Stadtgespräch Berlin / dies und das

  • Diese ganze Semantik wäre schon ein Thema für sich, weil hier eigentlich völlig unpassende sprachliche Bilder eingesetzt werden, um den Diskurs in die gewünschte Richtung zu lenken.


    Sind denn die bildlichen Bilder wenige Beiträge darüber passender? Die Verhältnisse des Jahres 1904 scheinen im Vergleich mit dem heutigen Komfortsprung miserabel, damals waren sie eher normal, wie uns heute eine durschnittliche heutige Wohnung scheint - die in 110 Jahren wahrscheinlich wie das letzte Loch wahrgenommen werden würde. In dieser Zeit hatte - wie ich irgendwo gelesen habe - selbst der Kaiser weder ordentliche Heizung noch komfortable Klos noch fliessendes warmes Wasser, weswegen er seinen Gästen das Übernachten im Hotel Adlon empfahl.


    Wie jemand richtig schrieb, entscheidend wäre die Anpassung an moderne Bedürfnisse - alle Bauten aus den 1904-Fotos kann ich mir gut als grundsanierte begehrte Lofts vorstellen. Entscheidend ist auch das Bilden städtischer Räume - der allgemein besser rezipierte ältere Teil der KMA etwa wird gerade deswegen besser angenommen, weil man noch städtische Räume mit Blockrand, Plätzen usw. schuf - nicht grundsätzlich andere als etwa die früheren Prachtboulevards Haussmanns in Paris.

  • Die Planer der Nachkriegszeit kannten vielfach noch solche Wohnverhältnisse, wie sie in den oben gezeigten Bildern dargestellt sind. Wir hätten solche Verhältnisse auch heute, wenn die demografischen Verhältnisse des 19. und frühen 20. Jhd. noch existieren würden. Es macht auch wenig Sinn, Altbau (meist ist die Gründerzeit gemeint) gegen Nachkriegsmoderne auszuspielen.


    Beide haben ihre Vorzüge. Einer der großen, nicht gering zu schätzenden Leistungen der Moderne, ist die heute oft verpönte "autogerechte Stadt". Ohne diesen Bau von großen Verkehrsachsen hätten die Städte niemals die Wirtschaftskraft und den Wohlstand erlangen können, den sie heute haben. Die individuelle Massenmobilität hat den Siedlungsbau revolutioniert, dass Angebot an Wohnformen erhöht, Wohneigentum für breite Schichten ermöglicht und die Schaffung von Metropolräumen befördert. Dass die Kokerei heute nicht mehr mitten zwischen Wohngebieten steht, verdanken wir der autogerechten Stadt, ebenso die Nivilierung des Stadt Umland Niveau.
    Ich finde es sehr bedauerlich , dass gerade hier in Berlin der Widerstand gegen den Ausbau der Straßeninfrastruktur so massiv ist und damit die Zukunftsfähigkeit der Stadt aufs Spiel gesetzt wird. Eine z.B. bis zur Europacity verlängerte A 103 hätte diesem Areal m.E. ganz andere Entwicklungsmöglichkeiten hin zu einem Geschäftsviertel von nationalem und internationalen Rang eröffnet.

  • Ich habe mich auch zunächst nur gewundert, wieso Klarenbach diese Debatte überhaupt gestartet hat - einen Erkenntnisgewinn kann ich darin nicht erkennen. Dann habe ich aber die Beiträge im anderen Thread noch mal alle etwas genauer gelesen. Ich glaube er bezieht sich primär auf Beitrag 240 von Rotes Rathaus wo dieser die Bauweise der Gründerzeitler lobt "die viel Wohnraum, Urbanität, Menschlichkeit in der Ästhetik und Kleinteiligkeit miteinander verbinde[n]" würden. Nach einem Verweis auf Studentenjahre in einer Bude mit Außentoilette und Dusche in der Küche merkt er dann an, dass die "Viertel in kurzer Zeit hochgezogen wurden und bis heute ausgezeichnet funktionieren".


    Diese Beschreibung ist mE in der Tat recht euphorisch und auch etwas undifferenziert. Sie kann daher unter Umständen so aufgefasst werden, als wenn alles schon von Beginn an super war und eigentlich bis heute nichts groß daran zu ändern wäre: Die Bauweise bedeute u.a. per se viel Wohnraum; die Viertel würden bis heute super funktionieren (ggf. eben auch mit Außenklo). Dass das exakt so gemeint war, möchte ich hingegen nicht unterstellen und würde es auch bezweifeln. Aber wie gesagt kann es durch die ambivalenten Bezüge innerhalb des Absatzes durchaus so wirken. Da Rotes Rathaus zudem klar Bezug auf das Innenleben der Gebäude nimmt, kann man mE dann nicht Klarenbach vorwerfen er würde die Außenwirkung der Baukörper mit dem Wohnkomfort in ihrem Inneren in einen Topf werfen.


    Überhaupt nicht nachvollziehen kann ich im Übrigen die von Rotes Rathaus im gleichen Beitrag angeführte Behauptung, hier im Forum würden derzeit nur Großsiedlungen euphorisch gelobt, wohingegen Gründerzeitbauten ebenso wie alles Moderne übermäßig kritisiert würde. Ich erlebe hier im Forum eigentlich nur einen User der Großsiedlungen geradezu euphorisch feiert und Gründerzeitler oft als eng und dunkel bewertet. Eine "breite Front" ist das sicher nicht. Ich sehe in diesem Vorwurf daher ein Scheinargument (aka Strohpuppe). Insgesamt finde ich somit, dass Klarenbach hier mit den vielen einseitigen Angriffen Unrecht getan wird - egal wie man seine sonstigen Beiträge bewerten mag.

  • Also wenn die These, dass die Nachkriegszeit einen wesentlichen Fortschritt im Hinblick auf die Attraktivität vieler Städte gebracht hätte, jetzt "Usus" wäre, wie Saxonia schreibt, dann soll mir das nur Recht sein.


    Lebensstandard und Attraktivität sind zwei unterschiedliche Dinge. Der Lebensstandard ist nach dem Krieg überall gestiegen. In Deutschland und in Europa; in der Stadt und auf dem Land. Aber dass die Stadt als Institution dadurch an Ansehen gewonnen hat, kann ich nicht erkennen. Für viele war das Ideal ein Häuschen im Grünen. Kaum einer hat sich bewusst dafür entschieden der Stadt wegen in die Stadt zu ziehen. Wozu auch? Wie Kleist schon richtig geschrieben hat, standen die autogerechte Stadt und die Massenmobilität für eine Nivellierung dieses Stadt-Land Gegensatzes. Jetzt konnte man auch in der Stadt alles Wichtige mit dem Auto erledigen und musste es durch die Zentralisierung von Funktionen an bestimmten Punkten auch. Wozu sich also noch Lärm und Gedränge antun?
    Gleichzeitig hob der Umbau zur autogerechten Stadt häufig jenes subtile Gefühl von Urbanität auf, was das Leben in der Stadt eben doch vom Leben auf dem Land Unterschied und das heute offenbar wieder viele suchen.



    Ich nehme allerdings schon eine andere Debatte wahr. Demnach wären die Städte vor dem Krieg attraktiv und intakt gewesen. Die Moderne in der Nachkriegszeit hätte dann "Stadtzerstörung" betrieben, sie hätte "Wunden" in den intakten Stadtkörper geschlagen, kurzum, sie hätte die Attraktivität der Städte massiv verschlechtert. Ich denke schon, dass dieser Diskurs sehr wirkungsmächtig ist, und er zeigt sich bis hin zu ganz konkreten Formulierungen, wenn etwa die Wiederherstellung von Straßenverläufen und Baufluchten aus der Vorkriegszeit als "Stadtreparatur" oder als "Heilung von Wunden" verkauft wird.


    Die Moderne hat einen Raubbau an der Stadtgeschichte beschrieben, wie vorher nur der von ihr als so anachronistisch verbrämte Historismus.
    Aber wir müssen ja gar nicht philosophieren sondern haben ja die Möglichkeit zu vergleichen. Warum locken denn die Innenstädte von Chemnitz, Darmstadt oder Hannover keine Heerscharen an und Erfurt, Tübingen, Heidelberg uvm. können sich vor Lobhudeleien kaum retten? Sind München, Nürnberg oder Wien wirtschaftlich schwächer als die vom autogerechten Umbau heftiger geküssten Großstädte? Ich glaube kaum.

  • Ich hatte den Eindruck, dass heute viele Menschen der Ansicht sind das Problem der rasch ansteigenden Bevölkerung Berlins sei damals mit dem Bau der Gründerzeitviertel bewundernswert gut gelöst worden.


    Wer heute allein oder zu zweit in einer Wohnung der erhaltenen, renovierten Altbauten wohnt mag diesen Eindruck haben. Wer sich aber damals eine Hinterhofwohnung (ohne Bad oder Toilette) mit 20 oder mehr anderen Menschen teilen musste wird dieses Gefühl wohl nicht gehabt haben. Deswegen hatte ich den Wikipediaartikel über die Mietskasernen verlinkt.


    Es herrschte eine krasser Mangel an bezahlbaren Wohnungen für die "kleinen Leute" der erst deutlich später mit genossenschaftlichem Wohnungsbau, städtischem Sozialwohnungsbau usw. behoben wurde.


    Lebensstandard und Attraktivität sind zwei unterschiedliche Dinge.


    Weil die nach den Weltkriegen gebauten neuen modernen Wohnungen damals einen deutlich höheren Lebensstandard boten waren sie zu ihrer Entstehungszeit auch attraktiver als die Altbauten. Und optisch entsprachen die verzierten alten Fassaden dann auch nicht mehr dem Zeitgeschmack.


    Offtopic
    In Modediskussionen geschieht es auch, dass junge konservative Männer in Verkennung der damaligen Verhältnisse das super gepflegte Aussehen und die schicke Kleidung der Stadtbevölkerung vor dem ersten Weltkrieg loben während die Menschen aus ihrer Sicht heute schlecht gekleidet und frisiert durch die Stadt liefen. Als Folge des Sittenverfalls durch die 68er usw.

    2 Mal editiert, zuletzt von Chandler ()


  • Es herrschte eine krasser Mangel an bezahlbaren Wohnungen für die "kleinen Leute" der erst deutlich später mit genossenschaftlichem Wohnungsbau, städtischem Sozialwohnungsbau usw. behoben wurde.


    Das ist ein Mythos. Die Wohnunsgnot wurde auch in der Weimarer Zeit nicht behoben. Die Situation hatte sich durch den Krieg (währenddessen kaum neu gebaut wurde) und Zuzug von Flüchtlingen in einigen Regionen extrem verschärft. In Chemnitz gibt es auch für die 30er Jahre noch Schilderungen von massiven Überbelegungen wie zur Kaiserzeit. Der Gennossenschafts- und Sozialwohnungsbau war angesichts des Zusammenbruchs der privaten Bautätigkeit angesichts der umfassenden Kapitalvernichtung 1923 und 1929 ein Tropfen auf den heißen Stein.


    Die Gründerzeit reagierte auf ein nie da gewesenes Bevölkerungswachstum mit möglichst dichter Bebauung auf auch damals nicht unendlich und vor allem nicht kostenlos zur Verfügung stehendem Grund und Boden. Deine Einwände sind ja per se kein Argument gegen das damalige Vorgehen. Man hätte eher noch mehr derartige Quartiere bauen müssen.



    Weil die nach den Weltkriegen gebauten neuen modernen Wohnungen damals einen deutlich höheren Lebensstandard boten waren sie zu ihrer Entstehungszeit auch attraktiver als die Altbauten. Und optisch entsprachen die verzierten alten Fassaden dann auch nicht mehr dem Zeitgeschmack.


    Eine Binsenweisheit, die hier ohne Belang ist. Ein neu erbautes Häuschen auf dem Land oder in der Vorstadt entsprach den damaligen Standards genauso. Auch im Blockrand neu erbaute Gebäude wurden nicht mit Plumpsklo geplant. Großwohnsiedlungen waren sicherlich keine Voraussetzung für die Steigerung der Ausstattungsstandards der Wohnungen.

  • Die Gründerzeit reagierte auf ein nie da gewesenes Bevölkerungswachstum mit möglichst dichter Bebauung auf auch damals nicht unendlich und vor allem nicht kostenlos zur Verfügung stehendem Grund und Boden. Deine Einwände sind ja per se kein Argument gegen das damalige Vorgehen. Man hätte eher noch mehr derartige Quartiere bauen müssen.


    Aufgrund der damaligen politischen Verhältnisse wurden die Interessen der ärmeren Bevölkerungsschichten wohl wenig beachtet. Um schnell viel preiswerte Wohnfläche zu errichten war die Bauweise vermutlich auch nicht die beste Lösung. Ich nehme an, dass der Staat bzw. Adel und Kirche seinerzeit über viele Grundstücke verfügten die theoretisch hätten genutzt werden können.


    Mit den späten Ultra-Großsiedlungen Gropiusstadt und Märkisches Viertel hat man dann zwar sehr viele Wohnungen auf einmal geschafft sich aber hinsichtlich der Planung von Wohngefühl und Sozialstruktur verschätzt. Walter Gropius hatte sich das auch ganz anders vorgestellt aber es wurde dann eben noch weiter rationalisiert.


    Die allein stehende Wohnmaschine von Le Corbusier am Olympiastadion scheint aber heute ganz gut zu funktionieren. Das wirkt wie ein Sanatorium im Grünen. Wobei Le Corbusier wegen diverser Änderungen an seinen Bauplänen mit dem Bau wohl auch nichts mehr zu tun haben wollte.

  • Frau Lüscher im Interview mit dem Tagesspiegel. Sie legt ihre Sicht auf die architektonische Entwicklung in Berlin dar. So oft wie sie berechtigt, aber viel zu oft auch unberechtigt angegriffen wird, ist dieses Interview erstaunlich sachlich. klick

  • Aus dem Botschaften-Thread (langsam wird es zu allgemein für diesen):


    Find ich interessant, wie hier grundsätzlich bei jedem Nachkriegsbau immer wieder ein Argumentationsmuster abläuft. ...
    a. Feststellung des Baualters? Bauzeit vor 1940 = super / Bauzeit zwischen 1950 bis 1980 = schlecht.


    Das stimmt überhaupt nicht - etwa im darüber verlinkten Interview schwärmt Fr. Lüscher für das in früher Nachkriegszeit entstandene Innere der Hedwigskathedrale, welches auch mir gefiel - nicht übertrieben minimalistisch, damals wurde die Moderne noch nicht zum leeren Ritual des Hinklotzens möglichs plumper Kästchen. Hier wählte ich den UNESCO-Hauptsitz unter die drei Pariser Postkartenmotive - im Jahr 1958 war er noch ein Meilenstein der Architekturgeschichte, in den 1970er Jahren gab es nur noch Nachahmungen der Kopien der Nachahmungen. Diesen Sitz würde ich viel eher auf der Welterbe-Liste stellvertretend für die Nachkriegszeit sehen als spätere Nachahmungen, inklusive welcher östlich vom Berliner Alexanderplatz.


    Da ornamentlos nur wenige Variationen möglich sind, ist die Sättigung natürlich schnell erreicht - die Botschaftsbauten der 1970er Jahre (ob in Berlin oder Bonn) haben die Weltarchitektur definitiv nicht bewegt.

    Einmal editiert, zuletzt von Bau-Lcfr ()

  • Anbei ein Artikel, der sich mit der Berliner Bausituation beschäftigt und die sehr problematische Entwicklung in vielen Bereichen aufzeigt. Ich weiß nicht, wo ich den Artikel genau hinpacken soll, da aber explizit auf das Areal um den Hauptbahnhof Bezug genommen wird, stelle ich ihn hier ein.


    Der Titel "Berliner Architektur: eine einzige Bausünde" sagt schon alles. Wie ich finde, wird hier zu recht die Banalität der heutigen Bautätigkeit, der Verlust für die Wahrnehmung des Schönen und die Inspirationslosigkeit heutiger Architekten kritisiert.


    Die selbst auferlegte Provinzialität, die im Artikel kritisiert wird, wird dabei explizit beim Areal um den Hauptbahnhof.


    Eine Lektüre des Artikels sei allen empfohlen:


    http://www.spiegel.de/kultur/g…t-haesslich-a-982357.html

  • Man Man Man da habt ihr wieder was ihr Meckerfreaks!Mann der Spiegel Hatte in seiner Geschichte noch nie einen Positiven Artikel über Berlin, kein Plan warum aber schn zu Mauerzeiten hat der Spiegel Berlin gehatet.Liegt wohl an der Tatsache das bei der Spiegel Redaktion nur "Radikale Hamburger" arbeiten.

  • ^
    Georg Diez wohnt seit vielen Jahren in Berlin, ist aktiver Teil der berliner Kulturszene und wenn Du diesen Text genau liest, dann merkst Du, dass ihm etwas an der Stadt liegt.

  • Warum er aber seine Kritik mit Bildern von Gebäuden aus den 70ern belegt, bleibt sein Geheimnis. Aus meiner Sicht ist weder der Biepinsel noch das ICC banal.

  • ^^
    Er möchte wohl cool und unangepasst sein und wählt die Missachtung von Verkehrsregeln um dies auszudrücken.* Und findet deshalb auch die jungen Ausländer in Neukölln cool.


    Andererseits steht er auf stilvolle Regelverletzung allerdings ist es wohl recht teuer sich auf diese Weise abzuheben. Naja, vielleicht wäre er deswegen in Hamburg doch besser aufgehoben. Wobei er dann sicherlich ausführen würde welche angeblichen psychischen Auffälligkeiten der Stadt zur Architektur der Hafencity geführt haben. ;)


    *In Wirklichkeit sind die Berliner wohl Verkehrsrowdys in Relation zum Rest des Landes

  • Diez? Oh nein.

    Georg Diez wohnt seit vielen Jahren in Berlin, ist aktiver Teil der berliner Kulturszene und wenn Du diesen Text genau liest, dann merkst Du, dass ihm etwas an der Stadt liegt.


    Erst mal ist der Diez ein linksverblödeter Depp, der aus dem Nichts Schriftstellern den Vorwurf macht, sie seien Türsteher der "rechten Gedanken". Wenn ich solche Typen sehe, kriege ich richtig Aversionen. Wie bei vielen Konfessionslinken üblich, kriegt der sofort einen Hyperventilationsanfall, wenn man linke Sakramente und Folklore infrage stellt.


    Der liest wahrscheinlich mit Begeisterung "Expertisen" und "Studien" linker Stiftungen über angeblich rechte, reaktionäre und frauenfeindliche Männerrechtler.


    Und dann kommt in dem Artikel, was kommen muß: Das böse Schloß, mit dem man sich angeblich von der Gegenwart abschottet. Die üblichen lächerlichen Konstruktionen. Pluralität sieht anders aus. Und Souveränität auch.


    Ich schäme mich jedenfalls für diese engstirnigen Konfessionslinken, die solch ein gestörtes Verhältnis zur Historie haben. Quasi die modernen Spießer. Ich spreche deshalb auch von einer linken Adenauer-Ära.


    Mit seiner Kritik an der Gegenwartsarchitektur hat er ja recht. Nur was will er stattdessen? Ich bin auf Diez über die Leserbriefseite im Spiegel aufmerksam geworden. Dort war der Tenor, daß man nicht zur Kälte erzogen werden möchte und daß der Autor doch mal bitteschön sagen soll, was für eine Moderne ihm vorschwebt. Noch mehr moderne Gag-Architektur? Die Leserbriefe gingen jedenfalls mehr in Richtung APH. :)


    Diese Online-Kolumne ist wahrscheinlich eine Art Zweitverwertung des Spiegel-Artikels.


    Hier die Leserbriefe. Auch Stimmann kommt zu Wort.


    Und hier der Artikel: Wowis Legoland


    PS: Die Online-Kolumne strotzt nur so von billiger, höchst fragwürdiger Polemik.

  • ... aus dem Rathausforum Strang, da sonst zu sehr abschweifend

    ... wenn Berlin dynamisch in seiner Entwicklung und dem Aufholprozeß gegenüber anderen Metropolen bleiben sollte, dann wird die Marktnachfrage steigen. Was IMHO eher zu großvolumigen Bauten führen wird, denn zu restaurierten Altstadt Klein-Klein.


    Schon x- mal geschrieben, man kann einer Metropole des 21. Jh. nicht einfach ein barockes oder gar vorbarockes Straßenraster überstülpen. Südlich des Roten Rathaus, im Bereich Gruner / Spandauer Straße könnte man einen Stadtplatz bauen. Nur dazu müsste die Grunerstraße untertunnelt werden, was die Traditionalisten als "autogerechte Stadt" vehement ablehnen. Im Gegenteil, sie würden den bestehenden Tunnel am liebsten zuschütten. Sie wollen die historische Stadt ohne jede Rücksicht auf die Belange der heutigen Metropole. Die Maßlosigkeit ihrer Forderungen und Altstadtträume macht die Traditionalisten so einflußlos, weil sie dadurch leicht in die Spinner und Revanchisten Ecke abgeschoben werden, als ernsthafte Diskussionsteilnehmer nicht in Betracht kommen und somit nicht in städtebauliche Entscheidungen eingreifen können. Sehr gut zu sehen am Humboldtschloß, wo den Traditionlisten außer der drei Seiten Rekonstruktion jede Form von Historisierung des direkten Humboldtschloß Aussengeländes verweigert wird.


    Meine Meinung zum Rathausforum. Als Freifläche beibehalten aber sichtbarer als Platz ausgestalten. Das bedeuted für mich eine Umgestaltung der Grünfläche weg vom Charakter einer Grünanlage hin zu einem grünen Stadtplatz. Ich bin kein Freund der Rathauspassagen, aber ein Abriß kommt auf absehbare Zeit wohl nicht in Frage. Bei Neubauten rund um den Alex / das Rathausforum und den Durchgangsstraßen setze ich auf moderne Formensprachen und eher großvolumige Bauten.

  • Was IMHO eher zu großvolumigen Bauten führen wird, denn zu restaurierten Altstadt Klein-Klein. Schon x- mal geschrieben, man kann einer Metropole des 21. Jh. nicht einfach ein barockes oder gar vorbarockes Straßenraster überstülpen.


    Ich glaube, es wurde auch häufig genug geschrieben, dass es bei der Wiederherstellung der Altstadt-Teile (nicht mal der kompletten Altstadt) um weniger als 1% der Stadtfläche handelt. Dies lässt genügend Raum für großvolumige Bauten, auch in der Innenstadt. Ein gutes Beispiel dafür ist Frankfurt, wo es genauso das Dom-Römer-Areal-Projekt gibt wie mehrere Hochhäuser über 100 Meter in der Pipeline - für Beide gibt es in einer Metropole geeignete Standorte.


    Wie Du auf den Zusammenhang der Ablehnung der autogerechten Stadt und der Befürwortung der Reko-Projekte kommst, ist mir erst recht ein Rätsel. Etwa die Grünen haben bereits in mehreren Städten Rekos erschwert, autogerechte Stadtplanung lehnen sie überall ab (was übrigens seit einem halben Jahrhundert dem Stand der Verkehrsingenieurswissenschaft entspricht). Es gibt auch Leute, die genauso Rekos wie überbreite Stadtautobahnen gutheißen - es handelt sich da um zwei völlig unabhängige Themenbereiche.

  • @Tektor:

    Nationalsozialisten, Kommunisten, Maoisten, und wie sie alle heißen, sehr wohl mit den Modernisten des 20. Jh. Weil diese Architektur genau mit diesen politischen Farben im Gleichschritt ging, oder marschierte


    Dass jede o.a. Diktatur immer auch ihre eigene Architektursprache hat ist bekannt. Das beschänkt sich im übrigen nicht nur auf das 20. Jhd.! Das war schon das Prinzip in der Kaiserzeit, in der Barockzeit etc..
    Aber mit welcher politischer Farbe gingen die Bauhausmodernisten Ihrer Meinung nach im Gleichschritt? Geben Sie mir einen einzigen Beleg Ihrer These!


    Die Bauhausmodernisten haben doch dafür gekämpft, dass ihre Moderne zum politischen Willen wird.


    Geben Sie mir einen einzigen Ansatz, dass die Bauhäusler durch ihre Architektur irgendeinen politschen Willen mit allen Mitteln durchsetzen wollten!


    Der moderne Mensch braucht keine Ornamentfassaden, wenn wir das ihm so beibringen.


    Woher haben Sie dieses Zitat?


    Der Mensch gestaltet aber nun seine Umwelt auch mit Ornamentik, weil er sie braucht - er ist nicht seelenlos oder stapelbar.


    Ich brauche die Ornamentik bei neuen Gebäuden nicht! Ich finde nicht, dass ein Gebäude eine "Seele" hat, nur weil es mit Ornamentik beklebt wurde.


    Was macht Sie so sicher, dass Sie im Recht sind und ich nicht? Was macht Sie aus, dass Sie entscheiden, was richtig oder falsch ist?

  • @D. T.68


    Wer die Seele eines Kunstwerkes nicht spüren kann, der hat den Sinn von Kunst nicht verstanden und wird sich mit Sicherheit wohlfühlen in den ornamentlosen Kisten der Moderne des 20. Jahrhunderts. Ornamente sind materialisierte Emotoinen - müsste eigentlich jeder wissen.


    Solange der Mensch existiert, hat er sich mit Ornamentik umgeben. Sei es Zimmerschmuck, Modeaccessoires, Tätowierungen, oder eben Fassadenschmuck. Auch wenn einige meinen keine Ornamentik zu brauchen oder gar Adolf Loos beipflichten, der tätowierte Menschen als potentielle Mörder bezeichnet, wird dies nichts dran ändern. Die gegenwärtige Wiederkehr von Ornamentfassaden zeigt uns und bestätigt die Liebe der Menschen zum schönen Detail.


    Eigentlich müsste es hier jeder wissen, dass Bauhaus, und allen voran Gropius, von der Erziehung des Volkes sprach - sie war ideologisches Programm. Eine der vielen Ideologien des finsteren 20. Jahrhunderts. Die Vertreter von Ideologien nennen es immer Erziehung oder auch Umerziehung. Für mich als Freigeist ist das Gehirnwäsche.


    Den politischen Willen dieser Bauideologie sehen wir heute noch deutlich in der Stadt. In der Stadtmitte haben ihn die Ostberliner Machthaber diktatorisch durchgesetzt. Im Westen der Stadt konnte Scharoun seinen ‚Kollektivplan‘ Gott sei Dank nicht durchsetzen. Dieser Kollektivplan sah vor, das Stadtbild in den Kriegszerstörungen zu vollenden und Westberlin hätte ausgesehen wie der durch die Moderne entstellte Osten.

    Einmal editiert, zuletzt von Tektor ()

  • Ist es nicht möglich, dass die Menschen damals andere ästhetische Maßstäbe angesetzt haben? Dass z.B. Hygiene, Luft, Grün und sozialer Ausgleich wichtiger waren, als ein "Ornament". Und, dass gerade diese Aspekte eine besondere, viel tiefere Schönheit entwickeln können?

    Einmal editiert, zuletzt von Tomov ()