Shanghai: Die "Chinesenstadt" (Altstadt)

  • Shanghai: Die "Chinesenstadt" (Altstadt)

    Nachdem ich euch Pudong und Gebäude aus der europäischen "Gründerzeit" in Shanghai vorgestellt habe, möchte ich meine Reihe nun mit dem Herzen Shanghais weitermachen, der sog. alten Chinesenstadt. Ich möchte nicht verleugnen, dass von allen doch recht positiven Eindrücken der Stadt dieses Viertel mir besonders gut gefallen hat, wohl auch deshalb, weil ich eine solche Altbaudichte nicht erwartet hatte. Shanghai steht bekanntermaßen bei uns Europäern für eine grotesk anmutende Moderne, die hungrig nach neuen Hochhäusern alles Alte beseitigt. Ich will nicht beurteilen, inwiefern das auf Shanghai wirklich zutrifft oder nicht, aber so viel Altstadt, wie in Shanghai vorhanden, gibt es in keiner deutschen Großstadt mehr. Sie wirkt zudem sehr gepflegt und ist Touristenattrkation Nr. 1 in der Stadt - wohlgemerkt bei Chinesen/Asiaten, denn Europäer sieht man auch hier nur sehr selten.


    Bevor ich den repräsentativen Teil der Chinesenstadt zeige, gibt es ein paar Bilder aus ärmeren Gegenden, denn auch sie sind typisch für Shanghai. Solche Viertel gibt es über die ganze Stadt verstreut, sie verschwinden aber zunehmend, um dem Bedarf an modernem Wohnraum Platz zu machen.










    Garküchen gibt es an jeder Straßenecke. Das Essen schmeckt lecker und ist unschlagbar günstig (nicht für Menschen mit empfindlichem Magen geeignet).



    Quirlig und laut geht es in den Gassen zu.




    Wir kommen langsam in Richtung des Yuyuan-Basar




    Der Yuyuan-Basar ist eine Einkaufsstraße für Touristen (Vorsicht Abzocke droht!).



    Vom Yuyuan-Basar geht es schließlich ins Herz der alten Chinesenstadt mit ihren repräsentativen Gebäuden.







    Neun-Biegungen-Brücke (gezackte Brücke, damit böse Geister nicht drüber laufen, weil die nur geradeaus laufen können) und Huxinting-Teehaus









    Von dort aus geht es in den Yu-Garten, eines der letzten chinesischen Gärten in Shanghai, angelegt um 1559 von dem Sohn eines hohen Beamten, der im Dienste des Kaisers stand.












    Wieder draußen in der quirligen Altstadt.




    Eine Besonderheit ist dieses neue Einkaufszentrum am Rande der Altstadt. Nicht, dass es schön wäre, aber im Gegensatz zu den geschlossenen Marmor-Orgien der üblichen Shanghaier Malls besticht es durch altstadtverträgliche Materialien sowie ein tageslichtdurchflutetes Innere. Zum Zeitpunkt der Aufnahmen stand es kurz vor der Eröffnung.




    Östlicher Ausgang. In der Ferne grüßen wieder das World Financial Center und der Jin Mao Tower.




    Zum Schluss noch ein paar Aufnahmen vom City God Temple





    Eigene Bilder

  • Wow, danke für die Impressionen. Habe selten eine Bilderserie gesehen, die einem das Altagsleben der Chinesen in Shanghai so nahe bringt.


    Mehr davon!

  • Was ist in 10 bis 15 Jahren weg, die Altstadt? Die Gebäude auf den Bildern 1 bis 10 vermutlich schon, aber der Rest bleibt uns sicher erhalten.

  • Sorry. Ich hätte mich deutlicher ausdrücken sollen. Ich bezog mich auf das was Bato sagte und ich glaube, dass diese "authentischen" Altstadtviertel in Shanghai in 10 bis 15 Jahren verschwunden sein werden.


    Was bleiben wird ist das Szenario, das Rekonstruktions-Skeptiker hierzulande so fürchten: ein paar hochglanzsanierte Altstadtviertel, die nur noch als Kulisse für Andenkenläden, Franchise-Gastronomie usw. dienen. Eines dieser Viertel in Shanghai ist Xintiandi. Vielleicht hast du auch ein paar Fotos davon?!


    Okay, es fehlt in Shanghai an Platz für die wachsende Bevölkerung, und in den alten unsanierten Häusern würde keiner von uns wohnen wollen. Aber in Singapur beispielsweise hat man es geschafft, Chinatown, Little India und andere Viertel zumindest in weiten Teilen zu erhalten. Dort laufen natürlich auch die Touristen herum und vieles ist touristisch orientiert, aber dort wohnen die Leute auch noch, haben ihre Geschäfte und Restaurants, das sind halt richtige Altstadtviertel und nicht - um es krass zu sagen - sinnentleerte Kulissen.

  • Da besteht aber ein gewaltiger Unterschied. Schau dir mal die Bausubstanz und den Zustand der Viertel oben noch einmal an. So (ganz anders) sieht die Situation nämlich in Singapur aus:



    Little India



    China Town (im Gegensatz zu Little India sehr touristisch)


    Man sieht hier auch, dass die Bewohner PKWs besitzen und ein "modernes Leben" führen.


    Ich weine diesen Vierteln in China keine Träne nach. Der Lebensstandard hat hier unterstes Niveau. Die Bausubstanz ist teilweise nicht mal erhaltbar (schützenswerte Fassaden sind nicht mal vorhanden). Hier im Forum gibt's auch Mitglieder, die deutschen Gründerzeitlern nicht hinterherweinen und begründen das mit den damals schlechten Lebensbedingungen in ihnen. Die Situation ist vergleichbar mit den Vierteln in Singapur. Hier würde aber auch niemand draufkommen sie nicht für erhaltenswert zu betrachten. Uns Touristen (da nehme ich mich nicht aus!) ziehen diese Baracken in China an, gerade weil sie ein Lebensgefühl vermitteln, das wir (Gott sei Dank) nicht kennen (müssen). Die Bewohner von selbst werden daran nichts ändern, die würden noch 50 Jahre weiter ihre Dächer mit Kunststoffverpackungen abdecken. Weil hier immer die unterste Schicht wohnt, die es sich nicht leisten kann und die gibt's noch eine Weile in China. Der Charme ist Armut dem wir da nachtrauern.


    Natürlich. Die Bewohner wirken glücklich. Vielleicht auch glücklicher als nach einenr Zwangsumsiedlung in eine neue Hochhauswohnung. Weil sie es nicht anders kennen, aus ihren Lebensumständen herausgerissen werden - ihrer Nachbarn beraubt werden. Aber spätestens ihre Kinder werden es ihnen danken nicht mehr hier aufwachsen zu müssen und rein deswegen schon jede Chance auf gesellschaftlichen Aufstieg verwehrt zu bekommen.


    Copyright Fotos bei mir

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    Das sehe ich ein wenig anders. Die noch erhaltenen Altbauviertel in Singapur waren ihrerseits dem Abriss bestimmt, schon alleine deshalb weil sie die knapp bemessene Landfläche in Singapur nicht effizient ausnutzten. Außerdem wollte die Regierung ethnisch-kulturell homogene Wohnviertel auflösen, um eine gemeinsame Identität unter den verschiedenen ethnischen Gruppen zu fördern (nationbuilding). Dann hat man das Potenzial der Altbauviertel vor allem für den Tourismus erkannt und begonnen, diese zu erhalten und zu sanieren, was wohl auch durchaus den Interessen der betroffenen Bewohner entsprach. Ohne diesen Sanierungsaufwand wäre die Bausubstanz natürlich in wesentlich schlechterem Zustand. Dass das anders ist und heute die Leute dort ein "modernes" Leben führen, liegt an dem allgemein höheren Lebensstandard in Singapur verglichen mit China, nicht an den Wohnbedingungen als solchen; das eine ergibt sich vielmehr aus dem anderen. Und es liegt an dem vorhandenen politischen Willen diese Viertel zu erhalten. Heute jedenfalls werden die einst heruntergekommenen "Schandflecke" als touristische Attraktion und maßgeblicher Imageträger angesehen.


    Nebenbei, Autos sind in Singapur sehr teuer aufgrund hoher Steuern und Zölle; die Bevölkerung soll das gut ausgebaute öffentliche Nahverkehrssystem nutzen. Ich bezweifle, dass man daher den Besitz von PKWs als aussagekräftigen Indikator für "modernen" Lebensstandard heranziehen sollte.


    Zurück zu China, es geht mir keineswegs darum den "Charme der Armut" zu erhalten, wobei es noch wesentlich Schlimmeres gibt als die gezeigten Shanghaier Stadtviertel, und er wirkt auch nicht anziehend auf mich. Es geht darum zumindest einen Teil dieser Viertel zu erhalten, weil sie Zeugen sind von Geschichte und kultureller Identität; sie spiegeln die Lebens- und Wohnsituation der Menschen wieder, die bis heute besteht.


    Es geht auch weniger um einzelne Gebäude oder Straßenzüge, sondern mehr um den Erhalt eines bestimmten Gebäudetypus und damit zusammenhängender urbaner Strukturen. Es ware sicherlich möglich heutigen “modernen” Bedürfnissen angemessene Wohnbedingungen zu schaffen. Die Folge wäre möglicherweise ein Gentrifizierungsprozess, einschließlich der Verdrängung der alteingessenen Bewohner und Auflösung vorhandener Sozialstrukturen. Das hat folglich nichts mit Sozialromantik zu tun. Aber es würde aber dazu beitragen, mindestens den äußerlichen Charakter dieser Stadtviertel zu erhalten. Aber dazu fehlt der politische Wille.


    Erstens lassen sich durch Abriss und Überbauung durch Büro- und Geschäftskomplexe viel höhere Profite erzielen; der Wille der Bewohner zählt dabei nicht, Eigentumsrechte nach hiesigem Maßstab gibt es nicht. Zweitens gelten die alten Stadtviertel dem „modernen China“, in dem die Größe der Nation an der Höhe von Hochhäusern gemessen wird, als unwürdig - so zumindest die offizielle Propaganda-Meinung. Dass sich mit dem Abbruch alter Wohnstrukturen auch neue gesellschaftliche Verhältnisse herbeizaubern lassen, so die Hoffnung der politischen Führung, wird auch gerne in “abtrünnigen” Regionen des Landes erprobt. Lhasa und Kashgar stehen Pate. Übrig gelassen allerdings bleiben einige heimelige Kulissen für Papa John´s, Paulaner usw., wie Xintiandi. Aber auch da geht es nur um den Kommerz, um Beliebigkeit. Mit dem alten Shanghai hat das nichts mehr zu tun und das ist schade.

  • Mit Sicherheit kann in den betroffenen Vierteln niemals ein Gentrifizierungsprozess einsetzen. Einziges Potential liegt hier bei oft noch zentralen Lagen. Die Gebäude an sich sind im Gegensatz zu Singapur (gleiches trifft man übrigens im Nachbar Malaysien) überhaupt nicht renovierbar. Das liegt nicht nur an einer Bausubstanz die es nötig machen würde die Gebäude komplett abzureissen und neu zu erstellen, dann haben wir allerdings eine hier so kritisierte Rekonstruktion, die bei dieser Art von Gebäuden niemand ernsthaft anstrebt. Es liegt auch an der Art der Bebauung selbst: kleine Räume, geringe Wohnflächen, Raumaufteilung unmöglich modernen Verhätnissen anzupassen, niedrige Raumhöhen. Um derartige Viertel für die Zukunft fit zu machen müsste man sie rekonstruiern und selbst dann würde man noch große Schwierigkeiten haben etwas zahlungskräftigeres Publikum anzuziehen. Ansonsten hätten wir sozialen Wohnungsbau auf Kosten der Bewohner, die uns zuliebe im Museum leben.


    Meinst du stattdessen dieses Foto: die typischen Geschäftshäuser werden durchaus in vielen Städten Chinas wie Wuhan, Shanghai, Chongqing, etc. renoviert. In Peking, wo immer noch viele traditionelle Geschäftshäuser dem Bagger zum Opfer fallen setzt dieser Prozess ebenfalls ein und man findet nicht wenige renovierte Straßenzeilen.

  • In dem Zusammenhang vielleicht mal ein Hinweis auf Qianmen Dajie in Peking: Dort wird ein ganzes Quartier rekonstruiert bzw. mit historisierenden Neubauten versehen, inklusive der Wiederaufnahme des Straßenbahnbetriebes.
    Ziel ist es, die Erscheinung der 1920er Jahre in diesem Gebiet wiederherzustellen.
    Natürlich alles sehr touristisch, nichstdestotrotz gerade für China sehr löblich.
    So ein Projekt könnten wirklich die meisten deutschen Großstädte mal gebrauchen...



    Zu den Bildern: Tolle Aufnahmen, sehr authentisch. Ich war leider bislang nur am Flughafen von Shanghai. Beim nächsten Mal nehm ich mir definitiv mal Zeit für die Altstadt :)

  • Hier im Forum gibt's auch Mitglieder, die deutschen Gründerzeitlern nicht hinterherweinen und begründen das mit den damals schlechten Lebensbedingungen in ihnen. [/SIZE]



    Ich will das mal kurz kommentieren (auch wenn es OT³ ist), da ich denke, ich bin wohlmöglich einer der Urheber dieser angeblichen Aussage. Aber so war das von mir (und wohl auch von anderen) nie zu verstehen gewesen! Wenn ich die damaligen Entstehungs- oder Lebensbedingungen kritisiert habe, dann ausschließlich deshalb, um den Romantikern der Früher-war-eh-alles-besser-Fraktion den Wind aus ihren Panoramapostkarten-Segeln zu nehmen und um u. a. damit zu beantworten, weshalb dieses Modell nicht auf die heutige Zeit übertragbar ist und sich im weiteren Verlauf andere Formen herausgebildet haben (eben nicht nur der abwechselnd mal unfahige, dann wieder egozentrische Architekt der Böse war). Selbstverständlich hat im Zuge der Erkenntnisse aus späterern Entwicklungen, wegen geänderter Nutzungsbedingungen, der heutigen Konservierungsmöglichkeiten etc. eine Neubewertung stattgefunden, die auch die meisten Gründerzeitler wertvoll macht. Nur ist deshalb sicher nicht alles, was alt ist, gut und erhaltenswert (Womit ich wieder bei China bin).


    Ich sehe auch signifikante Unterschiede zwischen den gezeigten Altstädten Singapurs und denen Shanghais. Was sich bei Erstgenanntem noch als stilistisch kohärentes Bild mit eindeutiger Zuordnungsmöglichkeit präsentiert, verkommt in der chinesischen Version zu einer Art Slum. Im Gegensatz zu rec sehe ich auf den ersten zehn Bildern (um die es ja hier geht, danach beginnen schon andere Viertel) keinen erhaltenswerten Bautypus mit einer dedizierten Aussage bez. der Kultur und spezifischer Lebensgewohnheiten, die über 'verfallene Bretterbude = arm' hinaus geht. Wo sind dort die regionalen Elemente zwischen den verputzten Wänden, den Bretterverschlägen und den Tonziegel-gedeckten Satteldächern versteckt? Jede Wette, wenn diese Häuser saniert würden und man die Personen und ihre Gerätschaften wegretuschierte, niemand würde erraten, wo er sich gerade befindet. Die Atmosphäre entsteht hier m. E. einzig aus dem Verfallszustand und dem Treiben der Bewohner. Es würde auch kein Mensch auf den Gedanken kommen, Favelas oder die alten Townships als baugeschichtlich erhaltenswert zu bewerten, sofern es über eine museale Nutzung hinaus geht.

  • AeG


    Der erhaltenwerte Bautypus ist das Pendant zum Shophouse. Schmale aneinandergereihte Häuser von zwei bis drei Stockwerken Höhe. Im Erdgeschoss befinden sich Werkstätten oder Läden, darüber der Wohnbereich. Neben diesen Grundcharakteristika regionaltypische Elemente könnten Materialien, Dachformen, Fenster, Fensterläden, Holzverkleidungen und Balkone sein. Aber ich bin kein Bau- oder Kunsthistoriker, der eine wissenschaftlich fundierte Analyse betreiben könnte. Der Wiedererkennungswert ist jedoch definitiv weit mehr gegeben, als bei zeitgenössischen chinesischen Wohnsilos, Einkaufszentren oder Bürohochhäusern. Die Häuser auf den Bildern hier sind allerdings wirklich runtergekommen.


    Beispiele (schnell gegoogelt, aber man sieht was gemeint ist):
    http://www.info2china.com/info…e_haueser_in_shanghai.JPG
    http://www.info2china.com/info…treetlife_of_shanghai.JPG
    http://www.info2china.com/info…ohngebiet_in_shanghai.JPG
    http://www.ruberred.de/Shanghai/Shanghai4.jpg
    http://toom.nachtmensch.net/pictures/shanghai/lushang2.jpg
    http://faculty.chicagogsb.edu/…vita/Pictures/OldTown.jpg
    http://img211.imageshack.us/img211/1236/shanghai016tr8.jpg


    Kultur und Lebensgewohnheiten spiegeln sich wieder in dem Zusammenleben mehrerer Generationen, die das gemeinsame Geschäft betreiben. Ob das nun schön ist oder romantisch weiß ich nicht, aber es ist typisch für asiatische Städte. Die Entscheidung über ihre Lebensgewohnheiten sollte man den betroffenen Menschen selbst überlassen. Was passiert denn eigentlich mit diesen Menschen, wenn man ihnen ihre Lebensgrundlage nimmt? Deswegen sagte ich auch, es geht nicht allein um den Erhalt von Steinen. Aber auch darum.


    Dass sich Atmosphäre nur aus dem Verfallszustand ergibt sehe ich nicht so. Ich finde den Vergleich mit Elendsvieteln oder aus rassistischen Motiven entstandenen Townships auch falsch. In China handelt es sich um Altstadtgebiete oder ältere Stadtviertel. Die Häuser sind verfallen, weil vermutlich sehr lange nicht mehr investiert wurde. Es sind keineswegs traditionell die Wohnviertel der Unterschicht. Allerdings verändern sich auch in China Familien- und Sozialstrukturen und wer es sich leisten kann, zieht in ein schickes neues Appartement. Trotzdem verfügen selbst die alten Stadtviertel über Strom- und Wasserversorgung, Kanalisation und asphaltierte Straßen. Außerdem ist die Sicherheitslage sehr viel besser als in echten Elendsvierteln, sonst könnten wir diese Bilder uns nicht anschauen, weil der Cowboy nicht am Stück wieder nach Hause gekommen wäre...

  • Ein Vergleich mit den meisten Elendsvierteln dieser Welt ergibt sich schon aufgrund der unterschiedlichen Sicherheitslagen nicht. Wie ich schon einmal anmerkte, spielen Gewaltverbrechen in Shanghai eine untergeordnete Rolle. Das gilt auch für die Armenviertel. Ein Beispiel: In einem dieser Viertel Shanghais stand ein nagelneuer Audi A8 L, 4,2 Liter. Also ein Fahrzeug, das bei uns so um die 100000 Teuros kosten dürfte. Eine Staubschicht auf der Karosse verriet, dass das Fahrzeug nicht mal eben so abgestellt wurde, sondern schon ein paar Tage dort steht. Wie auch immer diese skurille und natürlich auch in Shanghai sicherlich sehr seltene Situation zu werten ist, in richtigen Elendsvierteln dieser Welt wäre das Auto höchstwahrscheinlich - falls nicht gänzlich geklaut - in Nullkommanix ausgeschlachtet gewesen. Selbst in gewissen Gegenden deutscher Städte stellt man so ein Auto nicht ein paar Tage auf die Straße ab. Ich gebe rec auch dahingehend recht, wenn er sagt, dass diese Armenviertel Shanghais einen gewissen Charme besitzen. Das tun sie zweifellos. Zu Singapur fehlt mir jedweder Vergleich.


    Ansonsten kommen demnächst noch die europäisch geprägten Viertel von Xintiandi und der frz. Konzession. Danke für die spannende Diskussion hier.

  • Cowboy, mit Verlaub, aber mein Vergleich bezog sich rein auf den baulichen Erhaltungsgrad und die Art der späteren Variierung, wie er auf einigen Fotos erkennbar ist. Um soziale Strukturen zu vergleichen, mangelt es mir hier bereits an einem Mindestmaß an Grundkenntnissen. Unabhängig von der, mir nicht zustehenden, soziokultutrellen Bewertung dieser Quartiere gehe ich aber auch davon aus, dass bestimmte Eigenheiten hier schon auf Grund signifikanter kultureller oder mentaler Unterschiede niemals mit unseren Verhältnissen oder denen in afrikanischen oder südamerikanischen Elendsvierteln vergleichbar sind.



    rec, okay, da muss ich mich geschlagen geben. Das Shophouse war mir bisher völlig unbekannt (wie auch die meisten anderen spezifischen Gegebenheiten in Asien). Nachdem ich gerade Deinen Link dazu überflogen habe muss ich allerdings feststellen, dass ich den Zusammenhang wohl auch mit dessen Kenntnis nicht hergestellt hätte. Mag sein, dass die ursprüngliche Gestalt dieser Häuser hier besonders stark verwässert ist und sie sich bei einer, an den Originalzustand angelehnten, Sanierung erheblich vom Ist-Zustand abheben. Dazu fehlen mir die Basics, sorry!



    Nachdem ich den Thread noch einmal überflogen habe fällt mir auch auf, dass ich mich wohl sehr stark an Andis Beitrag orientiert hatte. Du selbst hast ja eine Hochglanz-Sanierung nie erwähnt - was sich gem. Deiner Intention sicher auch nicht anböte, da das ebenso zur Verdrängung der derzeitigen Bewohner und ihrer Kultur beitrüge. Wobei das in meinen Augen zu dem Fazit führt: entweder die derzeitigen Strukturen sind erhaltenswert - was in der Tat von Interesse sein sollte - oder die Bauten sind wertvoll. Das eine schließt das andere beinahe aus. Etwas verzwickt das Ganze. Für die Lösung dieses Konfliktes benötigt man vermutlich sehr viel Fingerspitzengefühl, was zumindest bisher nicht gerade eine Tugend jüngerer chinesischer Administrationen war. Andererseits schreibst Du selbst vom Wunsch vieler Chinesen, diesen Gegenden und ihren Verhältnissen zu entkommen. Gutr vorstellbar, dass sich der Konflikt daher quasi von allein löst.


    Übrigens, dass ein neuzeitlicher chinesischer Wohnblock in der Frage des kulturellen Wertes den Kürzeren zieht, streitet sicher niemand ab (wobei bisher noch jeder Typus unabhängig von seiner Verbreitung die Chance hatte, irgendwann zu Ehren zu kommen - ob nun als baugeschichtliches Zeugnis oder als Milieu-Hort. Die einzigen allgemeingültigen K-O.-Kriterien waren bisher der Grad der Entfremdung vom Original und der Erhaltungszustand ;))

  • ^ Ja, ich weiß, dass du dich auf den baulichen Erhaltungsgrad bezogen hast. Ich wollte auch nur ergänzend zu recs letztem Satz (den ich am Anfang inhaltlich unsinnigerweise wiederholt habe;)) die Situation näher erläutern.

  • AeG


    ich denke, wir sollten uns nicht zu sehr auf die gezeigten Häuser fixieren. Es geht mir mehr um das Grundsätzliche. Jedenfalls handelt es sich wirklich um ein Altbauviertel, also nicht etwa um notdürftig zusammengezimmerte Behausungen, wie ich sie zum Beispiel im Juli aus meinem Hotel in Bangkok fotografieren konnte:


    Die Situation in China heute ist vielleicht vergleichbar mit der Deutschlands während der Industrialisierung. Die Städte wachsen, man braucht Wohnraum und die Altstädte gelten als unhygienisch und nicht mehr zeitgemäß. Die Straßen sind dem wachsenden Verkehr nicht mehr gewachsen usw. Also kommt das Alte weg.


    Man muss es auch realistisch sehen, wer einen gutbezahlten Job hat, zieht wohl eine geräumige und gut ausgestattete Neubauwohnung einem solchen Altbau vor. Da sind die Chinesen nicht anders als wir. Mit den kleinen Läden und Restaurants wird man nicht viel Geld verdienen können. Trotzdem dürfte immer noch für viele Leute ihre Existenz an so einem kleinen Laden oder Restaurant hängen. Es ist einfach so typisch, wenn man zum Beispiel in Shanghai oder Hong Kong in ein Shopping-Center geht, findet man nicht einen großen Elektronik-Markt, sondern viele kleine Händler, die alle Kameras verkaufen. Oder in einem kleinen Block hat man ein Dutzend Restaurants. Selbst in den großen Wohnkomplexen gibt es diese kleinen Lädchen für den täglichen Bedarf der Bewohner.