Stadtgespräch Berlin / dies und das

  • Mich als Menschenverachter zu bezeichnen, mir nahezulegen, dass ich mich als Tourist nicht in Berlin blicken lassen soll und dass ich als dumm und borniert bezeichnet wurde, würde ich schon "geifern" nennen.


    Das stimmt, habe ich aber alles nicht behauptet. Das waren andere Leute, für die Du mich nicht verantwortlich machen kannst. Erzähl doch mal sachlich, was Du an der Gentrifizierung so toll findest – und warum Du meinst, dass wohlhabende Leute für gepflegte öffentliche Grünflächen sorgen. Dann können wir ja mal sachlich darüber streiten.


    Zitat von tel33

    Die 'Vertreibung' der über Jahrzehnte ansässigen Bevölkerung aus der Berliner Innenstadt hat schon vor längerer Zeit stattgefunden. Die die heute laut eine 'Gentrifizierung' bejammern, sind selbst ursächlich für diese Entwicklung.


    Auch da ist einiges dran – tatsächlich sind hippe, linke Studenten oft die Vorreiter eines Gentrifizierungs-Prozesses. Derzeit ist das in (Nord-)Neukölln und im Wedding zu beobachten. Aber a) ist der Stein des Anstoßes nicht die Ursache. Die Leute treten – ohne es zu ahnen – einen Aufwertungs-Prozess los, von dem sie selbst schnell überholt werden. Sie sind nur der Anlass, nicht der Grund; die Nutznießer sind ganz andere Leute. Und b) hat die Vertreibung in einigen Vierteln bereits stattgefunden, in anderen hat sie gerade erst begonnen. Zudem gibt es nicht eine Vertreibung, sondern mehrere, aufeinander folgende Wellen. Das Berliner Preisniveau ist bekanntlich selbst in den angesagtesten Kiezen noch ewig weit von den zentralen Vierteln in Paris, London oder New York entfernt.


    Wenn man sich die Kommentare unter dem von Camondo verlinkten Spiegel-Artikel anschaut, dann scheint allerdings genau das bei vielen einen Minderwertigkeitskomplex auszulösen – als wäre Berlin erst dann eine 'echte' Metropole, wenn junge Banker im Monat 2000 Euro für dreißig rattenverseuchte Quadratmeter im Souterrain nähe Herrmannplatz hinblättern. Ich sehe das anders: Mir gefällt die soziale Durchmischung, die es in Berlin (noch) vielerorts gibt. Ich habe als zugezogener Mittelschichts-Frekel nichts gegen zugezogene Oberschichts-Frekel, solange zugezogene oder eingeborene Unterschichts-Frekel halt auch noch hier leben können.


    Und um ein Missverständnis zu vermeiden: Ich weiß, dass eine Großstadt ein dynamischer Organismus ist, der sich ständig verändert. Ich trauere also keineswegs einem romantisch verklärten status quo ante hinterher, der z.B. den verrottenden, braunkohlebeheizten Prenzlauer Berg des Jahres 1990 auf ewig hätte konservieren wollen. Ich finde nur, Berlin sollte alles daran setzen, seine Entwicklung politisch zu steuern, statt sie jenen famosen "Kräften des Marktes" zu überlassen, die im Zentrum Reichen-Ghettos und in der Peripherie Armen-Ghettos entstehen lässt. Denn merke: Wer im Berliner Zentrum Londoner Mietpreise durchsetzen will, sollte sich später über eine brennende Peripherie nach Londoner Vorbild nicht wundern...


  • 1) Eiermann-Bauten, Gedächtniskirche
    2) Olympiastadion 1972, München (ok, 1972 gilt wohl nicht mehr als Nachkriegsgebäude)
    3) Hansa-Viertel, Berlin
    4) Dreischeibenhaus, Düsseldorf
    5) Fernsehturm, Stuttgart (weltweit erster in Stahlbetonbauweise errichteter Funkturm)


    Kein Mensch im Ausland kennt diese Bauten. Oder glaubst du irgendjemand reist nach Deutschland um sich diese Gebäude anzuschauen? (Das eine oder andere ggf. wenn man sowieso mal da ist, aber mehr auch nicht)


    Im Ausland kennt man, bzw. kommt nach Deutschland wegen Schloss Neuschwanstein, Kölner Dom, Brandenburger Tor, Altstädte (z.B. Heidelberg), etc...


    Die Nachkriegsarchitektur hat nichts brauchbares zu Stande gebracht und Städte großflächig verhunzt. Warum spricht man wohl 70 Jahre nach Kriegsende von "Stadtreparatur"? => Weil man den angerichteten Schaden wieder einigermaßen in Ordnung bringen möchte!

  • ^^
    Wie hast du das recherchiert? Deine Vorlieben und Interessen einfach auf die Welt übertragen?


    https://youtu.be/89uQHprvF3Y



    http://www.berlino.com/edifici-moderni-berlino/
    http://www.viaggidiarchitettura.it/itinerari/europa/berlino/
    http://www.theguardian.com/tra…ur-of-berlin-architecture
    http://www.viajesarquitectura.com/Berlin-y-Bauhaus-2.htm


    Hier werden auch aktuelle und geplante Projekte in Berlin vorgestellt.
    http://www.plataformaarquitectura.cl/cl/tag/berlin
    die Innenansichten des Boros-Bunkers in der Reinhardstraße kannte ich noch nicht
    http://www.plataformaarquitect…/54d4716ab24b45fb78005d8d

    Einmal editiert, zuletzt von Chandler ()

  • Nun bleib mal realistisch. Die Behauptung, dass man Deutschland im Ausland um die grauen Nachkriegsstädte beneidet oder diese als Touristenziel besucht, ist einfach lebensfremd und das weisst du genau, wenn du ehrlich bist. Ich weiss auch gar nicht woher die Aufregung rührt, üblicherweise gefallen sich doch Fans von Sichtbeton in der Pose des "unverstandenen Avantgardisten" und fühlen sich durch Ablehnung dieser Architektur durch den Mainstream eher noch bestätigt.


    Weiterhin ist die Architektur des 20. Jh. nicht per se für den Müll - in Ost wie Westdeutschland wurde hingegen v. a. das piefigste, spießigste, biederste und fadeste gebaut, was diese Epoche hervorbrachte. So musste ein Mies van der Rohe nach New York, um das 1958 eröffnete Seagram Buildung zu bauen:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Seagram_Building


    Ein tolles Beispiel der Moderne. In Deutschland wurden zur selben Zeit solche biederen, grauen Kisten ohne Ambition gebaut:


    http://de.wikipedia.org/wiki/C…mburg-Altstadt%29.ajb.jpg


    Ebenfalls exakt im Jahr 1958 eröffnet!


    Wenn dieser 1:1 Vergleich kein Augenöffner ist, dann weiss ich auch nicht.


    Oder die Fernsehtürme, es wurde erwähnt, dass die Deutschen hier Pioniere waren. Letztlich wurden dann doch aber eher zweckmäßige Röhren gebaut, die man halt von der Behörde Bundespost erwartete. Während zur selben Zeit in Übersee solche mutigen Entwürfe umgesetzt wurden:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Space_Needle


    http://de.wikipedia.org/wiki/CN_Tower



    Deutsche bauten solche Opernhäuser:


    http://de.wikipedia.org/wiki/D…cht_von_S%C3%BCdosten.jpg


    Woanders baute man solche:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Sydney_Opera_House


    http://de.wikipedia.org/wiki/L…ncoln_Center_Twilight.jpg


    In Deutschland baute man solche Flughafengebäude


    http://de.wikipedia.org/wiki/F…le:Flughafen_Hannover.jpg


    Anderswo solche


    https://en.wikipedia.org/wiki/…media/File:Jfkairport.jpg


    Während bei uns das piefige Kanzlerbungalow als Inbegriff modernen Wohnens galt


    http://de.wikipedia.org/wiki/Kanzlerbungalow


    baute Frank Lloyd Wright bereits Jahre zuvor ein wesentlich innovativeres Wohnhaus, was auch nicht so steril daher kommt und Wohnwert mit Innovation vereinte


    http://de.wikipedia.org/wiki/F…le:Wrightfallingwater.jpg


    Und während das hier ebenfalls erwähnte Hansa-Viertel mit den Punkthäusern sich von DDR Plattenbauten höchstens dadurch unterscheidet, dass jeder Entwurf nur einmal umgesetzt wurde


    http://de.wikipedia.org/wiki/B…Hansaviertel_Panorama.jpg


    durften mitunter die selben Architekten (wie zB in Oscar Niemeyer) erneut in Übersee sehr viel kühner bauen, siehe zB


    https://en.wikipedia.org/wiki/Bras%C3%ADlia


    Während unsere Verkehrsbauwerke so aussahen


    http://de.wikipedia.org/wiki/U…f_Merkenstra%C3%9Fe_5.jpg


    sahen sie anderswo so aus


    http://de.wikipedia.org/wiki/W…enter_crossvault_2009.jpg


    http://de.wikipedia.org/wiki/T…kholm_central_station.jpg


    So wurden bei uns neue Gebäude für höchste Gerichte gebaut (hier für den BGH):


    http://de.wikipedia.org/wiki/B…GH_-_Westgeb%C3%A4ude.JPG


    Anderswo residierte der Rechtsstaat so


    http://de.wikipedia.org/wiki/E…Court_of_Human_Rights.jpg




    ....die deutsche Nachkriegsarchitektur ist regional gesehen nicht besonders erhaltenswert, nicht "die Nachkriegsarchitektur" insgesamt, global gesehen. Architektonisch hat Deutschland zur Moderne noch am meisten beigetragen, indem es deutsche Architekten "exportiert" hat, die im Ausland mutig bauen durften, was im miefigen Deutschland nicht erwünscht war. Ansonsten, bloß nicht zuviel auf Frankfurter Küche und Weißenhofsiedlung einbilden.


    Und aktuell wird in Deutschland die Tradition miefiger, langweiligster Spießerarchitektur, die die Moderne zu bieten hat, fortgesetzt - nirgendwo so stark, wie in Berlin, mit rechtwinkligen Flachdachkisten mit monotonen Rasterfassaden. Wer innovative Architektur sehen will, der darf nicht nach Berlin fahren, sondern nach Dubai, in die asiatischen Metropolen, nach Istanbul, Madrid, Paris, London, New York,...selbst "Showarchitekten" wie Gehry fallen in Berlin mit den wohl langweiligsten Entwürfen ihrer Karrieren auf.

  • Die Nachkriegsarchitektur hat nichts brauchbares zu Stande gebracht und Städte großflächig verhunzt.


    Schaue dir die Fotos der im Krieg zerstörten Städte an! Aus dem nichts haben die Trümmerfrauen und Männer in kürzester Zeit wieder bewohnbaren Wohnraum erschaffen, ohne große Hilfsmittel. Sie haben es geschafft, aus den Trümmerfeldern der zerstörten Städten wieder funktionierende Stadtstrukturen zu bauen. Aus dem nichts, oft mit bloßen Händen wurde die Infrastruktur wiederhergestellt!...Hut ab vor solchen unfassbaren Leistungen! ...Und nun kommt 70 Jahre später jemand daher und behauptet:

    Die Nachkriegsarchitektur hat nichts brauchbares zu Stande gebracht und Städte großflächig verhunzt.


    Wie kann man die Menschen dermaßen beleidigen!?

  • Nachkriegsarchitektur ist alles, bis heute, ab 1945. Wiederaufbauarchitektur ist ein Kapitel für sich. Und in der Tat hat man sich erstaunlicherweise beim unmittelbaren Wiederaufbau, trotz der begrenzten Mittel, häufig mehr gestalterische Mühe gegeben (sichtlich), als Jahre später zB bei den typischen grau-braunen "Betonbunkern" der 1970er.

  • Pumpernickel bringt es auf den Punkt, die wenigen achitektonischen highlights der Moderne in DE sind Hauptsächlcih aus der Vorkriegszeit wie z.B schon erwähnt


    Stuttgarter Tagblatt-Turm
    https://de.wikipedia.org/wiki/Tagblatt-Turm


    Kaufhaus Schocken
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kaufhaus_Schocken


    Weisenhofsiedlung
    https://de.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fenhofsiedlung


    Alles in Stuttgart :angel:


    oder der Borsigturm Berlin
    http://www.google.de/url?sourc…8kLexTGxzndfFG9lesa5kG7Xw



    Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
    http://www.emporis.de/images/show/214408-Large.jpg



    Hansahochhaus in Köln
    http://www.google.de/imgres?im…I57b4wdmSxgIVxO8UCh0Z-wCS


    usw gibt natürlich viel mehr...


    Die Kongresshalle in Berlin ist da eine Ausnahme
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kongresshalle_%28Berlin%29

  • ^ noch anzufügen: Das Chile Haus in Hamburg, das Anzeiger Hochhaus in Hannover, das Messegelände in Düsseldorf, die AEG Turbinen Halle in Berlin Wedding, das Ullstein Gebüde in Berlin Tempelhof, die Hufeisensiedlung in Berlin Tempelhof, Siemensstadt in Berlin-Siemensstadt, das Marine Ehrenmal in Laboe, die Tuschfarben-Siedlung in Berlin Grünau, die IG-Farbenzentrale in Frankfurt, die Onkel Tom Siedlung in Berlin Zehlendorf, das Bruno Taut Haus am Oranien Platz in Berlin Kreuzberg, der Funkturm und Messebauten in Berlin Charlottenburg? usw usw.


    Nachkriegszeit:
    Das Thyssen Hochhaus in Düsseldorf, das Olympiagelände in München, das Gebäude der HEW in Hamburg, die Westfalenhalle in Dortmund, das ICC in Berlin Charlottenburg, der Fernsehturm in Berlin-Mitte, das BMW Gebäude in München, usw usw


    Ich denke in der Nachkriegszeit geht es nicht so sehr darum architektonische Leuchttürme zu installieren, vielmehr rücken neue städtebauliche Konzepte in den Vordergrund.

    3 Mal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • Im Ausland kennt man, bzw. kommt nach Deutschland wegen Schloss Neuschwanstein, Kölner Dom, Brandenburger Tor, Altstädte (z.B. Heidelberg), etc... [...] Die Nachkriegsarchitektur hat nichts brauchbares zu Stande gebracht und Städte großflächig verhunzt.


    Das halte ich so pauschal und monokausal argumentiert für ein reines Gerücht. Ich verbinde bspw. mit London oder Paris auch eher ältere Bauwerke, würde aber nicht allein deswegen dorthin reisen. Ebenso wenig wie nach NYC oder Chicago, die ich eher mit modernen Bauwerken und Hochhäusern verbinde, aber auf ihre Art ebenso beeindruckend finde. Alles sind für mich interessante Großstädte, die man gerne mal sehen möchte. In Paris und Chicago war ich schon und habe mir natürlich auch kurz die Architektur angesehen, aber nur weil der Besuch sich auch sonst gelohnt hat. Und auch als Architekturinteressierter richtete sich diese Sightseeingtour primär nach meinen sonstigen Zielen in der Stadt, wobei ich Historisches wie Modernes bewundert habe. Zumindest von dem was ich so mitbekomme, ticken sehr viele Touristen da ähnlich. Für die ist London nicht Tradition ODER Moderne, sondern beides und sie sehen sich alles gerne an.


    Oder mal anders herum argumentiert: Nach Deiner Logik müsste Berlin ganz dringend alles historische rekonstruieren und das Moderne vernachlässigen, um mehr Touristen anzulocken. Allerdings hätte Berlin nach dieser Denke auch NIEMALS Rom als drittbeliebtestes Ziel im europäischen Städtetourismus abgelöst. Rom kennt man nun in der Tat international für seine bedeutsamen historischen Gebäude und lockt offensiv und sehr gezielt Besucher damit. Berlin könnte also allein auf dieser Schiene nie mithalten. Natürlich kannst Du trotzdem behaupten, die meisten stark/ primär am Sightseeing interessierten Berlin-Touristen wollen eigentlich nur Brandenburger Tor, Siegessäule, Reichstag, Dom, Museumsinsel, U.d.L., das künftige Stadtschloss etc. sehen und der Rest ist eben Beiwerk. Belegen lässt sich das aber nicht. Meine Tochter geht auf eine Europaschule und wir haben oft Gastschüler hier, aber auch sonstige Gäste. Natürlich wollen die auch mal das Brandenburger Tor sehen. Viele sind aber auch schwer beeindruckt vom gläsernen Hauptbahnhof oder dem Band des Bundes und fast alle wollen mal zum bzw. auf den Fernsehturm und auf die Reichstagskuppel. Auch das moderne Sony-Center und die Zoogegend gehören mit zu den Highlights. Ähnliches belegen Reiseführer oder Rankings der meistfotografierten Bauwerke, wo u.a. Fernsehturm oder Eastside Gallery ganz vorne liegen (übrigens: gerade die Gegend um Media Spree und Eastside Gallery taucht inzwischen in auffallend vielen Musikvideos auf, inklusive recht "trashiger" Ecken). Auch das Kulturforum hat durchaus Highlights zu bieten, die ähnlich wie die Museumsinsel mit ihrem speziellen Charme beeindrucken. Vieles ist letztlich eine Geschmacksache, aber ich bin froh, in so einer vielfältigen Stadt zu leben und nicht in einer reinen "Museumsstadt".


    Fazit: Merkwürdige These, die sich weder durch meine subjektive Wahrnehmung und Erfahrung noch durch empirische Belege auch nur annährend bestätigen lässt. Berlin hat viele interessante Bauwerke aus den verschiedensten Stilrichtungen. Allein mit den paar historischen Highlights würde die Stadt kaum punkten können. Da sehe ich eher für Potsdam eine Chance und ich freue mich auch sehr auf das historische Ensemble um Humboldtforum und Co. Aber NIE würde ich Berlin darauf reduzieren wollen.

  • Nach Deiner Logik müsste Berlin ganz dringend alles historische rekonstruieren und das Moderne vernachlässigen, um mehr Touristen anzulocken.


    Nicht gleich alles, aber einige Ensembles schon. Wo für Reisen nach Warschau, Danzig, Breslau geworben wird, werden stets die rekonstruierten Altstädte genannt und gezeigt - starke Besuchermagnete sind sie auf jeden Fall. Kaum eine Stadt kann mit Rom verglichen werden, doch in so sterile Städte wie Gelsenkirchen oder Helsinki will niemand hin.


    die meisten stark/ primär am Sightseeing interessierten Berlin-Touristen wollen eigentlich nur Brandenburger Tor, Siegessäule, Reichstag, Dom, Museumsinsel, U.d.L., das künftige Stadtschloss etc. sehen und der Rest ist eben Beiwerk


    Was und wieviel man sieht, hängt davon ab, wieviel Zeit man hat. Wenn es mehr sehenswürdige Orte und Ecken gibt, kann man motiviert sein, mehr Zeit/Übernachtungen einzuplanen.


    ----


    Ein etwas anderes Thema - immer wieder wird in etlichen Threads über die öde weiß-graue Farbgebung diskutiert. Mit Freude fand ich gerade im Münchner Unterforum diesen Artikel mit einer Bildergalerie bunter Fassaden.


    Deutlich bunter als in Deutschland gewohnt - zum Beispiel die Altstadt von Sevilla.

    Einmal editiert, zuletzt von Bau-Lcfr ()

  • ^ Stimmt, unter dem ersten Link endet die Nachkriegsmoderne in den 1970ern und wird abgelöst - eigentlich sogar die um 1963 begonnene Zweite Nachkriegsmoderne. Daraus ergibt sich jedoch eine Konsequenz - was weiterhin unter dem Schild der Moderne gebaut wird, ist nur noch ein Nachbau eines längst vergangenen und inzwischen mal abgelösten Stils. Den kann man gar nicht anders betrachten als jeden anderen Nachbau eines früheren Stils.


    Etwas weiter oben wird diskutiert, ob die Highlights der Moderne vor oder nach dem Krieg gebaut wurden und ob es ein paar weniger oder mehr sind. Ich verstehe nicht ganz, was es beweisen soll - und selbst wenn man über 100 gelungene Bauwerke findet, darunter -zig aus der Nachkriegszeit (wobei: Etwa das Thyssen-Hochhaus in Düsseldorf sehe ich täglich, die Begeisterung dafür kann ich nicht teilen). Der Alltag wird durch die breite Architekturproduktion bestimmt, da braucht man nur die aktuellen Threads durchzugehen und die vielen frustrierten Stimmen wahrzunehmen - es dürfte klar sein, dass der breite Schnitt deutlich verbesserungswürdig ist?

  • ... und selbst wenn man über 100 gelungene Bauwerke findet, darunter -zig aus der Nachkriegszeit (wobei: Etwa das Thyssen-Hochhaus in Düsseldorf sehe ich täglich, die Begeisterung dafür kann ich nicht teilen). ...


    .. aber das ist für eine Beurteilung nicht erheblich ob du dich heute begeisterst oder nicht. Das Kriterium ist, ob das Gebäude zu seiner Enstehungszeit als, ausserordentlich, wegweisend und ästhetisch überzeugend erachtet wurde oder auch durch Verwendung neuer innovativer Materialen, oder durch Verwendung traditioneller Materialien in völlig neuen Zusammenhängen oder eine art Initialzündung ausgelöst hat und als Vorbild für andere diente.


    Im Fall des Thyssen Hochhauses, Baujahr 1960 auch Dreischeibenhochhaus genannt, mit der Bauweise als Stahlskelettbau mit Vorhangfassade. Die Architekten von HPP orientierten sich Ende der 1950er Jahre an zeitgenössischen amerikanischen Strömungen, entwickelten aber mit dem „Drei-Scheiben-Konzept“ eine eigene Idee.


    http://www.baukunst-nrw.de/obj…Dreischeibenhaus--229.htm


    Diese Idee fand zum Beispiel Widerhall in dem fantastischen Gebäude von Arne Jacobsen in Hamburg für die Hauptverwaltung der HEW heute Vatenfall, Baujahr 1969:


    http://www.awmagazin.de/sites/…ublic/images/img_3276.jpg



    oder dem Radisson Plaza ebenfalls in Hamburg


    http://www.worldtravelimages.net/P1130282.JPG

    4 Mal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • Falsch! Die Nachkriegsarchitektur bzw. Nachkriegsmoderne begann 1945 und ging bis Anfang der 1970-er.
    https://de.wikipedia.org/wiki/…undesrepublik_Deutschland
    https://www.youtube.com/watch?v=i4afzeX6Sdc


    Es ist nicht "Falsch!" (und solche apodiktischen Ausrufe sind nicht gerade einem Dialog förderlich), du siehst es höchstens anders und in die Wikipedia kann ohnehin jeder reinschreiben, was er will.


    Die Wissenschaften sprechen auch im Jahre 2015 u. a. von der Nachkriegszeit, das Jahr 1945 wird insb. in Deutschland in allen Wissenschaften als Zäsur betrachtet. Umgangssprachlich kann das jeder handhaben wie will, gut möglich, dass viele das als synonym für "Wiederaufbauarchitektur" benutzen/verstehen. Das heißt aber nicht, dass die wortgetreue Verwendung des Begriffs "Nach-Kriegs-Architektur" deswegen "Falsch!" sei.


    jan85


    Ich drücke es mal so aus, die Geisterbahn ist auf dem klassischen Rummel doch auch immer gut besucht? Natürlich fahren die Salzburger, Pariser oder Römer nicht auf eine Städtereise nach Berlin, weil sie eine hübsche Stadt mit geschlossenem Straßenbild, welches von vielen Jahrhunderten Geschichte zeugt, erwarten. Was Berlin ja auch nicht hat; für eine Stadt dieser Größe ist beklagenswert wenig vorindustrielle Bausubstanz erhalten. Deswegen wird die Rückkehr der Barockfassade des Stadtschloss in das Stadtbild deine gefühlte Verdopplung vorindustrieller Architektur in der Innenstadt bewirken (vgl. Einweihung des Doms erst 1905, usw., das meiste, was in Berlin "alt" aussieht, ist nicht wirklich Zeugnis vorindustrieller Architektur; die Barockfassade des Stadtschloss ist hier eine wertvolle Ausnahme, ein bisher vollkommen unterschätzter Faktor!). Auch nicht wegen modernen Bauwundern, da fährt man Singapur, Dubai, neuerdings auch London, usw. - ja selbst Frankfurt hat bzgl. modernem Bauen einen national und international größeren Namen (wegen der Hochhaus-Skyline). Das weisst du sicherlich auch selbst.


    Nach Berlin fahren die Leute v. a. wegen dem, wofür auch die ganzen Hipster Berlin so lieben + Billigpreise + schauriger Charme dieses riesigen Moloch + Geschichtsspuren der großen Zeitenwenden des 20. Jh., dazu noch etwas Bundeshauptstadt als Sightseeing-Ziel (wobei das populärste Hauptstadtgebäude, das Reichstagsgebäude, gerade nicht eines ist, dessen Gesamteindruck von moderner Architektur dominiert wird, Kuppel hin oder her). Mit diesen Features wird ja sogar offizielle Fremdenverkehrswerbung betrieben, ist ja nicht so, als ob ich mir das jetzt mal eben aus den Fingern gesaugt hätte. Der Fernsehturm am Alexanderplatz ist das einzige Gebäude der Nachkriegszeit, welches unbestreitbar eine Sehenswürdigkeit Berlins ist und auch auf positive Weise als Wahrzeichen über die Grenzen Berlins hinaus bekannt ist (wenn auch nicht so weit, wie viele Berliner vielleicht denken, jenseits der deutschen Grenzen geht es dann wieder nur um die Mauer oder das Brandenburger Tor, wenn man erzählt, man sei aus Berlin).


    Das eine (Popularität bei Touris) hat mit dem anderen (besonders wertvolle Architektur) nicht zwingend was zu tun und daran, dass Berlin kein Mecca für Ästheten ist, kann auch kein noch so großer Lokalpatriotismus was ändern. Es gibt durchaus Dinge, auf die wir uns in Berlin was einbilden können. Ästhetik und Stil sind es genauso wenig, wie gute Umgangsformen.

  • ^^ @#1088: Das kann man umgekehrt sehen - für ein Wohlempfinden in einem Ensemble ist meist unerheblich, ob dieses etwas zündete, was 99% der Passanten ohnehin nicht wissen können. Meistens stellt sich diese Frage nicht einmal, da die meisten Neubauten nichts erneuern und nichts initieren.


    Etwas weiter oben wird von Extremszenarien ausgegangen - auch in Berlin will niemand die ganze Nachkriegs-City abreissen und rehistorisierend ersetzen. Der Erhalt einiger Nachkriegsbauten wie des Fernsehturms dürfte für die meisten hier selbstverständlich sein. Und dennoch stellen sich genauso die Frage einiger Wiederherstellungen (nicht zwingend just der Historismus-Nachkriegsbauten, die irgendwo kurz vor dem WKII standen - vielleicht auch dessen Vorgänger) wie auch die Frage der Niveau-Hebung der breiten Bauproduktion.


    Den Artikellink unter #1085 entnahm ich dieser DAF-Umfrage - derzeit sind 7 User (87,50%) für bunte Fassaden, einer ähnlich - lediglich mit Vorbehalten. Ich glaube, die meisten Leute hätten Neubauten gerne farbiger als sie es sind - und wieso wird es nicht so?

  • Ich glaube, die meisten Leute hätten Neubauten gerne farbiger als sie es sind - und wieso wird es nicht so?


    Aus dem gleichen Grund warum in Deutschland und insb. Berlin immer so spießig gebaut wurde: ist billiger.
    Rasterfassaden sind billiger, rechtwinklige Strukturen sind billiger und bzgl. Bruttogeschossfläche besser vermarktbar, usw. und natürlich ist eine monochrome Fassade viel billiger im Unterhalt, weil sie nicht so schnell versifft aussieht (dann sieht grau halt noch grauer aus, usw.), damit knallige Farben was her machen musst du so eine Fassade sehr viel häufiger ausbessern und neu anstreichen. Ist ja auch der selbe Grund, warum die häufigste Autofarbe inzwischen Grau-"Metallic" ist (begeistert zwar die wenigsten, aber zumindest scheiden sich daran nicht so sehr die Geister wie an richtig farbigen Autos), der selbe Grund warum gefühlte 99 % aller Deutschen in Wohnungen mit weißen Wänden wohnen (weil die meisten Mieter sind und man die Wohnung weiß gestrichen zurückgeben muss am Ende, auch wenn viele durchaus gerne Farbe an der Wand hätten scheiden sich an der Wahl der Farben dann die Geister, an neutralem Weiß gibt es zumindest nichts zu streiten und die meisten lassen es dann gleich so, wann hat man gar das letzte Mal jemanden eine Wohnung mit aufwändig gemusterten Tapeten tapezieren sehen?).


    Was Ästhetik angeht sind die Deutschen halt eher nüchterne Pragmatiker und weniger pompöse "Lebemänner", ist halt so. Und versuch mal in einer Vorstadtsiedlung ein nicht-monochromes Haus zu bauen oder nicht-monochrom neu zu streichen; Pastellfarben werden noch geduldet, aber zB zitronengelbe Außenwände? Je nach Gemeinde kriegst du es in Deutschland sogar mit den Baubehörden zu tun, von wegen Gestaltungssatzung (übrigens auch rund um Berlin, ist also kein Schwank aus dem Schwabenland).


    Um es mit Loriot zu sagen, dem vielleicht scharfsinnigsten Beobachter deutscher Alltagskultur:


    "Ein frisches Gelb, ein Apfelgrün.." - "Wir waren mit Grau eigentlich sehr zufrieden." - "Zufrieden? Ich habe hier eine Graukollektion von einer belgischen Firma..." - "Herr Winkelmann!" - "Ich weiß schon... Da haben Sie 28 Grautöne in jeder Qualität, da werden sie bestimmt zufrieden sein: Mausgrau, Staubgrau, Aschgrau..."

  • ist billiger


    Ist halt nicht - probeweise habe ich in Sekundenschnelle einen Online-Farbenversandshop ergoogelt, wo man sich die Farbtöne aus einer großen Palette beliebig aussuchen kann. Ob schwarz, weiß, grau oder andere Farben, alle kosten gleich. Die Farbkosten sind sowieso nur ein Teil der Gesamtkosten, die Arbeit dürfte überwiegen - bei jedem Farbton die gleiche.


    Etwa hier (die letzen Beiträge) oder hier kann man sehen, wie bunt die Welt sein kann - die Beispiele unter dem zweiten Link sind aus Deutschland.

  • Es ist nicht "Falsch!".., du siehst es höchstens anders und in die Wikipedia kann ohnehin jeder reinschreiben, was er will.


    Nicht nur ich sehe es anders, sondern so ziemlich alle Architekten, Bauhistoriker, Städtebauer sowie sämtliche Fachliteratur zur Architekturgeschichte!
    ......
    Bezüglich der in der Regel weißen Fassaden kann ich aus Erfahrung sagen, dass die meisten Bauherrn Befürchtungen haben, Häuser mit farbigen Fassaden schlecht zu vermieten bzw. zu verkaufen. Die Kosten spielen hier eine untergeordnete Rolle, da eine weiße Fassade nur unwesentlich günstiger ist; und pflegeleichter ist sie auch nicht. Eine weiße Fassade muss aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegenüber Schmutz häufiger gestrichen werden als farbige.
    Auch gebe ich zu bedenken, dass - egal welche Farbe man nimmt - immer einige die gewählte Farbe hässlich finden werden. Der eine findet z.B. grün schön, der andere hässlich......