Stadtgespräch Berlin / dies und das

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    Oh je, in meinen Augen furchtbare Antworten von Regula Lüscher, schreckliches, peinliches Interview.
    Im Grunde gesteht sie ja zwischen den Zeilen sämtliche Vorwürfe ein, selbst den, dass sie im Grunde keinen Einfluss auf nichts hat. Dabei stellt sie sich als nüchterne Verwalterin des Geschehens dar. Überspitzt gesprochen, als wollte sie sagen: "Ja es stimmt, Baukultur ist verloren gegangen, aber was soll ich kleine Angestellte schon dagegen tun?" Dieses von einem Menschen, der in Verantwortung steht und in der Regierung sitzt.
    Im Interview drückt sie sich um Antworten und sucht nach Ausflüchten, so wenn sie sagt, es gebe keine gesetzliche Grundlage für dieses und jenes. Es ist nicht mal die Rede von einer Absicht dann diese gesetzlichen Grundlagen schaffen zu wollen. Es folgt: bei Bundesbauten kann man nichts tun, Nachwuchsförderung kann nicht geleistet werden, die Bauordnung ist wie sie ist. Sie sei dankbar, dass die Vivico mit ihr spricht und sei froh wenn ein privater Bauherr sich wenigstens bereiterkläre einen beschränkten Wettbewerb durchzuführen. Nicht ohne im Anschluß anzuführen, dass offene Wettbewerbe natürlich auch kein Garant für gute Architektur seien.


    Ich frage: wie kann man sich nur so klein machen vor dem Gesetz und vor Investoren? Wie kann man sich nur so inspirationslos geben mit der Attitüde "Mir sind die Hände gebunden"? Wie kann man nur die allgemeine Lage einräumen und dann als Verbesserung dieser Lage einen Award und eine Absichtserklärung für eine dritte IBA anführen?


    Das Interview lässt mich trostlos zurück.

  • @ Stunden: Du hast (leider) völlig recht. Selbst in den paar Fällen, in denen bei Senatswettbewerben unter Regula Lüscher zufällig Schweizer Büros gewannen (Labels 2, Hausvogteiplatz ("Meisterhaus) usw.) ist keine anspruchsvolle Architektur herausgekommen.


    Wenn ich ehrlich weiss ich einfach nicht, was Frau Lüscher eigentlich will. Ein Plan scheint mir nicht da zu sein, weder für den historischen Stadtkern noch für die Neubaugebiete Heidestraße und Tempelhof, wo sich zeitgenössische Architektur ja einmal austoben könnte. Nur als Architektin zu sagen wir brauchen mehr Wettbewerbe, damit mehr Architekten etwas zu haben ist trostlos.


    Warum tagen denn die Baukollegien von Potsdam, München und Frankfurt öffentlich? Der von ihr geforderte Dialog entstünde doch durch frühzeitige Diskussion in der Öffentlichkeit! Aber genau das tut Frau Lüscher eben nicht - z. Zt. bereitet die Verwaltung z. B. vor, den Bebauungsplan für die Breite Straße noch eben fix vor der Wahl beschließen zu lassen. Ein aktueller Planungsstand ist auch für Journalisten nicht zu erfahren. Wie soll den da Dialog stattfinden?


    Ich empfehle einmal auf die eigene Visitenkarte zu schauen. Die Frau ist Staatssekretärin eines deutschen Bundeslandes. Wenn sie mit dieser Position meint nichts durchsetzen zu können muß sie es lassen, es hat sie keiner gezwungen in diesem Job zu arbeiten.

  • Ich denke, dass es zu billig ist, Frau Lüscher zu kritisieren, ohne Alternativen vorzuschlagen. Fakt ist: Bei der jetzigen Dominanz privater Investoren gibt es seitens der Stadt wirklich wenig Möglichkeiten, Qualität in Sachen Architektur und Städtebau durchzusetzen.


    Sicher gibt das Baurecht Möglichkeiten für weitergehende Eingriffe. Ein Instrument wäre die Ausweisung eines Städtebaulichen Entwicklungsgebietes beispielsweise für den Bereich Heidestraße. Dann könnte das Land Berlin seine Vorstellungen durchsetzen, es müsste dann allerdings auch bereit sein, Immobilien von unwilligen Eigentümern zu erwerben. Das Problem dieser Lösung besteht wohl darin, dass sie derzeit aus finanziellen Gründen nicht durchsetzbar ist. Aber dann sollte man nicht Frau Lüscher für die Misere verantwortlich machen.


    Im Falle Heidestraße hat zudem der Bund ein großes Stück Mitschuld, schließlich handelt es sich bei den Vivico-Grundstücken um ehemals bundeseigene Grundstücke, die 2007 ohne Rücksicht auf städtebauliche Belange privatisiert wurden. Nun gibt es überall Probleme - von der Heidestraße bis zum Mauerpark - weil die Vivico mit ihren Grundstücken Maximalrenditen erzielen will. Auch diese Fehlentscheidung des Bundes kann man kaum Frau Lüscher anlasten.

  • @ Der_Geograph: Der Bedarf an Hochhaeusern ist in Berlin einfach nicht vorhanden. Das zeigt sich vor allem am Alexanderplatz, der an den Nahverkehr besser als der Hbf angeschlossen ist: Die dort genehmigten Hochhaeuser warten seit Jahren auf ihre Realisierung.

  • da muss ich dir leider recht geben. berlin hat nunmal keinen wirklichen bedarf... jedoch sollten in den nächsten jahren zumindest 2-3 von den ursprünglich geplanten 13 hochhäusern(später dann auf 10, vor einigen monaten auf 7 reduziert) auch gegen den markt realisiert werden.bin mir sicher das keines der stockwerke leer stehen würde. zusammen mit dem park inn würde dies zumindest eine gewisse ausstrahlung und urbanität erzeugen.

  • @ Der_Geograph: Der Bedarf an Hochhaeusern ist in Berlin einfach nicht vorhanden. Das zeigt sich vor allem am Alexanderplatz, der an den Nahverkehr besser als der Hbf angeschlossen ist: Die dort genehmigten Hochhaeuser warten seit Jahren auf ihre Realisierung.


    Da hast du leider Gottes Recht. Berlin hat recht viel Leerstand und noch große unbebaute Flächen. Zudem ist die Stadt recht arm, nur wenige Großkonzerne haben ihren Sitz dort. Zudem ist man in Deutschland recht rational und baut am liebsten billiger und zweckmäßiger. Etwas Innovatives und Repräsentatives muss es hier zu Lande nicht unbedingt sein. Bis in Berlin wirklicher Bedarf an Hochhäusern entsteht, wird wohl noch einiges an Zeit vergehen. Bis dahin werden neue Hochhäuser weiterhin selten bleiben.


    Gibt es eigentlich schon einen Investor für den zweiten Turm in der Europacity?

  • Zudem ist man in Deutschland recht rational und baut am liebsten billiger und zweckmäßiger. Etwas Innovatives und Repräsentatives muss es hier zu Lande nicht unbedingt sein.


    Wo baut man den dann bitte "teurer und unzweckmaessiger"?
    Ehrlich gesagt bin ich relativ ernuechtert von meinen beobachtungen in New York, London, Paris und Moskau. Sicher, es gibt dort haufiger als in Berlin Konzerne die sich mal was huebsches bauen. Aber unterm Strich ist die generelle Qualitaet bei Neubauten vielleicht sogar niedriger.


    Hier in New York ist die Masse der neuen Gebauede sehr viel simpler und technisch weit weniger anspruchsvoll als in Deutschland. Hinzukommend ist die Bauausfuehrung oft hunds miserabel.


    Ich wuerde den berliner stil im grossen und ganzen als technisch solide, stilistisch aber eher konservativ-klassisch bezeichnen



    D.

  • gehört eigentlich in den Alex Thread

    da muss ich dir leider recht geben. berlin hat nunmal keinen wirklichen bedarf...


    Und genau deswegen sollte der Masterplan für den Alex grundlegend geändert werden.Sonst haben wir in einigen Jahren mehrere Sockelbauten ohne Hochhaus stehen.Da diese Sockel architektonisch nicht selbständig sind,wirken sie ohne das dazugehörige Hochhaus ganz anders.Die "Neue Mitte" ist das schlechte Beipiel,wie es nicht laufen sollte.


    Es gibt Büro Bedarf am Alex,aber nicht für das Hochhausszenario.Ein mutiger Neuentwurf ist nötig,bevor es zu spät ist.


    Berlin hat recht viel Leerstand und noch große unbebaute Flächen.


    Weder in absoluten noch in prozentualen Zahlen herrscht in Berlin ein grösserer Leerstand als in HH oder Frankfurt (M.)

  • ^ Also da warte ich aber lieber bis es zu spät ist. Dauert nicht mehr lange, dann sind die meisten großen innenstadtnahen Flächen bebaut, die Preise steigen ja seit einiger Zeit vergleichsweise rasant. Von daher würde ich die Hochhäuser so schnell nicht aufgeben. Berlin wächst seit 5 Jahren wieder deutlich flotter und wirtschaftlich geht es im Bundesvergleich auch leicht überdurchschnittlich bergauf (keine Kunst von diesem Niveau). Bei der Europacity würde ich allein durch die "Inbetriebnahme" des BND mit einer Beschleunigung rechnen. 6000 Mitarbeiter von denen wohl die meisten mit ihren Familien zuziehen werden.

  • @ hausschwamm:
    Hochäuser brauchen Grossmieter und an denen mangelt es.Welche grössere Rechtsanwalts/Steuerberater/Arztpraxis will sich in so einem anonymen Hochhaus ansiedeln ? Wo man von aussen nicht wahrgenommen wird,wo man als Kunde sich erst mühsam durch die Fimenschilder durcharbeiten muss,bevor man unter 50 oder 100 Mietern den Gesuchten gefunden hat.

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    Hab ich mir gestern Abend zufälligerweise auch angesehen. Ich fand die Sendung eher etwas tendenziös mit viel subjektiven Argumenten versetzt.
    Man hat sich einige Nachwendegebäude herausgesucht die sicherlich kritikwürdig sind. Daran dann aber pauschal auf die ganze Stadt zu schließen ist mir ein wenig zu plump (siehe Kanzleramt).
    Die Friedrichstraße das "Herz der architektonischen Finsternis"? Mitnichten. Die Aussage: im wesentlich alles gleichaussehende Steinfassaden wo man ein paar seinen Aussagen entsprechende Gebäude zeigt. Die Galerie Lafayette bspw. muss in diesem Weltbild außen vor bleiben.
    Polemisch wird's schließlich zum Ende wenn man die vermeintlich schlimmste Bausünde das Spreedreieck erwähnt: breit, braun, blöd; als hätte hier ein monströser Straßenköter seine Notdurft verrichtet. Tolles Niveau einer Kultursendung :applaus:
    Naja, man hatte halt nur knapp 6 Minuten.

  • Naja, die Kritik richtet sich hier vorallem an die Politik, die am Beispiel Reichstag oder BK-Amt aus Hasenfüssigkeit die Entwürfe der Architekten nicht umgesetzt bzw. zum schlechteren abgeändert hatten und an die politischen Vorgaben und Entscheidungsträger wie namentlich ex-Senatsbaudirektor Stimmann (am Beispiel Leipziger Platz), wie zu bauen sei.

    Und dass das BK-Amt in einer Ödniss "eingebettet" ist und - wie ein Fremdkörper von der Stadt entkoppelt - sich im Spreebogenpark verliert, der Hbf von billiger 08-15-Investoren-Hotel-Architektur verschandelt wird etc., dies stand auch schon in anderen Artikel und wurde hier sehr kontrvers diskutiert.

  • Die Kritik an Stimmann ist doch ein bisschen zum Selbstläufer geworden für Menschen die mit unfundierter Kritik zu einem Rundumschlag ausholen. Gerade die Off-Stimme in dieser Doku macht davon Gebrauch. Ich bin kein großer Anhänger Stimmanns, aber mittlerweile hat sich doch auch schon Rem Koolhaas positiv über die Entwicklung der Friedrichsstadt geäußert und in der Retrospektive Stimmann für die Härte gelobt, da er schlimmeres verhindert habe. Die Friedrichsstadt definiert sich vor allem über das gerasterte Straßennetz und die in Serie angelegten (damals schon so genannten) viereckigen Quarrees. Dass dieser Stadtkörper erhalten geblieben / rekonstruiert worden ist, finde ich sehr gut.


    Die Architektur in der Friedrichsstadt mag zu großen Teilen wirklich nicht herausragend sein, aber keine Stadt aus keiner Epoche besteht aus durchgehend großartiger Architektur. Da Architektur hauptsächlich einer Sache dient: Menschen oder Gewerbe ein Dach über dem Kopf zu bieten. So lange man den Häusern anmerkt, dass jemand da ein gutes Haus hinstellen wollte, ist für mich alles gerettet. Wenn es dann vereinzelt herausragende Häuser gibt, wird auch unsere Architektenseele glücklich.


    Übrigens, interessantes Interview in der Mopo von heute mit Daniel Libeskind: http://www.morgenpost.de/kultu…-moderne-Architektur.html
    Dazu folgendes Zitat:
    "Je enger der Rahmen, desto mehr kommt die Kunst in der Architektur zur Geltung. Wenn einem jemand einfach nur einen Bauplatz und einen Haufen Geld gibt, wird daraus selten gute Architektur."


    :)


  • naja das ist ja auch nichts neues dass grün, grün, grün das einzige "städtebauliche" streben vieler bewohner ist. insofern nicht nur streibar sondern auch durchaus skeptisch betrachtbar...


    Wenn die Innenstädte nicht nur für Touristen oder den Wochenendbesuch sondern auch als Wohngegend attraktiv bleiben sollen, sollte das Streben der Bewohner nach Grün nicht leichtfertig abgetan werden. Nicht umsonst ziehen viele, die es sich leisten können, raus aus der Stadt ins Grüne.


    Dass Berlins Innenstädte auch zum wohnen noch recht beliebt sind, liegt sicher nicht zuletzt auch am Freiflächenengebot. Und in Anbetracht der Tatsache, dass in Berlin an seit Jahren an vielen Stellen Freiflächen bebaut werden, kann es auch nicht schaden, wenn hier und da mal etwas Grün dazukommt.


    Diesen und die Beiträge bis #807 habe ich aus dem Kleinere Projekte übrige Mitte/Tiergarten/Moabit/Wedding-Thread hierher verschoben da OT.
    Bato

  • Wenn die Innenstädte nicht nur für Touristen oder den Wochenendbesuch sondern auch als Wohngegend attraktiv bleiben sollen, sollte das Streben der Bewohner nach Grün nicht leichtfertig abgetan werden. Nicht umsonst ziehen viele, die es sich leisten können, raus aus der Stadt ins Grüne.


    Naja, die Zeiten sind ja vorbei. Die Innenstädte verzeichnen deutschlandweit wieder Zuzug (Landflucht!). Und gerade die am dichtestbebauten Viertel (Gründerzeit) sind dabei die beliebtesten.

  • Hobrecht und Andi_777, ihr habt beide recht.


    Die tatsächlich stattfindende Rückbesinnung vieler Menschen, auch Familien, auf ein Leben in der Stadt liegt eben auch daran, dass die beliebten Gründerzeitquartiere heutzutage viele Grünflächen und Parks aufweisen, kleine und große, so dass eigentlich nie ein Moloch-Gefühl aufkommt.


    So kann Mutti mit ihrem kleinen Racker kurz über sie Straße zum nächsten Spielplatz, der in irgendeiner Baulücke angelegt wurde und der Büromensch findet fast immer in fußläufiger Entfernung einen Park zum Joggen und/oder einen Biergarten unter Bäumen. In sofern hat Hobrecht absolut recht und für mich persönlich ist das auch ein wichtiger Grund, warum ich gern in einem Altbauquartier wohne.


    Man muss nur mal bei schönem Wetter zur Feierabendzeit durch Prenzlberg, F'hain, Schöneberg usw. laufen, um zu sehen, dass genau das einen Großteil der Lebensqualität in den Kiezen ausmacht.