Stadtgespräch Berlin / dies und das

  • Mitte hatte über lange Zeit einen hohen Leerstand zu verzeichnen, der sich in den letzten Jahren aber drastisch verringert hat. Wenn ich mich richtig erinnere von über 8% auf unter 2%. Die Nachfrage ist nach wie vor hoch. Entsprechend passen sich auch die Mieten an.

  • Hier lässt sich eine Karte mit den Daten von 2006 abrufen. Mitte und auch der Wedding sind da wohl tatsächlich führend was Leerstand angeht, neuere Daten hab ich aber noch nicht gefunden, somit magst du Recht haben tel33.

  • ^^ Wenn man sich die in de Karte angegebenen Gebiete in Mitte mal näher anschaut, sieht man dass es dort eigentlich kaum Wohnbebeuung gibt. Vielleicht sind deswegen die prozentualen Leerstände so hoch im Vergleich zum Rest.

  • Bauexperte will riesige Wolkenkratzer in Berlin am HBF (falls verschlüsselt, klickt hier)


    Ganz meine Meinung.
    Die Gegend um die Heidestr. nördlich vom HBF ist prädestiniert für eine Allee der Turmbauten. Der direkte Zugang zum zukünftigen BER-Flughafen per Bahn ist ideal für alle Investoren, die auf Wirtschaftlichkeit setzen. Ich würde das Hochhausviertel dann noch mit Autobahn im Norden anschließen. Die heutige Ausfahrt am Kurt-Schumacher-Damm müsste dazu nach Süd-Westen verlängert werden....


    Ich stelle mir eine Art Sheikh Zayed Road in der Heidestr. vor.....

  • Es ist schon ganz richtig so, dass bestimmte Leute heute nur noch 'Bauexperte' sind und nicht mehr in verantwortlichen Positionen sitzen. Es gibt auch glücklicherweise noch genügend Wüstensand im Nirgendwo für Investruinen aller Art.


  • Ich schrieb nicht über Retro, sondern über eine authentische anstatt beliebiger Grundrissform.


    Ihr tut so als gäbe es einen mindestens 100 Jahre alten idealen Urzustand den man wiederherstellen müsse. Ein eigenartiges Weltbild.


    Daraus folgen dann solche seltsamen Sätze.



    Vielleicht werden wir in der Zukunft, in Jahrzehnten womöglich, den dann baufälligen Fernsehturm beseitigen und eine getreuere Altstadt wiederherstellen wollen? Diese Option sollte man nicht leichtsinnig verbauen.


    So als seien nur Bauten die wenigstens vor dem ersten Weltkrieg entstanden sind irgendwie erhaltungs- oder gar wiederherstellungswürdig.


    Was soll überhaupt eine authentische Grundrissform sein? Wie waren wohl die Grundrisse der Behausungen der ersten Menschen in diesem Gebiet? Bei Ausgrabungen findet man ja meist die Hinterlassenschaften unserer Vorfahren in mehreren Schichten übereinander, da man den Schutt der jeweiligen Ahnen einfach liegengelassen hat (tritt sich fest) und darüber gebaut hat.


    Das rote Rathaus steht ja auch höher als der Vorgängerbau.


    Themenspezifisch verschoben.
    Bato

    3 Mal editiert, zuletzt von Chandler ()

  • Ihr tut so als gäbe es einen mindestens 100 Jahre alten idealen Urzustand den man wiederherstellen müsse. Ein eigenartiges Weltbild.


    Eigenartig ist eher die Lust am Zerstören und Vergessen. In Warschau oder Danzig hat man die zerstörten Altstädte wiederhergestellt (weit kompletter als es in Berlin je möglich wird) und gut ist. Für architektonische Neuentwicklungen bleiben immer noch über 95% des Stadtgebiets übrig. In Berlin ist der historische Kern nur so groß, oder so, selbst von den 39,5 km² des Bezirks Mitte ist es nur ein Bruchteil. Und auch dort ist nicht von vollständigen Rekonstruktionen die Rede, sondern bloß von Andeutungen der städtebaulichen Wurzeln. In keiner anderen Stadt diskutiert jemand über etwas so natürliches wie zum Beispiel Markierungen der alten Straßenläufe auf den Bürgersteigen. Man macht sie einfach.

  • In keiner anderen Stadt diskutiert jemand über etwas so natürliches wie zum Beispiel Markierungen der alten Straßenläufe auf den Bürgersteigen. Man macht sie einfach.


    in einer stadt in der noch nicht mal projekte wie das stadtschloss den vollen rückhalt der bevölkerung genießen und wo der ddr-kult traurigerweise immer noch gepriesen wird, zum leidwesen der vorangegangenen historischen epochen, wundert mich das wenig...



    aber eigentlich wär es traditionsreicher sich gegen rekonstruktionen der altstadt zu stemmen. in berlin wurde schon immer abgerissen um platz für neues zu schaffen, insofern passt solch eine stadtplanung auch gut zu dieser modernen stadt.
    warum darf berlin nicht anders sein? viele denken hier getreu dem motto: berlin muss im grunde genau so funktionieren und sein wie jede andere dt. großstadt, sonst fühlt sich "der deutsche" nicht wohl...ich halte diese ansicht in diesem fall für antiquitiert und pieffig.
    die leuchttürme der glanzvollen preußischen vergangenheit wie das stadtschloss etc. sollten ohne frage bewahrt werden aber der eigentliche geist der stadt der ständige wandel sollte im vordergrund stehen.


    das sage ich jetzt als laie, aber so kommt es mir jedenfalls vor:
    ich stelle mir gute stadtplannung in berlin ziemlich einfach vor, denn ich finde man kann hierbei und soll vllt. sogar auch fehler machen (in einem gewissen rahmen) damit berlin seinen wilden, kantigen, archaischen, sich-immer-neu-erfindenden charme nicht verliert (wenn schon bspw. prenzlauer berg gutbürgerlich wird soll es zumindest in anderer hinsicht widerspenstig zugehen). ein glatt-geschliffenes stadtbild braucht berlin nicht und sollte es auch nicht bekommen...

  • Eigenartig ist eher die Lust am Zerstören und Vergessen. In Warschau oder Danzig hat man die zerstörten Altstädte wiederhergestellt (weit kompletter als es in Berlin je möglich wird) und gut ist. Für architektonische Neuentwicklungen bleiben immer noch über 95% des Stadtgebiets übrig.


    Die Ausgangssituation ist hier nicht so ganz vergleichbar - in Warschau und Danzig begann der Wiederaufbau bereits direkt nach dem Krieg. In Berlin (und den meisten anderen deutschen Städten) hat der Städtebau der Nachkriegszeit eine völlig andere Situation geschaffen. Diese Entscheidung mag man heute kritisch sehen (m.E. auch durchaus zurecht), aber:
    Es ist eine Sache, wenn eine historische Stadt kurz nach ihrer Zerstörung durch Rekonstruktionen wieder in den alten Zustand zurückversetzt wird. Ganz anders sieht das ganze aus, wenn die Stadt mit intakten Nachkriegsbauten übersäht ist, die mittlerweile ihre eigene Historie haben. Wer hat vor diesem Hintergrund den politischen Mut und die notwendige Durchsetzungskraft, um ein (größtenteils) vor über 65 Jahren untergegangenes historisches Stadtbild wiederherzustellen? Aus meiner Sicht ist das schlichtweg unrealistisch und reine Träumerei.

  • ^^
    Ich würde nicht sagen, dass es sich um Träumerei handelt. Die DDR hat doch selbst damit angefangen mit dem Nikolaiviertel - wenn das mal keine Remineszenz an die Altstadt darstellen soll. In Dresden, FFM und Potsdam werden in ganzen Altstadtbereichen die alten Straßenfluchten wiederhergestellt und mit hoher Rekoquote bebaut. Dabei wurden auch Abrisse funktionierender Nachkriegsbauten vorgenommen: Polizeipräsidium in Dresden, Technisches Rathaus in FFM, bisher erst vereinzelte Gebäude in Potsdam. Wenn die Zeit für eine Sichtbarmachung der Berliner Altstadtstruktur reif ist dann wohl hier und heute - der allgemeine Zeitgeist ist günstiger denn je.

  • kauziger Preuß

    Jede europäische Millionenstadt hat eine zumindest rudimentäre Altstadt, auf die der ganze Rest ausgerichtet ist. Sonst könnte sie leicht zum amorphen Zersiedlungsbrei wie das Ruhrgebiet mutieren. Warum Kassel zum Vorbild nehmen und nicht Warschau, wo die Altstadt im Krieg komplett zerstört und danach vollständig wiederaufgebaut wurde?


    Der ständige Verweis auf Warschau als Vorbild für Altstadtrekonstruktion ist irreführend; Warschau ist ein historischer Sonderfall, und die Rekonstruktion von Teilen der Warschauer Altstadt nach dem Krieg ist weniger funktional begründbar, sondern eher Ausdruck nationaler Geschichtspolitik, was für eine Nation, der als Opfer eines Angriffskriegs die Hauptstadt abhanden kam vielleicht nachvollziehbar ist; ein eher bizarrer Versuch, Phantomschmerz zu lindern bleibt es für mich dennoch...


    Europäische Millionenstädte haben Zentren, auf die sich der Rest ausrichtet, und das muß keineswegs die historische Altstadt sein (in Warschau , um beim Beispiel zu bleiben ist das sozioökonomische Zentrum, "da wo das Leben pulst" eher der Bereich um den Kulturpalast, eine Gegend, die radikal zeitgenössisch ist; die "Altstadt" hat eher beschaulich-touristischen Charakter). Berlin hat den zentralen Bereich als funktionales Band zwischen Alexanderplatz-Potsdamer Platz/Regierungsviertel/Hbf-City West, dieser Bereich konfiguriert die Metropole.


    Und um jetzt ganz provokant zu werden: Die Rolle des auf Grund historischer Verwicklungen dauerhaft verhinderten Altstadthauptdarstellers hat doch ein heute heftig aufgewertetes und saniertes ehemaliges Vorstadtaschenputtel namens Spandauer Vorstadt prima übernommen, die meisten Touristen und wohl auch die meisten Berliner sehen die Gegend heute als "Altstadt" an...
    Schon viele große Karrieren nahmen ihren Anfang, weil der Hauptdarsteller es nicht zur Vorstellung schaffte...;)

  • Warschau ist ein historischer Sonderfall, und die Rekonstruktion von Teilen der Warschauer Altstadt nach dem Krieg ist weniger funktional begründbar, sondern eher Ausdruck nationaler Geschichtspolitik, was für eine Nation, der als Opfer eines Angriffskriegs die Hauptstadt abhanden kam vielleicht nachvollziehbar ist


    Stimmt nicht, in Polen wurde so gut wie jede zerstörte Altstadt wiederhergestellt. Vollständige Rekonstruktionen gab es auch in Danzig und Breslau, wo nicht mal ganz an die eigene Geschichte angeknüpft wird. Mit vereinfachten Formen (ähnlich wie bei uns in Münster) wurden große Teile der Altstädte in Stettin, Elbing, Glogau und noch zahlreichen anderen Orten wiederaufgebaut.


    Es wird seit Jahren über den Wiederaufbau des Berliner Schlosses diskutiert. Erstaunlicherweise gibt es in einer früheren preußischen Haupt- und Residenzstadt ein königliches Schloss, das aufwändig restauriert wurde. Über die Wiederherstellung des klassizistischen Anbaus wird noch diskutiert (vor allem des fehlenden Geldes wegen), aber der barocke Garten wurde pietätvoll wieder eingerichtet. Seltsam: Die Polen haben mehr für ein preußisches Königsschloss übrig als die Nachkommen der Preußen?


    in Warschau , um beim Beispiel zu bleiben ist das sozioökonomische Zentrum, "da wo das Leben pulst" eher der Bereich um den Kulturpalast, eine Gegend, die radikal zeitgenössisch ist; die "Altstadt" hat eher beschaulich-touristischen Charakter


    Beide sind benachbart und ergänzen sich. In der Londoner City sind genauso moderne Bürobauten, wie auch mittelalterliche Inns anzutreffen. Ohne des durch Tradition bestimmten Schwerpunkts wäre auch kein modernes Zentrum entstanden, sondern eine Vielzahl kaum beachtenswerter Büro- und EKZ-Projekte ohne gegenseitige Synergieeffekte.

  • ^^
    Ich würde nicht sagen, dass es sich um Träumerei handelt. Die DDR hat doch selbst damit angefangen mit dem Nikolaiviertel - wenn das mal keine Remineszenz an die Altstadt darstellen soll.


    Ich glaube Du hast mich falsch verstanden. Um ein entsprechendes Vorhaben umzusetzen braucht es:
    1. Ein ausgearbeitetes städtebauliches Konzept
    2. Die politische Kraft um dieses durchzusetzen (z.B Mehrheit im Senat)
    3. Investoren bzw. Geldgeber


    Momentan ist nichts davon vorhanden, bestenfalls vage Vorstellungen wie ein städtebauliches Konzept mit der Zielsetzung "Reko Altstadt" aussehen könnte. Andernorts wurden aber längst Fakten geschaffen, denn die Stadt Berlin hat seit Mitte der 1990er ein gänzliches anderes Konzept (von Kollhoff) das jetzt Zug um Zug realisiert wird. Es geht momentan also nur darum, wie eben dieses Konzept auf der Ebene einzelner Bauvorhaben umgesetzt wird.


    Ergo: Wenn ihr das mit der Altstadt-Reko ernst meint, dann gründet bitte eine Bürgerinitiative, die den bestehenden Masterplan zu Fall bringt. Das ewige Rumgenörgele an einzelnen Bauprojekten des bestehenden Konzepts wird euch jedenfalls nicht weiterbringen.

  • ^ In Frankfurt wurden alle diese Probleme gelöst. Die komplette Wiederherstellung der Altstadt mag unrealistisch sein, aber machbar bestimmt einige Zitate aus der Vergangenheit: hier alter Straßenverlauf, da die eine oder andere alte Fassade. Das in das Kollhoff-Konzept integriert würde ähnlich faszinierend wirken wie die Londoner City, in der Fachwerkhäuser mit verglasten Hochhäusern koexistieren.

  • Einzelne Rekonstruktionen sind in Ordnung,aber jahrhunderte alte Stadtgrundrisse in die heutige Zeit wieder einzupflanzen,halte ich für absolut unvertretbar. Die Stadtgrundrisse früherer Jahrhunderte waren an die jeweiligen Erfordernisse der Zeit angepasst.Die Zeit vergeht und damit häufig auch die Lebenswirklichkeit,die im Enstehungszeitraum vorgeherrscht hat.

  • ^ Ein gelungenes Londoner Projekt: Paternoster Square. Vor dem Eingang der St.-Paul-Kathedrale gibt es wieder einen vernünftig gefassten Platz und hinter dem dort aufgestellten alten Tor (auf dem ersten Foto links unten) einen weiteren Platz mit menschlichen Dimensionen wie auch ein paar gemütliche Gassen. Wie viel Leben gibt es dort... (Meist weit mehr als auf dem Foto.) Zufällige räumliche Überbleibsel der autogerechten Stadt der 60-er mit überbreiten Stadtautobahnen hätten so viele Besucher nicht angelockt. Von den Gebäuden um den Platz ist kaum eins eine Rekonstruktion, aber das Anknüpfen an historische Dimensionen der Gassen und Plätze wirkt.

  • ^
    In dem verlinkten Wikiartikel steht


    "Kritiker bemängeln jedoch die banale Architektur und die ausschließliche Nutzung durch Geschäfte und Büros bzw. das Fehlen von Wohnungen, sodass der Platz an Wochenenden und Feiertagen wie ausgestorben sei."


    und Autos können da wohl gar nicht fahren. Das ist natürlich gemütlicher als eine Autobahn. ;)

  • ^^


    Der Platz ist aber schon ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn Details vielleicht besser sein könnten. Vor einigen Jahren wäre sowas völlig undenkbar gewesen.

  • Ich war im Sommer in London und war auch auf dem Paternoster Square. Der Platz passt perfekt in die Gegend, in der es ja recht viele Altbauten gibt. Ein schlüssiges Konzept, das gut umgesetzt wurde.
    Für Berlin könnte ich mir eine solche Gestaltung aber nicht vorstellen, da die Strukturen meiner Meinung nach einfach nicht mehr zu erkennen sind.