^^
Lieber Ruhrbaron,
mit Verlaub, aber dass so ein Vorschlag, der sich dann noch ernsthaft und mimosenhaft der berechtigten Ironiekeule entgegenwirft, aus BOCHUM kommt, sagt eigentlich schon alles... (Achtung, das war Ironie, ne, ich gebs zu: Sarkasmus). Nun mal im ernst, aber nicht minder böse:
1.
Der Senat hat das Ensemble beidseitig der KMA - im übrigen das größte seiner Art im innerstädtischen Bereich weltweit - zu Recht unter Schutz gestellt und erlaubt nur dezente, aber definitiv die Nachkriegsmoderne würdigende Verdichtungen. Natürlich kann man den Bestand verschönern, anbauen, ertüchtigen. Alles andere ist absolut indiskutabel, weil in diesem Bereich die Mieten in Mitte erstens noch bezahlbar sind (unter 10 € Angebotsmiete, Bestandsmieten bei 4-6€) und zweitens die Leute da gerne wohnen (bezahlbar, zentrale Lage, grün). Was dann da hin käme wäre zwar "irgendwie" hübsch, aber eben viel teurer für Otto-Normalo - siehe Angebotsmieten jenseits von 12 €, gerne auf auch über 14 € für Neubauten im Scheunenviertel und Prenzlauer Berg. Für Beides hier die Quelle. Alles was auch da neu hingebaut wird, ist für die Oberschicht.
2.
Wie kommt man eigentlich auf die Schnappsidee, dass die Berliner die Qualitäten der Stadt nicht erkennen würden (aber der Herr Ruhrbaron schon)?
3.
Natürlich war Berlin nicht mit 4,5 Mio. innerhalb des S-Bahn-Rings gesegnet, sondern mit ca. 3 max. Das Großberlin-Gesetz hat 1920 die alte Stadt von 1,9 mit weiteren 1,9 zusammengebracht, davon eine Vielzahl von Bewohnern ausserhalb des S-Bahn-Rings. Alles weitere zum Thema "Berlin-mal-wieder-auf-die-vier-Millionen-bringen-Diskussion" ist in angrenzenden Threats unzählige Male auseinandergenommen worden. Das spar ich mir mal hier.
4.
Aber bei dem Punkt, die Eurokrise zu bemühen, um die Finanzierbarkeit herbeizureden, ist spätestens Schluss mit lustig. Umgekehrt wird ein Schuh draus, nein zwei. Erster Schuh: Es ist nicht finanzierbar. Genutzen Bestand zerstören um vom Durchschnitt nicht bezahlbare Neubauten hinzuspekulieren ist gaga und im Ergebnis abgrundtief turbokapitalistisch asozial. Ich hab ja nichts gegen Kapitalismus, befürworte allerdings die Beschneidung solcher Auswüchse. Und falls das nicht reicht: es gab in Berlin schon zwei totalitäre Systeme, die aus was für Gründen auch immer die Stadt verschönern wollten und flächendeckend Bestandsstrukturen oder deren Reste abgerissen haben... Zweiter Schuh: So Kapriolen-Kalkulations-Monopoly haben zum einen die Finanzkrise verursacht (US-Immobilienblase) und zum anderen die Eurokrise verschärft (u.a. Immobilienblase/n Spanien). Einige lernen es nie!
So und nun konstruktiv:
5.
Die wie ich sie gerne nenne "Alexanderstadt" (eigentlich Strahlauer Vorstadt) soll so bleiben wie sie ist und lediglich Absschnitt KMA 3 (also zwischen Straussberger und Alex) und Mollstraße Ost bis Platz der Vereinten Nationen müßten aufgehübscht werden. Darüber, ob die Moll rückgebaut werden soll und die Palisaden wieder entsteht kann man lange diskutieren. Aber eben mit Schutz oder Integration des Bestands. Der Block zwischen KMA und Moll an sich ist vollkommen ok und fragt mal bitte Leute die da wohnen, ob für sie solche Vorstellungen aus dem Pott nicht unzumutbar sind. Das ist übrigens Linken-Hochburg. Dreimal darf man raten, warum.
6.
Die Wiederherstellung des Stadtgrundrisses und damit die Rückgewinnung der Urbanität samt der Sozialiesierungsfunktion von Bürgersteig und Straße muss andere - m a c h b a r e = f i n a n z i e r b a r e - Bereiche erfassen, dazu gehört aus meiner Sicht Alt-Berlin und Alt-Cölln, die Luisenstadt zwischen Alter Jakob und Prinzenstraße sowie südlich der Ritter und die südliche/südwestliche Friedrichstadt. Da hat man Freiflächen und Baulücken für Wohnraum für ca. 50.000-70.000 Leute innerhalb der ehemaligen Akzisemauer.
7.
Und wenn man irgendwo unbedingt abreissen will, dann in dieser Priorität punktuell (neben dem Haus der Statistik): Riegel an der Karl-Liebknecht gegenüber Marienkirche (weil er die Wiedergewinnung einer einheitlichen Urbanität zwischen Scheunen- und Marienviertel verhindert), TLG-Riegel (weil er die neue Alexanderstraße von der ehemaligen Königvorstadt abschneidet), aber dann vor allem die Straßenüberbauungen Kottbusser Tor und Wassertorstrasse sowie die Platten an der Franz-Klühs-Straße am Halleschen Tor, die sowohl Linden- als auch Wilhelm-Straße die historische Anbindung ans Hallesche Tor verwehren. Das sind die Supersünden im ehemaligen Westen, die soziale Brennpunkte wie Kotti und Mehringplatz begründen, weil die Sozialisierungs- und damit auch Sicherungsfunktion der Straße abgeschnitten wird und nicht sozial abgesicherte bzw. kaum "sozial-organisch" absicherbare tote Winkel entstehen. Ergo: Abriss nur da, aber dann bitte sofort, wo einzelne Platten-Riegel Sozialisierung verhindert bzw. beschneidet.
8.
Der Kolhoff Plan kann ohne große Probleme angepasst werden, sodass ParkInn, Berliner-Verlag und Haus des Reisens (zunächst) stehen bleiben.
9.
Zum Haus der Statistik: Ich begrüße Abriss und Planungen, weil sie Brücken schlägt zwischen Neubaugebiet ehemalige Königvorstadt und gewachsener etablierter Sozial-Struktur Gebiet zwischen KMA und Moll.
Und das alles jedenfalls aus meiner Sicht