Stadtgespräch Berlin / dies und das

  • Ich denke, man sollte das Thema weniger ideologisch diskutieren sondern einfach schauen, wo es gute Beispiele für eine attraktive Wohnraumversorgung gibt.
    Ein Beispiel, wie soziale Wohnungspolitik funktionieren kann, ist Wien. Hier gibt es in allen Stadtteilen bezahlbare Wohnungen. In den Gemeindewohnungen beträgt die Durchschnittsmiete 5 Euro inklusive Betriebskosten. Gleichzeitig werden rund 5000 bis 6000 bezahlbare Wohnungen pro Jahr gebaut. Zum Vergleich: In Berlin wurden im letzten Jahr nicht einmal 2000 bezahlbare Wohnungen pro Jahr gebaut, und das, obwohl Berlin fast doppelt so groß die Wien ist.Die geförderten Wohnungen in Wien stehen auch den Mittelschichten offen, ein Effekt, der im Interesse einer sozialen Mischung ausdrücklich erwünscht ist.


    http://www.faz.net/aktuell/wir…dArticle=true#pageIndex_2


    Der Koalitionsvertrag ist ein Schritt in die richtige Richtung, sieht er doch den Neubau von mindestens 6000 landeseigenen Wohnungen pro Jahr vor.


    P.S. Vor hundert Jahren wurde die Wohnungsnot nun wirklich nicht effektiv bekämpft, da wurde Krieg geführt. Der Kampf gegen die Wohnungsnot begann erst 1924, als die Hauszinssteuer eingeführt wurde und die öffentliche Hand massiv in den gemeinnützigen Wohnungsbau investierte. Und es waren auch nicht Private, die zeitweise über 40.000 Wohnungen pro Jahr gebaut haben, sondern gemeinnützige Wohnungsunternehmen.

  • Klarenbach: Hier sind wir absolut einer Meinung. Berlin sollte auf keinen Fall wie von Pumpernickel beschrieben auf vermeintlich billigere Zeiten warten bevor man so massiv wie möglich baut/ sich einkauft. Neben schnelleren Genehmigungsverfahren und guten Deals wird das hoffentlich sehr schnell viele und darunter auch viele bezahlbare Wohnungen produzieren. In der Gropiusstadt passiert übrigens bereits genau das was oft gefordert wurde. Hier wird nicht im Innenhof sondern primär direkt an der Straße aber mE noch nicht hoch genug gebaut und nochmals nachverdichtet. Übrigens von der Degewo aber (zumindest teils vielleicht auch durchweg) mit Anschluss zum Glasfaserkabelnetz, Fußbodenheizung, Wanne und Balkon. Die Option für Glasfaserinternet bietet die Degewo u.a. aber nicht allein in der Gropiusstadt sukzessive auch für den Bestand an. Hier entsteht also die von vielen für die Großsiedlungen geforderte Schließung von Straßenkanten und Eckgrundstücken (der Masterplan stammt in dem Fall von Kolhoff) und zugleich übt sich eine große kommunale Gesellschaft darin einfach aber gefällig für untere und mittlere Einkommen zu bauen. Billig sind die Wohnungen nicht aber auch nicht unerschwinglich. Dadurch wird es kostendeckend benötigten Wohnraum geben aber zugleich wird hier eher etwas aufgewertet was in dem Fall nicht verkehrt ist. In der Innenstadt hat man natürlich zunächst das Problem mit den begrenzten Grundstücken aber um einen Fuß in der Tür zu behalten, muss man gerade hier jetzt agieren. Wenn erst ganze Stadtviertel von teuren Wohnungen durchzogen sind, kehrt niemand mehr den Trend um. Wenn hingegen überall einige einfache Wohnungen in öffentlicher Hand sind, kann ein völliges Kippen womöglich verhindert werden und richtig teure Wohnungen passen dort dann auch schlechter hin.


    Zum Thema schnelles Internet. Je dichter die Bebauung desto eher rechnet sich das auch. Zudem ist Internet zwar Teil der Infrastruktur aber für die meisten "normalen" Mieter ist mE erst einmal die bezahlbare Wohnung entscheidend. Da wird man nicht gleich vom Leben abgehängt, wenn mit gewöhnlicher Geschwindigkeit surft. Für Firmen ist Berlin noch vergleichsweise billig sodass man sie ggf am Ausbau der Infrastruktur beteiligen kann und zugleich gibt es auch hier schon u.a. rund um die TU Flächen mit exzellenter Versorgung und es wird sicher entsprechend der Nachfrage zunehmen. Sonst würden die ganzen Techunternehmen ja gar nicht so gut zurecht kommen und Berlin so attraktiv finden.

  • Das Problem ist und bleibt an dieser Debatte, dass es nie über Grundsätzliches hinaus geht!


    Sonntagsreden schön und gut, am Montag muss dann aber auch loslegen. Passiert aber nicht.


    Alle schwelenden Stadtentwicklungsprobleme, die schon am Anfang der letzten Legislaturperiode unbearbeitet blieben, sind bis heute unbearbeitet und es zeichnet sich keinerlei Aktionismus des Senats ab. Es reicht nicht in Interviews alle paar Wochen und Monate grundsätzliche Bekenntnisse dazu, wie man sich Berlin wünsche, abzufeiern und dann passiert doch wieder nichts greifbares.


    Und nein, Breitbandinternet ist alles andere als eine Luxussorge, wenn 85 für dein Geburtsjahr steht, jan85, wundere ich mich doch sehr über deine neulandmäßige Einstellung hierzu. Berlin liegt wirtschaftlich nach wie vor am Boden (mit hohem prozentualen Wachstum, aber von niedrigem Niveau, keinerlei Anlass zur Selbstzufriedenheit, um zu München oder Hamburg irgendwann einmal aufschließen zu können wäre noch viel mehr nötig) und neben dem Tourismus entwickelt sich nur die Digitalwirtschaft nennswert zu mehr als einem "wir verkaufen uns gegenseitig Burger und stocken beim Jobcenter auf"-Subsistenzwirtschaften. Und ja, da ist die rumpelige Digitalinfrastruktur ein großes Hindernis und übrigens auch ein Grund, warum Berlin gar nicht erst als Alternativstandort für die Finanzwirtschaft aus London gehandelt wird. Diese ist heute auf beste Digitalinfrastruktur für ihren Sekundenhandel angewiesen, in FFM findet sie das vor (Europas größter Internetknoten). Was Digitalinfrastruktur angeht ist Berlin bestenfalls ein Schwellenland, wobei Vilnius oder Shanghai deutlich besser ausgebaute Digitalinfrastruktur haben als Berlin. Bei dieser geht es auch nicht darum, ob deren Ausbau sich für die Deutsche Telekom AG "lohnen" würde. Wir stellen bei Straßenanbindung, Elektrizität und Wasseranschluss auch nicht die Frage, ob sich diese irgendwie "lohnen". Das ist im 21. Jahrhundert einfach genauso wichtig wie fließend Wasser und Elektrizität - wenn man an sich den Anspruch stellt, ein entwickeltes Land zu sein.


    Eine landespolitische Offensive hier könnte zig neue Jobs schaffen. Wenn eine Industrie Zukunft hat, dann die Digitalwirtschaft. Derzeit werden da noch global die Claims abgesteckt und Berlin hat imagemäßig da eigentlich gute Startbedingungen, verpasst diese "Gründerzeit" aber gerade. Das Beschwichtigen ist da einfach fahrlässig. Das ist ein riesiges Problem.


    Ebenso wie es ein riesiges Problem ist, wie lahm in Berlin die Verwaltung neue Baugebiete auf den Weg bringt, wie wenig Bauland vorhanden ist, dass die politischen Lippenbekenntnisse immer nur darauf hinauslaufen, mit moralischem Zeigefinger den Wohnungsmangel zu verwalten, anstatt ihn quantitativ zu beseitigen. Das ideologische Gifteln (ideologisch, da pauschal und überzogen, am einzelnen Extrembeispiel orientiert) gegen den gesamten privaten Sektor mag Einzelnen eine innere Befriedigung bringen, trägt aber massiv zur Wohnungsnot bei. Es kann und WILL (!) nicht jeder in einem WDVS-Klotz einer öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft sitzen und es gibt auch Menschen, die einkommensmäßig keinen Anspruch auf Stütze oder Wohnberechtigungsschein haben, die keine "Reichen" sind und trotzdem gigantische Probleme haben eine Wohnung zu finden. So zu tun, als sei der private Bausektor Teil des Problems und nicht der wichtigste Teil der Lösung, ist absolut realitätsfremd und schädlich.


    Und bei guten 12 €/sqm durchschnittlicher Miete in Berlin (lt. amtlichem Mietspiegel), bei aktuellen Selbstkosten von mindestens 10 €/sqm beim Wohnungsneubau sind bestimmt auch keine gierigen Investoren das Hauptproblem, sondern weltfremde Bürokraten und linksgrüne Wohlstandsbürger der oberen Mittelschicht und Oberschicht, die vollkommen die Verhältnismäßigkeit bei den immer größeren EnEV-Verschärfungsorgien aus dem Blick verloren haben und der Unter- und Mittelschicht die ganze Last der von den Eliten geplanten und der Industrie kausal verbockten (da erst durch die Industrie notwendig gewordene) "Energiewende" aufbürden. Wie bei der EEG Umlage, wovon ironischerweise die größten Energieschleudern der Industrie ausgenommen werden, so auch beim Bauen. Auf all das hat der Senat aber keinerlei Antworten. Er steckt lieber weiter kleine Nadeln in das Voodoo-Püppchen eines "fetten Großkapitalisten", der als Zerr- und Feindbild in Berlin gepflegt wird, den man nur in die Schranken weisen müsse und dann falle Manna vom Himmel.

    5 Mal editiert, zuletzt von Pumpernickel ()

  • ^In Deinem Link hat Großbritannien noch nicht einmal den Einstieg ins Ranking geschafft und Deutschland liegt insgesamt auf dem vorletzten Platz. Wo Du da die Zusammenhänge zum Wechsel von der großen Finanzindustrie aus London nach Frankfurt ziehst, erklärt sich mir nicht wirklich. Dass Berlin beim Thema Start-Ups nur ein gutes Image haben soll, trifft so nicht zu. In Deutschland geht mehr als die Hälfte des VC für Startups nach Berlin, etwa
    die Hälfte der Tech-Schmieden/ Digitaleinheiten der DAX-Konzerne und darunter auch die 13. Konzernmarke von Volkswagen haben hier ihren Hauptsitz und insgesamt ist sogar mehr als die Hälfte solcher Einheiten hier angesiedelt, Berlin hat mehr Fintechs als Frankfurt, Hamburg und München zusammen usw. Von großen Hemmnissen wegen vermeintlich fehlender Netzgeschwindigkeit hört man da bislang nichts. Größere Sorge machen mW gerade die steigenden Büromieten und weniger günstige Wohnungen (hier hat/te Berlin mit den größten Standortvorteil).


    Und privat komme ich mit meinem Internet super klar auch wenn ich keine Degewo-Whg mit Glasfaser habe. Meinem Familien- und Freundeskreis geht es genauso. Ich weiß ja nicht was für Anwendungen Du zu Hause so laufen hast für die ultraschnelles Internet so lebenswichtig ist wie beheizbarer Wohnraum, Wasser und Strom. Wenn es den Menschen wirklich so ginge, wäre das entsprechende Angebot längst flächendeckend verfügbar...

  • Es kann und WILL (!) nicht jeder in einem WDVS-Klotz einer öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft sitzen


    Der Gegensatz von öffentlich gefördertem Bauen (als anspruchslos und hässlich) und privatem Bauen (als guter und geschmackvoller Architektur) existiert so nicht. Die genossenschaftlichen Berliner Großsiedlungen der 1920er-Jahre gehören inzwischen zum UNESCO-Weltkulturerbe. Bei den von Bato in den letzten Tagen vorgestellten privaten Investoren-Projekten handelt es sich dagegen fast ausschließlich um WDVS-Klötze. Selbst sündteure Patzschke-Appartementhäuser in Mitte sind nur WDVS-Klötze, denen mittels aufgeklebter WDVS-Klötzchen ein bisschen Dekor verpasst wurde. WDVS im Besonderen und Billiggestaltung im Allgemeinen sind einfach traurige Züge der Zeit.


    Im Übrigen will ich den privaten Wohnungsbau weder abschaffen, noch halte ich ihn für moralisch verwerflich. Nur gibt es halt einen Konflikt zwischen dem Interesse der Investoren, eine möglichst hohe Rendite zu erzielen, und dem der Mieter, gut und möglichst günstig zu wohnen. Dieser Interessengegensatz ist rein strukturell bedingt und hat wenig mit Gier oder Solidarität, Täter- oder Opfertum zu tun: Ein Mieter, der Anteile an einem Immobilienfonds besitzt, steht auf beiden Seiten der Barrikade gleichzeitig.


    Mit öffentlichem Geld einen genossenschaftlichen Wohnbau-Sektor zu fördern, wäre ein wichtiges Korrektiv zur Dominanz des Rendite-Interesses. Soweit wie in Wien wird man lange nicht kommen, aber man kann ja wenigstens mal anfangen. Toll wären Genossenschaften, die nicht allein als Hausverwaltungs-Behörden agierten, sondern sich dem alten Genossenschafts-Gedanken annäherten: Man könnte so etwas wie Baugruppen auf Mieter-Ebene einrichten – sprich Mitgliedern, die noch auf eine Wohnung warten, Mitsprache bei der Gestaltung von Neubauten einräumen. Illusorisch? Na ja, man wird doch noch träumen dürfen... ;)

  • Ich denke, dass in Berlin die Situation auch als besonders schwierig empfunden wird, weil die Stadt einfach einen fälligen Anpassungsprozess durchläuft.
    Es ist einfach so, dass Wohnen hier besonders günstig war und es viele als Naturgesetz erachtet haben, dass dies auch immer so sein muss. Und das ist nun mal nicht der Fall.
    Ausserdem soll man auch nicht vergessen, dass es schon etwa 300 000 Wohnungen im Besitz von kommunalen Wohnungsbaubesitzern gibt, das ist eine ganze Menge, und wenn wie bereits beschlossen bei jedem neuen Wohnungsbau etwa 20 - 25 Prozent geförderter Wohnungsbau dabei ist, - die privaten Investoren werden ja dazu verdonnert - dann ist das ja auch eine effektive Massnahme günstigeren Wohnungsbau zu erhalten.
    Ich denke die Konzentration von RRG auf günstige Wohnungen ist etwas einseitig. Die Herausforderung sollte es ebenso sein, das Einkommensniveau Berlins zu steigern und das gelingt nur durch bessere Jobs und Ansiedlung von mehr Unternehmen, Schaffung von neuen Arbeitsplätzen usw. Das vernachlässigt RRG total.
    Abgesehen davon, ist der geförderte Wohnungsbau extrem teuer und nicht finanzierbar in dem Rahmen wie sich dass RRG vorstellt ausser man vernachlässigt wichtige andere Massnahmen und nimmt neue Schulden auf und das kann auf Dauer auch nicht gut gehen.


    Ich denke auch, dass die Vernachlässigung Eigentum zu erwerben der grösste Fehler ist. Klar nicht jeder wird dazu in der Lage sein, aber viele mit mittleren Einkommen können das eben auch nicht- und das ist nun mal die Mehrheit in der Gesellschaft - und da müsste man Modelle fördern und schaffen, dass dies in viel grösseren Umfang wie bisher geschieht, wie durch genossenschaftliche Modelle oder etwas Neuem.
    Bei der Politik, die RRG betreibt wird die Anzahl der Menschen noch steigen, die zwar jetzt über die Runden kommen aber dann im Alter nicht mehr genug haben.
    Ich würde mir wünschen, dass die Förderung und die Werbung für Eigentum viel mehr in den Fokus gerückt würde, das wäre meines Erachtens langfristig die viel effektivere Massnahme um Altersarmut zu verhindern, aber daran ist gerade die Linke nicht interessiert, weil sie ja ihre eigene Klientel verlieren würde, man muss ihnen ja die Ungerechtigkeit der Welt dauern vor Augen halten, damit sie auch schön gewählt werden und um Himmels Willen nicht ihre Situation verbessern um es mal sarkastisch zu formulieren.

  • Die Behauptungen von Theseus532 kann ich nicht ganz nachvollziehen. Im Koalitionsvertrag findet sich sehr viel zur Ansiedlung von Unternehmen und zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Unter anderem wird eine Reihe von Standorten aufgeführt, mit denen Unternehmensansiedlungen gefördert werden sollen:
    -WISTA Adlershof
    -Biotech-Campus Berlin-Buch
    -Campus Charlottenburg / City West
    -Clean Tech Business Park Berlin Marzahn
    -Berlin Eastside
    -EUREF Schöneberg
    -Humboldthain
    -Schöneweide
    -IGZ Fabeckstraße
    -Flughafen Tegel
    https://www.berlin.de/rbmskzl/…reinbarung-2016-bis-2021/, S. 71/72


    Angesichts dieser Aussagen kann man kaum behaupten, dass rot-rot-grün die Ansiedlung von Unternehmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen "total vernachlässigen " würde.

  • Die Projekte die du aufzählst sind alle richtig und wichtig, keines stammt von RRG., die wollen das nur fortsetzen und diese reichen bei weitem nicht aus um genügend Arbeitsplätze zu schaffen.


    Neue Impulse, wie eine ICC Sanierung, Konzept für die Erweiterung des Flughafens BER, mehr Büroflächenausweisung ob am Alexanderplatz oder sonstwo, Vereinfachung bei der Ansiedlung und Gründung von Unternehmen, A100 Ausbau und andere wichtige Infrastrukturprojekte usw. usw.
    Alles was auch nur ansatzweise nach Kapitalismus riecht wird, von vorneherein abgelehnt.


    Der Fokus von RRG ist einfach viel zu einseitig auf die soziale Stadt gerichtet, so wichtig das sein mag, es verwaltet letztendlich die Armut (was ja das Anliegen der Linken ist neben der DDR Bewahrung), leistet aber viel zu wenig um in der Zukunft gut aufgestellt zu sein und wirklich zukünftigen Wohlstand zu schaffen.
    Es geht mir darum dass RRG sich in (relativ unwichtigen Details verzettelt) um einfach zu zeigen wie sozial sie sind, ob Dragonerareal (völlig ungeeignet als Kampfobjekt für die soziale Stadt) Autofreies Unter den Linden (ganz nett vielleicht aber eben auch letztendlich irrelevant) und viele andere kleine Inititativen über die man diskutieren kann, aber die werden Berlin nicht voranbringen.


    Die große Koalition hat schon viel zu wenig getan, hauptsächlich weil die SPD nicht mitgemacht hat, aber jetzt wird es meines Erachtens einfach nur noch eindimensional.


    Nur die höheren Steuereinnahmen verbunden mit einem strikten Sparkurs haben Berlin überhaupt in die Lage versetzt, jetzt Investitionsspielräume zu haben, die genutzt werden müssen, aber eben nicht nur im Wohltaten zu verteilen sondern eben auch in Zukunft zu investieren, und das befürchte ich wird einfach vernachlässigt.

  • Berlin Neustadt

    Mal zu etwas völlig anderem.


    Der BDA macht ja jedes Jahr diese vierzigaufvierzig-Ausstellungen. Die sagen, wenn Nachverdichtung und Neubaugebiete am Stadtrand bald an ihre Grenzen stoßen, dann kommt als nächstes die Gründung einer neuen Stadt und nennen es "Berlin-Neustadt" . Also irgendwo in Brandenburg (vielleicht am Berliner Außenring?). Mitte Februar werden die Beiträge und Idee dazu gezeigt.


    Auch Reiner Nagel von der Stiftung Baukultur , früher Abteilungsleiter bei SenStadt, hat bereits vor einer Zeit in einer SenStadt-Broschüre mal von New Towns gesprochen.


    Sollten in 15-20 Jahren Jahren die Baureserven innerhalb Berlins dann aufgebraucht sein (Tempelhofer Feld nicht mitgerechnet), wäre es tatsächlich besser, rechtzeitig mit der Gründung so einer neuen Stadt anzufangen, damit diese genug Zeit zum Entwicklen hat und nicht erst wenn es brennt dann in drei Jahren hochgezogen werden muss.

  • Wunderbar. Endlich wurde der Bierpinsel und der dazugehörige Bahnhof unter Denkmalschutz gestellt. Auch der U-Bhf Fehrbelliner Platz gehört dazu. Es wurde Zeit, dass man diese herrausragenden Bauwerke aus der Zeit des Space Ages würdigt. Bravo.
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  • Sehr optimistisch beschreibt der Tagesspiegel die Aussichten für die Berliner Baupolitik. Nicht nur im Senat, auch in den Bezirksämtern hätte es einen regelrechten "Linksruck" gegeben.StattBaupolitiker vom Schlage eines Andreas Geisel,die oft mit den Investoren gekungelt hätten, würden nun Baupolitiker den Ton angeben, die auf eine soziale Stadtpolitik setzen.Als Beispiel nennt er Florian Schmidt, der von den Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg zum Baustadtrat gewählt wurde. Schmidt hatte sich schon in der Initiative "Stadt neu denken" engagiert, später kämpfte er für den ehemaligen Blumengroßmarkt Kreuzberg und das Haus der Statistik Mitte. In seinem neuen Amt will er "Härte" gegenüber Grundstücksspekulanten zeigen und dabei auf die Unterstützung des Senats setzen.


    http://www.tagesspiegel.de/ber…-baupolitik/19315296.html

  • soziale Stadtpolitik


    "sozial":
    im 18. Jahrhundert von französisch social → fr entlehnt, das auf lateinisch sociālis → la, eine Ableitung zu socius → la „teilnehmend, in Verbindung stehend, zugesellt“, zurückgeht (Wiktionary)


    eine soziale Stadtpolitik ist demnach eine, die alle Bevölkerungsschichten einbezieht und für einen Ausgleich sorgt, "jedem sein Plätzchen".


    Altklassenkämpferische Rhetorik spricht hingegen v. a. für Klientelismus, Konfrontation und Spaltung. Weil das ja die letzten Jahre in Berlin schon wunderbar funktioniert hat gleich noch einen Nachschlag davon.


    Am Ende der Legislatur wird die Wohnungsproblematik nicht entschärft sein, wird die soziale Segregation zugenommen haben und bis auf eine kleine Gruppe glücklicher, wie eine neue Wohnung vom Staat zum günstigen Preis ergattern konnten, wird die Mehrheit der Berliner weiterhin Mietsteigerungen deutlich über dem Inflationsausgleich ertragen müssen.


    Gegen dreiste, frühkapitalistische Spekulanten die Altmieter herausekeln usw. ist zumindest landespolitisch eh kein Kraut gewachsen. Die große Masse der seriösen Privatinvestoren, seien sie persönlich oder insititutionell, verunsichert man jedoch mit solch dirigistischen Tönen bzw. der daraus resultierenden Unberechenbarkeit der berliner Wohnungspolitik.


    Wie oft muss sowas noch passieren:


    http://www.tagesspiegel.de/ber…che-platzen/13369878.html


    diese Causa-Cuvrybrache sollte sich jeder noch einmal ganz genau anschauen und daraus lernen.

  • Wunderbar. Endlich wurde der Bierpinsel und der dazugehörige Bahnhof unter Denkmalschutz gestellt. Auch der U-Bhf Fehrbelliner Platz gehört dazu. Es wurde Zeit, dass man diese herrausragenden Bauwerke aus der Zeit des Space Ages würdigt. Bravo.
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    Hoffentlich verbessert sich dann auch deren Instandhaltung. Gerade diese Architektur wirkt eigentlich nur dann wie vom Architekten intendiert, wenn sie stets bestens gepflegt wird. Die Architekten haben ihre Gestaltung auf einen "cleanen" look ausgelegt, nicht auf eine Besenreinigung und stumpfe, zerkratze, verblichene Oberflächen. Beispielsweise das Eingangsbauwerk vom Fehrbelliner, das wirkt wie ein Kunstwerk der Popart. Aber eines, das man Jahrzehnte im Hinterhof neben der Regentonne abgestellt hat.


    PS: in einem Artikel der Deutschen Bauzeitung wurde der sukzessive Verfall des "Popart-Bahnhofs" detailiert beschrieben


    http://www.db-bauzeitung.de/db…hnhof-fehrbelliner-platz/


    hoffentlich folgt dem "Ritterschlag" des Denkmalschutzes nun auch noch eine entsprechende Restaurierung inkl. Entfernung späterer Verschlimmbesserungen und Verbauungen.

  • Klarenbach: Unter Herrn Geisel war Lichtenberg immer der/ einer der beiden Bezirke, wo am meisten neuer Wohnraum entstand und das in einem sehr breiten Spektrum. Generell hat er dort mW sehr solide Arbeit geleistet und auch die finanzielle Sanierung des Bezirks vorangebracht. Als böser Investorenspezi oder kompromissloser Kapitalist hätte er im dunkelroten Lichtenberg sicher nicht lange den Rückhalt der Wähler gehabt und eine Zählgemeinschaft gegen die Linke stabil behaupten können. Dass er Mauscheleien gemacht haben soll, ist mir hingegen spontan nur von einem Projekt am Leipziger Platz zu Ohren gekommen (wobei ich jetzt nicht präsent habe wie schlimm oder begründet da die Vorwürfe waren). Er war mE in Gesamtberlin vor allem dafür, schnell viel mehr Wohnraum auf den Markt zu bringen und im Sinne bezahlbarer Mieten ggf auch auf Modularisierung bzw serielles Bauen zu setzen sowie partiell die ständig steigenden Baustandards leicht zu senken (Degewo experimentiert bspw gerade in der Richtung, wobei der Wohnkomfort mE nicht mal groß davon betroffen ist). Der Vorstoß, in Gesamtberlin deutlich mehr auf Trams zu setzen stammt auch von ihm und wurde mW von beiden Koalitionen weitgehend so übernommen. Ich habe ihn primär als einen nüchternen Pragmatiker erlebt und hätte ihm durchaus was zugetraut.


    Wo Deine enorme Euphorie für Rot-Rot-Grün herkommt, kann ich bislang kaum nachvollziehen. Einen wie Geisel könnten sie mE aber gerade beim Thema Wohnungsbau dringend gebrauchen, damit auch tatsächlich etwas passiert. Ich bekomme bisher vor allem hochtrabende Ankündigungen und teure Geschenke mit. Das ist für fünf Jahre zu dünn.

  • Also Geisel hat in seiner kurzen Amtszeit ja nun eine ganze Reihe handfester Skandale verursacht. Nur ein paar Beispiele:
    -2015 hat Geisel dem Bezirk Pankow das Bebauungsplanverfahren für den Mauerpark entzogen. Ein erfolgreiches Bürgerbegehren gegen das Projekt wurde damit wirkungslos. Nutznießer der Entscheidung war die Groth-Gruppe, die dort bauen konnte. Später wurde bekannt, dass die Groth-Gruppe größere Parteispenden an die SPD überwiesen hatte, diese wurden aber so gestückelt, dass sie nicht veröffentlicht werden mussten.
    -2016 hat Geisel eine Abrissgenehmigung für das Gebäude Ernst-Reuter-Platz 6 erteilt, obwohl es unter Denkmalschutz steht. Hintergrund war der Wunsch des Eigentümers (Herr Pepper), ein höheres Gebäude zu bauen. Geisel setzte ein Lösung durch, die die städtebauliche Komposition des Platzes zerstören wird.
    -Das Beispiel Leipziger Platz wurde schon erwähnt.
    -2012 hatte der damalige Staatssekretär für Wohnen Ephraim Gothe ein Modell für eine Wohnungsbauförderung entwickelt, die zwar pro forma Privaten offen stand, de facto aber nun für gemeinnützige Unternehmen attraktiv war. Hintergrund war das Bemühen, die Fehler der neunziger Jahre, als Milliardensummen an Private gezahlt wurden, ohne dass es dafür dauerhaft günstige Mieten gab, zu vermeiden. Gegen diese Praxis rebellierte die Immobilienlobby - und Geisel erfüllte ihre Wünsche.
    -2016 gab es Versuche, die Mieterratswahlen bei den landeseigenen Wohnungsgesellschaften zu manipulieren und missliebige Kandidaten zu verhindern. Als Journalisten recherchierten, wurden die betroffenen Wohnungsgesellschaften angewiesen, keine Auskünfte vor den Wahlen zu geben.
    -2016 - wenige Tage vor dem Ende seiner Amtszeit, hat Geisel noch ein umstrittenes Hochhaus auf der Fischerinsel durchgedrückt - ganz ohne Bürgerbeteiligung.


    Das ist eine ganz schön lange Skandalliste für eine so kurze Amtszeit. Ich habe die Hoffnung, dass solche Skandale der Vergangenheit angehören, und die ersten Schritte des neuen Senats lassen jedenfalls hoffen. Die neue Senatorin Lompscher hat jedenfalls das Hochhaus auf der Fischerinsel gekippt und eine breite Bürgerbeteiligung angekündigt. Ich hoffe, dass es auch zu anderen Bauprojekten breite Bürgerbeteiligungen gibt und dass die Zeit der "Basta-Politik" vorbei ist.


    Ansonsten finde ich es seltsam, wenn jetzt einige erwarten, dass der neue Senat praktisch schon im ersten Monat seiner Amtszeit neue Wohngebiete aus dem Boden stampft. Das wird natürlich noch Zeit dauern, bis die Planung fertig ist und die Erschließungsmaßnahmen beginnen können. Daher finde ich diese Kritik nicht nachvollziehbar.

    Einmal editiert, zuletzt von Klarenbach ()

  • Hast du die nun erfolgte Absage an das Hochhaus auf der Fischerinsel nicht erst gestern oder vorgestern als Sieg reaktionärer Kräfte kritisiert?

  • Nein, kritisiert habe ich die Entscheidung mit keinem Wort. Ich habe nur bemerkt, dass diese Entscheidung ein großer Erfolg für traditionalistische Kräfte ist und habe noch bemerkt:

    Ich denke jedenfalls, dass Frau Lompscher mit diesem Vorgehen eine großes Zugeständnis an die traditionalistische Fraktion gemacht hat. Es ist zu hoffen, dass die Traditionalisten dieses Verhalten auch ihrerseits durch konstruktives Verhalten honorieren.


    Von Kritik also keine Spur.

  • Ist ja noch abenteuerlicher. Als ob Lompscher hier aufgrund irgendwelcher "Traditionalisten" dem Hochhaus eine Absage erteilen würde. Die Linken scheuen schlichtweg den Konflikt mit den Anwohnern. Würde sich angesichts der angekündigten "sozialen Wende" im Wohnungsbau halt nicht gut machen.

  • Die Gegner des Hochhaus waren:
    -Hans Stimmann
    Er erklärte, durch das Hochhaus würden "die Planungen der 70er-Jahre für ein sozialistisches Stadtzentrum mit Wohnen in Hochhäusern weitergeführt als existiere die DDR noch"
    -Benedikt Goebel - Planungsgruppe Stadtkern
    -Annette Ahme - Vorsitzende Berliner Historische Mitte e.V.
    Sie bezeichnete das Hochhaus als "Katastrophe".
    http://www.berliner-zeitung.de…der-fischerinsel-22733552


    Diesen Leuten ist Frau Lompscher jetzt ein großes Stück entgegengekommen, weil sie natürlich konsensuale Lösungen anstrebt.

  • Klarenbach: Danke für die Beispiele. Ich erinnere mich nun, dass ich doch einige der Kontroversen um diese Projekte mitbekommen hatte. Im einzelnen müsste ich mich da aber erst wieder etwas einlesen. Gerade die Geschichte um Gothe habe ich leider überhaupt nicht präsent, obwohl das recht interessant klingt. Bis auf den Leipziger Platz klingt es sonst ja vor allem als wenn er neue Wohnprojekte gerne schnell durchsetzt, auch wenn die Anwohner teils nicht begeistert davon sind (was ja zunehmend zur Regel wird). Entsprechend hat er sich ja auch schon wiederholt geäußert, dass dringend ganz andere Bauvolumen erreicht werden müssen, was ich grundsätzlich völlig genau so sehe.


    Zu Rot-Rot-Grün: Du drehst mir mal wieder die Worte im Mund herum. Ich bin nur verwundert, dass es bei Dir regelmäßig so klingt, als wenn jetzt bald alle Sorgen erledigt sind oder zumindest deutlich bessere Zeiten anbrechen. DAS ist mE ein vorschnelles Urteil, wenn auch ein positives. Ich würde mir ja sehr wünschen, dass sich zumindest ein Teil Deiner Euphorie bestätigen wird. Bislang kann man natürlich kein Fazit ziehen aber noch habe ich wenig gesehen, was mich wenigstens in freudige Erwartung versetzen würde. Vielleicht auch, weil ich die Kombination aus schönen Worten/ Ideen und krachend scheiternder Praxis nur zu gut in Erinnerung habe, wenn es um linke Bildungspolitik geht. Vielleicht generalisiere ich da von dieser negativen Erfahrung ausgehend etwas zu sehr. Aber diese Skepsis werde ich nicht los. Auch weil Rot-Rot-Grün mE deutlich stärker ideologisch aufgeladen und dafür umso erbärmlicher gestartet ist als damals Rot-Rot, die vergleichsweise pragmatisch und ohne lautes Getöse arbeiteten und mich zumindest nie groß enttäuscht haben.