Stadt der Moderne - Stadt im Umbruch

  • Stadt der Moderne - Stadt im Umbruch

    Zuerst möchte ich dem Forum und seinen Nutzern ein Kompliment aussprechen: Es ist gelungen, die derzeitigen Umbrüche in Leipzig hier lebendig werden zu lassen. Wenn man bei der Welt liest, daß Leipzig seit der Wende 40.000 Einwohner vom Stadtrand ins Zentrum gelockt hat, dann muß das zur hier gezeigten Vielfalt von anspruchsvollen Sanierungen führen. Und auch wenn wir alle wissen, wie weit der Weg noch ist, wie schwierig die wirtschaftliche Lage bleibt, so muß es doch derzeit eine Freude sein, Bürger Leipzigs zu sein.
    Ich selbst sehe das aus der Perspektive eines Bewohners einer der vielen wunderschönen, aber nach der Wende darniederliegenden Kleinstädte im Herzen des Sachsendreieckes, der mehr oder weniger Beziehungen in alle drei Oberzentren hat. Weit mehr als Leipzig ist für mich jedoch Chemnitz zweite Heimat. Diese ewig zu kurz gekommene Stadt soll deshalb in diesem Thema etwas näher beleuchtet werden.
    Das heutige Chemnitz hat seine Rolle vor allem in der Gründerzeit gefunden, als mit der einsetzenden industriellen Revolution sein lärmendes Herz aus Fabriken, Schloten und Maschinen zu schlagen begann. Chemnitz wurde zum sächsischen Manchester, zum Ruß-Chemnitz. Innerhalb von nur 30 Jahren verdreifachte sich die Einwohnerzahl auf 300.000 Personen. Dies ging einher mit einer völligen Überformung mit Gründerzeitbauten. Historische Bauten sind hingegen absolute Mangelware.
    Seit den zwanziger Jahren hat die Stadt jedoch eine Reihe von Rückschlägen hinnehmen müssen. Schon durch die Weltwirtschaftskrise getroffen, haben die angloamerikanischen Bombenangriffe mit dem Höhepunkt am 5. März 1945 der Stadt fast den Rest gegeben. Sage und schreibe 95 % der Innenstadt wurden zerstört. Der Wiederaufbau der neuen sozialistischen Musterstadt, die seit 1953 den Namen von Karl Marx trug, geschah unter völliger Mißachtung des historischen Stadtgrundrisses. Den Planungen der SED-Bonzen verdanken wir heute die Verbauung der innenstadtnahen Bereiche mit Wohnblocks in Großplattenbauweise. Und während die Gründerzeitviertel mehr und mehr verfielen, begann 1974 der Bau des riesigen Plattenbauviertels namens "Fritz-Heckert-Gebiet". Dieses saugte bis zu 90.000 Chemnitzer auf.
    Mit der Wende setzte erneut eine dramatische Entwicklung ein. 20 Prozent der Einwohner verließen die Stadt, deren bauliche Hülle für 400.000 Einwohner konzipiert war, aber nur noch 250.000 beherbergt. Bis heute haben die Stadtoberen kein schlüssiges Konzept gefunden, wie sie auf diese Entwicklung reagieren sollen. Vor allem die stadteigene GGG setzte und setzt vor allem auf die Sanierung ihrer riesigen Plattenbaubestände, während denkmalgeschützte Gründerzeitbauten nahezu wahllos aus Häuserzeilen herausgerissen werden. Das Ergebnis ist beiderseitig verheerend: Die Gründerzeitviertel sind bis auf die leuchtende Ausnahme Kaßberg noch immer verfallen und perforiert, trotzdem ist der Bevölkerungsschwund in den Plattenbaugebieten unaufhaltsam.


    Den Chemnitzer jedoch scheint all das nur wenig zu interessieren. Deshalb befürchte ich auch, dass dieses Thema bald wieder im Nirvana verschwindet. Ich kann mich jedenfalls aus Baden-Württemberg nicht wirklich darum kümmern.


    Jetzt zu den heute gemachten Impressionen aus Chemnitz. Ihr könnt meinen Weg gerne bei Google Earth mitverfolgen. Hauptsächlich war ich auf dem Sonnenberg, einem übel beleumundeten Gründerzeitviertel, und in der Innenstadt unterwegs. Beginnen wir in der Reinhardtstraße. Hier will die GGG kurz vor knapp schnell noch die Häuser Reinhardtstraße 18 und 20 und Palmstraße 21 wegreißen:


    Reinhardtstraße (die Sanierungswürdigkeit steht bei einem Blick ins Innere außer Frage)




    Palmstraße 21


    Solcherlei Abrisse bieten fantastische Einblicke ins Stadtgebiet und werten auch die umliegenden Gebäude auf. Vor allem der Abriß von Eckgebäuden ist empfehlenswert.





    In der Sebastian-Bach-Straße waren vor Jahren schon große Sanierungspläne in der Zeitung. Wer kennt solche Ankündigungen nicht. Das ist daraus geworden:


    Doch auch auf dem Sonnenberg gibt es Lichtblicke – folgende Sanierungen sind allesamt von der Firma Wahl + Partner in Angriff genommen worden. Die scheint für meinen externen Blick die Chemnitzer Entsprechung zur Leipziger Stadtbau AG zu sein. Auf allen Baustellen wurde tatsächlich gewerkelt.


    Sebastian-Bach-Straße 20


    Würzburger Straße 43



    Markustraße


    In den Kasernen auf der Heinrich-Schütz-Straße sollen demnächst mehrere Schulen untergebracht werden. Mal schauen...




    Vielleicht wird das Ergebnis ähnlich sehenswert wie die Humboldtschule:


    Ein Beispiel für sehenswerte Industriearchitektur (Hofer Straße)


    Der Hort des Bösen (GGG in der Clausstraße, bezeichnendes Foto):


    Auch das Gebäude Humboldtstraße 50 wird fallen – trotz der ruhigen Wohnlage und des guten Zustandes. Hier habe ich aber auch eine Unterhaltung von zwei Rentnern aufgeschnappt, die sich über 10 Chaoten und ihre laute Musik ereiferten. Man darf nicht vergessen, dass 30% der Sonnenberg-Bewohner Hartz-4 beziehen. Nur wenige schwarze Schafe darunter reichen aus, um allen umliegenden Häusern das Leben zur Hölle zur machen.


    Abschließend noch ein paar Eindrücke der Innenstadt, die seit einigen Jahren wieder aufgebaut wird. Man darf nicht vergessen, dass hier vorher wirklich eine große Leere war. Es gab schlicht und ergreifend kein urbanes Zentrum, die Kaufkraft war komplett in die neuen Einkaufscenter auf der grünen Wiese abgewandert – eine politische Entscheidung der Nachwendezeit, unter der die Stadt bis heute bitterböse zu leiden hat.


    Der zentrumsnahe Volksfestplatz. Dieser ist gerade erst für eine Million Euro hergerichtet worden und wird jetzt wohl wieder für den Neubau eines Porta-Möbelhauses geopfert. Porta sucht seit sage und schreibe neun Jahren einen Standort – damit ist alles zu den stadtplanerischen Leistungen der Stadtspitze gesagt.


    Vermutlich wird auch die Hartmannfabrik weichen müssen, das Herz der Chemnitzer Industriegeschichte. Allerdings handelt es sich hierbei um eine Ruine, für die ich keine sinnvolle Nutzung sehe. Schwierige Entscheidung...


    Der vorletzte Neubau der Innenstadt ist dieses abscheuliche Parkhaus. Aber wer mit dem Chemnitz-Center konkurrieren will, muß für günstige Parkmöglichkeiten sorgen.


    Die eigentliche Innenstadt mit Galerie Roter Turm und Markt:


  • Erstmal willkommen im Forum lguenth1.
    Ich finde Chemnitz ein spannendes Thema und hab deinen Beitrag interessiert gelesen. Für meine Wahrnehmung hat diese Stadt zwei extreme Seiten. Auf der einen Seite ist dort die verhältnismäßig gute wirtschaftliche Entwicklung vor allem im Maschinenbau und dem damit verbundenen Abbau von Arbeitslosigkeit (vor allem im Vergleich zu Leipzig) als auch die Gunzenhauser Sammlung, die viele Kunstfreunde nach Chemnitz zieht. Die andere Seite sieht man halt wenn man dort ist. Ich muss ehrlich sagen mein vorherrschendes Gefühl als ich letztes Jahr mal da war, war "So schnell wie möglich wieder weg hier!". Vielleicht lag es auch an meiner weiblichen Begleitung :D aber Spaß beiseite, vor allem das Chemnitzer Zentrum ist eine echte städtebauliche Katastrophe. Die Galerie Roter Turm mag Kolhoff(?) ja ganz gut geglückt sein aber im Prinzip ist es auch nur ein ganz schnödes EKZ mit den üblichen Filialisten. Die Innenstadt hat - mal abgesehen für Freunde der DDR Moderne - null Aufenthaltsqualität. Gerade für jemanden aus einer Stadt wie Leipzig ist der Eindruck des Chemnitzer Zentrums in jeder Hinsicht echt bedrückend.
    Ich schreib das wirklich nur als persönlichen Eindruck, wohl wissend das man von einer Stadt schnell den falschen Eindruck bekommen kann, wenn man sich nur lange genug in der falschen Ecke aufhält.

  • Ich denke, Dein Eindruck ist soweit korrekt. Die wirtschaftliche Entwicklung ist dabei wirklich der Pluspunkt - ohne daß dies außerhalb der Stadt wirklich wahrgenommen würde, weil einfach die für die überregionalen Medien interessanten Leuchttürme fehlen. Auch die umliegenden Orte tragen wesentlich dazu bei (z.B. Komsa in Hartmannsdorf, Roth und Rau in Hohenstein-Ernstthal, Freiberg als Vorzeigestadt im Osten etc.) Diese Kleinteiligkeit macht aber auch resistenter gegen Krisen wie jetzt in Dresden, wo in der Chipindustrie und bei KBA in Radebeul auf einen Schlag tausende Arbeitsplätze verlorengehen.
    Die Innenstadt ist vor allem als Zweckbau im Kampf gegen die vorherrschenden Einkaufszentren auf der grünen Wiese zu sehen. Sie reiht sich in in den deutschlandweiten Trend zu Shopping-Malls in Innenstadtbereichen ein (siehe Höfe am Brühl in Leipzig). Städte wie Leipzig hatten eben ganz andere Startbedingungen, weil dort Krieg und "Wiederaufbau" eben halbwegs intakte urbane Zentren übriggelassen haben. Man kann gerne über die Aufenthaltsqualität der Chemnitzer Innenstadt nachdenken, wenn man sich statt der Neubauten dort die vorherige riesige Brachfläche vorstellt...

  • hallo lguenth1 und danke für die zum teil beklemmenden bilder.
    im grunde hast du die ursachen (industriestadt, kriegszerstörung, ddr-misswirtschaft, abwanderung, konkurrenz durch plattenbauten und eigenheime) für diese misere ganz richtig benannt. ähnliches trifft man ja überall im osten an, entsprechend sieht es auch aus. in chemnitz nur etwas krasser, weil auch die geschichte etwas krasser verlief. vor diesem hintergrund würde ich die stadtentwicklung nicht ganz so pessimistisch beurteilen.
    bis zur wende war die innenstadt eine wiese, jetzt beginnt sich wenigstens wieder so etwas wie eine city zu entwickeln. manche der neubauten (galerie roter turm, kaufhof) sind sogar recht gelungen. die sanierung des jugendstilviertels kassberg hast du ja schon erwähnt. und den plattenbauvierteln muss man nun mal zugestehen, dass sie (bedingt durch hanglagen und hohen grünanteil) durchaus attraktive wohngegenden sind. da ist es um so schwerer, quartiere wie sonnenberg zu revitalisieren. und wenn da kaum jemand wohnen will, wird dort halt auch kaum saniert.
    nichts desto trotz kann man hoffen und erwarten, dass mit den neuen förderrichtlinien auch dort die investitionsbereitschaft steigen wird. das wird sicher nicht jedes haus retten, aber gerade der umbau ehemaliger fabriken in lofts ist ein trend, von der chemnitz mit seiner reichen industrie(architektur)geschichte noch stark profitieren könnte.

  • Tut mir leid, dass ich hier so widersprechen muss, aber an der reinen Entwicklung der Stadt kann ich nur sehr wenig positives finden. Dabei meine ich garnicht mal das Zentrum, was so schlecht nicht ist und auch die stark mittelständisch geprägte Wirtschaft ist ein absolutes Plus für Chemnitz, aber hier wurde (wird?) vollkommen sinnlos mal hier und da was weggerrissen. Dabei hätte man doch garnicht das Problem erstmal viel mehr periphere Plattenbauten wegzureißen, weil ja dort zum Teil über die Hälfte der Leute weggezogen ist. Da darf man einfach nicht in einer schon vom Krieg und DDR Misswirtschaft so ausgehöhlten Stadt auch noch intakte Quartiere zerstückeln. Das absurde an der ganzen Sache ist doch, dass erst letztens hier bei uns in der Freien Presse stand, dass man in Chemnitz nun wieder die Wohnbebauung im inneren fördern will und anspruchsvolle Architektur möchte. Aber wieso reißt man das erst zusätzliche Löcher, die dann wieder bebaut werden müssen ? Vielleicht wird das für mich als Außenstehenden auch alles nur zu negativ dargestellt in den Medien, aber deine Bilder bestätigen das ja. Meine Hoffnung leigt darin, dass der guten wirtschaftlichen nun auch bald die gute städtebauliche Entwicklung folgen wird.

  • Also...

    ... diese Bilder sind wahrlich nicht die schönen Ecken von Chemnitz und vermitteln deshalb auch ein schlechtes Bild!


    Auch der Sonnenberg hat schöne Straßenzüge und nicht nur solche Ecken wie sie hier gezeigt werden! Außerdem kann ich nur immer wieder darauf hinweisen sich den Kassberg anzuschauen oder die beschaulichen Stadtteile Rabenstein und Reichenbrand!


    Tja, und wer hier aus Leipzig über unsere Innenstadt meckert der sollte auch daran denken das bei uns erst ca 1999 mit dem Ausbau begonnen wurde. Somit haben die Städte DD und L einfach auch 9 Jahre Vorsprung! Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los das man nach der Wende die Stadt Chemnitz von Bund- und Länderseite her am liebsten totgeschwiegen hätte! Wurde in anderen Städten schon viel Geld in die Restaurierung (zB. L-HBF) gepummt, passierte in Chemnitz rein gar nichts! Es schien kein Interesse an unserer Stadt zu geben!


    Das von euch gelobte Wirtschaftswachstum ist genau das auf was wir Chemnitzer stolz sein sollten. Im Gegensatz zu DD und L wurden hier nicht Mrd.-Beträge vom Bund investiert um große Unternehmen ala´BMW,DHL, AMD und so weiter in die Städte zu locken! Bei uns sind es die kleinen und mittelständigen Unternehmen (natürlich mit Hilfe von VW) die Chemnitz überhaupt am leben gehalten haben!

  • @ lguenth1: herzlichen Dank für die Information!
    Chemnitz ist aus Leipziger Sicht in der Tat sui generis und auch ich hatte meine negativen Aha-Erlebnisse.
    Gibt es denn Zahlen, wie viele Gründerzeitbauten (Wonhäuser, Industriearchitektur etc.) und Jugendstil-Gebäude noch existieren? Vor allem: wie viel davon ist saniert / unsaniert?? Stehen diese Häuser verteilt oder gibt es noch kompakte Viertel? Und vor allem: haben Sie noch ein paar Infos zu dieser "GGG"? Klingt nach der LWB aus dem Jahr 2000.
    Die Hoffnung für die Chemnitzer Altbauten liegt wie in Leipzig darin, daß die Plattenbaugebiete trotz aller Gegenmaßnahmen massiv Einwohner verlieren. Entscheidend ist dann, wohin diese Leute ziehen.
    Zu den Arbeitsplätzen: Chemnitz hat da in der Tat die beste Struktur, vor allem mit dem Maschinenbau eine hochinnovative Branche. Auch hier ist jedoch die Frage: wie viele Arbeitsplätze gab's in dem Bereich vor 1990, in wie viele sind es jetzt?

  • Ursprünglich war ich auch mit einem weit schlechteren Gefühl nach Chemnitz gefahren, da ich vorrangig die allerschlimmsten Ecken rund ums Stadion immer wieder vor Augen habe. Beim Rundgang habe ich dann aber auch gesehen, welches Potential im Sonnenberg steckt. Auch einige hübsch sanierte Gründerzeitbauten haben Hoffnung gemacht. Über Fotos würden wir uns sicher freuen, Alextine.
    Die Chemnitzer Gründerzeitviertel sind außerordentlich kompakt, der Sanierungsstand aber extrem unterschiedlich. Die Sanierungstätigkeit war dabei vorrangig auf den Kaßberg konzentriert, während bspw. auf dem Sonnenberg die unsanierten Häuser wohl in der Mehrzahl sind. Zur GGG gibt es einen zwei jahre alten Artikel, der alle Kernpunkte zusammenfaßt (http://www.welt.de/print-welt/…ehne_herausgebrochen.html). Bis heute geht der Kleinkrieg weiter. So war eine öffentliche Präsentation von schockierenden Abrißbildern des Fotografen Michael Backhaus geplant, die von der Stadt mit allen Miteln verhindert werden sollte. Letztendlich wurde sie gestern - und nur gestern - auf dem Neumarkt gezeigt. Und was macht die Stadt? Sie läßt es sich nicht nehmen, eine eigene Ausstellung mit positiven Bildern entgegenzusetzen, um den Bildern ihre Schlagkraft zu nehmen und das Entstehen einer Diskussion im Kein zu ersticken. Auf dem vorletzten Bild ist die Situation zu erkennen (in der Mitte die Gegenausstellung, rechts im Schatten des Kaufhofes die eigentlichen Fotos).


    P.S.: Ich würde den oder die Moderatoren darum bitten, dieses Thema wieder in den Bereich "Leipzig/Dresden" zurückzuverschieben (bzw. diesen dazu umzubenennen). In einer inhaltlichen Trennung der drei sächsischen Großstädte kann ich keinen Sinn erkennen und befürchte, daß im weitgehend ungenutzten Bereich "Osten" kein Leben in diesen Strang gebracht werden kann. Zudem erwarte ich zukünftig ein weiteres Zusammenrücken gerade der Wirtschaftsregionen Leipzig und Chemnitz, wozu hauptsächlich der Bau der A72 beitragen wird. Außerdem sollen doch die Verantwortlichen der Leipziger Stadtbau AG unproblematisch die riesigen Möglichkeiten in Chemnitz entdecken können :). Danke.


    Hallo lguent, willkommen im Forum und vielen Dank für die informative Chemnitz-Schau. Deine Befürchtung, dass Chemnitz im Forum "Osten" weniger beachtet wird als im L/DD-Strang kann ich gut nachvollziehen. Trotzdem gibt es nun mal diese Abgrenzung, weshalb alle Themen, die nicht mit Dresden oder Leipzig zu tun haben, auch nicht in dieses Subforum gehören. Das noch junge L/DD-Forum, dass sich mit der vergleichbaren Einwohnerzahl begründen lässt, startete vor ca. einem dreiviertel Jahr, und es ist der regen wie stetig steigenden Beteiligung der User zu verdanken, dass sich das Forum inzwischen so resonanzstark entwickelt hat. Ich bitte dich um Verständnis, dass ich auch auf Rücksicht anderer Städte in der Region (wie z.B. Zwickau) kein L/DD/C-Forum einrichten werde. Falls du zu meiner Entscheidung noch Fragen oder Anregungen hast, bitte ich dich, mir dies über die Persönliche Mitteilung (PN) bekannt zu geben. Gruß, Cowboy.

  • DrZott


    Ohne jetzt irgendwo nachschauen zu müssen/wollen behaupte ich das es jetzt noch deutlich weniger sind wie 20 Jahren! Das wäre aber im Hinblick auf Automatisierung nicht anders zu erwarten. Wenn ich dann die fast vollständige Zerstörung des MaBau´s 1990 und deren Wiederauferstehung der letzten Jahre vergleiche, können wir ("wir", weil ich selber mitwirke) mit dem geschaffenen sehr zufrieden sein. Trotzdem ist da, trotz vermeintlichem Wirtschaftscrash noch viel Luft nach oben!


    lguenth1


    Eigene Bilder habe ich leider nicht bei der Hand aber einen link kann ich dir bieten:
    http://www.chemnitz-bilder.de/…tadtteile/sonnenberg.html

  • Hallo,


    "für Chemnitz, aber hier wurde (wird?) vollkommen sinnlos mal hier und da was weggerrissen. "


    Das kann ich nur bestätigen, ganz aktuell in der Nähe des Schlossteiches, gleich gegenüber der frisch sanierten Berufsschule. Dort wurden zwar leerstehende aber rein von der Substanz her noch gut erhalten Gründerzeitler abgerissen. Ich war entsetzt, als ich das gesehen habe, zumahl das schlecht erhaltenste Gebäude in diesem Rest-Ensemble die erste Abrisswelle überstanden hatte aber wohl auch nur, weil es noch in Privathand war. Wie ich diese Woche feststellen musste, hat man nun auch dieses Gebäude abgerissen. Vielleicht war es letztendlich noch in die Hände der Stadt übergegangen, ich weiß es nicht.


    Ich habe das Gefühl, dass, sobald diese alten Gebäude (Grundstücke) in die Hand der Stadt übergehen, die nicht anderes zutun haben, als diese abzureißen. Ähnliches konnte ich auch auf dem Sonnenberg beobachten - ich kann mich noch an einen Aushang an der Fassade eines leerstehenden Gründerzeitlers auf dem Sonnenberg erinnern, auf dem Stand "Bürger rettet eure Stadt"


    Naja, die chemnitzer Entscheidungsträger denken " Chemnitz - Stadt der Moderne"


    Die Chemnitzer denken "Chemnitz - statt Moderne"


    Wenn ich darf, hier noch eine Link zu anderen Chemnitz - Bildern, die ich vor nicht allzulanger Zeit gemacht habe.


    http://www.aphforum.de/forum/v…=0&postorder=asc&start=12


    Wenn eine Querverlinkung zu einem anderen Forum nicht gestatten ist, dann Admin bitte Querverlinkung löschen.


    Adios, *Flip*

  • Das Problem ist eigentlich wie in allen sächsischen Grossstädten der Plattenbaubestand, der anscheinend für die alte Generation, die nunmal noch entscheidet, das Nonplusultra der Wohnung darstellt. Und deshalb saniert man lieber das im Stadtrand, anstatt die wunderschönen Gründerzeitviertel nahe am Stadtzentrum. Gerade das Leipziger Beispiel mit seinem Erfolg in der Gründerzeitsanierung sollte doch Fingerzeig genug sein, was denn modernes Stadtwohnen ist. Selbst beim ach so tollen Berlin schwärmt man von Prenzlau, da wollen alle jüngeren, die nunmal die Zukunft sind, leben. Solche Viertel sind schön lange in sächsischen Grossstädten möglich, aber es sieht keiner von den blinden Entscheidungsträgern. So auch in Chemnitz nicht. Sanierte Fabrikanlagen können mit der richtigen Idee herrlich sexy Wohngegenden sein oder stylische Einkaufsmalls oder sogar wiederbelebt als Betriebsgelände eines aufstrebenden Mittelständlers dienen. Nö! Lieber in stadtkernferne und lieblose Platten finanzieren als die neue alte sexiness des Stadlebens wiederbeleben, was ja in Leipzig wieder anfährt und eben in Prenzlauer Berg schon herrlich funktioniert.


    Sanierbare Gründerzeitler abreissen ist wie Buckingham Palace platt walzen, um der Queen ein Reihenhaus weiter draussen aufzubauen...

  • heiji: Kann ich so unterschreiben. So sehe ich das ganze auch.


    Die Sache ist typisch für die heutige Zeit: Alle reden von langfristigem Denken und Entscheidungen, handeln aber kurzfristig. Nicht nur bei der Finanzkrise.
    Wie man sieht, bringen auch staatliche Wohnungsbaugesellschaften katastrophale Entscheidungen zustande. Der Unterschied ist eben nur, dass der fatale Verlust von Architekturkultur sich nicht direkt in negativen Zahlen äußert, sondern maximal zu Unmutsäußerungen in der Bevölkerung. Die Einwohner von Chemnitz und Leipzig haben eben oftmals andere Probleme (Arbeitslosigkeit, usw.) als gegen die Abrisse zu protestieren. Das man letztlich den Städten ihre glanzvolle Idendität aus besseren Zeiten raubt, interessiert scheinbar keinen der Herren in den Rathäusern. Unfassbar.

  • Unendliche Abriss der ehemalige Glanz

    @ Legende: Die unendliche Abriss der ehemalige Glanz (Gründerzeit) geht noch immer weiter in alle Deutsche Grosstädte......


    Ein ehemaliges Riesenbestand an Häuser .......


    Früher unendlich eindrucksvoll und schön.


    War zum tiefsten beeindruckt von der ehemalige Bauten am Ende der Kaiserallee in Kassel. heute stehen da unauffallende wenig glanzvolle Neubauten.


    So ist das leider überall: von der tausende Prunkstrassen und Plätze in das Vorkriegs Berlin, Hamburg, Köln, Dresden, Hannover, Chemnitz, Magdeburg, Kassel, Frankfurt und Mannheim ist zwar heute viel übrig (50-60%), aber von die Geschlossenheit, reiche Ausstattung ist bitter wenig noch da.


    Alle Vergleiche mit den Vorkriegsbilder sind erschüterend!!! Es war damals eine heile zu einander passende wundervolle und reichdetaillierte Welt.


    Heute fehlen unendliche Eckbauten, gibt es Brachen, dumme langweilige Neubauten.... Die ehemalige geschlossene Pracht wurde mit voller Bewusstsein nach dem Krieg vernichtet.


    Wie wäre es einen verschwörerische Krieg gegen die Gründerzeit: von Architekten und Behörden.

  • Das was unsere Vorfahren in Jahrzehnten mühevoll und mit einer unglaublichen Detailverliebtheit aufgebaut haben, wird hier einfach so niedergerissen. Der eigenen Profilierung wegen. Um als Retter der Bilanz dazustehen und das Maximum an Abrissprämien abzukassieren. Und wer zahlts? Wir, mit unseren Steuergeldern. Deutschland fördert die Vernichtung seiner eigenen Kultur. Anders kann man das wohl nicht bezeichnen. In diesen Fällen wäre Bürokratie, die die ganzen Abrissvorhaben mal bzgl. ihrer volkswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit hinterfragt, sehr sehr angebracht!
    Ich werde diesem Treiben nicht mehr länger zuschauen und mich mit Anderen zusammen engagieren, diesen Verhaltensweisen Einhalt zu gebieten und mich für den Erhalt bzw. den Wiederaufbau historischer Stadtbilder engagieren. Schließlich leben wir in einer Demokratie. Nutzen wir sie.

  • Ein Einwurf von mir: die Perforation der Gründerzeitviertel hat zunächst einmal mit der Einwohnerentwicklung Sachsens in den 90ern und daraus folgender sächsischer Landespolitik zu tun. Bis vor nicht allzulanger Zeit wurden ja auch in Leipzig in Lindenau, Volkmarsdorf etc. Lücken gerissen, um da Grünflächen anzulegen. Man schaue sich nur mal den Stadtentwicklungsplan (STEP) 2000 (?) für den Leipziger Osten an. Abrissplanungen en masse. Dass man nun wieder im Inneren Wachsen möchte ist eine ganze neue Entwicklung. Jedenfalls sehe ich da keinen Unterschied in der Behandlung von Dresden, Leipzig oder Chemnitz. Auch hat die Leuchtturmpolitik (wohlgemerkt: auch Chemnitz bzw. die Region hat ihre Leuchttürme abgekriegt) wenig mit Altbausanierung und dessen Förderung zu tun.


    Chemnitz ist definitiv besser als sein Ruf, idealerweise müssten dies aber auch die Stadtväter erkennen. Man sollte definitiv versuchen, ähnlich wie in Leipzig in Sofortsicherungsprogramm aufzulegen - oder gibt es sowas schon? Weiterhin müssten auch die Bürger aktiver werden. Ohne aktive Vereine und bürgerliches Engagement wäre in Leipzig seit der Wende kein einziger Mühlgrabenabschnitt freigelegt worden und es hätte etliche Abrisse mehr gegeben. Leider hat man in Chemnitz in den 90ern einige Fehler gemacht, was die Ausweisung von Gewerbeflächen betrifft.


    Übrigens hat Chemnitz wie Leipzig definitiv einen Lagevorteil, was die Umgebung betrifft. Dies sollte man stärker nutzen. Allein wenn man über die (lächerlich schmale) alte B107 aus Richtung Rochlitz in die Stadt kommt oder vollkommen ohne ekelhafte Vorstädte über die B95 direkt aus Gründerzeitvierteln ins Erzgebirgsvorland fährt. Auch Siegmar (kenn ich vom Splash ;) ist eigentlich ganz nett. Die Innenstadt gibt es nicht mehr und sie wird auch nicht wiederkommen - man sollte hier einfach das beste draus machen. Die Lage aber und auch die genannten Viertel werden hoffentlich in Zukunft für eine weiterhin positive Entwicklung sorgen.


    Grüße,
    *D

  • zum totalen rumjammern gibt es doch eigentlich das aph-forum...


    auch in chemnitz werden altbauten saniert. es wird versucht, wieder ein stadtzentrum entstehen zu lassen - und sogar das projekt der freilegung des flusses chemnitz lässt sich positiv anführen.
    wenn die stadt allein in den letzten zwanzig jahren zwanzig prozent ihrer einwohner verloren hat, kann doch niemand ernsthaft erwarten, dass sich dort jede ecke tip top präsentiert. und letztlich sind es immer leer stehende gebäude, die abgerissen werden.
    da der bevölkerungsschwund wohl anhalten wird, macht ein stadtentwicklungsplan auf jeden fall sinn. aber natürlich ein seriöser. ideen wie "zentrum rekonstruieren" oder "bewohnte plattenviertel abreissen" gehören da sicher nicht dazu.


    im übrigen gilt: verschwörungstheorien, wer was warum platt machen will, sind im aph-forum besser aufgehoben.

  • ^ So ist es. Und weil das so ist, werde ich ab sofort unausgegorene Rundumschläge gegen alles, was hier manchen nicht geheuer erscheint, bzw. zurecht gesponnene Fantasien einiger, die mit der Wirklichkeit (geschweige denn mit der Problematik Stadtumbau Ost) nichts zu tun haben, ohne Vorankündigung löschen. Wie mein Vorredner schon sagte: Wer sich dennoch nicht bremsen kann, sollte woanders schreiben.

  • ich kenne chemnitz ganz gut und ein grundlegendes problem der stadt ist dieser widerspruch: chemnitz boomt wirtschaftlich wie nie und es schießen gewerbegebiete im umland aus dem boden, dass man schon nach ein paar wochen glaubt, sich irgendwie verfahren zu haben. gleichzeitig schrumpft und stirbt die stadt. sie gilt im altersdurchschnitt mit abstand als die älteste deutsche großstadt, tendenz nicht abnehmend. sämtliche junge menschen von dort, die ich kenne (chemnitz hat eine sahne-musik-szene) sind deprimiert, da sie in der stadt ein gefühl von zersetzung, stagnation und langeweile wahrnehmen. und auch ich kenne dieses gefühl der stadt. chemnitz hat wunderbare seiten, liegt am tor zum erzgebirge, aber der stadtorganismus scheint völlig aufgelöst zu sein.
    eines der hauptprobleme sehe ich, ähnlich zu dresden, an den riesigen aufmarschalleen im stadtzentrum. 6-8 spurige straßen mit zurückgesetzten platten schaffen kein gefühl von urbanität. da hat eine stadt wie leipzig einfach glück gehabt, dass bei ihr nur der innere ring aufgeweitet wurde und somit ein zentrum geblieben ist, was auch beispielhaft nachverdichtet wurde bisher.


    das grundproblem ist also, wie schafft man menschen nach chemnitz? nur arbeit reicht offenbar nicht, sonst würde leipzig einwohner an chemnitz verlieren. der strom wallt jedoch in die gegenrichtung.

  • Wirtschaftlich gesehen sehe ich nicht wirklich einen Vorteil gegenüber Leipzig: Klar lesen sich einige Statistiken schön für Chemnitz, aber was sind schon einseitig beleuchtete Statistiken, wenn der Wert, der dahinter steht, nicht berücksichtigt wird. Wo junge Leute wegziehen und es immer mehr Rentner gibt, sinkt auch signifikant die Arbeitlslosen- und HartzIV-Quote. In Chemnitz, das weniger als 250000 Ew hat, leben ca. 55000 Menschen zwischen 20 und 40 Jahren - Tendenz weiter stark sinkend. In Leipzig, das mehr als 500000 Ew hat, leben schon mehr als 165000 Menschen zwischen 20 und 40 Jahren - Tendenz weiter stetig steigend. Wenn man die Zahlen vergleicht, fällt auf, dass Leipzig auch in Relation auf die Bevölkerungszahl deutlich mehr junge Menschen in einem Alter hat, das nun mal besonders hoch von Arbeitslosigkeit und dergleichen betroffen ist. Oder kurz gesagt: In Chemnitz stellen die 60 bis 70jährigen die stärkste Bevölkerungsgruppe, während es in Leipzig die 20 bis 30jährigen sind.


    Quellen:
    http://www.leipzig.de
    http://www.chemnitz.de

  • Die Frage der zukünftigen Bevölkerungsentwicklung ist tatsächlich der Kernpunkt für alle zukünftigen Planungen der Stadtentwicklung. Den Eindruck einer weiter stark schrumpfenden Bevölkerung und nennenswerter Fortzüge gerade junger Menschen, den einige hier offensichtlich gewonnen haben, kann ich aber glücklicherweise widerlegen. Aktuell ist die Bevölkerungszahl nur minimal rückläufig, wofür der Sterbefallüberschuß verantwortlich ist. Chemnitz zieht wie auch Dresden und Leipzig Einwohner aus den ländlichen Regionen Sachsens an. Zudem steigen die Geburtenzahlen (aktuell werden die Geburtenzahlen des Vorjahres etwa einen Monat vor dem Zeitpunkt des letzten Jahres erreicht). Was dabei zu wenig betrachtet wird, ist, daß mit den nach Westdeutschland abgewanderten Personen ein immenses Potential weiterer Zuzüge existiert.
    Die Kernpunkte einer Pressemitteilung der Stadt Chemnitz vom 25.07.2007 zusammengefaßt (http://www.chemnitz.eu/de/face…oher=1&jahr=2007&monat=07:(


    -Bevölkerungsprognose für die Stadt Chemnitz im Jahr 2020: Zwischen 225.800 und 232.600 Personen (aktuell 244.553)
    -Einwohnerverlust im Jahre 2005 war zu 70 Prozent durch die natürliche Bevölkerungsbewegung und nur noch 30 Prozent durch Wanderungen über die Stadtgrenze bestimmt. Der Bevölkerungsverlust 2006 in Chemnitz von 987 Personen resultierte sogar ausschließlich aus der natürlichen Bevölkerungsbewegung (3.053 Sterbefälle, 1.851 Geburten), während die räumliche Bevölkerungsbewegung (7.879 Zuzüge, 7.623 Fortzüge) der Stadt einen Bevölkerungszuwachs in Höhe von 256 Einwohnern brachte.


    Was ich leider nicht wirklich mit Statistiken belegen kann, sind die Auswirkungen auf die Stadtentwicklung. Aus persönlichen Gesprächen habe ich aber den Eindruck gewonnen, daß Zuzüge in die Plattenbauviertel nicht stattfinden, stattdessen fast eine "Flucht" Richtung Kaßberg stattfindet. Hochwertig sanierter Wohnraum wäre hingegen stark nachgefragt und entsprechend knapp. Wie gesagt, statistisch belegen kann ich diese Eindrücke nicht.