Sanierung Staatsoper

  • Sanierung Staatsoper

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    Aus "Neues aus Berlin exportiert.


    Jo-King


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    Die Staatsoper Under den Linden erhält im Rahmen der Renovierung einen neuen Inneraum. Er wird - tada - modern... Die originale Staatsoper wurde von Knobelsdorff erbaut und wurde weitestgehend zerstört im Krieg. In der DDR hat man das Gebäude weitestgehend historisch wiederaufgebaut mit kleinen Änderungen im Innenraum.


    Es soll sich um einen "mutigen Entwurf" handeln :(


    http://www.tagesspiegel.de/berlin/Staatsoper;art270,2535865


    Der jetzige Zustand:

    Bild wikipedia, Stefan Christian Hoja, cc-sa-at

  • Bitte WAS? :mad:
    Die werden doch nicht den historischen Zuschaueraum verschandeln?! Dürfen die das? Steht da nicht was von Denkmalschutz...?

  • Ich wundere mich selber, dass der Saal nicht unter Denkmalschutz steht, nachdem ja sonst jeder belanglose Kram geschützt wird. Einziger Lichtblick: der Senat ist gegen das Konzept.


    Das wäre nun nach dem Neuen Museum, dem Lesesaal der Staatsbibliothek der dritte modernistische Innenbau in Berlins Mitte. So langsam reicht es damit wohl mit den Kontrasten.

  • Der bisherige Zuschauerraum ist im üblichen Sinne nicht historisch, allenfalls geringfügig historisierend. Wer schon mal in der Staatsoper war oder das von paderwan eingestellte Bild genauer betrachtet, dem sollte das aufgefallen sein. Die Gestaltung orientiert sich am Zeitgeschmack für Repräsentations-Interieurs der 30er bis 50er Jahre. Davon ist z. B. auch allerhand in den frühen, noch erhaltenen Kulturhäusern der DDR zu finden. Unbestreitbar, dass die Arbeiten der damaligen Meisterwerkstatt Paulick zu den besten von ihnen gehören. (von ihm stammt u. a. auch der markante Block C der Karl-Marx-Allee mit der Buchhandlung, in dem auch die AK Berlin zu hause ist).

    Ich finde es schade, dass diese Epoche von einigen als nicht sonderlich schützenswert erachtet wird und bedauere den Verlust in diesem Haus schon jetzt außerordentlich. Andererseits war und ist er dem Gebäude und seiner Funktion nicht mehr wirklich angemessen, weder stilistisch, noch funktional (was jedoch bedingt vernachlässigbar sein müsste). Die spektakuläre "zeitgemäße" Erneuerung mag eine Chance sein. Sie zu verteufeln, ohne Konkretes darüber zu wissen, halte ich zu diesem Zeitpunkt für höchst unangebracht. Und demokratische Instanzen haben leider noch nirgends weltbewegende Architektur vollbracht (Wie auch? Wenn sich in der breiten Masse zunächst die Genies und die Schwachköpfe gegenseitig eliminieren, wird immer maximal Mittelmaß übrig bleiben.).

    Andererseits kann man heute beinahe alle Investitionen unter der Prämisse der Gewinnmaximierung (im Senatsdeutsch: Haushaltssanierung) einordnen. Diese Gefahr eines entsprechend minderwertigen Resultates ist besonders in Berlin immens ausgeprägt.

  • AeG:
    Danke für die Aufklärung. Man lernt hier nie aus :)


    Allerdings verwundert mich eine Sache, bzw. es erscheint etwas willkürlich. Die DDR Domkuppelkonstruktion ist denkmalgeschützt, der DDR Opernsaal der Staatsoper dahingegen nicht. Liegt dem ganzen ein Regelwerk zugrunde?

  • [gelöscht] Es kann doch nicht sein, dass nur weil mal ein bisschen Geld für die Sanierung einer Oper da ist, schon wieder alles weggerissen und neugebaut werden muss. Diese Pläne sind keine Verbesserung sondern eine Zerstörung der Staatsoper. :bash:


    "Acht Büros hatten für den europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb Pläne eingereicht. Zwei haben einen neuen Zuschauerraum entworfen. Sechs haben versucht, den alten im Rahmen des Wiederaufbaus der kriegszerstörten Staatsoper zwischen 1952 und 1955 von Richard Paulick errichteten Zuschauersaal mit Modifikationen zu erhalten. Das Resultat überzeugte die Jury nicht." (welt.de)


    Die Jury hat also mit den radikalsten der angebotenen Entwürfe ausgewählt, wobei die Vertreter der Politik von Bund und Senat dem Vernehmen nach dagegen gestimmt haben. Es waren also wieder einmal die Herren Architekten, denen der Respekt vor der Arbeit ihrer Vorgänger abgegangen ist. Dabei ist es mir völlig egal, ob der Innenraum nun in der Mitte des letzten oder des vorvorletzten Jahrhunderts entstanden ist. Historisch oder Historisierend - wo ist denn da der Unterschied? Beides ist schützenswert!


    Sicht und Akustik sind doch für die Staatsoper völlig nebensächlich. Der kulturelle Wert dieser Spielstätte liegt in ihrer Geschichte, die sich genauso über ihren Innenraum wie über die Außenfassade vermittelt. Beides gehört zusammen und ist nicht voneinander zu trennen. Man kann von alten oder auf alt gemachten Bauwerken einfach keine optimalen Sicht- und Akustikverhältnisse erwarten. Dafür hat man dann aber auch eine viel dichtere Atmosphäre, wie sie kein Neubau erzeugen kann. Wer es lieber modern mag, der kann ja in die Deutsche Oper gehen. Der hässliche Klotz könnte solch einen abgespaceten Innenraum vertragen.

  • Sicht und Akustik sind doch für die Staatsoper völlig nebensächlich


    ... sagt der Freund traditioneller Architektur. Aber was würde ein Opernfreund wohl dazu sagen? Wenn die Funktion des Hauses angeblich eh nachrangig ist, könnte man es auch gleich "effizienter" nutzen. Wie wäre es mit einem Museum, einer Folklore-Markthalle oder einem Fahrrad-Parkhaus für die HU? Alles Varianten, die den Bestand besser integrieren und bewahren könnten, mehr Menschen Zugang böten und die vor allem mehr Knete einspielen würden - von der man dann z. B. drei Ecken weiter ein gemeines, "modernistisches" Wellblech-Opernhaus errichten könnte. Was meinst Du, Panzergeneral, könntest Du dem Klaus oder dem Thilo mal einen nett formulierten Denkanstoß zukommen lassen? ;)

  • Und was macht dich so sicher, dass die Architekten sone Opernfreunde sind und sich nicht einfach nur wieder mit pseudo-intellektuellen Kommentaren profilieren wollen, auch wenn ihre Idee bei den Leuten nicht ankommen wird?

  • der springende punkt ist m.e., daß der zuschauerraum im zuge einer sanierung grundlegend umgestaltet werden soll. er wurde nicht zunächst beschädigt oder zerstört (wie 1843 und 1942).


    natürlich kann man argumentieren, daß dieser logik folgend niemals ein umbau zu rechtfertigen wäre: so hätte z.b. auch der moderne baumgarten'sche umbau des reichstags erhalten bleiben müssen (was wohl kaum jemandem zugesagt hätte) oder zumindest der originale wallot'sche zustand wiederhergestellt werden müssen (womit ich sehr gut leben könnte). jedoch meine ich, daß man hier doch qualitäten unterscheiden muß. der neoklassizistische opernsaal paulicks zählt sicherlich zu den gelungensten architektonischen werken in der sog. "ddr" - gerade auch im vergleich zum eher ungelenken ausbau des schauspielhauses, zum stalinistischen protz in der humboldt universität und im zeughaus oder zur profanen moderne in der kgl. bibliothek und im wilhelmspalais. hier wurde die historische schale gewürdigt und man war bemüht, ihr möglichst gerecht zu werden. ein "mutiger" zeitgenössischer entwurf ist aller erfahrung nach schlicht arrogant und nicht angepaßt.


    ich meine, der einzige legitime grund, daß neoklassizistische interieur abzubrechen wäre die wiederherstellung des palladinischen urzustandes oder des klassizistsischen umbaus von langhans d.j. nach dem feuer von 1843.

  • Dem stimme ich zu. Wenn eine Vorgängerversion von der Akustik her besser war, wäre es natürlich sinnvoll, wenn die Substanz tatsächlich marode ist, diese wiederherzustellen. Ansonsten sollte auch DDR-Architektur geschützt werden. Wobei man das Gefühl hat, daß man da vor allem Platten schützen will...


    Besonders pervers ist ja, daß diesmal keine Zerstörung gegeben ist, wodurch es eher legitim wäre, den Innenraum umzubauen... dies nun zu tun, bei einer "einfachen" Sanierung ist architektonische Hybris!

  • Ich kann es immer noch kaum glauben. In einigen Jahren wird man also statt diesem Prachtraum eine Art Multiplexkinosaal betreten, der auch im Bahnhofskino von Wanneeickel vor sich hin langweilen könnte. Der alte Fehler der modernen Architektur, auf angeblichen Funktionalismus zu setzen und Ästhetik zu verkennen scheint immer noch zu leben. Zudem ist es äußerst zweifelhaft, ob jemand der am Ende dieser modernen Zwischenschichten sitzt, wirklich eine gute Akustik haben soll.


    Ich hoffe, dass der Senat sich weiter gegen die Architektenverbindung sperrt und auf eine geschichtsbewußtere Variante setzt. In Anbetracht der Kosten kommt eigentlich nur eine normale Sanierung in Betracht. Die Rekonstruktionsbemühungen der BRD waren ja äußerst bescheiden in Berlin, lediglich 3 Seiten der Kommandatur hat man hinbekommen in 18 Jahren. Da die Einstellung gegenüber dem Wert des Kunstvollen sich ja etwas geändert hat in den letzten Jahren, könnte dies als die letzte große Kulturbarberei der BRD in die Geschichte eingehen.


    http://www.primarte.de/images/staatsoper01.jpg
    http://img.photobucket.com/alb…taatsoper_Zuschauerra.jpg
    http://www.flickr.com/photos/2…0@N08/2464271644/sizes/o/
    http://www.flickr.com/photos/10179k79/24288839/

  • nachdem ich noch eine weile über meinen letzten beitrag nachgedacht habe, stellt sich die frage: wer beurteilt die qualität eines umbaus? wer sagt, daß baumgarten aus wallot raus muß, paulick aus knobelsdorff aber nicht?


    nun der erste fall ist wohl deutlich seltener: ein umbau oder neuausbau eines historischen gebäudes soll wieder entfernt werden, um durch einen wiederum zeitgenössischen ausbau ersetzt zu werden. einziges prominentes beispiel, das mir hier aus dem stehgreif einfällt, ist tatsächlich der reichstag. und bei jenem vorhaben spielten ja sehr besondere umstände eine rolle. baumgartens reichstag war nicht auf einen täglichen parlamentarischen betrieb ausgelegt und er entsprach gestalterisch auch für das nun vereinigte deutschland mit der hauptstadt berlin viel zu sehr dem wenig selbstbewußten understatement der bonner republik.


    ein solcher funktions- und anspruchswandel liegt bei der staatsoper nicht vor. das fassungsvermögen des saals kann ein guter architekt auch erhöhen, ohne ihn komplett zu entsorgen. brandschutz-, klimatechnik und sonstige elektronikanpassungen sollten auch möglich sein, ohne dabei die substanz vernichten zu müssen. bleibt es also doch eine frage des impetus, des unbedingten gestaltungswillens. soll in anderen ähnlichen fällen wie etwa dem reichstag eine vermeindliche (oder -imho- tatsächliche) bausünde ungeschehen gemacht werden, so wird man dieses argument beim opernsaal kaum anführen können. paulicks innenausbau ist sensibel auf das bauwerk abgestimmt. er verwendet gestaltungsmerkmale der erbauungszeit, ohne kitschig oder anachronistisch zu sein. vielmehr bleibt er doch ein architekt seiner zeit. der innenraum ist für den fachmann eindeutig (sozialistisch-)neoklassizistisch. dabei ist der saal bis ins detail qualitätvoll und mit handwerklicher faktur gestaltet, was fast jeder zeitgenössische bau vermissen läßt. sowohl die nahbetrachtung als auch die haptik eines solchen ausbaus erreichen den besucher auf einer emotionalen ebene und sorgen für ein gesamterlebnis opernbesuch, der ohnehin ein sehr traditionsverbundener vorgang ist.


    schließlich bleibt noch eine grundsätzliche bemerkung: berlin ist arm an wirklich traditioneller baumasse. was noch vorhanden ist, wurde nicht selten mit sichtbeton, halogenlampen, funktionsmöbeln, laminat & co totsaniert - sei es die typische berliner "altbauwohnung" mit raufasertapeten und 70er-jahre-türgriffen oder der öffentliche repräsentationsbau, der ohne den plakativen "bruch" nicht auskommt. - reich ist berlin hingegen noch immer an freiflächen und noch nicht gebauten häusern, an denen sich architekten austoben können, wie sonst kaum irgendwo auf der welt...

  • Zum Abschied noch gibts noch leise ein par Bilder, die vielleicht bald historischen Wert haben:


    Einige 360° Panoramas des Innensaals:
    http://www.staatsoper-berlin.o…w=panoramen&id_language=1



    Hier gibt es Bilder des Apollosaals. Nach Angaben in den Zeitunsgartikeln soll er nach der "Sanierung" wieder hergestellt werden wie er heute ist... man will ihn also wohl erstmal abreißen? :confused: Hat jemand zuviel Geld in Berlin?
    http://www.staatsoper-berlin.o…galerie.php?id_language=1

  • daß wandverkleidungen etc. vor der sanierung bzw. zum zwecke der selben zunächst entfernt werden müssen, war von vorn herein klar. das hat nichts mit "zu viel geld haben" zu tun, sondern ist bautechnisch bedingt und entsprechend sicher kostengünstiger.

  • Für sich gesehen ganz gut. Aber wenn man es mit dem jetzigen Zustand und dem Gebäude vergleicht, passt es ja nun mal gar nicht. Sieht eher aus, wie ein hist. Kinosaal, als der Saal einer Oper aus dem 18. Jh. Ins neue Hans-Otto-Theater in Potsdam hätte der Sall gut gepasst.

  • Staatsoper

    So leid es mir auch tut, aber wenn Paulick Mist gebaut hat und die Akustik sowie die Sicht sehr schlecht ist, dann kann man nicht umhin, den Zuschauerraum um zu bauen. Ich finden den Zuschauerraum nicht unbedingt schön, jedoch angenehm schrullig. Damals beim Wiederaufbau der Semperoper hat man sich für den wiederaufbau des originalsaals entschieden, da keine der Neuentwürfe annähernd die gleiche Akustik bot. Ich wäre für die Rekonstrucktion des Ursprungssaals, wenn dieser eine ähnlich gute Akkustik wie ein Neubau böte, ansonsten der, übrigens sehr schöne, Neubau. Eine Oper ist eine Oper. Sie muss rentabel sein und kundenorientiert.

  • Ich war erst vor zwei Wochen in einer wundervollen Aufführung von Tristan und Isolde und so schlecht ist die Akustik der Lindenoper nun auch wieder nicht, wenn auch elektronisch nachgeholfen wird.


    Der limitierende Faktor bei den klanglichen Verhältnissen ist ja das Raumvolumen. Für heutige Verhältnisse ist das Haus ja eher klein und da wird ein neuer Zuschauerraum auch nicht viel dran ändern können, außer dass er etwas höher sein wird. Ich gehe schon heute jede Wette darauf ein, dass sich die Akustik bei einem neuen Zuschauerraum nicht entscheidend bessern wird. Einen ähnliche Fall haben wir auch bei der Philharmonie, der Kammermusiksaal klingt lange nicht so gut wie der große Saal, sondern hat einen eher unangenehm trockenen Klang.


    Achja, bei einem Opernhaus kommt es auch immer darauf an, was darin gespielt wird. Eine Mozartoper braucht ganz andere akustische Verhältnisse als ein Werk von Wagner mit viel größerem Orchester.


    Dieses Problem stellte sich ja schon viel früher mal und wurde mit dem Bau der Krolloper gelöst, die ja auch von der Lindenoper bespielt und vor allem für die großen Opern genutzt wurde.


    Mein unrealistischer Vorschlag: mit etwas weniger Geld die Lindenoper für die kleinen Werke herrichten und einen großen Neubau an anderer Stelle. Leider ist für so eine große, mutige Lösung der politische Wille nicht vorhanden. Berlin würde davon unter Garantie profitieren .......

  • @andi: es ging ja nicht um eine neue Oper, sondern "nur" um eine neue Spielstätte. Wie gesagt, vorm Krieg hatten wir ja eine ähnliche Situation schon mal. Und das mit dem Geld ist meistens vorgeschoben. Wenn Politiker etwas nicht wollen, sagen Sie einfach, dass kein Geld da ist. Wenn es dann aber ein aus ihrer Sicht wichtiges Projekt umzusetzen gilt, dann sind selbst höchste Beträge finanzierbar.


    Aber ich bin natürlich Realist, das bleibt ne Träumerei oder meinetwegen auch ne Spinnerei .... ;)


    Es gibt aber auch Neuigkeiten aus der realen Planungswelt. Die Staatsoper hat umfangreiches Material zu dem Siegerentwurf und zur Baugeschichte der Lindenoper veröffentlicht. Ich finde, dass es für die Qualität des Hauses spricht, dass man hier in die Offensive geht, Öffentlichkeit herstellt und sich der Diskussion stellt. Hier mal ein paar Links, Achtung, der erste hat 16MB:


    http://new.heimat.de/staatsope…an_Zuschauersaal_Roth.pdf
    http://new.heimat.de/staatsope…ntwurfserlaeuterungen.pdf
    http://new.heimat.de/staatsope…nloads/DSO_Geschichte.pdf
    http://new.heimat.de/staatsoper_berlin/downloads/BLZ.pdf