Mich als Menschenverachter zu bezeichnen, mir nahezulegen, dass ich mich als Tourist nicht in Berlin blicken lassen soll und dass ich als dumm und borniert bezeichnet wurde, würde ich schon "geifern" nennen.
Das stimmt, habe ich aber alles nicht behauptet. Das waren andere Leute, für die Du mich nicht verantwortlich machen kannst. Erzähl doch mal sachlich, was Du an der Gentrifizierung so toll findest – und warum Du meinst, dass wohlhabende Leute für gepflegte öffentliche Grünflächen sorgen. Dann können wir ja mal sachlich darüber streiten.
Zitat von tel33Die 'Vertreibung' der über Jahrzehnte ansässigen Bevölkerung aus der Berliner Innenstadt hat schon vor längerer Zeit stattgefunden. Die die heute laut eine 'Gentrifizierung' bejammern, sind selbst ursächlich für diese Entwicklung.
Auch da ist einiges dran – tatsächlich sind hippe, linke Studenten oft die Vorreiter eines Gentrifizierungs-Prozesses. Derzeit ist das in (Nord-)Neukölln und im Wedding zu beobachten. Aber a) ist der Stein des Anstoßes nicht die Ursache. Die Leute treten – ohne es zu ahnen – einen Aufwertungs-Prozess los, von dem sie selbst schnell überholt werden. Sie sind nur der Anlass, nicht der Grund; die Nutznießer sind ganz andere Leute. Und b) hat die Vertreibung in einigen Vierteln bereits stattgefunden, in anderen hat sie gerade erst begonnen. Zudem gibt es nicht eine Vertreibung, sondern mehrere, aufeinander folgende Wellen. Das Berliner Preisniveau ist bekanntlich selbst in den angesagtesten Kiezen noch ewig weit von den zentralen Vierteln in Paris, London oder New York entfernt.
Wenn man sich die Kommentare unter dem von Camondo verlinkten Spiegel-Artikel anschaut, dann scheint allerdings genau das bei vielen einen Minderwertigkeitskomplex auszulösen – als wäre Berlin erst dann eine 'echte' Metropole, wenn junge Banker im Monat 2000 Euro für dreißig rattenverseuchte Quadratmeter im Souterrain nähe Herrmannplatz hinblättern. Ich sehe das anders: Mir gefällt die soziale Durchmischung, die es in Berlin (noch) vielerorts gibt. Ich habe als zugezogener Mittelschichts-Frekel nichts gegen zugezogene Oberschichts-Frekel, solange zugezogene oder eingeborene Unterschichts-Frekel halt auch noch hier leben können.
Und um ein Missverständnis zu vermeiden: Ich weiß, dass eine Großstadt ein dynamischer Organismus ist, der sich ständig verändert. Ich trauere also keineswegs einem romantisch verklärten status quo ante hinterher, der z.B. den verrottenden, braunkohlebeheizten Prenzlauer Berg des Jahres 1990 auf ewig hätte konservieren wollen. Ich finde nur, Berlin sollte alles daran setzen, seine Entwicklung politisch zu steuern, statt sie jenen famosen "Kräften des Marktes" zu überlassen, die im Zentrum Reichen-Ghettos und in der Peripherie Armen-Ghettos entstehen lässt. Denn merke: Wer im Berliner Zentrum Londoner Mietpreise durchsetzen will, sollte sich später über eine brennende Peripherie nach Londoner Vorbild nicht wundern...