geplant, kündigte er an.
    Den offiziellen Stadtumbau sieht der Unternehmer kritisch. "Es lässt sich nicht alles mit Geld regeln", ist er überzeugt. Statt dessen fordert er die Verwaltung auf, mehr Engagement von unten zuzulassen. Fassmann: "Man sollte Kreative etwas machen lassen, so lange sie noch hier sind."

    Einmal editiert, zuletzt von lguenth1 ()

  • Sicher ist das Städtebauliche Entwicklungskonzept in vielen Punkten wischi-waschi. Ich würde diesen Umstand allerdings nicht auf das Unvermögen der Stadtplaner, sondern auf objektive Probleme zurückführen. Es ist ja so, dass über den Erhalt, die Sanierung oder den Abriss von Gebäuden in erster Linie die Hauseigentümer entscheiden. Die Stadt kann hier nur für günstige immobilienwirtschaftliche Rahmenbedingungen sorgen, also beispielsweise durch eine gute Wirtschaftspolitik die Schrumpfung stoppen. In dieser Hinsicht scheint ja Chemnitz auf einem ganz guten Weg zu sein. Zudem gibt es die Möglichkeit, Fördermittel zu verteilen, allerdings werden die Förderprogramme durch die Bundesregierung gekürzt, hier wird also immer weniger Geld fließen. Die Stadtverwaltung wird in Zukunft deshalb immer weniger Instrumente haben, um Stadtentwicklung in ihrem Sinne zu steuern. Vor diesem Hintergrund finde ich es ehrlich, wenn die Stadt nicht so tut, als ob sie die Stadtentwicklung wie auf dem Reißbrett planen könnte.


    Die südlichen Teile des Heckertgebietes wurden übrigens deshalb als Erhaltungsgebiet ausgewiesen, weil ein wichtiger Hauseigentümer in diesem Gebiet deutlich gemacht hat, dass er in diesen Gebieten keine weiteren Abrisse vornehmen will. Da sich Planungen nicht gegen die Hauseigentümer umsetzen lassen, wurde die Planung entsprechend angepasst.


    Dass die WG Einheit nichts mehr abreißen will, heißt noch lange nicht, dass es für die Stadt unangemessen wäre, dass Gebiet als Umbaugebiet zu führen. Schließlich ist das erstmal nur eine konzeptionelle Klassifizierung und auch im Stadtumbaugebiet kein Eigentümer zum Abriss gezwungen. Die Einordnung ist aber bei der Finanzierung einer Modernisierung relevant. Da sind wir bei den zu setzenden „immobilienwirtschaftlichen Rahmenbedingungen“!


    In einer freiheitlich-demokratischen Ordnung ist es normal, dass es ein Spannungsfeld zwischen privaten Aktivitäten und der dem Gemeinwohl verpflichteten Politik gibt. Die Vorstellungen einzelner privater Akteure einfach als staatliches Handeln zu übernehmen, könnte man vielleicht Klientelpolitik nennen, hat mit verantwortungsvoller Politik aber nichts zu tun.


    Als Herr Butenop sagte, dass es der Stadtrat war, der beschlossen hat, Gebiete südwestlich des Südrings als Erhaltungsgebiet zu führen, klang das nicht so, als hätte er sich damit als Amtsleiter aus der Verantwortung rausreden wollen. Die WG Einheit hat es sich mit der Stadtverwaltung ohnehin ziemlich versaut.

  • Die Philippstraße 17 gehört tatsächlich noch der GGG, eine Wohnung ist laut wohnen-in-chemnitz.de noch frei. Ein bißchen zugespitzt formulieren darf ich aber sicher.


    Klar, deine Pointierung „seit 20 Jahren nicht einen Euro in seine Altbaubestände investiert“ ist aber kaum also solche erkennbar gewesen.


    Bei der nächsten SGA-Auktion werden wir garantiert wieder ein dutzend unsanierte Altbauten von der GGG präsentiert bekommen. Mit der Liste vom Experimentellen Karree müßte man mal über den Sonnenberg spazieren und die Zahl der sanierten GGG-Gebäude festhalten. Um dieses krasse Mißverhältnis geht es mir. Natürlich kann man hier keine Sanierung erwarten, die Sicherung der Gebäude und eventuell auch ernsthafte Verkaufsbemühungen sollten aber eine Selbstverständlichkeit sein. Deshalb habe ich die Auktionen auch als positive Entwicklung begrüßt.


    Da fällt mir die Uhlandstraße 1 ein, die Wächterhaus werden könnte oder zumindest hätte werden können. An interessierten potentiellen Nutzern hat es jedenfalls nicht gemangelt. Die Leute vom Verein Stadthalten machten aber einen ziemlich resignierten Eindruck, was die Kooperation mit der GGG angeht. Die Städtische Wohnungsgesellschaft scheint kein Interesse an dieser Art der Gebäudenutzung zu haben. Interessant, dass Herr Fassmann Wächterhaus-ähnliches einfach so privat macht – ohne Förderung?

  • Mit dem Heckert-Gebiet und speziell mit den Baugebieten Markersdorf Süd und Hutholz habe ich mich 2008 relativ intensiv beschäftigt. Ich habe dazu mit Mietern, Hauseigentümern, Vertretern von Banken und der Stadt gesprochen und habe da folgende Erfahrungen gemacht:


    Alle von mir befragten Mieter erklärten mir, dass sie sehr gern in Hutholz Süd bzw. Markersdorf Süd wohnen würden. Als besondere Vorzüge der Wohngebiete wurden benannt:
    - die schöne Fernsicht (beide Wohngebiete liegen auf Hügeln)
    - die Nähe zur Natur (Hutholz, Harthwald, mit Spielmöglichkeiten für Kinder)
    - die gute Luft
    - die Ruhe
    - das gute Angebot an Parkplätzen
    - die relativ gute Anbindung an den ÖPNV (vor allem an Hutholz Süd, das gut an das Straßenbahnnetz angebunden ist), daher auch kurze Wege zum Einkaufen und zu Ärztehäusern
    - die altersfreundliche Bauweise mit Aufzügen (in den WBS 70 - Elfgeschossern in Markersdorf Süd)
    - der niedrige Energieverbrauch (vor allem in den sanierten Gebäuden, die WG Einheit hat an jedem Eingang ihrer Häuser eine Energieverbrauchstafel angebracht und wirbt sehr offensiv damit)
    - die Identifikation mit dem genossenschaftlichen Eigentum (in den Gebäuden der WG Einheit)
    Ich habe die Mieter auch nach ihrer Einstellung zum Wohnen in den Gründerzeitquartieren gefragt. Sämtliche Mieter erklärten mir, dass sie dort auf keinen Fall wohnen wollten, vor allem, weil ihnen diese Quartiere zu steinern und zu laut wären.


    Ein Teil der Mieter wohnte (2008) in Hutholz Süd in Häusern, die der GGG gehörten. Diese wiesen zwar kaum Leerstände auf, sollten aber dennoch abgerissen werden. Einige Mieter zeigten mir ihren diesbezüglichen Briefwechsel mit der GGG, aus dem hervorging, dass Mieter hier oft auf ziemlich rüde Weise aus ihren Wohnungen vertrieben wurden. Viele Mieter hatten den Eindruck, dass die GGG Hutholz Süd systematisch zerstören will, um dadurch das Wohnen in der Innenstadt zu fördern.


    Ich habe auch mit Vertretern von Hauseigentümern gesprochen. Vertreter der WG Einheit haben mir vorgerechnet, dass Sanierungen in Markersdorf Süd und Hutholz Süd auch ohne Fördermittel rentabel wären, da das Verhältnis von Sanierungskosten und erzielbaren Mieten relativ günstig wäre. In jüngster Zeit wäre es der WG Einheit gelungen, gerade auch jüngere Mieter zu gewinnen und die Leerstände deutlich zu senken. Vertreter von Banken, die diese Sanierungen ja mit finanzieren, haben diese Aussagen bestätigt. Ähnlich äußerten sich Privateigentümer, die in Hutholz Süd größere Bestände besitzen und diese ebenfalls saniert haben.


    Das Stadtplanungsamt hat mit dieser Entwicklung sicher seine Probleme. Allerdings sind die Handlungsmöglichkeiten des Stadtplanungsamtes begrenzt, und ich habe auch Zweifel, ob es sinnvoll ist, eine Politik "gegen den Markt" und damit auch gegen die Wohnwünsche der Bürger zu machen.

  • Die heute veröffentlichten Pläne, im Zuge eines größeren Maßnahmepaketes zur Entschärfung von Unfallschwerpunkten auch die Geschwindigkeit auf der Leipziger Straße von 60 auf 50 km/h zu verringern, können auch ein kleiner Schritt zur Rettung der dortigen Altbauten sein. Ausreichen wird das natürlich nicht.

  • Bochmanns Ballhaus in der Frankenberger Str.

    Chemnitzer Morgenpost, 31. Januar 2011
    Neue Hoffnung für Bochmanns Ballhaus
    Von Corinna Karl
    http://www.sz-online.de/Nachri…allhaus/articleid-2675517


    FP, 28.12.2010
    "Es wird wieder aussehen wie einst"
    Jens Viertel über die Sanierung von Bochmanns Ballhaus
    http://www.freiepresse.de/NACH…ALES/CHEMNITZ/7556258.php


    Bauunternehmer Jens Viertel erweckt Bochmanns Ballhaus, das berühmte Kontaktlokal der 20er Jahre an der Frankenberger Str. 31 ( http://www.historisches-chemni…/bochmanns/bochmanns.html ) wieder zum Leben. Seit acht Jahren baut hier Maurer Michael Scheifl (61), unterstützt von Inhaber und Bauunternehmer Jens Viertel (39) und Thomas Lämmel (39). Sie sanierten erst die äußere Hülle. Viertel: „Die Kuppel hat ein Jahr in Anspruch genommen.“ Vor einigen Monaten wurde mit dem Innenausbau begonnen. Ferienwohnung und Büros sind bald fertig. Arbeit muß noch in den großen Saal gesteckt werden: „Der Rohbau der Bühne ist abgeschlossen, neueste Technik verlegt. Die Wände rundherum werden von alter Farbe befreit und verspachtelt“. Bald sollen hier Seminare, vielleicht Theater oder Hochzeiten stattfinden. Viertel: „Die Sanierung ist eine teure Geschichte. Wie viel wir reingesteckt haben, können wir so nicht sagen.“ Schon 2012 könnte Chemnitz einen seiner Schätze wiederhaben.

  • Auf der Doppelseite vom 28.12.2010 wurden noch weitere Chemnitzer Ballhäuser vorgestellt, etwa Baums Ballhaus im Lutherviertel, der Marmorpalast in Altendorf, Reichels Neue Welt (Altchemnitz) oder der Silbersaal "Zur Post" (Altchemnitz). Zwar ganz interessant, heutzutage kann man aber froh sein, wenn sich für Bochmanns Ballhaus alleine genügend Interessenten finden. Jens Viertel sagt zwar im Interview, daß man seit der äußeren Sanierung im Schnitt eine Anfrage pro Monat hat, bei dem geänderten Freizeitverhalten und den gesunkenen Zahlen der Jugendlichen muß man aber vorsichtig sein.

  • Im heute vom Sachsen-Fernsehen veröffentlichten Werbetext der GGG (Link) zu den aktuellen Auktionen findet sich wie eigentlich immer ein hinterfotziger Kommentar von Geschäftsführerin Kalew:


    Sehr freut mich, dass bereits jetzt vielerorts sichtbare Ergebnisse in Form von Sanierungsaktivitäten, wie an der Reichenhainer Straße, den Versteigerungen folgen. Bedauerlich finde ich hingegen, dass den vielfach polemischen Auftritten der Initiativen und Foren, die sich dem Erhalt historischer Substanz verschrieben haben, außer strittigen Empfehlungen bislang keine greifbare Taten gefolgt sind.


    Kein Wort davon, daß das hier angegriffene Stadtforum entscheidend an der Rettung der Augustusburger Straße 102 beteiligt war oder einen Investor für das abgerissene Haus Hartmannstraße 16 aufgetrieben hatte - das sind aber auch keine GGG-Objekte. Während es bei den Auktionen aber bisher fast immer Käufer gab, waren diese Gebäude direkt von Abriß bedroht. Aber wenn man sich wie die GGG eher dem Abriß von historischer Substanz verschrieben hat, darf man anscheinend erwarten, daß man nur Kritik an jahrzehntelangem Herunterwirtschaften und Abreißen stadtbildprägender Häuser äußern darf, wenn man auch Millionen in Kauf und Sanierung stecken kann. Eigenartiges Demokratieverständnis. Komischerweise hört man selbst von finanzkräftigen Investorenu und Chemnitzer Wohnungsunternehmen immer wieder von abschreckend hohen Kaufpreisvorstellungen der GGG. Wie ruinös die zu versteigernden Altbauten sind, wird dagegen natürlich mit keinem Wort erwähnt (Details siehe hier). Dafür läßt man sich noch für die Sanierungen feiern, die man selber nicht hinbekommen wollte.

  • Streichungen aus der Denkmalliste 2010

    Fand ich soeben mehr durch Zufall:


    Amtliche Bekanntmachung zu Veränderungen in der Denkmalliste der Stadt Chemnitz
    Amtsblatt 34. Ausgabe, 25.8.2010
    http://www.chemnitz.de/chemnit…att.asp?jahr=2010&monat=8
    http://www.chemnitz.de/publika…tsblatt/amtsblatt_293.pdf


    Amtliche Bekanntmachung zu Veränderungen in der Denkmalliste der Stadt Chemnitz
    Amtsblatt 35. Ausgabe, 1.9.2010
    http://www.chemnitz.de/chemnit…att.asp?jahr=2010&monat=9
    http://www.chemnitz.de/publika…tsblatt/amtsblatt_294.pdf S. 10-11

  • Tolles, trauriges Fundstück. Aus der Liste mit den "Streichungen aus der Denkmalliste 2010" werde ich aber nicht ganz schlau. DIe Objekte könnte man folgendermaßen kategorisieren (unvollständig):


    - Gebäude, die 2010 abgerissen worden sind oder definitiv abgerissen werden sollen (wahrscheinlich Adelsbergstraße 36, Carl-Hertel-Straße 4, Heinrich-Schütz-Straße 101+103, Palmstraße 21/23).


    - Gebäude, die bei den mehrere Jahre alten Bing-Luftbildern schon nicht mehr existierten (Lutherstraße 68, Palmstraße 1, Zwickauer Straße 149, Zwickauer Straße 161, Senefelderstraße 14, Ottostraße 5, Winklerstraße 24).
    Wenn ich bösartig wäre, würde ich unterstellen, daß das Denkmalschutzamt den Abriß seiner Schutzobjekte erst Jahre später gemerkt hat.


    - Gebäude, die so marode sind, daß sie eventuell deshalb den Schutzstatus verloren haben (vermutlich Limbacher Straße 222, Limbacher Straße 351, Müllerstraße 22, Paul-Gerhardt-Straße 58, Sebastian-Bach-Straße 2-6).


    - Gebäude, bei denen ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann oder will, daß sie für den Abriß vorgesehen sind (Scheffelstraße 118, Schulstraße 26 und 28, Waplerstraße 6, Kochstraße 7, Schiersandstraße 21, Am Gartenhof 13, Vettersstraße 26, An der Schmiede, Fichtestraße 47, Am Hahnberg, Neefestraße 69, Chopinstraße 32, Deulichstraße 6/8, Zwickauer Straße 171, Agricolastraße 71, Reichsstraße 32, Fichtestraße 33, Senefelderstraße 10, Am Ried, Blankenauer Straße 12, Further Straße 23, Lohrstraße 16, Tannenstraße 10, Fürstenstraße 12, Münchner Straße 27, Palmstraße 20, Elisenstraße 24, Jägerstraße 1, Theaterstraße 54, Untere Aktienstraße 8).
    Muß man sich etwa um all diese Objekte Sorgen machen? Ich kann natürlich nicht auf Anhieb wissen, ob alle diese Häuser aktuell noch stehen.


    Ideal wäre natürlich, man würde die noch stehenden, aber gestrichenen Gebäude fotografisch dokumentieren...


    Das Denkmal gegenüber der Wolgograder Allee 74 ist ein interessanter Sonderfall, leider kenne ich das nicht.

  • Soweit ich mich erinnere, handelt es sich bei dem Denkmal um ein Denkmal für Antifaschisten. Wir mussten da als Kinder zu DDR Zeiten mal hin ...