Zerstörte Kirchen - Pro & Contra Rekonstruktion

  • na dann bleibt uns doch noch die option, abzuwarten. wenn die hauptpost wieder blitzeblank ist und in ein paar jahren auch das gewandhaus generalüberholt ist (schließlich steuert der bau auch auf seinen 30. geburtstag zu), dann haben wir mit dem augustusplatz doch die einmalige zusammenstellung von gebäuden aus 100 jahren architektur. und wenn das gesicht der stadt leipzig etwas ausmacht, dann das sorgenfreie miteinander von neuer und alter architektur. ich persönlich bin total gespannt auf den high-tech-look von uniriesen bis café felsche. hoffentlich entsorgt die stadt dann zeitnah diese nervigen stahlregenschutzdinger vor uni und krochhochhaus.


    übrigens vielen dank für diese erhellende paulinerkirchendiskussion. war eine freude mitzulesen.

  • Ein wie auch immer vollzogener Aufbau der Paulinerkirche, wäre halt nur eine Rekonstruktion (nicht wie im Falle der Dresdener Frauenkirche ein wirklicher Wiederaufbau), solche Rekonstruktionen können den Geist eines Gebäudes nicht wiederbringen. So sehe ich das auch beim Berliner Schloss, beim Braunschweiger Schloss etc. Ein Beispiel: Meine Mutter erzählte mir immer, dass es in der Universitätskirche "alt" roch – wahrscheinlich meinte sie, diese ganz besondere "Seele" die in historischen Gemäuern zu spüren ist. Ein Neubau kann diese "Seele" eines Gebäudes nicht wieder bringen. ...


    Ich würde mir wünschen, dass am Neubau, an prominenter Stelle, daran erinnert wird, welche Kulturbarbarei einst stattfand. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, dass gerade die Universtätskirche und ihr Schicksal als Lehrbeispiel für falsches Dogma in der Architektenausbildung Eingang findet.



    Kann dem nur beipflichten.




    @ Baukasten:
    Auch wenn ich die Rekonstruktionsbefürworter angesichts vieler Bauten der letzten Jahrzehnte verstehen kann, bin ich doch für modernes Bauen in unseren Städten unter Wahrung der Altbausubstanz.
    Selbst die Bauten am Dresdner Neumarkt sind hinter der Fassade Bauten des 21. Jahrhunderts. Dort habe ich den Eindruck, dass beim diskutieren um die Fassadengestaltung die Gestaltung im Inneren vergessen worden ist.




    Das mit der Seele eines Gebäudes finde ich eine klasse Idee. Auch in einer mit den Originalsteinen wieder aufgebauten Paulinerkirche, wären die Grüfte leer. Alle Lebensspuren am Gebäude würden fehlen.


    Hier mal ein Beispiel aus meiner gegenwärtigen Lieblingsstadt Weimar:





    Diese Skizze der Anna-Amalia-Bibliothek zeigt die einzelnen Teile des heutigen Gebäudes (Autor Dr. Mangei)







    Wie man sieht, wurde das heutige Gebäude unter Verwendung verschiedener bestehender Gebäude "komponiert" und ergänzt. Es entstand ein völlig neues Gebäude.






    Das Gebäude wurde auch nach dem Tod Anna Amalias umgebaut und ergänzt.
    Manche Rekonstruktivisten bevorzugen eine bestimmte Bauepoche. Soll nun die Anna-Amalia-Bibliothek von "fremden" Bauteilen befreit - rekonstruiert- werden? Wenn ja von welchen?


    Der Rokokosaal ist wirklich schön. Entspricht er aber unseren heutigen Nutzungsanforderungen an eine Bibliothek? Wohl eher nicht. Deshalb wurde auch ein umfangreicher Neubau errichtet.





    Neuer Lesesaal im Studienzentrum der Anna-Amalia-Bibliothek







    Bei wirklich schönen Gebäuden ist es dem Architekten gelungen, das schöne Äußere mit einem schönen und nutzbaren Inneren zu verbinden.



    Wenn man am Altbau der Anna-Amalia-Bibliothek unter die Fassade geht, findet man Geschichte; alte Bauspuren, verdeckte, überbaute Kacheln, alte Schächte usw. Was bleibt von einem Rekobau wenn die Fassade zurückgebaut wird?



    Eigene Fotos

  • Bei fotocommunity habe ich erstaunliche Kommentare zu einem Bild des neuen Paulinums gefunden. Das Interesse am bzw. das Wissen über den Neubau der Leipziger Universität ist offensichtlich gering.



    fotocommunity

  • Schau dir mal die Profile von den kommentarabgebenden Personen an, dann weißt du warum.


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    Mod: Zitat editiert. Bitte auf unsere Richtlinien achten und nur so oft und so umfangreich wie nötig zitieren.

  • Ich habe nur eine Frage...

    ...wie hätte man die Kirche nutzen sollen? Als Kirche in einem Landstrich, der noch immer Jugendweihe feiert, anstatt Konfirmation/Kommunion???? Wenn gläubige Studenten Kirchen, Moscheen oder Synagogen aufsuchen wollen, solln sie das privat tun. Obwohl ich in vielerlei hinsicht eher konservativ eingestellt bin, denke ich, dass die Zurückdrängung des kirchlichen Einflusses in Staat und Gesellschaft, eine der wichtigsten Errungenschaften des 20ten Jahrhunderts ist!


    Ich finde diese Diskussion reichlich hohl. Nur weil ein Platz früher mal schöner war, will man die Geschichte zurück drehen? Die Paulinerkirche war nicht bedeutender, als dutzende andere Kirchen, die unter DDR oder BRD gesprengt wurden. Kommt im heute an, arrangiert euch damit oder gründet Interessensgemeinschaften, die für solche Irrsinsprojekte aufkommen!

  • Also, "im Heute" darf der Platz nicht wieder schön sein, jedenfalls nicht nach dem Geschmack anderer, oder wie? Ein Gebäude mit originalgetreuer Kirchenfassade hätte man genauso als Aula nutzen können, wie das jetzige Gebäude. Aber nun ist es eh zu spät...

  • @new urban:
    ganz so einfach ist es nun auch wieder nicht.
    es ist doch völlig egal, ob auch andere kirchen gesprengt wurden. es gab genau eine leipziger universitätskirche - und die zu vernichten, war falsch und willkür. über die neue uni zu diskutieren, auch zu streiten, hat sich meines erachtens ein guter weg heraus gestellt, um zu einer angemessenen lösung zu finden. ohne diesen jahrelangen streit wäre es doch gar nicht zum allerletzten wettbewerb gekommen, sondern einfach eine öde kiste gebaut worden. und wäre tatsächlich durch demos, spenden etc. der nachweis erbracht worden, dass eine 1:1 reko des innenraumes der brennende wusch von studenten und bürgern ist, dann hätte dies vermutlich auch konsequenzen gehabt. genau wie im umkehrschluss der fakt, dass eine kirchenreko doch eher das wunschbild von ein paar leuten ist, die sonst mit der uni nicht viel am hut haben.
    aber "hohl" sind solche diskussionen ganz sicher nicht. im gegenteil: wenn nicht über form, inhalte und ziele diskutiert wird, stellt dies den bürgern jener städte ein schlechtes zeugnis aus. und mit der zeit schlägt sich dieses desinteresse oft genug in nichtssagenden stadtbildern nieder. dann schon lieber diskutieren. lieber zu viel, als zu wenig.

  • Zitat von New Urban

    Die Paulinerkirche war nicht bedeutender, als dutzende andere Kirchen, die unter DDR oder BRD gesprengt wurden.


    Die Paulinerkirche war kulturhistorisch einer der bedeutendsten Kirchen in Deutschland, viel bedeutender als beispielsweise die Dresdner Frauenkirche. Du kannst ja mal googlen, für wen alles die Paulinerkirche Wirkungsstätte gewesen war. Da müsste jedem Kulturinteressierten das Herz aufgehen. Und in Anbetracht dieses vorbildlich geführten Diskurses finde ich es von dir reichlich unverschämt, die Diskussion hier als "hohl" abzukanzeln.

  • @ dj tinitus
    @ cowboy


    Danke für die wahren Worte. Kann euren Aussagen nur zustimmen, besonders den letzten Sätzen von dj tinitus. Auch wenn ich einer Kirchenrekonstruktion eher zwiespältig gegenüber stand und stehe. Es lohnt sich auf jeden Fall über die Qualität der Bauten in unseren Städten zu diskutieren. Leute die solchen Meinungsaustausch für "hohl" halten, sind wahrscheinlich mit der Sichtbeton-Realität durchaus zufrieden. Ich vermute mal, dies liegt weniger an mangelndem ästhetischen Gespür oder Identifikationsgefühl sondern vielmehr an schnöden wirtschaftlichen Überlegungen. Die Architektur ist die vierte Haut des Menschen und dementsprechend sollten wir mit ihr umgehen – es zieht sich ja auch niemand nen Kartoffelsack an, nur weils billiger ist...


    Entschuldigung für die Emotionalität – aber sowas ist blutdrucksteigernd, genaus wie das fatale Halbwissen welches an anderer Stelle gezeigt wurde.

  • Wenn man auch vorsichtig sein muß und ich erst über den van-Eggerath-Bau urteilen will wenn er fertig ist, bin ich doch der Meinung, dass dieser Bau - viel besser als eine Rekonstruktion - die ganze Geschichte der Universität widerspiegeln wird. Der Bau wird noch lange an die Kulturbarbarei der DDR erinnern und für Diskussionen sorgen. Vielleicht regt das "Paulinum" auch heutige und künftige Entscheider an nachzudenken, bevor wertvolle Originalgebäude beseitigt werden. Rekos sagen doch nur: wir können heute bedenkenlos wertvolle Gebäude abreißen - wenn wir uns geirrt haben sollten, bauen wir es nach den Originalplänen eben wieder auf.


    NewUrban


    Schön das Du eine feste Meinung hast. Erinnert mich aber fatal an die Denkweise der Herrschenden in der DDR. Vielleicht hätten die christlichen Kirchen im Osten heute bessere Chancen, wenn das SED-Gefassel nicht auch eine Art Glaube war.

  • Gespannt bin ich auch auf die Diskussionen zur Kunst im Paulinum. Einen Vorgeschmack bekommen wir ja schon bei der Diskussion um das Marx-Relief.
    Das ist wahrlich nicht schön; aber vielleicht sehen das spätere Generationen anders? Und wie erklären wir den unseren Kindern warum Menschen gegen den Kommunismus gekämpft und ihn beseitigt haben wenn nichts mehr da ist?
    Die Linken können doch schon wieder in schönen Erinnerungen schwelgen.

  • na klar wird das weiter gehen. rentner haben ja genügend zeit. herr loest ("was studenten denken, interessiert mich nicht.") hat ja schon auf eigene kosten ein gemälde anfertigen lassen, auf dem die damaligen sprengungs-gegner abgebildet sind. das will er - stark vergrößert - im hauptgebäude neben einen tübke (!)-bild aufgehängt sehen. und wehe, wenn die uni seinen schinken dankend ablehnen sollte! das wäre dann ja wieder so was von undemokratisch, etc. pp. ...

  • ich will ja gar nicht bestreiten, dass der Abriss eine Kulturbarbarei war, jedoch kann man ihn nicht mehr rückgängig machen auch nicht durch eine wiedererrichtete Fassade! Und wie sollte die eigentlich aussehen? Soweit ich weis, wurde die Fassade doch ständig verändert! Hätte man sie eher im Stil der Gotik, der Renaissance oder doch lieber im Zustand der, durch einen Akt der Kulturbarbarei entstellten Gründerzeitversion wiedererrichten? Das hat nichts mit Geschichtsbewusstsein zu tun, sondern Geschichtsoptimierung! Ja, es gab eine DDR, und die war nicht immer toll, aber es gab sie! Und wenn man diese olle Kirche Stein auf Stein wieder aufgebaut hätte, so wär die Willkür dieses Systhems auch nicht wieder ungeschehen zu machen! Wenn ein Mensch stirbt ist er auch unwiederbringlich verloren, so ist das werden und vergehen. Es ist scheinbar nicht genug, das man mit der heutigen Formensrprsche versucht, einen Ort der Erinnerung und der Begegnung zu schaffen, der allen offen ist. Es muss immer die schöne Fassade vorgeblendet werden, aus einer scheinbar besseren Zeit und weils auf Postkarten so nett ausschaut!

  • Was soll diese eine ausgelutschte Frage immer wieder? Natürlich geht es darum, sie so aufzubauen, wie sie bis zu ihrem Abriss aussah. Will denn mit einer Reko jemand dieses System ungeschehen machen? Ja, es gab einen Abriss und der war Kuturbarberei, aber es gab einen Abriss. Deswegen muss das Gelände jetzt frei bleiben. Kann man doch genauso sagen?!


    Der Vorteil bei einem Gebäude ist eben, dass es nicht lebendig ist und man es auch ohne Stammzellenforschung wiedererrichten könnte, soweit die Aufzeichnungen vorhanden sind.

  • NewUrban, ich rate dir dringend, bevor du hier weiter mit Nonsens-Beiträgen glänzt, dich mit der Geschichte der Paulinerkirche vertraut zu machen. Ich weiß gar nicht, worüber ich mich bei dir mehr aufregen soll: Darüber, dass du die Geutebrück'sche und Rossbach'sche Neugestaltung der Paulinerkirche mit der später willkürlichen Sprengung durch die SED-Schergen gleichsetzt, oder darüber, dass für dich die DDR nicht immer toll war.

  • Ordnungsamt:


    Auf dem Areal würde ich ja meinerseits nach dem Abriss des DDR-Baus, sollte es soweit kommen, ein schönes gründerzeitliches Hotel mit Barockgarten bauen. Etwa dort am Platze (zusammen mit Stasi-Gelände) stand ja mal die Matthäuskirche (http://de.wikipedia.org/wiki/Matth%C3%A4ikirche_(Leipzig), ein Wiederaufbau wäre ja nicht schlecht. Man müsste nur einen Betrieber dafür finden. Und schon hat man wieder die schöne alte Treppe in die Innenstadt. Wobei man solch eine auch an der Thomaskirche hatte.


    Dann hat Leipzig, also die Innenstadt wieder seine vier Stadtkirchen zusammen: Thomaskirche, Nikolaikirche, Paulinerkirche, Matthäuskirche.

  • Eine Reko der Matthäikirche wäre für diesen Ort die erste Wahl. Allerdings stellt sich die Frage wer dies iniziieren würde. Mir fällt da niemand ein.

  • ...alleine schon, um Dresden Konkurrenz zur Frauenkirche zu bieten. ;)


    Abgesehen davon, scheint die Wiedererrichtung dieses wirklich stadtbildprägenden Baus durchaus sinnvoll. Aufgrund der wohl fehlenden Notwendigkeit dieser Kirche, frage ich mich jedoch, ob man darin unbedingt eine Kirche "betreiben" muss, oder ob man nicht auch eine andere Nutzung in Form eines prunkvoll gestalteten Hotels, Kunstausstellungsräume, etc. integrieren könnte. In Hamburg wurde vor kurzem eine sehr gut erhaltene Kirche abgerissen, um Platz für moderne Wohnhäuser zu schaffen!!! Was für ein Wahnsinn!

  • Es ist manchmal erstaunlich traurig was in Leipzig, trotz verhältnismäßigem "Glück" beim Flächenbombardement im 2.WK, verloren gegangen ist.
    Eine Wiederherstellung der Kirche halte ich für ein Wunschdenken das zumindest in Leipzig nie eintreten wird. So schade es auch manchmal ist aber LE ist nicht die Stadt für derartige Rekonstruktionen. Man wird den Platz sicher mal modern auf dem alten Grundriss vielleicht noch mit den alten Fluchten wiederbebauen aber dieses schöne Stück Stadt kommt so sicher nicht mehr wieder...