Sanierung Staatsoper

  • Einen Schuldigen hat der Spiegel auch ausgemacht. Um hier nicht wieder eine Welle der Empörung heraufzubeschwören, die gestern der Debütant zabto im "Stream"-Pfad mit seinen Äußerungen ausgelöst hat, lest besser selbst. Überraschend ist es ja nicht:


    Sorry, ich kann Dir die Empörung nicht ersparen. Was soll das Geraune? Willst Du Dich als potentielles Shitstorm-Opfer hinstellen? Warum schreibst Du nicht einfach: "Der Spiegel gibt Wowereit die Schuld"? Das wäre a) die simple Paraphrase des Artikels gewesen, die Dir niemand zum Vorwurf machen könnte. B) würde niemand, der die Ergebnisse des Untersuchungsauschusses kennt, Wowereits (Mit-)Verantwortung bestreiten. C) hat das mit Zabtos anlasslosem Senats-Bashing von neulich nichts zu tun, denn hier gibt es einen Anlass: Eben die Fehler der Berliner Politik bei der Sanierung der Staatsoper.


    Im Übrigen erweist sich SPON mit diesem Text mal wieder als unseriöses Medium, dem es mehr um Effekt geht als um Erkenntnis. So berauscht sich der Autor förmlich an seinem Spott über die doofen Politiker, vergisst dabei aber glatt, dass die amtierende Bausenatorin zu den frühen Kritikern des Sanierungskonzeptes gehörte und jetzt auslöffelt, was andere ihr eingebrockt haben. Schon die Überschrift ist tendenziös: "BER der Kultur". Und die Fotostrecke nicht minder: "Der Steuerzahler muss blechen."


    Schon richtig, das musste "der Steuerzahler" für die Elbphilharmonie aber auch, und zwar mehr als das Zehnfache des ursprünglich projektierten. Auch in Hamburg hat die Bauzeit acht Jahre länger gedauert als geplant. Das hat SPON seinerzeit aber wenig gestört, der Artikel zur Eröffnung hieß nicht z.B. "Kostendebakel ohne Ende", sondern "Ode an die Freude". Das Thema Steuergeld kommt in dem Text nur indirekt vor: Bundespräsident Gauck habe sich "sanfte Seitenhiebe" zum HSV, zum FC St. Pauli und zum Umgang mit Steuerngeldern "nicht verkneifen wollen".


    Wir lernen: In Hamburg zählt die Akustik; Steuergelder sind Anlass für einen launigen Präsidentenscherz. In Berlin zählen Steuergelder; wer da – wie Lompscher – die Akustik lobt, will nur ablenken. So geht Qualitätsjournalismus.

  • Wir lernen: In Hamburg zählt die Akustik; Steuergelder sind Anlass für einen launigen Präsidentenscherz. In Berlin zählen Steuergelder; wer da – wie Lompscher – die Akustik lobt, will nur ablenken.


    Der Vergleich mit Hamburg ist sicher nicht geeignet, Berlin als benachteiligtes Opfer darzustellen. Beide - Hamburg und Berlin - sind verwöhnte Stadtstaaten.


    Berlin hat eine wunderschöne, nagelneu renovierte Oper. Wenn Spiegel Online irgendeinen Artikel veröffentlicht, dann ist das nicht mehr als ein Sturm im Wasserglas. Viel Blabla, viel Theatralik, viel heiße Luft ... solche Artikel aus dem Kulturbereich sind doch ohnehin nicht ernst zu nehmen. Das einzig Sinnhafte an diesem Artikel ist die Bilderserie. Wenn man die Bilderserie durchklickt, dann weiß man, daß es keinen Grund zum Ärgern gibt.

  • ^ Ich ärgere mich über einen SPON-Artikel voller Simplifizierung, Skandalisierung, Populismus und Substanzlosigkeit. Auf die Elbphilharmonie (die ich sehr schätze) habe ich hingewiesen, weil der Artikel mehrfach behauptet, aus dem Ruder laufende Bauzeiten und -kosten seien ein exklusiv Berlinerisches Problem.


    Die Fotoserie ist in der Tat in Ordnung, ergibt aber mit dem Artikel und ihrer erwähnten Einleitung ("Der Steuerzahler muss blechen") eine krasse Text-Bild-Schere. Ich habe lange als Journalist gearbeitet, und guter Kulturjournalismus ist mir wichtig. Gerade deshalb regt mich so eine tendenziöse, dummdreiste Ansammlung von Halbwissen* maßlos auf.


    *Der Autor schafft es zum Beispiel, Paulick mit keinem Wort zu erwähnen und tut so, als wäre der Saal vor der Restaurierung original Knobelsdorff gewesen.

  • ich finde es sehr schade, aber auch bezeichnend, dass mit Beginn der "Lügenpressenkampagne" von Pegida und AFD und in Zeiten von Trumps "fake news", tatsächlich immer mehr schlecht recherchierte oder gar tendenziöse Berichte in den Zeitungen (egal ob Print oder Online-Ausgaben) stehen.


    Die SPON Beitrag entlarft sich doch schon allein durch den Versuch Ex-OB Wowereit auch für Dinge verantwortlich erscheinen zu lassen, die lange nach seiner Dienstzeit entschieden wurden. Einfach peinlich. :Nieder:


    Und dieses Genöle, "der Steuerzahler muss das alles bezahlen..." nervt.
    Natürlich ist das so, war immer so und hoffentlich immer so bleiben.
    Wenn der Steuerzahler, also wir alle, nämlich nichts mehr zahlt, wirds düster.
    Keine Straßen, keine Parks, keine Kitas, keine Krankenhäuser, keine Polizei,
    keine Oper, kein Theater, etc, etc. pp


    Aber die Staatsoper ist sehr schön geworden, genauso wie die Elphilharmonie in HH und in ein paar Jahren werden auch die meisten Nöler von heute stolz drauf sein.
    So, jetzt hab ich mich wieder abgeregt.:gaah:

  • ich finde es sehr schade, aber auch bezeichnend, dass mit Beginn der "Lügenpressenkampagne" von Pegida und AFD und in Zeiten von Trumps "fake news", tatsächlich immer mehr schlecht recherchierte oder gar tendenziöse Berichte in den Zeitungen (egal ob Print oder Online-Ausgaben) stehen.


    Entschuldigt die Abschweifung, aber ich will keine Missverständnisse aufkommen lassen: Mit "Lügenpresse"-Vorwürfen, "Fake-News"-Behauptungen, etc. mache auch ich mich nicht gemein. Mein Ärger über den Spiegel und seinen Hang zur süffigen Zurichtung von Themen ist gar nicht neu. Ich verweise auf einen Essay des Schriftstellers Hans Magnus Enzensberger aus dem Jahr 1957(!), der eigentlich alles enthält, was bis heute über diese Sorte Journalismus zu sagen ist. Es ehrt den Spiegel, dass er den Angriff auf seine Arbeitsweise damals selbst nachgedruckt hat: "Die Sprache des Spiegel".

  • Von der Sache her stoßen mir persönlich zwei Dinge auf:


    - Während der Förderkreis für den Schlossbau beinahe wöchentlich an die zu erbringenden Leistungen in Form von Spendengeldern erinnert wird, sind die vom Freundeskreis der Oper zugesagten Gelder von 30 Mio. kein Thema in der Stadt. Bei Premieren lassen sich die Damen und Herren aber gerne sehen! Nicht zuletzt resultierten ja einige Extrawünsche des Vereins in den höheren Baukosten ( den größeren Nachhall wollte ja nicht der Maestro allein...!)


    -Während über weitere benötigte 40 Mio Euro gesprochen wird als wären es Peanuts, schaue ich mir seit Jahren ein Loch in der Seitenfassade der Deutschen Oper an, an dem nichts passiert.


    Hier wird weiter gespart bis es quietscht.


    Zu dem Artikel: Natürlich kann man ihn ignorieren, aber leider festigen derartige Publikationen immer wieder den Ruf Berlins als Zentrum des Chaos und des Unvermögens. Über die eingestreuten Klischees ärgere ich mich schon lange nicht mehr. Warum soll man in der Oper nicht über flauschige Teppiche gehen, dafür beschwere ich mich auch nicht über die Schäden die Wildpinkler bei Fussballspielen anrichten für die die Gemeinschaft aufkommt, so what?

  • Architektur-Fan: Der Vergleich mit Hamburg ist hier durchaus nahe liegend, da der Spiegel in der Hansestadt herausgegeben wird, sich aber an ein gesamtdeutsches Lesepublikum richtet. Lokalpatriotische Verklärung und mehr oder weniger subtile Häme gegenüber der Hauptstadt verstehen sich da schlecht. In vielen Punkten hat der Artikel ja in der Sache nicht einmal Unrecht. Aber diese Verquickung mit platten Ressentiments ist ein Armutszeugnis für ein halbwegs ambitioniertes Magazin wie den Spiegel (auch wenn ich nicht weiß, ob der identische Artikel in der gedruckten Ausgabe erschien). Zu empfehlen, man könne ja einfach die Bilder anschauen und den Text ignorieren, ist sicher irgendwo pragmatisch. Aber zugleich ist es eine noch viel schallendere Ohrfeige für den Artikel als die Kritik von Architektenkind (der immerhin gezielt auf den entscheidenden Schwachpunkt eines mE ansonsten angemessenen journalistischen Textes eingeht).


    Übrigens steht Stuttgart 21 in einem Flächenstaat, Gondwana im Zoo Leipzig in einem Freistaat (übrigens ein Projekt, das in den Zoos der "verwöhnten" Stadtstaaten Berlin und Hamburg undenkbar wäre) und mit etwas Geduld kann man überall im föderalen Deutschland solche Skandale und Skandälchen finden. Der Bund der Steuerzahler veröffentlicht ja regelmäßig eine entsprechende Sünderkartei, was die Recherche erheblich erleichtert. Nur regt sich niemand nachhaltig über eine unnötige oder unfunktionale Brücke in irgendeinem Dorf o.ä. auf, auch wenn so ein Projekt proportional zur Einwohnerzahl vielleicht nicht minder verschwenderisch daherkommt (wobei die Einwohner des betreffenden Ortes natürlich ebenso wenig dafür können wie die Berliner). In Berlin wird einfach viel gebaut. In diesem Fall ja zumindest in Bezug auf die Kostensteigerungen auch zu Lasten Berlins (wohingegen das Publikum solcher Prestigeprojekte ja regelmäßig zu Großteilen aus deutschen und internationalen Gästen der Stadt gebildet wird). Ebenso steht der BER in Brandenburg und wird nur zu einem Drittel von der Stadt Berlin verantwortet. Wenn Berlin hier die ganze Häme der Presse abbekommt, ist das also wiederum weniger als die halbe Wahrheit. Vielleicht sollte man sich eher mal fragen, weshalb die Menschen das nötig haben. Ich ziehe ja auch nicht über die vermeintliche Provinz her und behalte mein Amusement über all die heimlichen Hauptstädte Deutschlands und die anderen selbstgerechten, vermeintlich überlegenen Städte und Regionen weitgehend für mich. Thomas Gottschalk hat einmal gesagt, dass wirklich gute Comedy nicht zulasten anderer gehen sollte (was er sicher selbst nicht immer erreicht hat). Ebenso sollte man seine eigenen Komplexe nicht durch platte Reflexe gegenüber anderen kompensieren.


    BTT: In der Sache sehe ich es wie gesagt ähnlich wie der Spiegel. Hier wurde leider einmal mehr durch schlechte Planung ein Millionengrab errichtet. Sehr wohlwollend kann man das vielleicht noch als unbeabsichtigte Konjunkturmaßnahme ansehen. Immerhin kommt das Geld ja immer irgendwo an und verschwindet nicht in einem schwarzen Loch. Aber ich würde mir extrem wünschen, dass es öfter wie beim Humboldtforum läuft, dass EINMAL (und zwar frühzeitig) ordentlich geplant wird und der Verantwortliche dann entschieden dagegen eintritt, wenn jeder im laufenden Prozess neue Wünsche anmeldet. Wenn schlecht geplant wurde oder sich ggf Anforderungen erheblich ändern, muss man natürlich manchmal reagieren und kann nicht stoisch den Plan abarbeiten, im Wissen nun unfunktionalen Murks zu produzieren (wie ein Fliesenleger, der genau weiß, dass die Wand an der falschen Stelle steht und später abgerissen werden muss, der aber im Zweifel lieber zwei mal arbeitet und bezahlt wird). Die Regel sollte das aber nicht sein. Schade, dass es nicht öfter läuft wie (bislang!) beim Humboldtforum und dem letzten Abschnitt der Stadtautobahn. Übrigens: Wo steht beides noch mal? Richtig: Im Babylon der Spree, wo sich schon Schulkinder an 50-Euro-Scheinen aus einem vom Länderfinanzausgleich getragenen Fond ihren täglichen Joint anstecken. Und anschließend den reichen hartarbeitenden Onkels und Tanten überall in der Republik nach spontaner Laune und Tagesform wahlweise Zunge, Mittelfinger oder das entblößte Hinterteil entgegen strecken.

  • Es ist weder ein Berliner Problem noch ein deutsches Problem, das Problem ausufernder Kosten bei öffentlichen Vorhaben besteht weltweit. Das eigentliche Bedrückende finde ich nicht so sehr, das Kosten steigen, sondern dass, obwohl bekannt, immer wieder dieselben Fehler gemacht werden und keine Bemühungen zu erkennen sind, sie zu vermeiden. Das betrifft nachträgliche Planänderung und erweiterte Anforderungen, Umplanungen, aber auch Strickfehler im System der Ausschreibungen, etwa der Zwang, an den preisgünstigsten Bieter zu vergeben.


    Die Hertie School of Governance hat dazu mal eine interessante Studie gemacht, über die das Handelsblatt kürzlich berichtete.

  • Neben den bekannten oftmals unzureichenden Planungen und nicht gezeigten Steigerung der Kosten bei späteren bauen (wird oft unter den Tisch gekehrt)
    denke ich, liegt es auch an der Bevölkerung und dem Verhältnis zu Kosten.
    Die Elbphilharmonie wäre nie gebaut worden, wenn die Kosten bekannt gewesen wären, ebenso wenig der BER (oder vielleicht zehn oder zwanzig Jahre später, wenn man einsieht dass Tegel eben wirklich zu klein ist.


    Und so geht es mit den meisten Kulturbauten / Infrastrukturprojekten.
    Man lügt sich in die eigenen Tasche, es fehlt einfach die Einsicht und die Kenntnis dass diese Kosten letztendlich kein rausgeschmissenes Geld sind sondern die Investition sich meistens lohnt (vor allem bei Infrastruktur, die ja mitunter hundert Jahre und mehr bestehen.
    Hinterher würde dann keiner auf die Bauten verzichten wollen. Mir fällt dabei immer die Ubahn ein. Trotz Wirtschaftskrise und schwierigsten Zeiten wurde in den zwanziger /dreissiger Jahren die Ubahn in Berlin gebaut. Man möchte sich Berlin (und anderen Grossstädten geht es ähnlich) gar nicht vorstellen ohne diese damalige Weitsicht.
    Heute völlig unmöglich obwohl es genauso wichtig wäre, für mich ein Armutszeugnis


    Leider ist die Politik viel zu opportunistisch und anstatt zu überzeugen zu werben und durchsetzen wenn es Sinn macht, wird gekürzt, verniedlicht oder kleingerechnet .
    Und was besonders frustriert, dass trotz unzähliger Beispiele sich daran scheinbar nichts ändert.

  • ...denke ich, liegt es auch an der Bevölkerung und dem Verhältnis zu Kosten.
    Die Elbphilharmonie wäre nie gebaut worden, wenn die Kosten bekannt gewesen wären ...


    Und so geht es mit den meisten Kulturbauten / Infrastrukturprojekten.
    Man lügt sich in die eigenen Tasche, es fehlt einfach die Einsicht und die Kenntnis dass diese Kosten letztendlich kein rausgeschmissenes Geld sind sondern die Investition sich meistens lohnt ...


    Ja, da ist was dran.
    Diese "der Steuerzahhler muss das alles bezahlen"-Einstellung führt oft in die Irre. Schlussendlich bleibt nur die Frage: Ist trotz der Preissteigerung genug Geld da, für z.B. soziale Projekte, bzw. andere wichtige Infrastrukturinvestitionen o.ä. Solange das investierte Geld breit gestreut wird, (also auch die Handwerker und Bauarbeiter gut bezahlt werden) und davon gehe ich im Allgemeinen in Deutschland aus, und nicht in den Taschen Einzelner landet, halte ich das bei einem so exklusiven Objekt, wie der Staatsoper für vertretbar.


    Ich konnte letztes Jahr ein Gespräch zwischen einem Berliner und seinen Gästen am Nachbartisch eines Restaurants verfolgen, das ungefähr diesen Inhalt hatte: "... der BER und die Staatsoper werden solange nicht fertig gestellt, solange Alle gut daran verdienen..."!
    Das ist doch eine gute Motivation.
    Natürlich bleibt das ein politisches Problem und es verursacht auch Unannehmlichkeiten, wie z.B. die unattraktive Baustelle.
    Ansonsten kann ich aber damit leben.