Stadt der Moderne - Stadt im Umbruch

  • Lange nicht mehr über die Stadt Chemnitz aufgeregt? Kein Problem. Wenn man folgende Pressemitteilung liest, die die weitere Begrünung der Augustusburger Straße feiert und damit den Abriß dieser zwei Gebäude (wahrscheinlich beide denkmalgeschützt) meint, kommt einem der Kaffee wieder hoch. Solche Formulierungen muß man eben finden, wenn OB Ludwig und Baubürgermeisterin Wesseler verkündet haben, daß in Chemnitz keine Gründerzeithäuser mehr abgerissen werden. Vielleicht macht schnell noch jemand Fotos?


    PRESSEMITTEILUNG 776 Chemnitz, den 26.10.2009


    Augustusburger Straße wird weiter begrünt


    Im Bereich der Hausnummern 200 und 202 der Augustusburger Straße wird der Grünzug erweitert. Der seit den 1970er Jahren konsequent entwickelte Grünzug Augustusburger Straße wird damit weiter vervollkommnet.
    Mit der Durchführung der Maßnahme ist die Firma Becker Umweltdienste GmbH, Sandstraße 116, 09114 Chemnitz beauftragt. Die Arbeiten beginnen in den nächsten Tagen. Die Fertigstellung ist bis Jahresende 2009 vorgesehen. Die Kosten für den Abbruch und die einfache Begrünung betragen rund 50.000 Euro. Die Maßnahme wird vollumfänglich gefördert.


    Quelle: http://www.chemnitz.de/chemnit…oher=1&jahr=2009&monat=10

  • Die größtenteils während der DDR Zeit vorangetriebene Zerstörung der kleinteiligen und lebendigen Augustusburger Straße als konsequente Begrünung zu bezeichnen und den Abriss der zwei wirklich schönen Gründerzeitgebäude als Fortsetzung dieses "erfolgreichen" Weges zu kommunizieren ist unglaublich dumm.


    Das bestärkt mich in meiner Annahme das die derzeit Verantwortlichen der Stadt Chemnitz fehl am Platz sind und abgelöst werden müssen.

  • Was ist eigentlich an der Formulierung der Stadt so verwerflich? Meinetwegen hat man die kleinteilige, lebendige Augustusburger größtenteils während der DDR-Zeit zerstört - ich kanns nicht beurteilen, ich kenne die Straße nur als Straße mit breitem Grüngürtel nebst Straßenbahn und früher als Auslaufzone beim winterlichen Rodeln auf der Martinstraße. Egal - fakt ist: wenn es eine ehedem vitale Augustusburger gegeben hat, ist dies seit mehreren Jahrzehnten Geschichte und kein Argument für heutige Entscheidungen. Drum - Blick auf die Situation heute: die Augustusburger als eine der sternförmig vom Zentrum wegführenden Ausfallstraßen, wenn auch nicht mit der Leipziger oä. Kalibern vergleichbar, trennt Sonnenberg und Lutherviertel, Gablenz und Adelsberg (grob). Auf dem Grüngürtel stehen tatsächlich kaum noch Gebäude: vorn an der Clausstraße zwei, dann das EFH mit Getränkehandel, dann diese beiden. Ansonsten nichts bis zum Gablenzplatz. Mein Empfinden beim Radfahren/Joggen o.ä. auf dem Radweg/Uferstraße in diesem Grüngürtel: dieser trennt die Stadtteile indem er sie als von beiden Seiten nutzbares Grünband verbindet.
    Konkret zu den beiden Gebäuden: In welchem Zustand befinden sich diese? Sind die noch bewohnt oder stehen beide leer? Die Lage ist auf jeden Fall bescheiden: direkt hinter dem Haus und dem kleinen Hof verkehrt die Straba, direkt vorm Haus verläuft die Augustusburger, die just an der Stelle durch die komplizierte Ampelanlage Gablenzplatz hohes Verkehrsaufkommen, Staugefahr, Lärm durch Abbremsen, Anfahren usw. aufweist. Exakt vor beiden Häusern stehen die stadtauswärts an der Ampel wartenden Pkw. Dazu ein nahes Gegenüber (mit hässlichen Nachwendebauten).
    Mein Fazit: ohne dass ich die aktuelle Situation kenne (bewohnt, leerstehend? Zustand?) wären das zwei Gebäude, bei denen ich über das dogmatische "Altbau erhalten" gern kritisch nachdenken würde. Aber das wisst ihr ja... ;)


    Untermieter

  • Genau, manche Geister sind eben mit "nichts" zufrieden. Davon können Menschen und eine Stadt aber nicht leben.


    Mod.: Bitte sachlich bleiben.

  • Cherubino, gehe doch bitte mal auf meine Fragen und Argumente ein, statt dich beleidigt auf im Unterton unhöfliche Vorwürfe zurückzuziehen. Vielleicht zuerst die Fragen nach Zustand und Leerstand, schließlich beeinflusst das die Sache aus meiner Sicht stark. Wie gesagt, in der Sache finde ich den Einsatz für alte Bausubstanz richtig und wichtig. Dogmatisches und damit einseitiges Bewerten aber finde ich falsch. Konkret in diesem Fall zB kann die Stadt, so dort niemand wohnt, sehr gut ohne diese beiden Häuser leben, weil diese beiden Häuser eben grad den sonst praktisch durchgängigen Grünzug unterbrechen. Hier bietet sich eine sachliche Diskussion zwischen hist. und baulichem Wert einerseits und städtebaulicher Notwendigkeit und Bedarf andererseits geradezu an.


    Untermieter

  • Da hier weiter oben ein Vergleich Leipzig versus Chemnitz angestellt wurde und gleichzeitig eine Korrelation zwischen Wirtschaftskraft und Bevölkerungsentwicklung hergestellt wurde, hier ein paar trockene Zahlen:
    Leipzig
    Arbeitslosenquote 15,5%
    Einwohnerverlust 31.12.1989 zu 31.12.2008: 2,74%


    Chemnitz
    Arbeitslosenquote 13,0 %
    Einwohnerverlust 31.12.1989 zu 31.12.2007: 18,87%


    Mit der Arbeitsplattzdichte und Wirtschaftskraft liege Leipzig im "Hinterfeld der deutschen Großstädte". Mit dem Umsatzwachstum der Industrie in Chemnitz lag die Stadt 2008 "das vierte Jahr in Folge" über dem Durchschnitt in Folge. Mit der Wirtschaftskraft pro Einwohner habe Chemnitz deutschlandweit einen Platz im vorderen Drittel.

    Chemnitz zählt zum fünften Mal in Folge zu den zehn wachstumsstärksten Städten. Auch hinsichtlich der Wirtschaftsfreundlichkeit der Stadt belegt Chemnitz 2008 einen dritten Platz und rangiert damit zum dritten Mal in Folge unter den Besten Zehn.


    Quelle:
    http://de.wikipedia.org/wiki/C…ntwicklung_und_Demografie
    http://de.wikipedia.org/wiki/Leipzig#Einwohnerentwicklung


    Ende der Durchsage

  • Ich kenne die Häuser dort. Sie sind städtebaulich wie auch architektonisch sehr reizvoll, wenn man als Eigentümer 20 Jahre nichts daran macht,,, verfallen sie natürlich. Ganz klar,,,,, ein bekannter Weg. Nichts neues aus Chemnitz.

  • Erkläre mir als interessiertem Laien doch mal bitte, aus welchen Gründen die beiden Gebäude "städtebaulich sehr reizvoll" sind. Habe ja oben schon zweimal meine Gründe genannt, weshalb ich eben diesen Reiz nicht erkenne.
    Zu dem Umstand, dass Eigentümer ihre Objekte über Jahre verfallen lassen, stehe ich im Prinzip auf dem Standpunkt, dass der Fehler da eher nur bedingt bei der Stadt zu suchen ist, wenngleich ich diesbezüglich hier im Forum schon interessante Gedanken von lguenth gelesen habe.
    Über den architektonischen Reiz der beiden Gebäude kann ich mich nur sehr beschränkt auslassen, weil mir dazu das Fachwissen fehlt. Rein subjektiv würde ich jedoch viele, viele andere heruntergekommene Häuser vor den beiden hier besprochenen in die Kategorie "verfallen, aber unter dem bröckelnden Putz ein Kleinod" einordnen. Rein subjektiv.


    Untermieter

  • Untermieter: Was mich an der Pressemeldung so aufregt, ist die bewußte Verschleierung des eigentlichen Themas. Daß der Öffentlichkeit ein Gebäudeabriß als Erweiterung eines Grünzuges verkauft wird, ist undemokratisch und erinnert mich eher an Meldungen aus der letzten deutschen Diktatur, wo man die wenigen Brocken Wahrheit auch zwischen den Zeilen finden mußte. Eine korrekte Pressemitteilung hat gefälligst den Abriß klar zu thematisieren und diesen argumentativ zu erläutern, wenn dies wie hier offensichtlich nötig ist.
    Zweiter Grund zum Aufregen ist der offensichtliche Widerspruch zur Aussage von OB Ludwig, die sich für ein Moratorium in Bezug auf den Abriss von Gründerzeithäusern ausgesprochen hatte. Man könnte hier auch von Lüge sprechen.
    Dritter Grund ist die Leichtfertigkeit, mit der trotz bestehendem Denkmalschutz Abrißgenehmigungen erteilt werden. Auch hier sehe ich in der entsprechenden, äußerst detailarmen Karte im Stadtentwicklungskonzept (Seite 10) eine bewußte Verschleierung von Fakten. Trotzdem bin ich mir ziemlich sicher, daß die beiden Häuser unter Denkmalschutz (sic!) stehen.


    Wie Du siehst, gibt es hier mehr als genug Grund zur Aufregung, selbst ohne ein Wort zum Für und Wider des Erhalts der Gebäude Augustusburger Straße 200 und 202 zu verlieren. Ich persönlich empfinde das auch hier verfolgte Konzept der Entwicklung von Grünzügen entlang der Haputverkehrsstraßen als "ablesbare Zonierung zwischen den Baukernen" als absolut verheerend, weil so die Stadt im öffentlichen Bewußtsein zerpflückt wird und irgendwann nicht mehr als solche wahrgenommen wird. Ich hatte vor ein paar Monaten schon mal über die Diskrepanz zwischen der Urbanität von Leipzig und der Chemnitzer Ansammlung von Brachflächen und Autohäusern geschrieben. Chemnitz dürfte hier ein europaweit einmaliges Konzept verfolgen. Die bisherigen Ergebnisse in der Bevölkerungsentwicklung sprechen für sich. Insgesamt ist auch der Abriß dieser städtebaulich wertvollen, entwicklungsfähigen Häuser in eigentlich attraktiver Lage ein Grund zur Aufregung. Da bleibe ich ganz dogmatisch :)

  • Und die Freie-Presse-Meldung, die den Diskussionsstand im Stadtrat zum Stadtentwicklungskonzept zusammenfaßt, zeigt, daß meine Meinung zu den Einfallstraßen tatsächlich auch im Stadtrat vertreten wird. Grüne und FDP sind in meiner Wahrnehmung sowieso die einzigen Fraktionen, die positive Anstöße zur Entwicklung der Stadt geben. Ein Arnutszeugnis vor allem für CDU und SPD. Den neuen Schwerpunkt auf den Erhalt der Stadtteile Markersdorf und Hutholz hat man beispielsweise einem CDU-Antrag zu verdanken, dem natürlich auch andere zugestimmt haben. Glückwunsch.
    Sehr beachtlich auch die FDP-Forderungen nach einer Erhaltungssatzung für die Innenstadt bis zur Müllerstraße und einem verstärkten Engagement der wichtigen Wohnungsunternehmen und -genossenschaften in der Innenstadt. Bis zum 1. Quartal 2011 sollen übrigens die Entwicklungskonzepte zu allen 39 Stadtteilen erstellt werden.

  • lguenth, die von dir im ersten Absatz genannten Argumente erklären deine Empörung gegen diese Pressemitteilung der Stadt. In der Tat sind das kritikwürdige Punkte.
    Auch das Argument mit dem Eindruck der Zerpflückung der Stadt zwischen den Stadtteilen durch die Grünzüge entlang der Hauptverkehrsstraßen finde ich bedenkenswert, wenngleich hier im konkreten Fall, da nur die beiden Häuser (und die insg. drei anderen viel weiter stadteinwärts) in dem Grünzug stehen, wohl eher nicht mehr davon gesprochen werden kann, dass mit diesen beiden Gebäuden eine Verbindung zwischen den Stadtteilen über den Grünzug hinweg besteht. Drum also auch an dich nochmal meine Frage: worin besteht der städtebauliche Wert dieser beiden Häuser? Und worin besteht die "eigentlich attraktive[.] Lage" dieser Gebäude?

  • Interessante Zahlen, DrZott, denen ich ein paar Gedanken hinzugesellen möchte.


    Abgesehen von der Binnendifferenzierung des Arbeitsmarktes: warum hat Chemnitz trotz dieser anhaltenden Wachstumsziffern immer noch eine vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit?
    Auch wenn derlei hypothetische Fragen Unsinn sind: Wo läge denn heute die Arbeitslosigkeit in Chemnitz, wenn nicht 80.000 Menschen die Stadt verlassen hätten? Ich finde, dieser Gedanke relativiert ein Stück weit deine dennoch beachtlichen Zahlen zum Vergleich der Städte.
    Aus meiner Sicht bleibt die berufliche und damit finanzielle Perspektive der wichtigste Posten bei der Wahl des Wohnortes. Das Image der Stadt ist unter den softskills sicher von Bedeutung, doch höre ich da eigentlich eher Kritikpunkte wie das subjektiv empfundene geringe kulturelle Angebot, die Altersstruktur der Stadtbevölkerung, in letzter Zeit oft auch die Meinung, Chemnitz sei von den Menschen her zu miefig, provinziell. Hingegen habe ich bislang noch nicht gehört, dass jemand wegen der städtebaulichen Situation weggezogen sei. Aber vielleicht gibt es da ja auch andere Erfahrungen?

  • Ich spare es mir mal, im Detail auf die Bedeutung von Kulturdenkmalen einzugehen. Wie negativ sich der Abriß von hunderten Denkmalen auf das Gesicht einer Stadt auswirkt, kann man überall in Chemnitz sehen. Natürlich sind hier bereits seit Jahren Fakten an der Augustusburger Straße geschaffen worden, die auch die Argumente für diese beiden Häuser weniger werden lassen. Die gleiche Strategie verfolgt man bekanntlich auch anderswo im Stadtgebiet: Mit jedem abgerissenen Haus wird der Abriß weiterer Gebäude im Straßenzug einfacher.
    Das Hauptargument gegen die Gebäude, nämlich die angeblich zu hohe Verkehrsbelastung, ist für mich keines. Einerseits finde ich die Verkehrsströme auf der Augustusburger wenig gewaltig, andererseits ist gerade der direkte Straßenbahnanschluß ins Zentrum ein Standortvorteil. Die oft beklagte fehlende Attraktivität von verkehrsreichen Lagen wird sowieso überbewertet. Das klingt vielleicht etwas weit hergeholt, aber ich wohne selbst an einer vierspurigen Bundesstraße und einer Bahnstrecke, profitiere aber von der Nähe von Innenstadt und Bahnhof. Im Leipziger Forumsbereich wird doch bebildert, wie auch solche Standorte zunehmend von Sanierungen erfaßt werden.

  • Natürlich ist es um die übergroße Mehrzahl alter Kulturdenkmale schade, natürlich schaden die Perforation und das Ausdünnen dem Stadtbild. Gar kein Widerspruch und drum ist es so wichtig, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen und die Entscheidungsträger diesbezüglich zu einem Umdenken zu bewegen. Ansatzpunkt für solche Überlegungen ist aber eben eine signifikante EW-Steigerung. Selbst die Aufgabe weiter Teile der Platten mit dem Hinweis auf die zweite Leerstandswelle in den nächsten 10,15 Jahren löst das Problem nicht wirklich, weil die alten Herrschaften eben auch die Altbauten nur noch für die nächsten 10,15 Jahre bewohnen würden (abgesehen davon, ob diese alten Herrschaften dem Willen der Stadt überhaupt folgen wollen würden) und selbige danach gleichfalls wieder Leerstand aufweisen würden. Wir würden in 10,15 Jahren immer noch hier sitzen und über den Abriss von Altbauten debattieren. Es läuft nur über den Zuzug/Verbleib von jungen Menschen. Du sprachst anderswo u.a. das hohe Pendleraufkommen an. Hier müsste die Stadt mMn ansetzen, ergründen, weshalb die Menschen nicht in Chemnitz wohnen sondern pendeln. Am fehlenden attraktiven Wohnraum mangelt es schon jetzt nicht, die Ausweisung innerstädtischer EFH/DH/RH-Wohngebiete ist auch vorangekommen, Projekte wie die Stadthäuser gibt es auch. Kommunikation?
    Bzgl. der hier diskutierten Gebäude werde ich mich bei Gelegenheit wohl mal aufmachen müssen, selbige in Augenschein zu nehmen. Meine Erinnerung sagt mir, dort selbst bei eigentlich vertretbarem Verkehrsaufkommen auf der Augustusburger (was ich oben ja auch schon anmerkte) stadtauswärts fast immer vor den Häusern entlang gestanden/gestaut zu haben, weil die komplizierte Ampelanlage am Gablenzplatz für vglw. lange Rotphasen sorgt. Für mich schon ein Unterschied, ob der Verkehr flüssig vorbeifließt oder vor meinem Fenster im Stand rumtuckert. Allerdings könnte man für deine Sicht ins Feld führen, dass ja der Südring weitergebaut werden soll und dann (wann?) mglw. ein guter Teil des bisherigen Verkehrsaufkommens entfällt (Studie über die Zusammensetzung des Verkehrs an der Kreuzung?).
    Den Straßenbahnanschluss als Vorteil zu werten - klar. Muss halt jeder für sich entscheiden, ob er die zugehörigen Gleise paar Meter hinter der Hoftür (sind das überhaupt 5m?) haben möchte. Insofern: Zugeständnis, dass sich mglw. auch jemand für diese Objekte erwärmen könnte.
    Den Zuschlag dieses Vorgangs zu der vermeintlich "üblichen" Strategie in Chemnitz, durch den Abriss von Gebäuden den Abriss weiterer Gebäude am Ort leichter zu begründen, halte ich hingegen im konkreten Fall für nicht zutreffend, eben weil es in dieser Situation nicht um eine in den letzten Jahren, sondern vor Jahrzehnten entstandene Situation geht. Wenn man rundrum in den letzten Jahren abgerissen hätte, ja. Aber wann sind denn dort ggf. benachbarte Gebäude abgerissen worden?

  • @ Untermieter respective #454: Es ist immer die Frage, wie man Zahlen liest! ;) Einerseits spricht die eher negative wirtschaftliche Entwicklung Leipzigs nicht dafür, daß eine hohe Wirtschaftskraft in Leipzig Grund für das Bevölkerungswachstum sein kann. D'Accord? Sie haben aber leider (;)) auch Recht: weniger Menschen insgesamt verbessern anscheinend die von mir zitierten Zahlen bezüglich Arbeitslosenquote und Wirtschaftskraft pro Einwohner in Chemnitz.
    Nun, ich versuche es mit dem subjektiven Empfinden: bei Gesprächen mit vornehmlich jungen Leuten wird immer die Attraktivität Leipzigs als benannt, die sich explizit aus Optik, Leben und Kulturangebot ergibt. Diese Faktoren sind letzten Endes das, was Gewährsmann lguenth1 als Urbanität bezeichnet. Urbanität in unserem Sinne ist eben auch durch viele Menschen, viele Ereignisse und dem Gefühl des Umfangenseins determiniert: es stehen eben, ganz schlicht erklärt, viele attraktive Häuser dicht auf engem Raum. Das Gefühl von Stadt, von Geborgenheit, ja: von Urbanität wird somit durch die Umbauung der unmittelbaren Stadtumgebung erreicht. Wenn diese Umbauung aus - nun ja: schönen Gebäuden besteht, verstärkt sich dieser Effekt. Übrigens kann man damit auch die Beliebtheit mittelalterlicher Städte begründen: es gibt keine ewiglangen Sichtachsen. Jetzt versuche ich die Konklusion zum Thema:
    Gründerzeitliche / Albaugebiete sind im obigen Sinne urban gebaut. Perforiert man diese, verliert eine Stadt Urbanität und ergo Attraktivität. In Leipzig finden wir noch solche als positiv wahrgenommene Räume - in Chemnitz werden die immer weniger.
    Nächster Absatz: das Bevölkerungswachstum Leipzigs generiert sich hauptsächlich aus a) immer mehr Geburten und b) Zuzug aus dem (nicht-urbanen!) Umland. Die jungen Leute, die hier Kinder produzieren, tun dies auch, weil sie sich hier wohlfühlen; der Zuzug ist auch durch Urbanität begründet. Urbanität hat auch ein paar hard facts auf der eigenen Seite: kurze Wege, Unabhängigkeit vom Auto, Einsparung von Zeit und Energie. Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

  • Ich schließe mich lguenths Meinung an. Ich war heute vor Ort um die Häuser zu fotografieren. Zu meiner Überraschung waren sie schon weg. Sie wurden seit ende letzter Woche abgerissen. Also kam die Pressemitteilung clevererweiße als schon alles zu spät war. Ich stell die Bilder im Laufe des Tages auf baudenkmäler-chemnitz.de ein.

  • Weil Sie zurecht auf die Lesart von Statistiken hinwiesen, möchte ich mich auf die beiden anderen genannten Punkte beziehen.
    Ich habe weiter oben bereits angesprochen, dass ich gleichfalls eine gute Menge Stimmen vornehmlich junger Leute zum Thema Attraktivität der Stadt kenne und kann -wie oben schon geschrieben- bestätigen, dass Leben (subjektiv zu definieren) und Kulturangebot als Grund für das schlechte Image genannt werden. Von der Optik, sprich dem Stadtbild, habe ich hingegen bislang praktisch nicht als Grund für die negative Meinung gehört. Aber gut - das lässt sich ohnehin schwer prüfen, weil subjektiv. Noch ein Punkt: da ich lange Jahre in Dresden leben konnte, fällt mir die Vitalität der Stadt bei jedem Besuch umso mehr auf, wenn Chemnitz dazu als alltäglicher Vergleich herhalten muss. Allerdings sind es nicht Dichte und Schönheit der Bebauung (wenngleich die Bautätigkeit beeindruckt), sondern eben die a) vielen und b) vielen jungen Menschen auf den Straßen, im ÖPNV, in den Kneipen, Theaterbühnen, ..., die beeindrucken und das Gefühl einer lebendigen Stadt vermitteln. Grad die Neustadt als Szeneviertel oder grad die vielen Bühnen und Kinos sind nun wahrlich nicht grad die attraktivsten/schönsten/architektonisch reizvollsten Ecken. Ich bleibe dabei: das Argument, die Menschen zögen zu, weil sie eine dichte, reizvolle, schöne Stadt vorfinden trägt aus meiner Sicht nicht. Grad Dresden zB zieht Unmengen junger Leute mit seiner Volluni, den anderen Hochschulen, der großen Medfak, den Kunsthochschulen. D.h., viele "Branchen", die eben auch an kulturellem Leben Anteil nehmen, prägen, mittun oder doch mind. konsumieren. Die Chemnitzer Uni ist diesbezgl. zu technisch, hier studieren viele Technik-Freaks oder Leute, die aus der Umgebung/aus Chemnitz selbst stammen. Damit fällt die Uni als sehr starker Magnet für Chemnitz aus, prägt das Studentenvolk die Stadt zu wenig. Hier könnte/müsste man gedanklich ansetzen, um junge Menschen nach Chemnitz zu ziehen und hier zu halten.
    Zum zweiten Absatz und den hardfacts der Urbanität. Alles richtig, aber: "isch abe gar kein Auto" und empfinde grad im Vergleich mit den riesigen Strecken in Dresden Chemnitz als ultrakompakte Stadt (auch mit ihren Baulücken). Der einzige weitere Weg für den Radler/ÖPNV-Nutzer ist jener ins Clubkino, alles andere ist gleich um die Ecke. Und nun? Allerdings gestehe ich zu, dass diese Einschätzung als Fußgänger zwar von den reinen Entfernungen her bestehen bleibt, durch die großen Verkehrsachsen und Freiflächen aber natrl. nachteilig verzerrt wird. Sprich: natrl. könnte der Eindruck einer kompakten Stadt durch dichtere Bebauung noch viel stärker ausfallen, allerdings ist selbiger auch schon allein durch die räumliche Umfassung der Stadt gegeben. Oder anders: natrl. wirken die vielen Freiflächen und weiten Räume auch auf mich nicht positiv, doch sehe ich die Ursachen für die mangelnde Lebendigkeit von Chemnitz auf anderen Feldern (wie oben dargestellt), d.h.: die Gleichung schöne, dichte Bebauung = Vitalität ist aus meiner Sicht unzutreffend.

  • Vielleicht ist alles auch nur eine Mentalitätsfrage? Denn vom Kulturangebot sehe ich den Abstand von Chemnitz zu seinen Pendants an Elbe und Pleiße eigentlich gar nicht so dramatisch. Auch genutzt werden Sachen wie Museumsnacht etc. nach meinem Eindruck aus der Ferne ganz ordentlich. Die Stimmung scheint mir schlechter als die Lage zu sein...


    Übrigens darf ich heute die Stadt mal loben: Die Stadtverwaltung Chemnitz will den Umbau der Markthalle zu einer Sportarena nicht unterstützen. Gründe hierfür sind hohe Baukosten, hohe Betriebskosten, fehlende Fördermittel, eingeschränkte Betriebszeiten durch Schallschutzprobleme etc. Der aberwitzige Plan, der zu Millionenbelastungen im Haushalt geführt hätte, ist somit wohl ad acta gelegt. Konsequenz ist allerdings eine weiter leerstehende Markthalle. Die Alternativpläne der Messe sehen ebenfalls einen Sporthallenneubau vor, was ich aber auch an diesem Standort für wenig sinnvoll erachte.

  • http://www.sz-online.de/Nachri…_Riesen/articleid-2303554


    Auch so etwas gibt es,,,, man muss es respektieren ..............


    An der Stelle muss ich sagen hätte eine Sanierung des Hochhauses und aller Umgebungsbauten (inzwischen zum Teil bgerissen) städtebaulich auf jeden Fall Sinn gemacht. Allerdings nicht mit dem demokrafischen Hintergrund der Stadt Chemnitz. Obwohl,,, hätte man Konsequent die Satelittenviertel zurück gebaut wäre vielleicht auch dafür Platz gewesen. 50er und 60er Jahre Bauten sind auch ein Teil der Stadtlandschaft und Architektonisch nicht unbedingt schlecht.

  • Der Abriß solcher Großplattenbauten mit hunderten Wohnungen ist der einzig sinnvolle Weg zur Konsolidierung des Wohnungsmarktes. Mir sind am Artikel zwei Details aufgefallen: Einmal die lange Zeit vom Auszug der Mieter bis zum Beginn des Rückbaus, zum anderen die Ersatzwohnung in der Clausewitzstraße, die letztlich auch nur ein Plattenbau im umkippenden Yorck-Gebiet ist. Das kann man der GGG nicht einmal zum Vorwurf machen, sie muß natürlich zusehen, die Mieter mit aller Macht in ihren eigenen Wohnungen zu halten. Herr Gerlach sollte sich aber darauf einrichten, in seinem Leben noch einmal umziehen zu müssen...


    Da ich am Sonntag auf der Hofer Straße unterwegs war, ist mir ein wirkliches Negativbeispiel ins Auge gefallen. Das Gebäude Humboldtstraße 50 ist inzwischen nämlich Geschichte (eigenes Bild):


    Chemnitzer hatte bereits geschrieben, daß auch das letzte Gebäude in der angrenzenden Hofer Straße demnächst saniert wird. Auch die derzeit laufenden Sanierungen zweier Gründerzeitgebäude sind wie die gesamte Straße eine absolute Augenweide. Leider hatte ich keine Kamera dabei. Warum die GGG diesen idealen Standort (Schule, Einkaufsmöglichkeiten, Gärten, wenig Verkehr, durchgängig saniert, ...) nicht für eine Sanierung auswählt, sondern stattdessen die Abrißbirne zum Einsatz bringt, ist mir völlig unverständlich.