Stadtgespräch Berlin / dies und das

  • ^ Das Bebauen des Tiergartens wurde niemals vorgeschlagen, das Tempelhofer Feld war wiederum nie zuvor ein Park - als Flughafen eher sowas wie eine Gewerbefläche ohne Baumbestand.


    Erhaltet soviel Natur inmitten der Stadt wie möglich!


    Richtig, dafür sollte man sparsamen Umgang mit der Fläche lernen. Die Berliner Baustellen frequentiere ich selten, bei den Düsseldorfer ärgern mich stets die vielen ebenerdigen Stellplätze, die trotz Tiefgarage zugepflastert werden. So ein Beispiel (s. letztes Foto) - Rhein VII rechts hat eine gewaltige Tiefgarage, RKM740 links ebenso, hinter dem Rohbau in der Mitte wurde gerade ein Parkhaus gebaut - dennoch wurde vorne die gesamte verfügbare Fläche in eine Pflasterwüste verwandelt. Ist das in den Berliner Neubau-Siedlungen anders?
    Zum Vergleich One Tower Bridge in London, neben dem Neubau wurde ein kleiner Park eingerichtet. (Dass ich eine Fußgängergasse und einen Innenhof gerne begrünter gesehen hätte, habe ich gleich geschrieben.) Ebenerdige Stellplätze neben einer der exklusivsten Wohnanlagen der Stadt - Zero. Was an Fläche nicht direkt bebaut wird, wird in Wohnqualität investiert - das kann man sich gerne abschauen.
    Neben der Begrünung ist auch die Fassadengestaltung sehr wichtig - wie oft auch darüber diskutiert wird, sehe ich in den meisten Threads hier grau mit grau neben grau. Bei einer freundlichen Gestaltung kann man wesentlich mehr Dichte ertragen bzw. gar als attraktiv finden - wie die stets begehrten Gründerzeitviertel.


    Die darüber beschriebenen Probleme mit den Ferienwohnungen halte ich für übertrieben - auch Dauerbewohner eines Hauses verwandeln sich paarmal im Jahr urplötzlich in Touristen, sind mit Rollkoffern unterwegs. Den ganzen Tag musste ich heute hören, wie ein Kind in der Nachbarswohnung hin und her lief, worauf die überforderte alleinerziehende Mutter es ständig anschrie - Dauerbewohner, da wären mir Touristen schon lieber, wenn sie nicht gerade die ganze Nacht feiern würden (Nachtruhe gilt auch in Ferienwohnungen). Eine intakte Hausgemeinschaft - soll ich mit den Nachbarn meine Freizeit verbringen? Man sagt sich hallo im Treppenhaus und das wär's.


    Neben dem Tempelhofer Feld lese ich hier stets über andere Nimby-Kleinkriege, die meist eine Reduzierung der WE-Anzahl zum Ziel haben (wenn das Projekt nicht ganz gekappt werden kann) - wenn man aber ein Areal nach dem anderen suboptimal bebaut, braucht man stets neue. Da kommt unter dem Strich mehr versiegelter Fläche zusammen. Irgendwo müssen die 4 Millionen Einwohner wohnen, die Berlin laut Prognosen in 20 Jahren haben soll.


    Es wird hier immer wieder über Straßenrückbau diskutiert - den sollte man an vielen Stellen der Innenstadt durchführen, statt mancher Autospuren könnte man zusätzliche Baumreihen anpflanzen. Schon gibt es etwas mehr Lebensqualität. Solche Parkplätze in der Straßenmitte haben als Relikt der autogerechten Stadt keine Existenzberechtigung mehr (abgesehen davon, dass sie ohnehin nur schwer erreichbar sind).

  • ^^ auch als Stadtkind sollte man wissen, dass die offenen Flächen rund um die Runways am ex Flughafen Tempelhof nichts mit "Natur" zu tun haben (selbst am Tiergarten ist im Übrigen nichts "naturbelassen"). Solch eine planierte, verdichtete, verkrautete Ebene trocknet im Sommer auch in kürzester Zeit an der Oberfläche aus, da ist nichts mit "Kühlung der Stadt", im Gegenzug heizen sich die ex-runways stärker auf, als jede von Bäumen wenigstens teilbeschattete Wohnstraße, stadtklimatisch bestenfalls ein Nullsummenspiel. Da wäre ein Wohngebiet a lá "Gartenstadt" mit Sicherheit bzgl. Stadtklima die effektivere Nutzung dieser Fläche. Eine damit verbundene, niedrige Bebauung mit entsprechender Anordnung würde umgekehrt die Freiluftschneise offenhalten, die über das Gebiet streifende Luft würde durch die Beflanzung der Anwohnergärten mit Sträuchern und Bäumen befeuchtet und gekühlt, somit wäre dies mit Sicherheit eine Verbesserung bzgl. dem Ist-Zustand.


    Ganz abgesehen davon, dass Berlin sich doch immer rühmt so hip und unkonventionell zu sein, man könnte hier wunderbar einen innenverdichteten Modell-Stadtteil anlegen, mit allem PiPaPo. Begrünte Dächer, Pflaster auf Straßen und Gehwegen im lockeren, großfugigen Verbund verlegt um den Boden nicht zu versiegeln, auf die runways kommen Photovoltaikanlagen (das kann in temporärem Leichtbau geschehen, somit sicherlich denkmalschutzkonform möglich, wenn man sich bemüht und es auch wirklich möchte).


    Das ganze mit ÖPNV und Fahrrad erschlossen, komplett verkehrsberuhigt (KFZ nur mit Schritt-Tempo erlaubt) und in der Planung wird darauf geachtet, dass zB keine "Steingärten" angelegt werden dürfen, Niederschlagswasserrückgewinnung zum Begießen der Gärten stattfindet, Erdsonden mit Wärmepumpen versorgen die Wohngebäude mit Kälte und Wärme,...


    hier könnte man sich so richtig "austoben", ein Vorzeigeprojekt mitten in Berlin.


    Ein uralter, brachliegender Flughafen soll innovativer und ökologischer sein? Nö, stimmt einfach nicht.

  • Herr Holm hat in einer Podiumsdiskussion erneut bekräftigt, alle wichtigen Fakten vergessen zu haben obwohl sein gegenüber aus einem sehr ähnlichen Hause das einmal mehr begründet in Zweifel zog und auch aus der Stasi-Akte immer mehr erhärtende Details bekannt werden. Ich habe nichts anderes erwartet und hoffe nur noch, dass die Humboldt Universität dem antriebslosen Senat die Arbeit abnimmt. Indessen hat die Regierung nun die Arbeit aufgenommen und will auf Betreiben der Grünen als erstes möglichst flächendeckend Unisex-Toiletten einführen wohingegen die von der SPD gewünschten erhöhten Sicherheitsmaßnahmen am Veto von Linken und Grünen scheitern werden (im Gegenteil soll sogar Bundesrecht gebrochen und die Abschiebung krimineller "Asylanten" aus nicht gefährlichen Regionen konsequent unterbunden werden). So blass habe ich Müller und die SPD noch nie erlebt. Naja, wer vorher fragt was er beim Einsatz seiner Richtlinienkompetenz zu erwarten habe, hat wohl schon von Anfang an verloren.
    Tagesspiegel zu Holm

  • Immerhin: RB Müller hat nun Frau Lompscher aufgefordert, Andrej Holm zu entlassen. Das versöhnt mich noch lange nicht mit einigen anderen Entwicklungen aber immerhin macht man sich nicht weiterhin von der Humboldt Universität abhängig (wobei man das ja auch so schon zunehmend revidiert und dann komplett abgestritten hatte).


    Ansonsten könnte man jetzt vielleicht generell noch die Kurve bekommen - auch dank der unerwartet hohen Überschüsse aus 2016 von über 1 Mia. Wenn jetzt in den wichtigen Bereichen klug investiert wird, werden die Berliner den Holperstart evtl bald wieder vergessen. Mit so viel Mitteln in der Hand dürfte es eigentlich ein leichtes sein, sich beliebt zu machen. Allein schon die Wohnungen, die sich so finanzieren ließen...

  • Ich denke da wird keine Ruhe reinkommen, die Sicherheitspolitik steht einfach gegenwärtig im Vordergrund in der öffentlichen Debatte, um so mehr wenn noch irgendwas passieren sollte, was keiner will. Hinzu kommt die Profilierung von Herrn Saleh als Alternative zu Herrn Müller, das wird bestimmt noch für Ärger sorgen.



    Das Problem ist aber auch ein Herr Müller, der die Situation völlig falsch eingeschätzt hat, bewusst oder unbewusst. Die Linke wollte auf jeden Fall Herrn Holm, auch als Versuchsballon um zu sehen, ob Stasi, DDR Unrecht usw überhaupt noch die Gesellschaft berühren und sind Gott sei Dank noch einmal krachend gescheitert.
    Es ist für mich enttäuschend, dass Herr Müller dieses Spiel geduldet und opportunistisch die Entwicklung abgewartet hat ob man damit durchkommt und die Grünen sind in Berlin so versessen darauf zu regieren, dass sie alles tun, damit das auch klappt mir rot rot grün und vergessen ihre eigene Vergangenheit in der DDR und dass viele ihrer Mitglieder und Befürworter am meisten diese Staatsführung damals bekämpft haben. Gerade das Schweigen der Grünen hat mich am meisten enttäuscht in dieser Debatte.

  • Das kam jetzt unerwartet. Die Linke hat sich ja just gestern nochmal hinter Holm geschart. Letztendlich hat ihn wohl seine unbedarfte Verteidigunsstrategie der partiellen Amnesie das Amt gekostet. Es ist einfach unglaubwürdig, dass er in einer so prägenden Phase wie es 89/90 war, vergessen haben will, was er bei der Stasi überhaupt gemacht hat.
    Die ersten Äußerungen der Berliner Linksprominenz klingen nicht wirklich nach Einverständnis zum Machtwort Müllers. http://www.rbb-online.de/polit…-will-Holm-entlassen.html
    Auf Twitter äußert man sich deutlich:
    "Die öffentliche Äußerung von Michael Müller ist nicht mit uns abgesprochen und liegt außerhalb des vereinbarten Verfahrens."
    https://twitter.com/dielinkeberlin/status/820296283826987008

  • IDie Linke wollte auf jeden Fall Herrn Holm, auch als Versuchsballon um zu sehen, ob Stasi, DDR Unrecht usw überhaupt noch die Gesellschaft berühren


    Unfug. Sie wollte ihn, weil er ein kompetenter Stadtsoziologe ist – was an der Humboldtuni übrigens niemand bestreitet.

  • Das kam jetzt unerwartet. Die Linke hat sich ja just gestern nochmal hinter Holm geschart.


    Es dürfte der Linken mit der Personalie Holm vor allem darum gegangen sein, ihr eigenes Profil zu schärfen - und das ganz bewusst im Konflikt mit den Koalitionspartnern, vor allem der SPD, weil man nicht vergessen hat, dass man in der rot-roten Koalition erst das Profil und dann die Hälfte der eigenen Wähler verloren hat. So urteilt jedenfalls der Tagesspiegel in einem aktuellen Kommentar:


    http://www.tagesspiegel.de/pol…beschaedigt/19253654.html


    Wie dem auch sei: Der Preis, den die Linke für diese Profilierung bezahlt, ist hoch. Den Machtkampf hat sie letztlich verloren, und die Koalition ist bereits nach einem Monat schwer beschädigt. Aber mit der "Deutschland-Koalition" (mit CDU und FDP) hat die SPD zur Not ja eine Alternative in petto. Das nimmt dem drohenden Koalitionsbruch seine Schärfe, denn die Jobs der SPD-Leute wären in keinem Fall gefährdet.


    Letztendlich hat ihn wohl seine unbedarfte Verteidigunsstrategie der partiellen Amnesie das Amt gekostet. Es ist einfach unglaubwürdig, dass er in einer so prägenden Phase wie es 89/90 war, vergessen haben will, was er bei der Stasi überhaupt gemacht hat.


    Der Mann hat seine kurze Zeit im Scheinwerferlicht vor allem dazu genutzt, zu beweisen, dass er zur Übernahme von Führungsverantwortung komplett ungeignet ist.

  • Unfug. Sie wollte ihn, weil er ein kompetenter Stadtsoziologe ist – was an der Humboldtuni übrigens niemand bestreitet.


    Anfänglich wohl schon und da war ich auch noch durchaus positiv über die Personalie gestimmt. Herr Lederer hat aber in der Abendschau offen eingeräumt, dass man dabei nicht näher hingeschaut hat und dass dies ein Fehler gewesen sei. Inkonsequent ist dann aber das lange Festhalten und teils schon sehr trotzige Beharren. Hier kann man in Zusammenhang mit der öffentlichen Forderung nach einer Neubewertung von solchen Dingen durchaus von einem bewussten Austesten der Grenzen sprechen. Viele (und rückblickend auch Herr Lederer) nehmen an, dass Müllers sehr spätes Machtwort nicht zufällig genau einen Tag erfolgte, nachdem ihn die Linke noch mal massiv öffentlich unter Druck setzte, Herrn Holm zeitnah und unabhängig von der Humboldt Universität zu bestätigen und das wo sie von seiner zunehmenden Irritation in der Sache durchaus wussten. Herr Lederer attestiert zwar ein Missverständnis auf Seiten Müllers (die von praktisch allen inkl Müller so wahrgenommen Erpressungsversuche seiner Partei seien gar keine gewesen). Dennoch sagt er zugleich, dass seine Partei sich nun zwischen einem weiteren Festhalten an Herrn Holm und einer Fortsetzung der Regierung entscheiden müsse, was ich jetzt nicht gerade als Relativierung früherer Drohungen empfinde. Alles in allem trägt mE die Linke ganz eindeutig die Hauptschuld an dieser unschönen Sache wobei sie mE zugleich ungewollt Müllers Führungsschwäche öffentlich vorgeführt und diesen vor sich hergetrieben hat. Der kollektive Schaden ist groß auch weil die Linke weiter rum trotzt, wo die Grünen schon erleichtert aussprechen was ALLE erwarten: Nun kann es endlich mit dem Regieren los gehen bzw man kann sich voll auf die Arbeit konzentrieren auf die alle drei Parteien so viel Lust hatten...


    Und genau das hatte ich nun auch gehofft aber noch scheint die Linke nicht ablassen zu können. Da kam sie mir letztes mal viel reifer und verantwortungsvoller vor. Schade! Ich bin da inzwischen sehr enttäuscht und hatte spätestens jetzt mehr erwartet.

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  • Es ist beschämend, dass Müller so lange für diese Entscheidung gebraucht hat, und sich stattdessen hat am Nasenring durch die Manege führen lassen. Unverständlich finde ich den ursprünglichen Ansatz, das Urteil der HU abzuwarten. Wie hätte ein solches Urteil aussehen sollen? Die HU kann sich nur gegen Holm entscheiden, da sie sich sonst angreifbar machen würde gegenüber Personen, den der Dienst in der HU ebenfalls verwehrt worden war. Es würde darüber hinaus jegliche Vergangenheitsabfrage im Zusammenhang mit neueingestelltem Personal im Öffentlichen Dienst in Ostdeutschland in Frage stellen, da man hier einen Präzedenzfall geschaffen hätte.


    Ich finde, um seine Expertise weiterzugeben, muss Holm nicht Staatssekretär sein. Er kann sich auch auf andere Art im politischen Raum einbringen. Er könnte dies auch über Arbeitskreise tun oder sonstige Gremien. Wenn Holm so viel an dieser Stadt liegt, wird er es auch tun. Berlin braucht angesichts der Aufgaben politisch Handelnde, die sich um die Probleme der Stadt kümmern, und nicht um sich selbst.


    Allerdings finde ich auch, dass Frau Lompscher ebenfalls gehen sollte. Da sie bis zu letzt an ihrem Mitarbeiter festhielt, ihn gegen ihre Überzeugung wohl entlassen wird müssen, selbst nicht die Tragweite ihrer Politik erkannt hat, hat sie an Glaubwürdigkeit stark eingebüßt. Auch das Verhältnis zu ihrem Vor-Vorgänger Müller dürfte wohl beschädigt sein. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik in Zukunft insgesamt weniger ideoliegetrieben ist, sondern sich mehr an dem politisch Machbaren und vor allem Notwendigen orientiert.


    Insgesamt denke ich, dass bei einigen, bei denen die "Sektkorken" nach der Wahl knallten, wohl ganz schöne Katerstimmung aufgetreten ist. Vielleicht führt das aber zu einer besseren politischen Streitkultur, die doch alle bereits in den Sondierungsgesprächen angemahnt hatten.

  • Ich finde, um seine Expertise weiterzugeben, muss Holm nicht Staatssekretär sein. Er kann sich auch auf andere Art im politischen Raum einbringen. Er könnte dies auch über Arbeitskreise tun oder sonstige Gremien. Wenn Holm so viel an dieser Stadt liegt, wird er es auch tun. Berlin braucht angesichts der Aufgaben politisch Handelnde, die sich um die Probleme der Stadt kümmern, und nicht um sich selbst.


    Das wäre in der Tat von Beginn an die beste Lösung gewesen und hätte gerade zu Beginn der Kontroverse einen recht eleganten Kompromiss dargestellt: Zusammenarbeit ja, Amt eines Staatssekretärs nein. Alles andere war und ist mE nicht vermittelbar wenn man bedenkt wie die Stasi die Karrieren und Existenzen von Systemfeinden ruiniert hat und wie streng die arbeitsrechtlichen Auflagen waren, die Holm bewusst umgangen ist. Solchen wiederholten Opportunismus noch mit einem der höchsten politischen Ämter zu adeln war eine schallende Ohrfeige für die vielen Stasi-Opfer von denen ich keins für Herrn Holm habe eintreten sehen. Das hätte auch die Linke wissen müssen und die Zusammenarbeit auf einer fachlichen Ebene ansiedeln sollen. Vielleicht ist das ja auch jetzt noch möglich aber ich befürchte, dass man sich hier durch die starke Eskalation alles verbaut hat. Die Linke stellt ja schon laut die Koalition insgesamt in Frage. Das ist mE ein ganz negatives Signal was wenige Wochen nach Regierungsantritt große Sorge und Zweifel hervorruft. Auch wenn man sich nun zumindest von Seiten der anderen beiden Parteien sehr bemüht, nebenbei doch auch Politik zu machen.


    Allerdings finde ich auch, dass Frau Lompscher ebenfalls gehen sollte. Da sie bis zu letzt an ihrem Mitarbeiter festhielt, ihn gegen ihre Überzeugung wohl entlassen wird müssen, selbst nicht die Tragweite ihrer Politik erkannt hat, hat sie an Glaubwürdigkeit stark eingebüßt. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik in Zukunft insgesamt weniger ideoliegetrieben ist, sondern sich mehr an dem politisch Machbaren und vor allem Notwendigen orientiert.


    Ihren Kopf wird die Opposition sicher auch noch fordern aber spätestens da würde die Linke vermutlich nicht mehr mit machen. Und freiwillig wird Frau Lompscher erst recht nicht gehen. Ihre extrem verbohrte Haltung hat sie ja nun zur Genüge demonstriert.


    Insgesamt denke ich, dass bei einigen, bei denen die "Sektkorken" nach der Wahl knallten, wohl ganz schöne Katerstimmung aufgetreten ist. Vielleicht führt das aber zu einer besseren politischen Streitkultur, die doch alle bereits in den Sondierungsgesprächen angemahnt hatten.


    Siehe letzter Absatz. Für Einsicht sind solche Personen eher nicht bekannt. Daher ist die Koalition mE schon jetzt sehr wacklig auf den Beinen unterwegs und ein offener Bruch zumindest denkbar. Hoffentlich wollen sie nun alle eines besseren belehren und arbeiten hart und vor allem erfolgreich. Und wie gesagt können sie über 1 MIA auf den Kopf hauen ohne neue Schulden zu machen, werden vermutlich die Eröffnung des BER verkünden etc. Das sind goldene Voraussetzungen und sie wären schon extrem dämlich, das jetzt nicht auch zu nutzen.

  • ^ Wer ist denn eigentlich immer diese "linke Klientel", von der hier ständig die Rede ist? Etwa jene Mehrheit der Bürger, die SPD, Linkspartei und Grüne gewählt haben?


    Es ist schon lustig: Wer einen Investor von sozialen Auflagen befreit, bei zigtausendfachen Umweltvergehen durch Autokonzerne die Augen zudrückt oder für Hoteliers die Steuern senkt, der betreibt kompetente Wirtschaftspolitik im Dienste der Allgemeinheit. Wer dagegen den Wohnungsbau fördern will, um die Mietsteigerungen in den Griff zu bekommen, und den ÖPNV ausbauen möchte, um die Folgen der Auto-Orientierung wenigstens abzumildern, der ist ein verblendeter Ideologe und betreibt Politik für seine "Klientel" – welche natürlich dumm und egozentrisch ist und auf jeden Fall immer eine verschwindende Minderheit; mithin das Gegenteil von Allgemeinheit.


    Was den FAZ-Artikel betrifft – einen der Gründe für die drohende "Atomisierung" sieht die Autorin in dem "sektenhaften Eifer", mit dem der neue Senat "die Allgemeinheit" zur "bedingungslosen Akzeptanz" von "Seltenheiten" (!) wie Lesben und Schwulen "erziehen" wolle. Auch ich finde Unisex-Toiletten albern, und ich halte mich (s.o.) nicht an PC-Schreibweisen wie Bürger*innen – wenn mir aber jemand erklärt, "queere Jugendzentren" trügen zur Spaltung der Stadtgesellschaft bei, dann weiß ich, auf welcher Seite ich stehe. Mit welchem Recht beansprucht denn die Autorin, Bedingungen zu stellen, bevor sie das Liebesleben anderer Leute akzeptiert? Sie sollte sich mal fragen, was denn mit diesen "Seltenheiten" (ca. 5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung) hierzulande früher war und in zahlreichen Ländern bis heute ist, wenn "die Allgemeinheit" ihnen die "Akzeptanz" verweigert: Die Palette reicht von verhöhnen über einsperren bis aufhängen.


    Aber natürlich handelt es sich hier um eine "Klientel" – und da ist bekanntlich keine Rücksichtnahme angebracht.

  • ^ Wer ist denn eigentlich immer diese "linke Klientel", von der hier ständig die Rede ist? Etwa jene Mehrheit der Bürger, die SPD, Linkspartei und Grüne gewählt haben?


    Hat diese ganze generelle "Pro-R2G-, Con-R2G"-Debatte irgendetwas mit Architektur und Städtebau zu tun?


    Bei der Personalie Holm (Kurzzeit-Staatssekretär für Wohnen) gab es einen Zusammenhang, bei Themen wie Unisex-Toiletten und queere Jugendzentren ja wohl kaum ... .

  • [...]
    Wer dagegen den Wohnungsbau fördern will, um die Mietsteigerungen in den Griff zu bekommen,[...]der ist ein verblendeter Ideologe und betreibt Politik für seine "Klientel" – welche natürlich dumm und egozentrisch ist und auf jeden Fall immer eine verschwindende Minderheit; mithin das Gegenteil von Allgemeinheit.[...]


    Welche Maßnahmen hat der neue Senat denn angekündigt, um den Wohnungsbau zu fördern? Es dreht sich doch bisher fast ausschließlich darum, den bestehenden Mietmarkt so weit wie möglich den normalen Marktmechanismen zu entziehen. Mietpreisbremsen, Milieuschutz etc. sind alles konservatorische Maßnahmen, die das Wohnungsproblem nicht lösen sondern höchstens verlagern und anstauen.
    Privaten Investoren hingegen werden die finanziellen Anreize zu bauen systematisch geschmälert. Sie werden sogar zu den eigentlichen Sündenböcken stilisiert, wenn sie denn in gefragten Quartieren Baulücken füllen. Totaler Irrsinn. In die Bresche springen sollen kommunale Wohnungsgesellschaften. Als könnten die für lau bauen und müssten kein Geld erwirtschaften, um sich selbst und den Erhalt der Gebäude auf Dauer zu finanzieren.

    Einmal editiert, zuletzt von Saxonia ()

  • Ich halte es für eine gute Idee, momentane Überschüsse zum Erwerb und Neubau kommunaler Wohnungen zu verwenden. Bei Investoren kann man u.a. wo irgendmöglich eine höhere Bebauung bis 60m genehmigen (wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll) und dafür einen realistischen Anteil sozialverträglicher Mieten vorschreiben. So kommt man schnell auf Volumen, ohne Investitionen abzuwürgen. Da sollte man pragmatisch vorgehen. Ein weiterer Schlüssel könnte es sein Randlagen besser an die Infrastruktur anzubinden und attraktiver zu machen ggf auch Orte in Brandenburg...

  • Nein, sehe ich anders.


    Aktuell gibt es physischen Mangel an Wohnraum. Das ist nicht einfach nur Spekulation. Und die öffentliche Hand kann die Rolle der Privatinvestoren nicht ersetzen. Bis auf einige wenige Glückliche, die eine neu gebaute staatliche Wohnung ergattern, hat niemand in Berlin was von wohnungspolitischem Aktionismus, nachdem man viele Jahre gepennt hat.


    Und dafür auch noch Steuergeld verpulvern, auf dem Höhepunkt des aktuellen Immobilienzyklus? Das wäre doppelt kurzsichtig. Aktuell muss der Senat schlicht mehr Baugrund ausweisen, wo und wie auch immer. Damit der physische Mangel endet. Für Bedürftige gibt es Hilfen nach dem Bundesrecht, von Hartz bis Wohngeld, sowieso.


    Und wenn die aktuelle Überhitzung des Immobilienmarkts in Berlin sich wieder beruhigt hat, das kann er am dominierenden privaten Mietmarkt nur wenn der physische Mangel durch massive Neuausweisung von Bauland endet, dann kann die öffentliche Hand billiger Immobilien einkaufen und langfristig bewirtschaften, um im nächsten Immobilienboom mäßigend einwirken zu können.


    Das alles muss langfristig angelegt sein, über den Zeithorizont einer einzelnen Legislaturperiode hinweg. Alles andere hielte ich für Populismus und ein Strohfeuer, in dem unser Steuergeld verbrannt wird. Auch ist zu bedenken, dass das Land Berlin die Bürger an anderer Stelle ganz konkret entlasten und auch die heimische Wirtschaft fördern könnte, schließlich sollen und wollen die Berliner ja nicht nur von Staatsknete aus Regionen, in denen das gemacht wird, leben. Besser ausgebaute öffentliche Infrastruktur und Leistungen, stabile Gebühren für öffentliche Leistungen. Bis hin zum Breitbandausbau, wo in bayerischen Kleinstädten, aufgrund des Extra-Engagements des Freistaat Bayern der ordentlich was auf die Bundesförderung drauflegt, mehr Breitbandinternet ausgebaut wird, als vielfach im Berliner Blockrand. Das wurde immer damit entschuldigt, dafür sei halt kein Geld da. Jetzt ist es da. Und es gibt im 21. Jahrhundert kaum ein größeres Hindernis für einen Standort, als schlecht ausgebautes Internet.


    Es ist eine indiskutable Peinlichkeit, wie Berlin hier aufgestellt ist. In München bauen die kommunalen Stadtwerke gerade sogar ein Glasfasernetz auf, das mittelfristig 70 % aller Haushalte und Unternehmen Münchens erreichen soll! In Berlin gibt es oft nicht einmal richtiges DSL. Man sagt Pi mal Daumen, dass es im deutschen Siedlungsmix 1 Milliarde pro 1 Mio. Einwohner kostet, um jeden Haushalt und jedes Unternehmen mit FTTH Internet anzubinden (dauerhaft zukunftssicher und leistungsfähig). In Städten geht man von 1/4 der Summe pro 1 Mio. Einwohner aus, wegen der Einwohnerdichte und der damit größeren Effizienz der Tiefbauarbeiten. Berlin hat aber auch dünn bebaute Einfamilienhausstadteile und geht ziemlich in die Fläche. Das heißt, ganz grob Pi mal Daumen, man könnte mit dem aktuellen Haushaltsüberschuss, in eine kommunale Breitbandgesellschaft als Startkapital gesteckt, ganz Berlin mit FTTH Internet ausbauen. Damit wäre Berlin dann über Nacht technisch auf Augenhöhe mit Seoul oder anderen asiatischen Hitech-Metropolen. Berlins meistwachsende Branche nach dem Tourismus ist die Digitalwirtschaft, das ist für die ein Konjunkturprogramm und für alle von uns ein großer Nutzen, die Zukunft ist digital und vernetzt. Da halte ich die Überschüsse derzeit für wirkungsvoller investiert, mit einem Benefit für ganz Berlin, anstatt nur für die wenigen Glücklichen, die einen öffentlich geförderten Neubau ergattern können.


    Daseinsvorsorge und kostengünstiger Zugang zu Infrastruktur, die für Alle wichtig ist, ist ja eigentlich auch ein Kernziel linker Politik. In Berlin ist die linke Politik aber sehr altlinks, biographsich und inhaltlich. Da ist "das mit dem Internet" noch "Neuland", "Flausen", "Spielerei". Da besteht Infrastruktur der Daseinsvorsorge in den Köpfen nach wie vor nur daraus, was man anfassen und in Beton gießen kann. Oder um aus einer Bürgerversammlung eine Gegenrede zum Thema Breitbandausbau eines Lehrers im Ruhestand, der bekennender Sozialdemokrat war, zu zitieren "Wieso, Telefon geht doch!". Die Ruheständler waren doch stark in der Überzahl unter den anwesenden Bürgern.

    6 Mal editiert, zuletzt von Pumpernickel ()

  • Welche Maßnahmen hat der neue Senat denn angekündigt, um den Wohnungsbau zu fördern? Es dreht sich doch bisher fast ausschließlich darum, den bestehenden Mietmarkt so weit wie möglich den normalen Marktmechanismen zu entziehen.


    Bisher stützt sich meine Hoffnung vor allem auf die politischen Ziele, die der Senat sich gesetzt hat. Dass es schwierig wird, sie umzusetzen, ist klar. Pumpernickel hat recht, dass nicht allein Immobilienspekulation das Problem macht, sondern einfach zu wenig Wohnraum da ist. Also muss viel und günstig gebaut werden, und das wird nicht einfach. Vor allem wird es nicht einfach, für Normalverdiener zu bauen, die weder "gehobene Ausstattung" noch Sozialwohnungen brauchen.


    Das ist eine Riesenschlagseite der Debatte (nicht nur) hier im Forum: Dass es immer um Leute geht, die entweder 600.000 Euro für 90 Quadrameter Neubau ausgeben können (und wollen), oder um Hartz IV-Empfänger, die auf Wohngeld angewiesen sind. Ausgeblendet bleiben diejenigen, die das Gros der Bevölkerung stellen, die ganz normal arbeiten gehen und ein Drittel ihres Einkommens für eine halbwegs zentral gelegene Mietwohnung ausgeben können. Für diese Leute wird die Luft immer dünner, und das ist für mich das Hauptproblem.


    Keine Lösung bietet hier das Mantra, wonach der "normale Markt" die Lösung sei und die Aufgabe der Politik darin bestehe, Investoren den Weg frei zu machen. Die massenhafte Nachfrage nach bezahlbaren Wohnungen generiert nämlich von sich aus kein entsprechendes Angebot - einfach weil die freie Wohnungswirtschaft mehr verdienen kann, wenn sie ein Angebot schafft, das für die meisten Mieter eben nicht bezahlbar ist. Bauland auszuweisen, ändert an diesem Umstand gar nichts. Den Ansatz, Genossenschaften zu fördern, finde ich schon vielversprechend. Patentrezepte, wie man auf diesem Weg schnell Ergebnisse erziehlt, habe ich aber nicht.

  • Denkbar wäre zunächst öffentliches Land zum Vorzugspreis an Baugenossenschaften abzugeben. Auch Einheimischenmodelle muss es nicht nur auf dem Dorf geben.


    Dazu müssen gewisse Kreise, die man früher als Bourgeoisie bezeichnet hätte, von Spleens Abstand nehmen. Statt zB auf dem ehemaligen Flughafen Gatow, der inmitten von Grün liegt, noch ein Naherholungsgebiet einzurichten, gehört da Bauland ausgewiesen. Ebenso auf der sogenannten Tempelhofer Freiheit. Ich bin mir sicher, dass ein Entscheid unter den aktuellen Bedingungen auch anders ausgehen würde aber wir haben einen gewählten Senat der uns repräsentiert, um Entscheidungen zu treffen. Dazu gehören auch jene, die für Nimbys unpopulär sind. Ich finde es grenzt an Zynismus, dass öffentliche Wohnungsunternehmen nun schon zusätzliche Punkthäuser in enge Hinterhöfe des Blockrand quetschen und den Menschen dort unter Verweis auf die Wohnungsnot viel zumuten, aber die 355 Hektar des ex Flughafen Tempelhof brach bleiben, damit gut situierte Städter dort ihrem verschobenen Begriff von "Natur" ausleben können.


    Auch das Gebäude des Flughafens selbst liegt im Grunde brach, jede Zwischennutzung ist eben genau nur das. Alleine im Flughafen, umgebaut in Wohnungen, mit reichlich Platz für Gemeinschaftseinrichtungen, könnten tausende Menschen Wohnung finden. Inmitten eines fertig erschlossenen Stadtgebietes. Das könnte gar ein neues Zentrum für Tempelhof werden, wenn man den Flughafenbau saniert und mit einer Mischnutzung aus Wohnen, Handel und Dienstleistungen und öffentlichen Verkehrsflächen für Fußgänger versieht. Davon hätte Berlin allemal mehr als weitere Styroporwürfel in Hinterhöfe zu quetschen. Das Baudenkmal muss ja auch sowieso erhalten werden. Aufgrund der Historie des Baus würde sich vermutlich sogar der Bund finanziell beteiligen.


    Das ist nur ein Beispiel, das zeigt, wie untätig der Senat eigentlich wirklich ist.