Le Corbusier: Villa Savoye

  • Le Corbusier: Villa Savoye

    Ich war in den vergangenen Tagen in Nordfrankreich unterwegs und hatte auch einen kurzen Abstecher Richtung Paris machen dürfen. Von Westen kommend, erinnerte mich die Abfahrt nach Poissy (kurz vor Paris) spontan an einen Pilgerort der Architektengilde, mit dem ich mich schon während des Grundstudiums beinahe täglich auseinandersetzen musste. Zum Glück ist das jetzt eine Weile her und so konnte ich einem der Vorzeigebauwerke der Moderne etwas unverkrampfter gegenübertreten.


    Das Forum gibt gemäß Suche zu dem Bau nicht das Geringste her. Erstaunlich!


    Das Haus wurde 1928-31 von Le Courbusier errichtet. Es zeichnet sich durch eine Vielzahl an Elementen aus, die später zu den Tugenden der Moderne wurden. Der zurückversetzte Sockel mit der einseitigen Rundung war ursprünglich angelegt, um dem damals noch jungen Automobil gerecht zu werden. Eine Vielzahl von detaillierteren Informationen findet sich in bald jedem Buchladen - im Netz so wie so.


    Man mag darüber streiten, ob die Terrassierung des Daches auf einem derartigen Grundstück notwendig ist. Ursprünglich war das "Solarium" (die oberste Ebene der Dachlandschaft) mit samt den Wandöffnungen wohl dazu gedacht auf die Seine herabzublicken. Mittlerweile sind die umgebenden Bäume jedoch ein ganzes Stück gewachsen und machen dieses Unterfangen zumindest in den Sommermonaten unmöglich.


    Schon während meiner Studienzeit wurde unter den Professoren heftigst darüber gestitten, ob es sich - der avantgardistischen Architektur wegen - um ein Herausragendes Werk, oder aber - der zahlreichen, entwurfsbedingt häufig auftreten Bauschäden und regelmäßigen Totalsanierungen - eher um ein Negativbeispiel handeln würde, das man den Studenten nicht zur Nachahmung empfehle. (ähnlich wurde auch über Wrights Meisterwerk Fallingwater gestritten, das im Prinzip in der gleichen Liga spielt und in dieser Beziehung sogar noch weit diskussionswürdiger ist)


    In den Sechzigern wurde das Haus von den letzten Eigentümern aufgegeben. Über die Gründe der Aufgabe ist mir aus dem Stehgreif nichts bekannt. Ich würde mich aber nicht wundern, wenn es zu einigen Teilen auch am Umfeld läge. Poissy gehört heute quasi zur Pariser Banlieue. die direkte Nachbarschaft ist gekennzeichnet von heruntergekommenen Wohnblocks, in denen fast ausschließlich Einwanderer bzw. deren Nachkommen leben. Direkt nebenan befindet sich ein riesiger Schulkomplex, die " Ecole Le Corbusier" Heute beinhaltet die Villa Savoye ein Museum, oder besser: ihre Hülle stellt für sich genommen ein solches dar. Das bedeutet, das Haus enthält, abgesehen von ein paar unmotiviert verteilten Möbeln aus der Feder des Architekten, die im Salon stehen, keinerlei Einrichtung, die über die ursprünglichen Festeinbauten hinausgehen. Der Erhaltungs- und Pflegezustand ist für ein Monument mit dieser Bedeutung als eher unterdurchschnittlich anzusehen.


    Noch ein Tipp: der reguläre Eintritt beträgt 6,50€. Das ist für die paar begehbaren Räume nicht ganz wenig. Wer aber seriös dreinblickt und auf Anfrage behauptet, er wäre Professor, Dozent oder Lehrer, der kommt mit drei Euro aus. Während wir dort ankamen war übrigens gerade die Polizei zu Gange um nach CSI-Manier ein paar Fingerabdrücke in der Nähe des Eingangs aufzuspüren. Es war wohl kurz zuvor eingebrochen und PCs und andere Bürotechnik entwendet worden. Der zivile Polizeiwagen direkt vor der Nordseite hat meine Fotografierwut leider etwas eingeschränkt.


    So, genug geschwafelt. Hier meine Bilder:



    Ich hoffe, eine Gesamtbreite von 1200 Pixeln geht auch für die Leute ohne zoomfähigen Browser noch in Ordnung.


    Sofern der Threadinhalt eher dem Thema "Internationale Architektur" als der "Galerie" zuzuordnen ist bitte ich einen Mod, das Ganze entsprechend zu verschieben.


    Da ich in den Tagen in Frankreich weit über 2000 Fotos gemacht habe, werde ich Euch in den nächsten Tagen vermutlich noch mit Eindrücken aus der Normandie (speziell aus Le Havre), aus Monets Garten in Giverny und vielleicht noch mit ein paar vermutlich nicht mehr sonderlich spannenden Paris-Bildern beglücken. :D

  • super, das sind doch mal echt wahnsinnsbilder :), von einem Wahnsinnshaus.


    Wie würdest du das Raumgefühl im inneren beschreiben?
    Sind die damals revolutionären raumkonzepte heute noch spürbar/nachvollziehbar/von ihrer Qualität immer noch herausragend?


    herrje, wieviele Vorlesungen habe ich über das haus gehört....eine halbe allein über das Bad. :)

  • Danke, pflo!


    Der spektakuläre Raumeindruck ist selbstverständlich auch in natura gegeben (mag sein, dass das Weitwinkel-Objektiv ihn auf den Fotos etwas überzeichnet). Der Bau wirkte auf uns derart beeindruckend, dass sich meine "Mitbewohnerin" gleich mal zu der Äußerung hinließ, hier würde sie sofort einziehen (trotz der eher negativen Umgebung und dem eher mäßigen Gesamtzustand; und es ist nicht so, dass wir in irgend einem Loch hausen würden, aufwändig sanierte und geräumige Wohnung in einem Bau von 1912 im Südwesten Berlins). Vermutlich würde man einige Dinge heute aber dennoch anders machen. Z. B. generiert das Museum-like Rampensystem nach meiner Auffassung zu lange Wege und verschenkt dabei sehr viel Raum. Bestimmte Raumfolgen empfinde ich auch nicht mehr als zeitgemäß (etwa: Herr-Umkleide-Bad-Umkleide-Dame). Die Ausbildung einiger Aussenverbindungen als umseitig eingefasste Wandöffnungen halte ich auch nicht für optimal. Das mag zwar der äußeren Kubatur zu gute kommen, schränkt aber m. E. dafür das Raumempfinden im Innern ein. Aber gut, so wollte man eben damals den Fluss zwischen Innen und Aussen zelebrieren.

  • RER? Das weiß ich leider nicht. Aber ich gehe mal davon aus. Kurz vor Poissy liegt Mantes (frage mich nicht, welches der beiden). Dort haben wir auf jeden Fall eine RER-Strecke passiert.


    Nachtrag: A3 fährt bis Poissy. :)