Leipzig: St. Trinitatis (realisiert)

  • ^^
    nein, das trifft meine Frage nicht ganz. Es geht mir weniger um die Ostung/ Nicht-Ostung der Kirche, sondern um das bewusste Auftreten dieser Architektur "in Sack und Asche". Naja, es wird sicher die ein oder andere Stellungnahme diesbezüglich von Seiten der Gemeinde kommen, was dieser Auftritt eigentlich soll. Mal abwarten.

  • Cowboy & hedges: ich fühle mich weder verfolgt noch unterdrückt, aber dass die genannten personen nun mal diesen kulturellen background haben, ist ja ein unbestrittener fakt. es wäre doch eher verwunderlich, wenn ihre prägungen nicht ihre sichtweisen beeinflussen würden. zum besseren verständnis hier 4 beispiele aus aachen, wo schulz & schulz architektur studiert haben


    ich wollte einfach der anscheinend, aufkommenden diskussion ueber OST/WEST den wind aus den segeln nehmen - wie auch immer.


    natuerlich muss man kulturellen background wissen und es im kontext betrachten. deswegen muss man den standort dann schon in frage stellen. wie sollte ein neubau gegenueber dem hauptportal, einem der wahrscheinlich prachtvollsten rathaeuser, ueberhaupt zur geltung kommen?


    somit stellt sich die frage ob es nicht so gewollt war, dass es wenig spielraum fuer den neubau gibt. man haette die kirche auch im kolonnadenviertel bauen koennen, auf dem gruenstreifen vom rathaus zum johannapark. das quartier wird sowieso eine geschlossene bebauung erhalten. die neue kirche muss sich mit dem neuen rathaus auf der einen, und mir einer hoeheren neuen blockrandbebeauung auf der anderen seite auseinandersetzen. dazu kommt noch das dreiecks-gelaende.


    der neubau wird also definitiv eine art "inselbau" zwischen hoeheren gebaeuden.


    das ist der pluspunkt bei diesem ersten entwurf. der turm kommt and die tieferer stelle des gelaendes und wird bei der anfahrt aus richtung reichsgericht eine ganz ander und sehr erhabene wirkung entfalten. das "kirchenschiff", wird mit seiner kubatur, die bebauung zum neuen w-leuschnerplatz komplettieren und mit der geschlossenen front die freiflaeche erst richtig deutlich machen. der innenraum ist, in seiner schlichten art, fuer mich unschlagbar! der romanischen einfachheit gleich wird man nichts vom trubel, strassenverkehr, und den beiden gebaeude-komplexen links und rechts mitbekommen - man kann sich auf das wesentliche konzentrieren. nur das oberlicht im hinteren inneraum dass das kreuz deutlich macht. keine fenster die verkehr zeigen! die einfachheit und das profane was kirchen ausmacht kommt absolut zur geltung.


    die neue kirche ist genau das was sie sein sollte. ein auf sich selbst konzentrierter bau, der kein maßloses volumen brauch um sich auszudruecken. die groeße ist dem gelaende aber auch der groeße der gemeinde gerecht und kann sich, durch die schlichte, zwischen zwei hoeheren gebaeuden behaupten. ich steh fast hundert prozent hinter dem entwurf. das einzige was ich nicht gut finde ist das geplante fassaden material. bei einer so großen flaeche gibt es nach meiner meinung interessantere steine als rochlitzer porphyr.

  • @ baukunst: Ja es gibt jemanden hier der genauso entschieden hätte. Meine Kritik ist nur, wie hier schon erwähnt, dass die Front zum Leuschner zu geschlossen ist, aber vielleicht ändert sich das was im Detailierungsprozess. Und warum ich finde, dass die Platzierung richtig ist? Eben wegen der Unaufgeregheit und Zurückhaltung in der Kubatur. Denn seien wir mal ehrlich, wenn ein super aufregendes Gebäude/kirche gebaut wird, mag es sicher Aufmerksamkeit erregen doch ich denke nach wenigen Jahren hat man sich satt gesehen an tollen Formen. Und das Problem ist allgemein zur Zeit in der Architektur zu finden. Immer mehr Blob und Aha Effekte. Der Siegerentwurf ist zurückhaltend und ich denke da ist auch die Stärke, dass er die Zukunft übersteht. Leipzig ist eine sehr steinerne Stadt, wenn ich das mal so sagen darf. Und gerade im Zentrum sehr von mächtigen Gebäuden geprägt. Ein Glaspalast oder was modern spaciges mag gehen, woanders, aber nicht in Leipzig. Die Herz Jesu Kirche in München von Allmann Sattler Wappner finde ich sehr gelungen, aber von der Art her unpassend für Leipzig. Ihr jetziger Entwurf ist mir zu zentral gesetzt, auch weil es ein Zentralbau und somit ein Solitär ist. Raumkanten werden so nicht gesetzt. Und der dritte Platz ist mir zu unruhig von den Kubaturen. Zuviel an Türmen. Der Schulze Entwurf ist irgendwie ausbalanciert in seiner Proportion, so mein Gefühl. Und wer Zweifel hat an irgendwelchen Verbindungen und Beeinflussungen wegen der Zugehörigkeit der Gewinner zur Gemeinde, so sag ich mal frech: es war ein anonymer wettbewerb, und gerade bei solch einem projekt glaube ich kaum dass es da schummeleien gegeben hat. würden die jetzt oder später herauskommen, wäre das nicht nur für die kirchgemeinde eine Blamage, sondern auch für Stadt. Von daher gehe ich davon aus, dass alles mit rechten Dingen zugegangen ist.
    Und zum Abschlus meiner doch sehr langen Erklärung: Sollte nicht eine Kirche, ein Rückzugsort einer Gemeinde auch so auftreten? Zurückhaltend und nicht aufdrängend und protzig? Gerade in der heutigen multikulturellen Gesellschaft mit vielen Religionen in einer Stadt. Sich nicht darstellen und damit sagen: Hier bin ich! Sondern eher: Ich bin ein Teil des Gefüges, ordne mich ein?

  • ich muß hier auch nochmal hinzufuegen. es wird oft von einer fehlenden offenheit gesprochen.


    offenheit kommt durch kommunikation und nicht durch fenster. eine offene gemeinde wird die kommunikation schon herstellen.

  • Wir reden hier von Architektur und nicht von der Offenheit der Katholischen-Gemeinde. Es kann auch nicht Aufgabe der Gläubigen sein Unzulänglichkeiten des Architekten wieder auszugleichen. Davon abgesehen hat auch der Rest der Leipziger ob Katholisch, Evanglisch oder ohne Konfession ein Recht auf eine ansprechende Gestalltung besonders an dieser Stelle in unmittelbarer Nahe zur Innenstadt.

  • @ archLE: Wird bei dieser Form nicht das Gegenteil von Einordnung erreicht? Es wird sich zeigen, wie es wirkt, wenn es steht, aber mein Ersteindruck ist "unfreundlich" und nicht zurückhaltend. Ist es nicht ein wenig einfach, alle Entwürfe, die nicht in diese Richtung gehen, als "protzig" abzutun? Gerade eine solche Problemstellung des Zusammenspiels mit der umgebenden Bebauung sollte doch zu kreativeren Lösungen führen können (die es ja auch gab...aber die Kirche hat sich schon oft in der Geschichte als Bremser erwiesen). (Richtig) modern muss auch in Leipzig funktionieren können, dann eben mit weniger Glas. Das eine schließt das andere doch nicht aus.

  • SevenUp


    ach - reden wir hier ueber architektur?


    der fakt, dass du das bauen von sozialem trennst, veranschaulicht dass du kein ahnung von architektur hast. wenn du glaubst das glas offenheit ausdrueckt haste es nicht begriffen.


    Bitte sachlich bleiben. Danke, Cowboy.

  • selbstverständlich sollte es hier in erster linie um architektur gehen.


    und da muss ich hedges und archle die frage stellen: wenn es sich bei dem gleichen entwurf um ein heizkraftwerk mit schornstein handeln würde - würdet ihr dann die proportionen und fensterlosen wände auch noch als gelungen und sich gut einfügend empfinden?


    oder ist es nicht eher so, dass der komplex erst durch das wissen um seine bestimmung überhaupt gedanklich in das stadtgefüge integriert werden kann? doch wodurch offenbart der entwurf dem betrachter seine bestimmung? vom wilhelm-leuschner-platz aus wird man den kirchturm nicht sehen können, es gibt kein eingangsportal und statt fenster einen lichtspalt in der decke. selbst ein juror sprach davon, dass sich die qualität des baus erst "auf den zweiten blick" erschliesse. das meine ich mit mangelnder offenheit.
    meines erachtens wäre es naheliegender gewesen, an diesem stark frequentierten platz ein gebäude zu errichten, dessen bestimmung und qualität auf den ersten blick erkennbar sind (das gilt übrigens auch für den blick aus der petersstrasse).


    aber okay, nach der entscheidung noch über andere entwürfe zu diskutieren, ist müssig. spannender dürfte die frage sein, inwieweit der siegerentwurf selbst noch modifiziert wird. die überlangen eckbänke im kirchenraum sind nicht alltagstauglich und werden in dieser form sicher nicht kommen. weitaus gravierender wäre es, wenn sich der bischhof mit seinem wunsch durchsetzen würde, auf die emporen zu verzichten um eine "zuschaueratmosphäre" zu vermeiden. dann müsste - um die kapazität beibehalten zu können - der innenraum stark verändert werden. und gegebenfalls auch die äussere gestalt.

  • das wäre doch das beste, was passieren könnte, dass der bischof sich durchsetzt, die emporen verschwinden, und somit auch der ganze entwurf über den haufen geworfen wird. und wenn schon ein jury-mitglied meint, der entwurf überzeuge erst beim 2. betrachten, das sagt doch alles. ich kann diese selbstverständlichkeit mancher architekten einfach nicht verstehen, die meinen, sie seinen die krönung der gesellschaftlichen spitze, und alles was sie schaffen, wird auch vom normalsterblichen verstanden, bzw so akzeptiert. wer hat denn bitte schon von den besuchern dieses platzes später mal alles architektur oder ähnliches studiert, und hat die zeit, sich 2 h davor zu stellen, um die "genialität" des baus zu verstehen? wohl kaum einer. und das sollte doch sinn und zweck sein und auftrag eines architekten sein, etwas zu schaffen, was selbsterklärend ist. und wenn wir hier, und mit "wir" meine ich die forenmitglieder, die sich öfters mit architektur befassen, über 9 seiten diesen entwurf hier diskutieren, dann hat der entwurf einfach nicht sein ziel erreicht. wenn ihr auf ard.de geht, dann wollt ihr doch auch gleich auf anhieb die nachrichten finden, und nicht noch 30 minuten danach suchen, eh zu erfahren, was es neues aus berlin oder der welt gibt. sonst haben die webdesigner und journalisten ihre arbeit auch schlecht gemacht. und so sehe ich es bei diesem entwurf auch. man braucht einfach zu lange, gerade als laie, um dem gewinner des wettbewerbs etwas positives abzugewinnen.

  • Wo ist eingentlich die viel zitierte Qualität des Entwürfes die sich sogar nach Meinung der Entscheidungsträger erst auf dem zweiten Blick erschliesst?
    Was man wie die Nadel im Heuhaufen suchen muss ist vielleicht gar nicht vorhanden?!
    Keine Frage durch den Blockrand wird der Stadtraum gefasst und geordnet.
    Doch wenn das alles ist was positiv hervorsticht reicht es einfach meiner Meinung nach nicht diesen Bau zu an dieser Stelle zu relativieren.
    Der ehemalige Königsplatz und heutige Wilhelm-Leuschner-Platz wird zum Hinterhof dieser "Kirche" erklärt.
    Sollen sich auch die kommenden Gebäude am Bau der Katholischen Gemeinde orientieren ist die historisch einmalige Chance diesen heute verweissten Stadtraum zu revitalisieren verpasst.

  • leipziger,
    Danke für dein Kommentar. Hatte mich ehrlich gesagt schon gefragt warum bis jetzt eine Stellungnahme von deiner Seite ausblieb.
    Klar der Entwurf Mäckler mit seiner klassischen Formensprache wäre eine Alternative gewesen doch vermute ich stark das eben dieser nie eine reale Chance hatte (siehe Platzierung).

  • @ Leipziger: wenn der Bauherr einen modernen Bau wünscht, dann ist ein klassischer Entwurf nun mal klassisch an der Aufgabenstellung vorbeigeschrammt. Dafür gab es in der Schule dann auch schlechte Noten, auch wenn das Ergebnis an sich so falsch nicht ist. Man sieht doch in der Ausstellung, dass es auch weit bessere moderne Entwürfe gab. Das Problem ist also nicht einfach "modern vs. historistisch", auch wenn das mancher hier gerne auf diese einfache, griffige Formel herunterbrechen würde, sondern die konkrete Qualität des Entwurfes.


    Weiterhin ging es hier nicht darum, welchen Stellenwert Kirchen in der Architektur der 60er Jahre haben, sondern um die simple Tatsache, dass hier etwas als "modern" verkauft wird, was maximal altbacken ist.

  • @ dj tinitus


    sehr guter punkt!


    nein - wenn der bau als ein heizkraftwerk mit schornstein geplant waere, wuerde er den bestimmungen nicht gerecht. der kirchenbau aber wird ja mit der bestimmung geplant, ein andachtsort zu schaffen in dem sich die gemeinde fuer die predigt und div. andere veranstaltungen trifft. wie der architekt das nun betrachtet ist ihm ueberlassen.


    gestaltung folgt dem zweck, ist also eine ausseinandersetzung mit der nutzung.


    fuer mich waeren sichtflaechen auf den ring eher stoerend. der bau ist ein rueckzugsort in dem man seine gedanken sortieren kann. ein ort an dem man sich fernab des trubels auf das wesentliche, auf die nutzung als kirche konzentrieren kann - dazu ein seichtes oberlicht. die nutzung als kirche strahlt also die architektur aus. das außengestaltung folgt der besten nutzung des inneren - der andacht. die stille und die konzentration des inneren setzen sich nach außen durch. der kirchturm setzt die gestaltung des innenraums/des kirchenschiffs in seiner einfachheit ebenfalls fort. dass dieser nicht vom w.-leuschner platz zu sehen wird, glaube ich nicht dj tinitus


    waere der bau als heizkraftwerk genau der gleiche? wohl eher nicht. man kann und muß dieses heizkraftwerk ja unter einem voellig anderem gesichtspunkt gestalten. der zweck ist ein anderer und wuerde sich in einer gestaltung wiederfinden genau wie bei dem jetztigen kirchenbau.


    gestaltungsmerkmale wie fenster sind bei diesem projekt eine reine geschmacksfrage, da sie fuer den zweck der andacht bei diesem entwurf, irrelevant sind.


    die architekten haben nach meiner ansicht absolut einem dem zweck entsprechend entwurf abgeliefert. auch die beruecksichtigung der lage wurde, wie ich schonmal argumentiert habe, gut geloest. die gemeinde wird nicht, wie von SevenUp behauptet, die "unzulaenglichkeiten der architekten ausgleichen mueßen". sie wird den bau inmitten der großstadt, neben dem neuen rathaus, hoher blockrandbebauung, und dem stark frequentierten ring nutzen als was er geplant ist.

  • geht es nicht um das argument dass die kirche ueberall stehen koennte gegen das argument dass sie genau fuer diesen ort zugeschnitten ist?

  • auf jeden fall trägt der entwurf mit jeder wand und jeder mauer den wunsch nach ruhe und stiller andacht nach aussen. für einen rückzugsort ist er ausgesprochen konsequent. nur: wenn man sich zurückziehen möchte - warum zieht man dafür überhaupt an einen der meist frequentiertesten plätze der stadt?
    oder anders formuliert: die gemeinde will doch gerade an diesem platz bauen, um mit ihrer botschaft präsenter zu sein. die im siegerentwurf fast schon demonstrativ zur schau gestellte abwendung von allem städtischen trubel vermittelt jedoch eine botschaft, die das ganze projekt (wie ranger bereits anmerkte) auf einmal gar nicht mehr so bescheiden erscheinen lässt, sondern eher als einen bewussten gegenentwurf zu seinem - auch sozialen - umfeld. diesen eindruck abzumildern, wird den gemeindemitgliedern viel arbeit abverlangen. (dies hatte seven up wohl gemeint.)


    ein gebäude, welches weniger schwellenangst erzeugt und bei dem zumindest der eingang klar ersichtlich ist, muss nicht weniger geeignet für andacht und stille einkehr sein. wenn es in einer kirche um seelische nahrung geht, dann wendet sich dieser entwurf eher an die wenigen satten, als an die vielen hungrigen draussen - denen man reichlich rochlitzer porphyr zeigt.

  • dem stimme ich grundsetzlich ja zu, nur erzeugt das fensterlose schwellenangst?


    die thomaskirche zB hat ja auch weniger licht - man hat keine wirklichen durchblick. auch die großen dome haben doch eher schwaches licht alleine schon wegen der baumasse des tragwerks. die alte synagoge in der gottschedstrasse, die gegenwaertige in der keilstr. und die neue synagoge in dresden hatten/haben ja auch kaum, bis keine fenster. auch orthodoxe kirchen (auch in leipzig) haben wenig licht. der vor allem byzantinische baustil von kirchen, synagogen und moscheen ueberhaupt hat wenig außenlicht.


    warum denn nicht zu den wurzeln zurueckkehren und eine bruecke zwischen alter bautradition und neuen moeglichkeiten schlagen? und dann nochmal meinen punkt der von SevenUp kritisiert wurde - das kommunizieren muss sowieso die gemeinde leisten. die kirche kommuniziert ja schon durch die architektur.

  • neue möglichkeiten werden ja nicht angewandt. auch wenn es ein ort der ruhe sein soll hätte es wesentlich bessere lösungen geben können...und wenn die architektur hier für die kirche sprechen soll, dann vermittelt sie wohl eher hiobs kahl geschorenen kopf als Jesu Botschaft.