Industrie- und Gewerbeneubauten in und um Leipzig

  • ^^ Richtig, die ÖPNV-Anbindung für die ganzen Arbeitskräfte muss möglichst reibungslos funktionieren und von Anfang an mitgedacht werden. Deswegen war ich auch eher negativ ggü. dem Areal bei Wiedemar eingestellt. Bei Weißenfels hast du wenigstens noch eine Stadt daneben, die arg gebeutelt ist und die eine Großansiedlung gut gebrauchen könnte (Delitzsch hat ja jetzt das CTC). Laut LVZ ist dieses Gebiet dort allerdings in der Planung noch nicht so weit wie Wiedemar. Flächenversiegelung von Ackerböden (die übrigens im Leipziger Raum eine sehr gute Qualität haben) ist zu vermeiden. In Punkto Biodiversität sind Äcker aber eher nicht so der Hit da hast du selbst in der Stadt mehr davon. Bezüglich Industriebrachen muss man glaube ich die Kirche im Dorf lassen - da gibt es m.W. keine derart großen, dass man hier von einer richtigen Alternative sprechen könnte.


    Edit: Danke Masumania für Deine Erläuterungen!

  • Ganz so simpel ist die Situation dann aber doch nicht.


    Und so simpel ist es auch bloß nicht.


    Die Fläche welche bebaut worden wäre, ist eine momentan stark genutzt Agrarfläche und hat mitnichten etwas mit einer umstrukturierten und angepassten Agrarflächen zu tun, welche dem Feldhamster dienen und dafür zu gebrauchen sind. Hier hätte nichts gegen Vorlagen und unter Missachtung entwickelt werden müssen.


    Ich weiss nicht ob die Abstandsflächen "lachhaft" sind wenn auch diese zwischen 500 und 1.000m bemessen hätten. Darüberhinaus wären dieAbstandsflächen mit Streuobstwiesen und naturnahen Wiesen und Sträuchern versehen worden. Es hätte auf dem Gebiet trotz Versiegelung insgesamt mehr naturnahe Flächen gegeben als die jetzt stark genutzten Agrarflächen gegenwärtig abbilden.


    Zur Anbinund: die B100 im Norden ist schon vierstreifig ausgebaut. Die B183a wäre nicht vergrößert worden. Die neue Südanbindung, ein Stück entlang einer Bahntrasse, auch nur zweistreifig. Alle anderen Straßen in dem Gebiet hätten eine Durchfahrverbot für LKW gehabt.


    Spannend ist immer die Romantisierung der Agrarflächen generell. Es gibt einen Landesentwickungsplan im Freistaat der in den Landkreisen die Nutzung der Flächen bestimmt. Die angegeben Umnutzung hätte die Vorbehaltsflächen für die Landwirtschaft insgesamt überhaupt nicht tangiert. Der Mutterboden wäre abgetragen und an anderer Stelle aufgesetzt worden. Insgesamt hat die Leipziger Tieflandsbucht, durch die starke landwirtschaftliche Nutzung, einen extrem hohen Nitratgehalt - einen der höchsten in Deutschland. Es gibt noch aus der DDR übrig gebliebenen sehr hohen Flächenverbrauch in der Landwirtschaft, mit sehr hoher Nutzung und starker monokulturellen Bestellung. Keine Ahnung was daran dann noch naturnah sein soll.



    Zur Anbindung durch Öffis: es wären, bei einer konkreten Ansiedlung, die S-Bahnstationen Brehna, Kyhna und Kitschmar ertüchtigt bzw. gebaut worden. Ein Busshuttle für das Gebiet von den S-Bahnstationen. Sowie eine Radinfrastruktur gebaut worden.

  • A9 abwärts, etwa gleich weit von Leipzig entfernt in Richtung München, bei Weißenfels, gibt es Hoffungen auf ein weiteres Gewerbegebiet mit annähernd 400 Ha.

    Ja natürlich werden nun andere Fläche ins Auge fallen und die Städte und Gemeinden werden Flächen gezielt für die Industrie vorbehalten und vermarkten. Das zeigt sich ja schon jetzt.


    Auch kommt das mittlere Umland mehr und mehr zum tragen. Und wenn es zum Beispiel bei Weißenfels nun höhere Chancen gibt, dann freut mich das auch. Wie wichtig eine regionale Entwicklung ist und nicht nur lokale, zeigt sich ja wieder bei den letzten Wahlen. Der Unterschied zwischen der Stadt Leipzig und dem mittleren Umland könnte größer nicht sein. Das muss sich ändern in den nächsten 20 bis 30 Jahren.

  • Und so simpel ist es auch bloß nicht.

    Ja, die Fläche ist landwirtschaftlich genutzt und das seit Jahrhunderten. Diese Nutzung war und ist nachweislich vereinbar mit einer Feldhamesterpopulation, die damit offenbar gut zurecht kam und kommt. Das eigene Gutachten bescheinigt dem Projektentwickler denn auch, dass "für den Feldhamster die Verbotstatbestände nach §44 Abs. 1 i.v.m. Abs. 5 BNatSchG unter Berücksichtigung von Vermeidungs-, Minderungs- und CEF-Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden können [...]".


    Die Abstandsflächen, die ich aus dem Grünordnungsplan kenne, bemaßen mitnichten 500 - 1.000 m. Woher kommt diese Information? Es hätte auf dem Gebiet überhaupt keine naturnäheren Flächen gegeben, weil keine Ausgleichsmaßnahmen im inneren der Abstandsfläche geplant waren.


    Deine Ausführungen zur Anbindung sind nett, ändern jedoch nichts an der Tatsache, dass hier in allen drei Varianten ein Natura-2000-Gebiet geschnitten worden wäre. Die zuständige Naturschutzbehörde stellt fest: "Derzeitig wird aus naturschutzfachlicher und -rechtlicher Sicht die Unverträglichkeit des Vorhabens mit den Erhaltungszielen besorgt."


    Und da du den Landesentwicklungsplan ansprichst: Ja, den gibt es, gleichsam einen Regionalplan des dortigen Regionalen Planungsverbandes. Beide haben endabgewogen die Flächen als Ziel der Raumplanung mit Vorrang vor allen anderen Nutzung für landwirtschaftliche Zwecke gestgelegt. Also kein Vorbehaltsgebiet, sondern ein Vorranggebiet, in beiden Planwerken. Das Industrievorsorgegebiet Wiedemar stand damit den Zielen der Raumordnung diametral entgegen, denn Landwirtschaft heißt eben nicht Industriefläche - auch, wenn du das hier mal eben kolportierst. Der Regionalplan ist auch erst wenige Jahre alt, das sind also keine Festlegungen von Vorgestern. Damit es doch passt, hat die Landesdirektion schnell ein entsprechendes Zielabweichungsverfahren durchgewunken.


    Und um auch die letzte deiner Ausagen zu korrigieren: Die Abtragung des Mutterbodens wird von der zuständigen Behörde als ungeeignet eingestuft. Das Gebiet ist ein Areal mit speziellem Bodenschutzbedarf aufgrund überwiegender Bodenwertzahlen >70. Ein Abbagern ist damit zwangsläufig immer mit einer Zerstörung dieser Bodenfuktionen einhergehend, mit allen Folgen für uns als Gesellschaft (Beeinträchtig des Oberflächenabflusses, Verringerung der Grundwasserneubildung, Veränderungen des Mikroklimas, Vernichtung von Lebensräumen).


    Quelle

  • ^ Dann habe ich mich total getäuscht und wir sprechen von wirklich ausgeglichenen naturnahen und vielfältigen Ackerflächen welche ein hohes Potential an verschiedenen Lebensräumen bietet. Auch wenn es zumindest Visuell, dazu kaum Anhaltspunkte gibt. Absolut mein Fehler!

  • Danke für den beeindruckenden Beitrag, Masumania! Und hedges: ein einfaches "Like" unter diesem hätte gereicht. So könnte man deinen Zweizeiler auch als ironisch interpretieren, wozu es ja absolut keinen Anlass gibt.


    Mir fällt auf: wenn in Leipzig Lebensräume und dort lebende Tiere (oft illegal!) vernichtet werden, heißt es bei manchen hier, das sei notwendig, um Zersiedelung ins Umland zu verhindern. 50 Jahre alte Höhlenbäume hätten ohnehin keinen Wert. Ein großes Gewerbegebiet im Umland wird dann aber mit dem Argument verteidigt, die dortigen Felder hätten ohnehin keinen Wert. Passt nicht zusammen.


    Das Gewerbegebiet bei Weißenfels scheint mir auf den ersten Blick die weit bessere Wahl und ich freue mich, wenn die Rechnung aufgeht.

  • Wie wichtig eine regionale Entwicklung ist und nicht nur lokale, zeigt sich ja wieder bei den letzten Wahlen.

    Das Thema "Wahlen" halte ich für die Gewerbeansiedlungen für wenig stichhaltig. Die Stadt-Land-Unterschiede haben m.E. ganz andere Gründe (das führt aber hier zu weit).


    So hart das für ländliche Regionen ist: größere personalintensive Ansiedlungen wird es in dünn besiedelten Räumen einfach nicht mehr geben. Was künstlich geschaffene industrielle Monokulturen bewirken zeigt sich immer dann, wenn diese wieder wegbrechen (siehe Braunkohleregionen in der Lausitz nach der Wende und dem krassen Entlassungsschnitt mit knapp 90% der Arbeitsplätze - dagegen ist das jetzt alles Kindergarten, so hart es individuell sein mag - wo dann Hoyerswerda oder Weißwasser wieder auf das Niveau von vor dem Aufschwung zurückgeschrumpft sind).


    Nach großen Brachen muss man sicher lange suchen, dennoch sollten Lösungen à la Möbel Erbe am Flughafen favorisiert werden (ich weiß nicht wie gut bspw. Möbel- und Teppichhändler in Wiedemar laufen - vielleicht ließe sich da auch was besser steuern.

  • ^ Naja - ich zähle das nicht so sehr ländlich als dem "Großraum" Leipzig zugehörig. Wie z.B. auch Weißenfels. Ohne das Thema Wahlen hier auszuweiten, hat der Regierungsbezirk Leipzig nicht ohne Grund noch den niedrigsten Anteil an der AfD im Freistaat. Urbane und suburban Strukturen haben eben einen Einfluss auf das Wahlgeschehen. Deswegen haben die Gießkannen-Ansiedlungen in Regionen ohne größere urbane Strukturen geringere Effekte auf das Wahlverhalten.


    Mir ging's als eher um eine weitere Industrialisierung und Diversifizierung der Wirtschaft im mittleren Umland von Leipzig. Damit auch die kleineren Städte wie eben Weißenfels, Delitzsch, Naumburg, Merseburg, Grimma, Altenburg etc. pp. davon profitieren.

  • So hart das für ländliche Regionen ist: größere personalintensive Ansiedlungen wird es in dünn besiedelten Räumen einfach nicht mehr geben.

    Das ist mal wieder eine Leipzig-zentrierte Sichtweise. Selbst im angeblich so abgelegenen Weißwasser hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle keine Probleme gehabt, 300 Stellen zu besetzen (Link). Und auch dort wird das Offensichtliche genannt: Sachsen ist infrastrukturell so gut erschlossen, dass man problemlos in einer Großstadt leben und auf den Arbeitsplatz in einer ländlichen Gegend pendeln kann, solche Leute kenne ich selbst genug.

  • Sachsen ist infrastrukturell so gut erschlossen

    Fürs PKW kann ich das nicht gut genug beurteilen, aber die Bahninfrastruktur ist in Sachsen erschreckend. Gerade für jüngere Menschen ist das ein echter Malus.

  • Für die überwiegende Mehrheit der Menschen ist die Straßeninfrastruktur entscheidend. Und Ich meckere zwar auch immer über die bisher nur vorgetäuschten Reaktivierungsbemühungen der sächsischen Staatsregierung, aber Sachsen hat immer noch ein sehr dichtes Schienennetz, in dessen Bestand massiv investiert werden wird (Ausbau Chemnitz-Leipzig, laufende Investitionen in die Strecke nach Franken sowie Leipzig-Dresden, Neubau Dresden-Prag, Ausbau Cottbus-Görlitz, Oberleitungsinselanlagen im Erzgebirgsnetz, und da ist mir bestimmt noch lange nicht alles eingefallen). Zudem gibt es noch intensive Bemühungen im Nahverkehr wie bspw. weitere Ausbauten im Chemnitzer Modell.


    Das sind etliche Milliarden Euro, die in den nächsten 10 bis 20 Jahren in das sächsische Netz fließen werden. Ich würde aber sofort unterschreiben, dass deshalb lokal wirksame Maßnahmen wie die Reaktivierungen zwischen Meißen und Döbeln, nach Pockau, Brandis oder Rochlitz keinesfalls unter den Tisch fallen dürfen.

  • Für die überwiegende Mehrheit der Menschen ist die Straßeninfrastruktur entscheidend.

    Richtig! Und das hat Gründe. Müsste ich täglich von Dresden nach Weißwasser pendeln, was ja dein Beispiel war, würde ich wohl auch einen Führerschein machen und mir ein Auto anschaffen (müssen). Und das als stressig empfinden.

  • Das ist mal wieder eine Leipzig-zentrierte Sichtweise. Selbst im angeblich so abgelegenen Weißwasser hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle keine Probleme gehabt, 300 Stellen zu besetzen (Link). Und auch dort wird das Offensichtliche genannt: Sachsen ist infrastrukturell so gut erschlossen, dass man problemlos in einer Großstadt leben und auf den Arbeitsplatz in einer ländlichen Gegend pendeln kann, solche Leute kenne ich selbst genug.

    Naja, die Ansiedlung von Behörden in den Braunkohleregion soll ja eine Kompemsation für den Wegfall gut bezahlter Jobs sein. Von nach Weißwasser aus Cottbus oder noch weiter her pendelnden Beschäftigten (in der Verwaltung nicht selten zu 70% Frauen) haben nun die Bergleute nur bedingt etwas. Gleichwohl ist das schon sinnvoll: gut bezahlte Beschäftigungsmöglichkeiten gerade für Frauen fehlten nicht selten im ländlichen Raum.


    Dein Beispiel entkräftet meinen Punkt dennoch nicht: ein Unternehmen mit Bedarf an mehreren 100 Leuten im gewerblich-technischen Bereich, mögl. Weise mit Raum für Wachstum wird wenn es die Wahl hat immer Regionen bevorzugen, an denen die Versorgung mit potenziellen Arbeits- und Fachkräften sicher ist bzw. für die es auch Beschäftigte aus anderen Regionen oder dem Ausland gewinnen kann. Hinzu kommen Aglomerationseffekte, Vernetzung über Wertschöpfungsketten, Bildungsinfrastruktur etc. Da wir bei den Großansiedlungen ja nicht von irgendwelchen generischen Produktions- oder Logistigprozessen reden, fallen da nun mal weniger dicht besiedelte und eher periphere Regionen aus. Das ist bitter, aber m.E. eine objektive Beobachtung und seitens der Unternehmen eine rationale Entscheidung (war auch immer schon so). Ein ungünstiges politischens Klima verstärkt das dann noch.