Und langweilig wirds auch langsam.
Stadtgespräch Berlin / dies und das
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DaseBLN,
zunächst mal war in Dresden der Anteil der Totalzerstörungen insgesamt viel höher. Weiterhin wurde in Dresden sehr viel mehr Sandstein verwendet. Zu Leipzig kann ich nichts beitragen.
Und dass die Entstuckung in Berlin auch und gerade an den Fördermaßnahmen lag, hat niemand bestritten. Ich habe lediglich erklärt, wie diese Fördermaßnahmen begründet waren. Ihr braucht nicht mit mir darüber diskutieren, ob die Maßnahmen angemessen waren. Ich bedauere den Verlust mindestens ebenso, wie die meisten anderen hier!
Der Stuck aus dem Katalog war übrigens ab 1875 (als Gips langsam den Zementmörtel verdrängte) die Regel. Selbst die meisten herrschaftlichen Häuser waren damit ausgestattet. Eine größere Zahl an eher reduzierten Architektenhäusern, die sich oft auf neuere Stile bezogen (auch an gotischen Vorbildern, oder aber komplett eklektizistisch waren), statt sich am Berliner Stadtschloss zu orientieren, entstanden erst ab kurz vor der Jahrhundertwende vor allem in westlichen Gegenden und vereinzelt in damaligen Vororten. Bei diesen Bauten griff die Förderung oft gar nicht oder wurde zweckentfremdet vom Eigentümer kassiert. Der Anteil der entstuckten Häuser liegt hier auch viel geringer.
Ben,
ich habe das "Hickhack" bereits auf meine Art beendet ;). Zu den schlechten Bedingungen: damit wollte ich aufzeigen, dass die Fantasien, die die vermeintlich kunstfertigen und ehrwürdigen historischen Bauten anregen, oft nicht viel mit der Realität zu tun haben (wie im Falle Heinz Kasupke). Wenn die Wohnungen in der Belle Etage der Vorderhäuser auch noch so schön sind, so wurden sie doch oft von den dahinsiechenden Mietern in Seitenflügeln und Quergebäuden finanziert. Die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen waren für Mensch und Tier katastrophal (dazu gibt es allerhand zeitgenössische Berichte, auch von "offizieller Seite") und alle Wohnungen wurden von Wanderarbeitern trockengewohnt, was extrem auf deren Gesundheit ging. Man kann die Endresultate - vor allem so, wie sie sich nach modernen Sanierungen, Entkernungen und gewandelten Nutzungen heute präsentieren - natürlich trotzdem bewundern, vor allem, wenn man sie mit späteren Bauten am selben Ort vergleicht. Aber die Tatsachen komplett zu ignorieren grenzt ein wenig an Selbstbetrug.
Und "langweilig" ist es aus meiner Sicht vor allem dann, wenn die Diskussion nicht vorwärts kommt, weile Leute ungeachtet der realen Begleitumstände, die zu den späteren Entwicklungen führten, auf ihrer Schwarz-Weiß-Sicht beharren, wenn sie nur das sehen wollen, was heute Konsens zu sein scheint und wenn sie, statt die wahren Ursachen der späteren Fehlentwicklungen zu erkennen, alle anderen vor ihnen für Banausen halten. Dieses "ich sage euch mal, wie ich es vor 50 oder 80 Jahren gemacht hätte" ist müßig.
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Restauration u. Stuckzuschlag
Ben & Gralsritter.
Das Vorkriegs Berlin war geprägt von klassische Architektur a la Schinkel, "schwere" Wilhelminische Architektur, pompöse NS Architektur, moderne Architektur (Scharoun) und schwer bestückte Gründerzeit. Im Westen sehr reich detailliert, im Osten mässiger aber auch sehr schön.
Viele Kirchtürme und Kuppel erhebten sich über die dicht geschlossen Wohnbauten der 4.3 mi Berliner. Aus der Luft die geschlossen Strassenfronten und die vielen geschlossen Hinterhäuser/ Höfe.
Ein fantastische und sehr harmonische Städtelandschaft.
Einmalig in der Welt: der 4. grösste Stadt der Welt und nach Paris und London die 3. schönste Stadt der Welt, mit wunderbarer Stadtmitte.Leipziger Strasse, Alexander Platz: alles war mit Schöner impossanten Gebäuden umrahmt. Ein fantastische und sehr harmonische Städtelandschaft.
Schönste Platz: mit grünn belegten Donnhöfplatz mit phantastisch schöne klassische Hertie Fassade!!! Dachgauben wellenartig. Die Harmonie bis in der Himmel. Oder Schloss mit Apotheke, Spree-ufer mit mächtige Domkuppel, Schlossbrücke, Schlosstrasse mit barocke Gründerzeit Eckbauten & kuppel: alles zusammen: ein einzigartiges super Ensemble!!!!!
Die Farbenpracht war auch wirklich super. Sehe nur die Maquette am Hausvogteiplatz.Dasselbe gilt für so mancher Berliner Platz, oder das wunderbarer Stadtkanal mit Brücken und Bauten von das ehemalige romantische Potsdam.
Heute sind die ausbalancierte Häuserfronten fast allen gesprengt. Die meisen Stuck ersetzt von glatten Putzfassaden. Die Ecktürmchen und Dachreiter verschwunden. Viele offene Baublocks entstanden mit monotone glatte Architektur. Öde leere Räume entstanden. Nur 3,2 mi berliner übrig.
Schloss, Börse, 24 Kirchen & türme, Bahnhöfe, 6 Warenhäuser: alle Verschwunden. Und Tempelhof?Ich kann mich doch sehr gut vorstellen das EINIGES von dieses ehemalige Märchenlandschaft rekonstruiert werden soll und auch kann.
Ich denke dass die Leute die sich heute am Neumarkt und Frauenkirche staunen dann auch einmal in Berlin sich staunen wollen.Dieser sehr imponierende Vergangenheit kann doch nicht für ewig verloren bleiben?????
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^^
Ich würde es zumindest hassen in einem Architekturmuseum zu wohnen!
Du sagst es ja schon ganz richtig. Berlin war stets im Wandel und wurde von den verschiedensten Stilen geprägt. Und meiner Meinung nach sollte dieses organische Wachstum des Stadtbildes auch weiterhin prägend für Berlin sein. Gegen die ein oder andere Reko habe ich rein gar nichts, aber die Stadt wieder auf Vorkriegszustand zu bringen ist nicht nur langweilig, sondern auch höchstgradig unfinanzierbar. -
Was macht dich so sicher, dass es langweilig wär? Wir kennen das Vorkriegsberlin doch gar nicht...Vielleicht würdest du ja den von Veenberger angesprochenen Dönhoffplatz, den man heute ja nur noch erahnen kann, ja zu deinem neuen Lieblingsplatz machen, wenn er rekonstruiert werden würde? Nur ein Gedanke meinerseits...;)
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Natürlich kann ich es nicht wissen, aber ich finde Berlin gerade aufgrund seiner vielen Kontraste extrem spannend. Eine Stadt muss sich IMO immer weiter entwickeln, um spannend zu bleiben. Eine konservative oder gar reaktionäre (keine Ahnung, ob man diese Begriffe auch in der Architektur anwenden kann ) Stadtentwicklung würde ich hingegen als langweilig empfinden.
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Schön, dass Ihr den Punkt der Finanzierbarkeit so schnell abgehakt habt und schon bei der Interpretation der funkelniegelnagelneuen Stadt seid. Falls Euch doch noch ein paar Euros fehlen, wir wär' mit Krieg oder mit Steuererhöhungen? Oder noch besser: erst Krieg und dann Steuererhöhungen (oder umgekehrt)?
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Aber sonst gehts dir gut ? Wer klassiche Architektur liebt, ist für dich gleich ein Faschist oder was ?
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Wir könnten wirklich mal wieder auf den Boden zurück.
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Ben & Gralsritter.
Einmalig in der Welt: der 4. grösste Stadt der Welt und nach Paris und London die 3. schönste Stadt der Welt, mit wunderbarer Stadtmitte.1920 war Berlin die nach Einwohnern drittgrößte und die flächenmäßig größte Stadt der Welt.
Weiß jemand wie lange Berlin von der Fläche her am größten geblieben war ? Greater-London wurde in den 60ern gegründet.
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Veenenberg,
vielen Dank für diese wunderbare schwärmerische Beschreibung des alten Berlin. Wer Bildbände über den Vorkriegszustand durchblättert (etwa von Max Missmann), kann das hier beschriebene schmerzlich im Bild nachvollziehen. Ein schrecklicher Verlußt in der Tat.
Jedoch muß ich beipflichten: Das alte Berlin auferstehen lassen zu wollen, ist utopisch und würde auch heutigen Anforderungen nicht gerecht. Eine Stadt muß leben und sich entwickeln. Die Frage ist, welcher Vorbilder sie sich dabei bedient. Und inzwischen werden erfeulich oft die m.E. richtigen gewählt. Kollhoff, Kahlfeldt, Kleihues jr., Patzschke, Nöfer, Graetz u.a. machen es vor, indem sie klassische Formen wählen - ob es die klassische Moderne ist oder ein wirklicher Neu-Klassizismus.
"Spree-Athen ist tot. Spree-Chikago wächst heran." (Walter Rathenau)
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Lars, hast du eine bessere Idee zur Finanzierung? Und was den unterstellten Faschismus-Vorwurf angeht: absolut unterirdisch!
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Dann erklär bitte mal warum du vorschlägst einen Krieg zu beginnen..
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Weil das schon einmal funktioniert hat. Die Bauwut der Gründerjahre basiert auf der großzügigen Kreditvergabe an Händler, Handwerker und sonstige "einfache" Leute, bestritten aus den immensen Reparationszahlungen, die Frankreich gemäß des Versailler Vertrages von 1871 zu leisten hatte.
Das hat also nichts mit Faschismus zu tun! Eine Alternative, nämlich drastische Steuererhöhungen, hatte ich auch schon ins Spiel gebracht. Statt mir irgendwelchen Nonsens zu unterstellen und in jedem Winkel des Forums das Lied von der verlorenen, "schönen" Architektur zu singen, die gefälligst schleunigst eins zu eins wiedererrichtet werden müsse, könntest du ja mal einen Finanzierungsvorschlag gucken lassen.
Übrigens werden meine beiden Vorschläge auch nicht genügen. Man müsste schon zusätzlich die Anschaffung sonstiger neumodischer Güter verbieten (vor allem Autos und ähnlich kostspieliges Zeug), die fähigsten Kopfe aus allen möglichen neueren kreativen Branchen abziehen und sie den Architekten zuweisen sowie die Handwerker verpflichten, ihr Handwerk zu einem bezahlbaren Stundensatz dem Namen nach zu vollbringen (da beißt sich's schon mit der Steuererhöhung :D), will man die Gründerjahre in Sachen Bautätigkeit und nachträglich gefühltem Ergebnis wiederholen.
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So war das leider damals und nicht nur im Deutschen Reich. Auch Frankreich hat Geld genommen von Dt. für den 1. WK. Aber dafür können ja die Häuser nichts.
Und deshalb schlägst du vor man solle doch einfach einen neuen Krieg beginnen ?
Und was das Hohelied auf das untergegangene Berlin angeht: akzepziere doch einfach die Vielfalt der Meinungen. -
Naja, wenn du meinst, die Forderung nach Wiederaufbau sei nur eine "Meinung" und die Möglichkeiten ihrer Umsetzung nachrangig ... Du hast recht, ich gebe mich geschlagen und das Thema ist beendet.
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Du musst nicht zynisch werden, es gibt keinen Grund dafür.
In anderen Städten werden historische Innenstädte doch auch wiedergewonnen und eine Rekonstruktion ist nicht wesentlich teurer als ein Neubau.
Du versuchst mich in ein Schema zu pressen und mir ein Dogma zu unterstellen, welches ich aber gar nicht habe. Frag doch einfach mal nach anstatt gleich in den Angriff über zu gehen. -
Ich denke schön länger, dass du vermutest, eine Rekonstruktion sei nicht viel teurer als ein Neubau ;). Woher nimmst du diese Annahme? Und weshalb musste sich Stimmann so mit seiner kritischen Rekonstruktion, den Traufhöhen, Blockrändern und Fassadenvorgaben abmühen, wenn er doch bei angeblich nahezu identischem Aufwand auch eine Total-Rekonstruktion hätte festschreiben können? Mal abgesehen davon, mit welchem Instrumentarium, das einer Demokratie zur Verfügung steht, will man denn sämtliche privaten Haus- und Grundstückseigentümer dazu zwingen, den gedachten Zustand von anno Soundso herzustellen, zu erhalten und zu bewirtschaften?
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Du brauchst ja nicht das ganze Haus rekonstruieren, sondern nur die Fassade um wieder ein geschlossenes Straßenbild zu erhalten... Darum geht es wohl den meisten. Man braucht keine 1 Meter dicken Wände mehr oder dergleichen. Mir würde schon die Fassade reichen und dafür würde ich sogar ein bisschen Subventionen fließen lassen obwohl ich ein neoliberaler Egoist bin.
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Bisschen Reko hat bisher jedem Straßengesicht mehr genützt als geschadet. Von daher... aber ist natürlich Ansichtssache. Die ganze Rekogeschichte wird hier sowieso zur Übergenüge debattiert.