Guderian:
Ich führe keine Selbstgespräche, wenn ich hier die Gründerzeitarchitektur thematisiere. Vor allem nicht, wenn diese doch auch hier als besonders vorbildlich dargestellt wird.
Wenn man's genau nimmt, konnte sich Loos mit seinem Ornament=Verbrechen Slogan gar nicht mal auf soziale Aspekte beziehen. Zumindest wüsste ich nicht, dass er mal was billiges gebaut hätte. er stand ja bei Wohnhäusern eher auf dem Standpunkt, allen Luxus im Inneren und wie's außen aussieht ist egal.
Die einzige wirklich soziale Moderne waren 50er Trümmersteinhäuser. Dadurch wird aber der Finanzaufwand von Vorkriegsbauten auch nicht sozialer!
Zur Entstuckung:
Natürlich wurde deshalb auch ideologisch entstuckt. Man war ja auf die moderne Zeit wahnsinnig stolz. Die ästhetischen Ansichten haben im Endeffekt doch nur den Siegeszug der komplexen Technik wiedergespiegelt. Damals waren sogar Bungalows als Einfamilienhäuser gefragt.
Architektonisch war die Entstuckung ein Fehler. man hat dadurch grundlegende Qualitäten vernichtet, ohne wirklich neue zu schaffen. Gerade an entstuckten Gründerzeitbauten sieht man ja, was das eigentlich für dämliche Kisten sind.
Trotzdem kann ich diese Entwicklung nicht ganz verurteilen. Und man kann die Schuld nicht den Architekten geben. Es war einfach eine mutigere Zeit und Kulturszene, Politik und Gesellschaft haben alles mitgetragen. Ich würde sogar behaupten, dass die pure Nachkriegsmoderne mit all ihren Problemen weit weniger von der Volksmasse entfremdet war, als die zeitgenössische Architektur. Deshalb bin ich auch sehr tolerant gegenüber diesen, teilweise furchtbar entstellten Häusern. Sie haben immer noch einen gewissen zukunftsoptimistischen Geist in ihrer Verstümmelung.
Aber diese Haltung meinerseits würde ich als Architekt - und da bin ich nicht der einzige - der Gesellschaft nun auch nicht aufzwingen wollen.
Aber es ist irgendwie müßig nur über Geschichte zu reden. Noch schlimmer ist es so zu tun, als würde die Kulturelite heute noch so denken.
Zu einer Rückkehr des Ornaments:
Im Jugendstil ging es um mehr als Blumenmuster. Gerade die Antropomorphen Formen sprechen da eine sehr klare Sprache. Es war die Hoffnung auf eine neue Gesellschaft. Gerade die Verklärung menschlicher Empfindungen (vgl. Peter Behrens: Der Kuss)sollte ja auch eine neue Moral etablieren.
Letztendlich endeten diese Utopien eines neuen Wertesystems aber in den großen radikalen Ideologien, so dass man sich an dieses Thema in dieser verklärenden Form nicht mehr traut.
Trotzdem mag ich die Motive und könnte mir noch am ehesten derartiges Vorstellen. Vor allem noch in einer Mischung mit technizistischen Motiven und Natur, in Form von Fassadenbegrünungen. Wäre ein schöner Schnitt durch die Gesellschaft.
Norbert Bisky halte ich höchste für Halle-Neustadt passend, mit seiner zynischen Neuauflage des sozialistischen Realismus? Er ist zwar provokant, aber irgendwie erschließt sich mir die obligatorische Sozialkritik nicht so ganz. Und das als Anstrich?
Aber bei vielen Putzfassaden wäre selbst das eine Verbesserung.
Ich denke, wir bräuchten wirklich wieder Standarts. Qualitativ hochwertige, Finanzstarke Projekte, die durch räumliche Komplexität funktionieren, sollten auch so gebaut werden.
Der Rest sollte von Zweckarchitektur auf anständiges Mittelmaß über eine Art Schmucksystem (müssen ja nicht unbedingt Ornamente sein) gepimpt werden. Die Vorstellung, gute Architektur könne billig sein ist in der Masse ein netter Traum. Mehr nicht.
Ich denke da vor allem an Fassaden, wie sie zur Zeit in Frankfurts City West entstehen. da würde schon ein durchdachtes Farbkonzept mehr Wohnlichkeit bringen. http://www.deutsches-architekt…wthread.php?t=4146&page=9
Ich möchte aber auch noch hinzufügen, dass sich hier die radikale Klarheit der Straßenfronten in ihrer Maßstäblichkeit auch wieder ganz gut in das unterkühlte Büroquartier einfügt. (Persönlich bin ich sogar eher für unterkühlt und Ornamentlos). Im Westhafen ist der gleiche Stil prächtig und sieht viel besser aus. Da möchte ich wirklich nicht auf genau diese zeitgenössische Architektur verzichten. Aber auch wenn es dafür einen Markt gibt, so ist die Nachfrage nach "Gemütlichkeit" in Großstädten überwiegend unbefriedigt. Und da muss die zeitgenössische Architektur bald Antworten finden.