Stadtgespräch Berlin / dies und das

  • Sagt wer? Gute Architektur hat seit tausenden Jahren Ornamente und Dekoration. Und dann kommt eine Generation radikaler Anti-Künstler in den faschistischen 30er Jahren hoch und schafft die Baukunst ab? Und ein paar ältere Herren verteidigen diese Linie? Das kann uns dann aber auch egal sein...

    Anti-Künstler? - Sagt jemand, der das MB- Areal für gelungen hält. Ist ja zum Piepen.

  • Ich bin sicher, das eine hat sehr viel mit dem anderen zu tun. Warum erheben sich manche Menschen besonders gerne und besonders laut moralisch über andere? Und warum fordern solche auch besonders gern Verbote? Antwort: Weil sie etwas kompensieren, das sie ins ich selbst ablehnen. Es ist doch immer das selbe mit diesen empörten und weit übers Ziel hinausschießenden Fanatikern.


    Im Übrigen hat Loos den Begriff den "Verbrechens" ins Feld geführt, und auf diese zweifelhafte Rhetorik hat man sich in diesem Thread hier ausgerechnet bezogen. Wer schon im Legitimen wie etwa dem Phänomen der Ornamentik von Verbrechen spricht, muss bereit sein, auf eigene Verbrechen hin bewertet zu werden. Mir wäre neu, dass die von Camondo angesprochenen Stadtplaner mit haarsträubenden Verbotsforderungen um sich werfen und den anderen "Verbrechen" nachsagen. Diese unbescheidene Hybris im Fall von Loos ist von seiner Forderung nach Verboten inhaltlich leider nicht getrennt zu betrachten. Er selbst verknüfpt den Blick auf Architektur mit Moral und Verbot, dann müssen wir ihn selbst auch in diesem von ihm gewählten Kontekt zuendedenken.

  • Warum erheben sich manche Menschen besonders gerne und besonders laut moralisch über andere? Und warum fordern solche auch besonders gern Verbote?

    Wenn es um architektonische Verbote geht, lohnt es sich, einen Blick nach Spanien zu werfen. In Barcelona haben Vertreter des architektonischen Modernismus (Bohigas, Le Corbusier, Gropius) allen Ernstes versucht, mit einer Petition den Bau der Sagrada Familia zu stoppen. Warum glauben Vertreter des Modernismus, dass sie das Recht besitzen, den Bau traditionalistischer Architektur verbieten zu dürfen? Und welchen Nutzen zieht Herr Bohigas daraus, wenn er das Entstehen solch ikonischer Architektur, wie es die Sagrada Familia ohne Zweifel ist, verhindert?

  • Oh je, was ist denn hier los? Geht es eigentlich auch eine Nummer kleiner als "Disneyland-Fetischisten" vs. "Moderne-Kulturtaliban"? Wie oft diese Debatten in den letzten Jahrzehnten ausgetragen wurden, das ist sooo ermüdend.


    Als wäre der Leipziger Platz der Untergang der Architektur, die Zerstörung des Abendlandes. Ließe sich doch viel mehr an diesem streiten, welche Qualitäten (und welche vertanen Chancen) dort geschaffen wurden. Ich bin mit dem Ergebnis ja auch nicht zufrieden, aber wie bereits geschrieben: Der Mangel ist doch vor allem die fehlende Aufenthaltsqualität und eintönige Platzgestaltung, umgeben von mehrspurigen Hauptstraßen und wenig interessanten Erdgeschossnutzungen. Durch die Mall of Berlin, einem Konzept des letzten Jahrhunderts, werden die Passanten vor Ort auch noch "verschluckt", selbiges passiert im Untergrund mit U-, S- und Regionalbahn.


    Ein radikales Konzept wäre die Untertunnelung der Straße ab Wilhelmstraße unter Nutzung der U-Bahn-Vorleistung bis kurz vor dem Tiergartentunnel und eine Umgestaltung im Sinne eines verkehrsberuhigten Platzes mit Gärten, Bäumen, Springbrunnen und Cafés.


    Als hätte eine historische Fassade an diesem Grundproblem etwas geändert (dabei wäre ich dem sogar zugeneigt gewesen, löst aber nicht die verkehrliche Misere)! Da "braucht" es in der Tat eher die Schinkelschen Torhäuser, die leider im Laufe der Planungen aus dem Konzept gestrichen wurden. Aber was in der Karl-Marx-Allee fünfzig Jahre nach Bau geht, ginge auch hier: Einfach Mal bauen und die Verkehrsfrage angehen.


    Aber schreibt ruhig weiter über Pädophilie der 1920er Jahre und Styroporstuck.

  • Dieser hetzerische Verfasser von "Ornament und Verbrechen", dem "Mein Kampf" der Architekturgeschichte ist aus meiner Sicht kein Denkmal, sondern ein Mahnmal zu setzen...

    Da diese Aussagen von @UrbanFreak (und gelegentlich auch anderen) immer und überall wieder auftauchen, wo es auch nur am Rande um Fassadengestaltung - sei es bei einem Altbau in Charlottenburg oder beim Humboldt-Forum oder eben dem hier genannten Leipziger Platz - geht: Mögen die geneigten Nutzer:innen die kleine, polemische Vortragsschrift «Ornament und Verbrechen» aus dem Jahr 1908 dann bitte auch einmal lesen? ☞ Hier: S.277ff. Es sind auch nur - versprochen! - 13 Seiten! Was wird ihr nicht alles nachgesagt. Nun also, das «"Mein Kampf" der Architekturgeschichte» zu sein. Zuvor war «O&V» bereits eine architektonische «Doktrin», von der bis heute nicht abgewichen werde («Vielleicht liegt es daran das man tausende Jahre Architekturgeschichte mit Ornamenten, Pilastern, Gesimsen und generellem Empfinden für Ästhetik mit der Moderne über den Haufen geworfen hat und seitdem von der Doktrin "Ornament und Verbrechen" nicht mehr abweicht?» UrbanFreak), eine proletarische Schreibästhetik («Was für eine proletarische Wortwahl. Klingt wie ein Zitat aus „Ornament und Verbrechen“» UrbanFreak), ein Hass-Pamphlet, das sich gegen die Schönheit der Häuser richtet («Der gleiche Hass der ja auch nach dem Krieg zu "Entstuckung & Co" und vor dem Krieg zu dem Buch "Ornament und Verbrechen" geführt hat.» UrbanFreak), ja es wird dem kleinen Vortragstext sogar nachgesagt, ein «Buch» zu sein («Mit meinem Zitat spiele ich auf das Buch von Adolf Loos "Ornament und Verbrechen" an.» UrbanFreak). Und jenes «Buch», das UrbanFreak hier seit Jahren obsessiv umkreist, verlangt natürlich auch eine Gegenschrift, für all jene, die «gerne in diesen wunderschönen Ornament&Verbrechen Häusern [leben]» (UrbanFreak), etwa «ein buch im sinne von „funktionalismus und verbrechen“» (UrbanFreak) und freilich sollte man auch «Entstucken und Verbrechen [...] heute als Fachbuch auf dem Markt bringen» (UrbanFreak). Denn, so lautet die große These: «Für zu viele Architekten scheinen Ornamente immer noch mit Verbrechen zu tun zu haben» (UrbanFreak). Nur, es handelt sich weder um ein Buch, sondern einen Kurzvortrag, noch um einen Text, der sich überhaupt mit Architektur beschäftigt. Es geht um Hobelbänke und Zigarettendosen, Spitzenklöpplerinnen und Maßschuhe, mit keinem Wort erwähnt Loos in seiner wie bei seinem Freund Karl Kraus auf Provokation ausgelegten kleinen Rede hingegen die Architektur, den Städtebau oder Fassaden. Aber die Maßschuhe, sagen Sie! Loos, der am Ende des 19. Jahrhunderts vor allem über Maßanzüge, Interieurs & den Luxus der schönen Schuhe schrieb, formulierte in «O&V»:«Meine schuhe sind über und über mit ornamenten bedeckt, die von zacken und löchern herrühren. Arbeit, die der schuster geleistet hat, die ihm nicht bezahlt wurde. [...] Und nun sage ich: ‹Aber eine bedingung stelle ich. Der schuh muß ganz glatt sein.› Da habe ich ihn aus den seligsten höhen in den Tartarus gestürzt. Er hat weniger arbeit, aber ich habe ihm alle freude genommen.Ich predige den aristokraten. Ich ertrage ornamente am eigenen körper, wenn sie die freude meiner mitmenschen ausmachen.» Wahrlich ein «"Mein Kampf" der Architekturgeschichte», nicht wahr?

    Nun könnte man freilich auf die Rezeption verweisen und sagen, Loos habe zwar von Zigarettendosen gesprochen, aber als Architekt doch wohl eigentlich die Architektur gemeint und so sei er auch verstanden worden. Nur: der kleine Vortrag, den Loos offenbar zu mehreren Gelegenheiten Anfang der 10er Jahre zwischen Wien und Berlin vor überschaubarem Publikum zum Besten gab, ist erst gegen Ende 1929 erstmalig auf Deutsch gedruckt worden. Und zwar ☞ hier. Zwar hat Le Corbusier gelegentlich erwähnt, dass ihn der frühere französische Erstdruck ins Herz getroffen habe, aber «O&V» hat das «Neue Bauen», die «Neue Sachlichkeit» oder das «Bauhaus» keineswegs geprägt. Als der Vortrag als Artikel erschien, gab es vielmehr schon die ersten Gegenreaktionen gegen einige der formulierten Positionen dieser Schulen - übrigens ebenso wie Adolf Loos die Tradition etwa des Biedermeiers sowohl gegen zeitgenössische Formen der Architektur als auch seiner Meinung nach «historistischen Kitsch» verteidigte und als notwendigen Anschlusspunkt aus den historischen Formen der Architekturgeschichte ansah.

    Von Loos gedrucktem Text, davon kann man sich hier im Forum gut überzeugen, ist jedenfalls jenseits der Architekturgeschichte, die Loos vor allem seit den 60er Jahren als Enfant terrible der Moderne wiederentdeckte, nur die Überschrift seines Vortrags als Schlagwort geblieben, gelesen hat's fast keiner und der historische Zusammenhang, aus dem Loos heraus seine bewusst unverschämte Polemik verfasste, ist wohl ebenso verblasst. Dabei könnten seine älteren Artikel durchaus weiterhelfen. In «Die Baumaterialien» (1898) lautet es etwa:


    screenshot2021-07-05alukb0.jpg


    screenshot2021-07-05a3ckup.jpg


    screenshot2021-07-05a9lk23.jpg

    Quelle (Public Domain)


    Wer noch immer am Verhältnis des Architekten zu Fassade und Interieur zweifelt, der lese also die kleine Vortragsschrift «Ornament und Verbrechen» in Loos' «Kärntner Bar (American Bar)» in Wien (Die berühmte Front hier).


    Und nun bitte zurück zur Architektur am Leipziger Platz Berlin, die nichts und wieder nichts mit Adolf Loos zu tun hat.

  • Zitat aus Ornament und Verbrechen:


    „Ornament ist vergeudete Arbeitskraft und dadurch vergeudete Gesundheit … Heute bedeutet es auch vergeudetes Material, und beides bedeutet vergeudetes Kapital … Der moderne Mensch, der Mensch mit den modernen Nerven, braucht das Ornament nicht, er verabscheut es.“

    – Adolf Loos: Ornament und Verbrechen, 1908


    Es bleibt jedem selbst überlassen, ob diese Denkweise die Geburtsstunde der Ornamentlosen Moderne beschreibt oder nicht.


    Nun gerne weiter mit dem Leipziger Platz...

  • Ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, dass z.B. der von den meisten hier hoch geschätze Expressionismus in der Architektur voll von (hoch spannenden) plastischen Details und Bildern ist. Und selbst die DDR-Moderne war sich nicht zu fein, mit Formsteinen zu arbeiten, die nicht selten konkrete figuative Elemente beinhalteten. Solche Beispiele ziehen sich durch fast alle Strömungen der Moderne. Deshalb ist für mich die Vorstellung, bis 1918 wäre alles Bauen von Tüddelkram durchzogen und danach die Welt puristisch bereinigt gewesen, kein Ausweis von architekturhistorischer Bildung.


    Vielleicht sollten wir nicht so sehr an Begriffen wie Verzierung und Ornament festhalten, die in der Tat eher für eine vermeintlich willkürliche "Beschmückung" stehen. Plastizität und Spiel mit Formen, mit Formvokabular - ob nun figuativ oder abstrakt - kann wie alles in der (Bau-)Kunst banal sein oder wunderbar. Ein spulpturales, grafisches oder meinetwegen sogar ornamentales Programm ist am Ende ein Medium wie jede Leinwand, wie Klänge oder Worte & Typografien, man kann sie natürlich sinnentleert oder unbeholfen verwenden, man kann sie aber auch spannend mit Sinn erfüllen, man kann sie revolutionieren und dadurch Neues oder Zeitloses schaffen, legitim ist am Ende sogar beides.

  • Ausgerechnet ein Werk Adolf Loos - dieses pädophilen Geisteskranken .... [...]

    Ja es tut mir leid, wenn ich den "pädophilen" Loos ins Spiel gebracht habe. Und ja, gerade Loos, weil ich eigentlich davon ausgegangen bin, dass einige die Ambivalenz von Werk und Theorie verstehen und hier ohne Ornament eben nicht ohne Gestaltung bedeutet. Ich gehe fest davon aus, dass wenn Loos seinen Aufsatz weniger provokativ betitelt hätte, auch diejenigen mit traditioneller Auffassung das Looshaus heute feiern würden.


    Loos triggert architekturtheoretisch da natürlich besser, als Le Corbusier und Gropius - architektonisch bietet er wohl zu wenig Angriffsfläche.


    Was mich am meisten verwundert ist, dass niemand den Ausspruch "Ornament und Verbrechen" in seinen historischen und sozialen Kontext einordnet, indem er entstand. Wien 1908 - die späte Ringstraßenära mit historisierenden Monumentalbauten des favorisierten Idealtyps und überbordenden Dekor, das Wien indem sich der Jugendstil als Gegenbewegung manifestiert, das Wien der frühen Gemeindebauten, das Wien der "Bettgeher", Slums, Erdhöhlenbehausungen und der Überbevölkerung des Vielvölkerstaates. Stattdessen soll Pädophilie der Kontext sein. Nicht das ich den Ausspruch gutheißen würde, aber in gewisser Weise nachvollziehen sollte man ihn unter den historischen Umständen schon. Dass es Loos auch um Ressourcen ging, hat HarrySeidler dargelegt.

    2 Mal editiert, zuletzt von Timmi ()

  • Was man vermutlich ganz zentral betrachten muss, ist, dass wir heute vom Gegenteil dessen umgeben sind, was Loos in der Tat zu ertragen hatte. Ich würde in Wien wahnsinnig werden und vermutlich schon aus Selbstschutz den ganzen Tag den Blick nur auf das Haus von Loos richten. Laufe ich nun aber durch eine Berliner Gegend wie an der Otto-Braun-Straße, an der Urania etc., die Liste ist unendlich, ... dann möchte ich fast ein Buch über Ornamentlosigkeit & Verbrechen schreiben. Wobei ich mit dem Ornamentbegriff ja fremdele. Klar aber ist, dass in der heutigen Welt nur noch sehr selten Grund besteht, sich auf Loos zu beziehen, um ein sinnvolles Weiterbauen unserer Städte zu denken.


    Und ironischerweise gelten heute gerade die 'ornamentlosen' Quartiere der Moderne durch ihren Mangel an Poesie, durch ihre technokratisch-kalt geplante Anmutung als entmenschlichte Slums, die Loos doch verhindern wollte.

  • Man muss alles im Kontext seiner Zeit sehen. Heute muss man aber vor allem die Bedeutung von "Ornament und Verbrechen" im Kontext von 2021 sehen und nicht im Kontext von 1908. Es geht ja nicht darum Adolf Loos hier schuldig zu sprechen. Es geht darum, welche Denkweise uns diese Situation eingebrockt hat. Und mit Situation meine ich, dass heute nahezu jeder Architekt bei nur Erwähnung des Wortes "Ornament" bereits am liebsten im Erdboden verschwinden würde. Das ist einfach eindimensional und produziert die immer gleichen Kisten, denn eine Gestaltung ohne Ornament mit Anspruch und Gestaltungswille ist vor allem eines: Fundamental teuer.


    Damit möchte ich die ursprüngliche Argumentation von Loos umdrehen und behaupten das ein "Cube" am HBF zwar auch eine gewisse Schönheit in sich birgt, diese eben gewünschte Schönheit viel günstiger mit dem "dekorierten Schuppen" machbar wäre, vor allem wenn man die industrielle Fertigung von Ornamenten mit der Kreativität von modernen Designern kombinieren würde. Dann, genau dann, würden wir auch nicht solch unsägliche Rasterfassadenkisten wie diese am Leipziger Platz bewundern müssen.

  • ^ und ^^


    So ist es!


    Letztlich ist es aber völlig irrelevant, wer vor 100 Jahren was gesagt, gewollt oder gebaut hat. Das mag für ein Architekturforum von (völlig legitimen) Interesse sein, ändert aber nichts an der Tatsache, dass kaum jemand den Leipziger Platz oder andere Ansammlungen moderner Architektur für (wirklich) gelungen hält. Das moderne Bauwesen (Architekten, Investoren / Bauherren, Politik) versagt nach wie vor regelmäßig und wird damit seiner sozialen Verantwortung nicht gerecht.


    Das grundsätzliche Problem ist, dass zwar die Allgemeinheit mit Architektur tagtäglich (zwangsweise) konfrontiert ist, sie sozusagen pausenlos "konsumiert", aber nicht direkt die relevante Nachfrage stellt und damit das Ergebnis beeinflussen kann. Die Nachfrageseite stellen eben vor allem Investoren und Politiker / politisch Beauftragte. Würden Architekten und Investoren z.B. wie Köche oder Schuhhersteller nur etwas verdienen, wenn die Endkunden dafür bezahlen, sähen unsere Städte ganz anders aus.


    Man kann diesen Zusammenhang ganz gut an der Qualität von Innenarchitektur / Design erkennen. So ist z.B. die Inneneinrichtung von Hotels oder Restaurants für die zahlenden Kunden durchaus relevant, beeinflust also die Nachfrage. Und siehe da: Selbst in modernen Hotels und Restaurants gibt es Bilder an der Wand und Blumen an bestimmten Stellen, also klassische(n) Schmuck und Ornamentik. (Dabei sind die Blumenvasen noch nicht einmal "angeklebt", sondern stehen ganz ohne Befestigung da). Kaum ein Hotel oder Restaurant jenseits des Low-Budget-Bereichs kann es sich erlauben, im Inneren so trostlos oder unelegant zu sein, wie es die meisten modernen Gebäude von außen sind.

  • [...] Würden Architekten und Investoren z.B. wie Köche oder Schuhhersteller nur etwas verdienen, wenn die Endkunden dafür bezahlen, sähen unsere Städte ganz anders aus. [...]

    Das bedeutet die Mieter in Berlin würden ihre Wohnungen und Arbeitgeber ihre Büroflächen anhand der Fassadengestaltung auswählen, egal wie hoch die Miete ist. Um überhaupt eine Auswahl zu haben, die zu mehr Qualität führt, muss das Angebot deutlich größer sein als die Nachfrage. Es müsste ein erheblichen Leerstand geben. Das ist wohl mehr Wunschdenken als Realität.


    [...] Kaum ein Hotel oder Restaurant jenseits des Low-Budget-Bereichs kann es sich erlauben, im Inneren so trostlos oder unelegant zu sein, wie es die meisten modernen Gebäude von außen sind. [...]

    Das setzt voraus, dass der Marktanteil von hochpreisigen Hotels deutlich steigen müsste. Motel One, Meiniger etc., sehen von innen auch nicht so monoton aus wie von außen.

    Es ist wie bei billigen Lebensmitteln und der Massentierhaltung, nur solange wir es uns finanziell leisten können, kann jeder einzelne Einfluss auf das Angebot ausüben. Dazu muss aber auch der Wille da sein.

  • Es ist wie bei billigen Lebensmitteln und der Massentierhaltung, nur solange wir es uns finanziell leisten können, kann jeder einzelne Einfluss auf das Angebot ausüben. Dazu muss aber auch der Wille da sein.

    Sorry, aber das ist zu einem gewissen Teil eben jene Ausrede, die sich auch auf die Architektur übertragen lässt: Niemand wird gezwungen, jeden Tag Billigfleisch zu essen, im Gegenteil, es ist weder artgerecht für das Tier noch für die Ernährung des Menschen. Folglich kann es sich auch jeder leisten, da 1x Fleisch pro Woche sicherlich nicht teurer ist als jeden Tag Antibiotikapansche.


    Genauso verhält es sich mit der Architektur - Es geht ja überhaupt nicht darum, zum Zierrat der Gründerzeit zurückzukehren. Aber die Bereitschaft, einen Bruchteil des Gesamtkosten eben auch in die Gestaltung und städtebauliche Qualität einbringen zu wollen, funktioniert nicht, wenn ausschließlich BWLer über ein Projekt entscheiden.

    Und das liegt ja auch deinem Vergleich zum Angebot - Nachfrage im Wohnungsmarkt inne: Natürlich sind Leute bereit, auch deutlich mehr zu bezahlen, wenn die Alternative schlecht angebundene Platte im Problemkiez ist. Oder man wartet und bleibt in der zu kleinen Bestandswohnung oder zieht, wie leider vermehrt zu beobachten ist, gleich raus aus der Stadt.

  • [...] Und das liegt ja auch deinem Vergleich zum Angebot - Nachfrage im Wohnungsmarkt inne: Natürlich sind Leute bereit, auch deutlich mehr zu bezahlen, wenn die Alternative schlecht angebundene Platte im Problemkiez ist. Oder man wartet und bleibt in der zu kleinen Bestandswohnung oder zieht, wie leider vermehrt zu beobachten ist, gleich raus aus der Stadt.

    Das Angebot wird aber nicht dadurch besser (Gestaltung), wenn ich auf meine Nachfrage verzichte - indem ich in der alten Wohnung bleibe, aus Berlin wegziehe, oder es noch schlechtere Angebote gibt.


    Ich denke eine bessere Infrastruktur und Wohnungsgrößen, sind nochmal ganz andere Themen. Momentan ist es ja so, dass man jede Schrottimmobilie vermietet bekommt und das müsste sich ändern. Wenn ich jetzt in Berlin online nach einer Mietwohnung schauen würde, wären Ausstattung, Lage und Grundrisszuschnitt doch erst einmal meine entscheidenden Kriterien. Eine gehobene Ausstattung und Balkon kostet auch mehr - nach dem Motto "1x Fleisch die Woche reicht, aber dann Bio", werde ich deshalb mit Familie nicht in eine 40qm-Wohnung ziehen.


    Die Frage ist doch, wie man Investoren dazu bewegen kann mehr in die Gestaltung und Umgebung zu investieren, auch wenn man es nicht auf die Kaltmiete umlegen kann. Konzeptvergaben, oder mehr Wettbewerbe wären da eine Möglichkeit.

    2 Mal editiert, zuletzt von Timmi ()

  • ^hat man ja auch gesehen - selbst der irre Florian Schmidt hat letztens in einem Interview zugegeben das der Vorstoß mit dem Mietendeckel in Berlin, letztendlich die Umwandlung in Eigentumswohnungen beschleunigt hat. Die einfache Erkenntnis, dass man bei hoher Nachfrage einfach mehr Angebot liefern muss ist für die Linke einfach sehr schwer zu verstehen. Durch Corona hat man nun sogar nochmal einen Vorsprung gewonnen, denn die Einwohnerzahl selbst ist in 2020 ziemlich genau um 0% gestiegen.


    Bezieht sich hierauf. Bitte bleibt sachlich und beachtet die Forennetiquette!

  • Die einfache Erkenntnis, dass man bei hoher Nachfrage einfach mehr Angebot liefern muss ist für die Linke einfach sehr schwer zu verstehen.

    Und für die Liberalen ist halt schwer zu verstehen, dass Angebot und Nachfrage zwar eine Rolle spielen, aber keineswegs die einzige auf einem hochspekulativen Markt mit immer größerem Kapitaleinsatz. Es ist so einfach, es sich einfach zu machen...

  • ^Steckt in deinen Worten auch irgendeine Lösung für die abgrundtief asoziale Wohnmisere, unter der Berlin aktuell zu leiden hat? UrbanFreak plädiert für mehr Angebot - nicht mehr und nicht weniger. Und es ist exakt das, was Berlin auf hochdramatische Weise fehlt. Da kannst du dir deine FDP-Ressentiments schlichtweg mal hinstecken, wo die Sonne nicht scheint. Ich schreibe das als jemand, der im Leben nicht einmal die FDP gewählt hat. Aber im Angesicht einer für unzähliche Familien und Bürger hochdramatischen Lage den benannten Bedarf von mehr Angebot am Markt mit einer so flachen Replik abtun zu wollen, ist wirklich sehr, sehr schwach.

  • ^ Habe ich gegen mehr Angebot argumentiert? Nein. Ich habe lediglich festgestellt, dass wir es mit mehr zu tun haben als einem Angebotsdefizit. Wenn Du diese Feststellung für "flach" hältst und "Scheel und die Seinen" für alles verantwortlich machen willst, sei Dir das gegönnt. Dann kannst Du sicher auch erklären, warum sich in London oder Paris selbst manche Banker kaum noch eine Wohnung leisten können (ganz ohne das Wirken der Linkspartei) .


    Der "Immobilienboom" und seine Folgen sind – zumindest für die Metropolen – ein globales Phänomen. Nein, ich weiß nicht, wie das zu lösen ist. Aber ich werde nicht so tun, als wüsste ich es, indem ich ein lokales Bauressort allein dafür verantwortlich mache.


    (Und spar Dir bitte den beleidigenden Tonfall. Wir sind beide erwachsen.)

  • ich bin nur noch genervt von dieser debatte.


    Zitat "Architektenkind":

    "aber keineswegs die einzige auf einem hochspekulativen Markt mit immer größerem Kapitaleinsatz."

    "Nein, ich weiß nicht, wie das zu lösen ist. "


    Aha. Erkenntnisgewinn = 0.


    Konkreter Vorschlag: Wenn man die Zeit in der Pandemie genutzt hätte um den Rand des Tempelhofer Feldes zu bebauen, gäbe es wahrscheinlich bereits genug Wohnungen. Und durch das 30% Modell des Berliner Senats, gäbe es damit auch sogenannte "Bezahlbare Wohnungen".

  • Für mich ist die Lage in Berlin seit vielen Jahren viel zu dramatisch für diesen ordinären Tribalismus. Wer auch immer das sozial existenzielle Bauressort für sich reklamiert, muss damit rechnet, hart kritisiert zu werden, wenn er total versagt. Und die oben beschriebenen banalen 60-Quadratmeter-Wohnungen in einem banalen Kiez für vollkommen unerschwingliche Wahnsinnssummen sind der sehr, sehr traurige Beweis für Letzteres.