Nürnberg - Lounge

  • Herrjeh, dein Frust sitzt aber irgendwie tief, du bist wohl nicht freiwillig hier?
    Mit Nürnberg gehst du aber wirklich hart ins Gericht. Es gibt viel zu bemängeln, insbesondere die mangelnde Qualität kleinerer Neubauvorhaben, die mich täglich ärgert.


    Aber die Stadt ist auch nach meinem Dafürhalten überaus lässig und legér, man kann hier viel bewegen, wenn man sich Mühe gibt und aufgrund der Größe der Stadt - oder besser gesagt geringen Größe der Stadt - kann man sehr bequem in Anspruch nehmen, was einem die Stadt bietet. Hier ist eigentlich ständig was los, immer ist irgendwo ein Fest, eine Ausstellung, kann man irgendwo hingehen, sich mit Freunden treffen, was unternehmen. Und die Fränkische, ich bitte dich, Nürnberg liegt nicht reizvoll? Du brauchst keine 20 Minuten mit dem Rad aus der Innenstadt und bist auf dem Land, mit all den Annehmlichkeiten, die das Land bietet: Wälder, Felder, kleine Dörfer, urige Biergärten, duzende Kärwas (Erntedankfeste), überall Schlösser und Burgen, kleine Brauereien, wunderbare Radstrecken, Wasserwege fürs Kajakfahren, Kanufahren, Klettern, Ballonfahren, wasweissich. Klar, wenn man die Gegend mit dem Auto erkundet schaut das schon langweiliger aus, aber Motorradfahrer lieben die Fränkische.
    Also gerade die ländliche Umgebung, die dennoch dicht ist an Kultur und Sehenswürdigkeiten, es ist nie weit in die nächste schöne Ortschaft, und auch dort kann man immer etwas entdecken, soetwas gibt es z.B. um Leipzig herum nicht. Auch Magdeburg liegt da im Niemandsland, und außerhalb von Berlin ist es ebenfalls dünne. Gerade die Lage finde ich an Nürnberg super!


    Mit ein paar Freunden hab ich eben bis kurz vor eins im Stadtpark entspannt - der übrigens echt phantastisch geworden ist - und auch das liebe ich an der Stadt. Es dauerte keine 20 Minuten von der Idee bis zum Treffen vor Ort. Kurze Wege, immer ein Plätzchen frei, es lebt sich wirklich sehr entspannt hier.


    Allerdings, und das unterschreibe ich vollkommen, fürs architekturinteressierte Auge ist Nürnberg äußerst gewöhnungsbedürftig und wirkt gegenüber dem, was insbesondere im Osten die letzten 25 Jahre entstanden ist, furchtbar.


    Die niedrige und durchwachsene Bebauung hat mich anfangs auch sehr gestört, aber das ist okay, das macht ein lebendiges Stadtbild aus, ich brauche keine Metropolenkulisse mehr, die wie aus einem Guss wirkt. Wichtiger finde ich, was man Nürnberg aber nie zu Gute bucht, die Stadt ist äußerst homogen, die Viertel sind sich sehr ähnlich, es gibt keine ausgestorbenen Viertel in denen sich leerstehende Ruinen aneinander reihen, aber es gibt eben auch keine Viertel, bei denen man stundenlang im Architekturrausch herumspaziert. Das eine nimmt man für selbstverständlich, das andere vermisst man aber. Erlenstegen z.B. hat auch ziemlich banale Ecken, für die ich keinen Cent Zuschlag Miete zahlen würde. Das kennt man aus Wannsee oder Zehlendorf so nicht.


    Wie gesagt, das alles lernt man mit der Zeit sehr zu schätzen. Hier hat man etwas vom Leben und seiner Zeit, und verbringt sie nicht den ganzen Tag im Stau oder in endlosen U-Bahnfahrten. Aber dieses lieblose in den Details, das einen überall anspringt, das macht sehr viel Ausstrahlung kaputt, da hast du Recht. Da wird unendlich viel Potenzial einfach verspielt. Viele Plätze finde ich nur auf dem Stadtplan - vor Ort sind da nur Mülltonnen und Parkplätze. Diese Betonpoller, schlimm sanierte Fassaden, schreckliche Neubauten, üble Baumarkttüren und Plastikfenster, manchmal ewige Baustellen, viel zu wenig Grün und alles, wirklich alles ist zugeparkt - das ist oft einfach kaum noch zu ertragen. Und als Zeitungsleser muss ich stets aufs Neue zur Kenntnis nehmen, dass man bei der Stadt nicht willens oder in der Lage ist, daran etwas zu ändern. Das es anders geht sieht man aber wenn man andere Städte dieser Größe besucht. Ich finde dazu braucht man auch nicht viel herumorakeln ob hier nun die großen Firmen fehlen oder nicht. Mit knapp 6 % Arbeitslosigkeit ist diese Stadt nicht wirklich einen Armenhaus, und als zweitgrößte Stadt im Freistaat mit ca. 2,5 % Arbeitslosenquote fragt man sich wirklich, wieso Nürnberg arm sein soll. Ein Nürnberger ist bayrischer Finanzminister!


    (Ich bin übrigens selbst Zugewanderter und seit 12 Jahren in Nürnberg)

  • Herrjeh, dein Frust sitzt aber irgendwie tief, du bist wohl nicht freiwillig hier?
    Mit Nürnberg gehst du aber wirklich hart ins Gericht. Es gibt viel zu bemängeln, insbesondere die mangelnde Qualität kleinerer Neubauvorhaben, die mich täglich ärgert.


    So ähnlich, ja. Für Kritik ist das Forum doch da oder nicht?
    Wenn alles top laufen würde könnte man hier ja dicht machen.


    Frustriert nicht wirklich, aber ich gehe mit offenen Augen durch die Stadt und bleibe leider häufig an Hässlichkeiten hängen, die mich einfach nicht kalt lassen wollen. Ich muss scheinbar erst noch etwas abstumpfen.
    Ich frage mich was man für ein Mensch sein muss, dass einen das überhaupt nicht stört/ man es gar nicht wahr nimmt .
    Im Urlaub in Italien oder Kroatien schwärmen auch alle von den wunderschönen Städten aber zu Hause wo man sich das ganze Jahr aufhält darf es hässlich sein. Etwas mehr sollte man sich schon wert sein.
    Zudem nimmt man natürlich wohlwollend zur Kenntnis wenn es in der eigenen Stadt läuft, Visionen existieren und die Wirtschaft brummt.
    Diesen Eindruck habe ich aber leider nicht. Im Gegenteil, man ist eher damit beschäftigt gegenzuarbeiten um noch größere Schäden abzuwenden (Wegzug von Firmen, Ensemble Schillingstraße, Hauptpost, hässliche Neubauten, Tilly-Kaserne, Pinselfabrik Veillodterstraße, Milchhof, verkorkste U Bahn-Aufgänge,Lessingsäle, Hotelmeile Marienvorstadt ..muss ich noch mehr nennen?) und selbst das gelingt nicht oft.
    Man muss bei jedem Projekt fürchten, beispielsweise bei der Umgestaltung des Kontumazgartens.
    Ließe man der Stadt freie Hand würden sicher eine Menge Bäume verschwinden um einen unwirtlichen Platz für die drölftausendste Veranstaltung zu schaffen.


    Der geplante neue Stadtteil gibt mir nach dem was ich bisher gesehen habe, ebenfalls keinen Grund zur Freude, zumal die Bahnhofshallen bestimmt auch weichen müssen.
    Die Stadtführung wirkt sehr inkompetent und planlos, man scheint nicht mal in der Lage die Finanzen so einzusetzen, dass ein sauberes Stadtbild möglich ist. So bettelarm kann man doch gar nicht sein(und ist man sicher auch nicht), dass man an solchen Selbstverständlichkeiten sparen muss.
    Das erschwert es sich mit der Stadt zu identifizieren/ identifizieren zu wollen.

    Wie gesagt mein Viertel ist recht schön und der einzigartige Nürnberger Stil gefällt mir gut.
    Den neuen Bau der Messe finde ich sehr gut um mal einen Lichtblick zu nennen.
    Aber objektiv betrachtet läuft hier schon sehr viel schief während andere Städte sich immer mehr machen. Wieviele Dinge liefen denn zuletzt ausnahmslos gut ohne bitteren Beigeschmack (Bsp: Hotel Deutscher Hof Teilreko aber Lessingssaalverlust + unwürdige Gauben)?


    ich brauche keine Metropolenkulisse mehr, die wie aus einem Guss wirkt


    Da ich aus einer Kleinstadt komme habe ich die “Urbanität“ bisher sehr geschätzt und ernüchtert zur Kenntnis genommen, dass es in Nürnberg damit nicht soo weit her ist.


    Und die Fränkische, ich bitte dich, Nürnberg liegt nicht reizvoll?


    Wie gesagt war ich durch meine Heimatstadt auch mit reizvoller Landschaft, kleineren Bergen, Stauseen und vielen urigen Fachwerkdörfern gesegnet, sodass mich die unmittelbare Umgebung (Knoblauchsland,Schwaig etc.) bisher nicht begeistert hat.
    Habe aber bisher nur einen Teil gesehen und fände es ja umso besser wenn sich mein bisheriger Eindruck nicht bestätigt.
    Allerdings habe ich mich mit meiner Aussage mehr auf das Stadtgebiet+Nachbarstädte bezogen (daher auch die sächsische Schweiz nicht genannt bei Dresden) und ein vereinzelter gemütlicher Sandsteinbau mit Biergarten haut mich in 60` Jahre Soße und komplett flacher Umgebung, nur weil ein paar Bäume in der Umgebung sind, nicht um.
    Magdeburg kann ich nicht beurteilen und Leipzigs Lage habe ich nicht angepriesen, wobei Leipzig andere beeindruckende Qualitäten hat, die für manches doppelt entschädigen.

    Einmal editiert, zuletzt von Demian ()

  • Demian
    Also die Umgebung von Nürnberg ist wirklich nicht schlecht - Fränkische Schweiz, Seenland, viele schöne kleine Städte (z.B. Bamberg) in der Nähe. (Ich denke Bamberg, Dinkelsbühl & Co. lassen sich noch am ehesten mit Arnstadt, Erfurt etc vergleichen.)
    Da finde ich das Umland von Leipzig schon sehr viel öder, auch die nähere Umgebung Münchens (die Alpen sind eben doch 100 km weg).


    Es stimmt schon, Nürnberg ist irgendwie ein Zwitter von Klein- und Großstadt.
    Vielleicht spielt da auch die Geschichte eine Rolle. Die Stadt hatte eben zwei bedeutende Perioden: einmal die Stadt im Mittelalter. Da war Nürnberg tatsächliche eine Metropole und die Altstadt lässt noch die Bedeutung ein wenig erahnen. Aber auch schon damals wurde doch relativ bescheiden gebaut. Prunkbauten reicher Patrizier waren eher verpönt (Ausnahme Pellerhaus). Danach verarmte die Stadt, weshalb hier kaum prachtvolle Barockbauten zu finden sind. Die Stadt ist deshalb mittelalterlich kleinteilig geblieben. (Die Kritik der Kleinteiligkeit vs. Lob von Altbauten ist m.E. ein Widerspruch.)
    Der zweite Boom kam bei der Industrialisierung. Da war Nürnberg das Industriezentrum Süddeutschlands. Aus dieser Zeit stammt natürlich auch noch der Touch der Arbeiterstadt, auch wenn von der Industrie (leider) eigentlich nicht mehr viel da ist.
    Ich denke, dass Nürnberg dann durch Hitlers "Stadt der Reichsparteitage" doch imagemäßig geschädigt wurde und noch heute unter den paar Jahren Drittes Reich leidet. Man meint fast es gibt hier deswegen noch Komplexe. Deshalb auch die krampfhaften Versuche mit Menschenrechtspreis usw. diese eigentlich geschichtlich unbedeutende Periode zu verarbeiten.


    nothor
    Natürlich ist Nürnberg kein Armenhaus. Da gibt es z.B. in NRW und natürlich auch im Osten ganz andere Städte. Doch zumindest im Ranking in Bayern steht Nürnberg wirklich nicht sonderlich toll da. Man hat eben einfach die Zeit verschlafen. Statt von der Drehscheibe Europas zu träumen, hätte man lieber für Firmenansiedlungen aktiv arbeiten sollen.
    Oft wurde auch beklagt, dass Gewerbeflächen fehlen. Aber statt sich hier um Angebote zu kümmern, wandelt man ehemalige große Gewerbeflächen (z.B. Brunecker Str.) in öde Retortensiedlungen um oder nimmt große Gebiete aus der möglichen gewerblichen Nutzung heraus (Hafen).
    Selbstverständlich gibt es einen generellen Trend weg von der Industrie und hin zu Dienstleistung. Aber Städte mit Industrie zeigen eben doch, dass Dienstleistung alleine auch nicht der Weisheit letzter Schluss ist.
    Unter dem Strich ist es aber leider so, dass Firmen eher von Nürnberg wegziehen (AEG, Schöller) als sich hier ansiedeln.

    2 Mal editiert, zuletzt von harher ()

  • Wie nothor bereits meinte wirkt es auf mich als habe man seit den 60´ nicht viel getan, obwohl man doch angeblich bis zur Wiedervereinigung Geld gehabt hat, was nun durch den Soli nicht mehr vorhanden ist. Dies scheint man nicht gut/ gar nicht investiert zu haben.



    Demian, bitte setze dich mit der Geschichte Nürnbergs auseinander bevor du aufs geradewohl Äpfel und Birnen vergleichst.

    Nürnberg hat gleich nach dem Krieg enorme Investitionen in seine Infrastruktur unternommen um wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu werden. Messe, Flughafen, U-Bahn, Hafen, Langwasser, Straßennetz usw. bei gleichzeitiger Rekonstruktion der wichtigsten altstädtischen Gebäude.
    Ab den 1970ern, mit steigendem Wohlstand, setzte aber eine Suburbanisierungswelle ein, der man durch Eingemeindungen nichts entgegensetzen konnte. Das Geld sitzt heute um Nürnberg herum und versteckt sich hinter hohen Hecken in den vielen wohlhabenden Kleinstädten wie Oberasbach, Zirndorf, Schwabach, Altdorf, Lauf, usw.

    Der wirtschaftliche Niedergang der Nürnberger Industrie bescherte dann der Stadt ein noch immer exisiterendes Prekariatsproblem.
    Heute hätte die Stadt praktisch Vollbeschäftigung innerhalb eines sehr gesunden Wirtschaftsmixes. Nur sind die schlecht qualifizierten Fließbandarbeiter der Quelle, der AEG usw. eben noch immer da und kosten den Nürnberger Stadtsäckel heute Jahr für Jahr als Langzeitarbeitslose ein stolzes Sümmchen. Das "Prekariat" lebt vor allem in den nordöstlichen, südlichen und südwestlichen Altauvierteln um die Altstadt herum, sodass ein enormer Investitionsstau in diesen Gegenden herrscht.
    Anders als in DD oder Leipzig, wo in den Wendejahren die "Wessis" dank großzügiger Abschreibungen (denkmal afa) ganze leere Blocks kauften und durchsanierten, sind diese Häuser meist in kleinteiligem Privatbesitz wohlhander Laufer, Zirndorfer usw. Allerdings erlebt auch Nürnberg gerade eine gewisse Reurbanisierung, sodass mehr und mehr Druck auf die Besitzer der Immobilien entsteht diese hochwertiger zu modernisieren.

    Dresden und Leipzig waren vor dem II. Weltkrieg deutlich größer als Nürnberg. Natürlich hat harher mit seiner Beschreibung recht, Nürnberg war zu diesem Zeitpunkt industrielles Zentrum Bayerns. Aber wirtschaftlich war die Stadt im Deutschen Reich in der Gesamtbetrachtung eher unter ferner liefen, politisch sowieso. Die Stadt war in der tat noch sehr provinziell/tradionalistisch und daher wie gemacht für Hitlers Story von der "deutschsten aller Städte". Natürlich spiegelt sich dies auch in der historisch überlieferten Baustruktur jener Jahre.

    N wirkt auf mich keinesfalls wie eine Stadt mit einer halben Million Einwohner, eher wie ein “aufgeblasener Zwerg“. Schaut man sich die Flächenzahlen anderer Halbmillionenstädte an bestätigt sich dieser Eindruck. Ich weiß nicht in welchem Maße die anderen Städte dieser Größenordnung eingemeindet haben, habe aber den Eindruck, dass dies in Nürnberg in besonders großem Umfang geschehen ist( https://de.wikipedia.org/wiki/Eingem..._N%C3%BCrnberg ), kann mich aber natürlich auch irren.



    ja, leider irrst du dich sehr. Aufgeblasene Zwerge sind heute nämlich gerade Dresden und Leipzig mit ihren teils mehr als doppelt so großen Stadtgebieten. Dort hat man in den 90ern alles eingemeindet damit die Städte nicht durch den nachholenden Trend der Suburbanisierung (welcher in der DDR aus bekannten Gründen in den 50er bis 70er jahren ausblieb)ausbluten. Nürnberg ist eine der dichtbesiedeltsten Städte Deutschlands und extrem kompakt.

    Unterm Strich steht es um Nürnbergs Zukunft nicht schlecht, auch wenn hier noch viel zu tun ist. Weshalb? In der Stadt gibt es eine funktionierende Wirtschaft und starke soziale Strukturen. Die Kulissen vieler Ostdeutscher Städte teuschen wiederum Properität vor, die der näheren Betrachtung nicht standhält. Dort gibt es kaum Vermögen welches vererbt werden wird, kaum Mittelstand, wenig flächendeckende Infrastruktur und eine in weiten Teilen fremdenfeindliche Grundtendenz in der Bevölerung, die bald zu einer demographischen Abwärtspirale führen wird.

    Architektonisch ist Nürnberg summa sumarum die wohl vielfältigste deutsche Großsstadt, daran ändern auch die leider häufig beklagenswerten Kleinprojekte der vergangen jahre nicht viel. Die Altstadt ist groß und eine Marke für sich, die Altbauviertel sind reichlich und voller Potential für Investment.

    PS Die von demian gescholtene Nürnberger Verwaltung und Stadtregierung ist einer der effizientesten Deutschlands. Leider liegt die Betonung auf Verwaltung, nicht auf Gestaltung. Dies ist wirklich zu beklagen. Mehr Visionen bitte!

    d.

  • @ Dexter,
    danke für dein Statement. Es unterstreicht eben aber auch, wie sehr sich Nürnberg von den ostdeutschen Großstädten unterscheidet, und wie sich das anfühlt wenn man sich hier zu orientieren beginnt.


    Besonders die Eigentümerstruktur in Nürnberg verdient vertiefte Betrachtung, denn hier sehe ich die Ursache für die mangelnde optische Attraktivität von bspw. Sanierungen. Es steht verhältnismäßig wenig Bausubstanz die älter ist als 50 Jahre unter Denkmalschutz, daher hat jeder Eigentümer freie Bahn und kann machen was er will. Und da sich in Nürnberg derzeit nahezu alles vermieten lässt, äußert selten stehen Sanierungsobjekte komplett leer, so wie im Osten ganze Straßenzüge, die zeitgleich neue Bewohner suchen, wodurch man bei Sanierungen nicht weniger bieten darf als der Konkurrent nebenan - ist das hier völlig anders. Selten ist mal ein Haus in einer Hand, sondern das Eigentum ist oft auf viele Kleinbesitzer verteilt. Und hier wird oft gespart gespart gespart, was ich sehr schade finde. Nahezu immer geht dies einher mit optischen Beeinträchtigungen. Jüngstes Beispiel, eines der ältesten Stadthäuser an der Sulzbacher Straße, die Nummer 101 hat vor wenigen Wochen ein neues Dach bekommen:


    Zustand bis vor wenigen Monaten:


    Zustand jetzt:


    Ich mag mich geschmacklich ja irren, aber das Dach hätte ruhig etwas feinfühliger gemacht werden können, es wurde stattdessen nur das notwendigste gemacht, und Zinkblech ist in jedem Werkkatalog von Dachdeckerleistungen eben das billigste. Und das sieht man. Und soetwas passiert täglich in der gesamten Stadt, demgegenüber sind die Verbesserungen verhältnismäßig spärlich. Zudem frage ich mich, weswegen dieses schöne Sandsteinhaus nicht unter Denkmalschutz steht? Der Betreiber des Karakaya hat mir mal erzählt, dass es früher eine Bäckerei oder eine Metzgerei gewesen sei (genau weiss ich nimmer), und als er den Laden übernommen habe, war draußen noch einer der riesigen schmiedeiesernen Ausleger an der Fassade gehangen, dort wo jetzt der Döner prangt. In Leipzig - mein Lieblingsbeispiel - auch wenn dieser Städtevergleich hinkt - wäre dieses Haus ein Einzeldenkmal, und vor dieser ungeschickten Dacherneuerung gesetzlich geschützt gewesen.


    Der Sanierungsdruck, von dem du sprichst, führt m.E. zurzeit leider zu weiteren Beeinträchtigungen des Stadtbildes. Weiteres Beispiel aus Johannis, frisch saniert, die Rohledererstraße 12, einen Steinwurf vom historischen Johannisfriedhof entfernt, der Weltkulturerbe werden soll:



    Vorzustand: klick
    Da kräuseln sich einem doch die Fußnägel hoch, was hätte man stattdessen draus amchen können, mit ungleich weniger Finanziellem Aufwand! Auch das historische Gartentor ist verschwunden. Das ist nun nicht irgendwo am Stadtrand, sondern doch vergleichsweise Zentral, und anderswo wäre das so nicht gelaufen.


    Das bringt mich zum Thema Denkmalschutz. Der Denkmalschutz als Landesrecht wird als Instrument der Stadtgestaltung in den Bundesländern unterschiedlich genutzt. Während er in vielen Städten eine stalterische Wirkung entfaltet und hilft, selbst Ruinen wieder in Schmuckstücke zu verwandeln, ist Denkmalschutz in Nürnberg reines Verwalten. Was nicht hübsch, alt oder bedeutend genug ist - alles äußerst schwammige Begrifflichkeiten - wird eben nicht vom Schutz erfasst. Und das betrifft den überwiegenden Teil der Gründerzeitsubstanz in Nürnberg. Das sind aber die Gegenden, in denen die Menschen Wohnen, Leben und Arbeiten. Die Stadtmauer allein, so beeindruckend und einzigartig sie ist, prägt das Wohnumfeld von nur sehr wenigen Nürnbergern. Gerade hier könnte man auch Strategien fahren um auch optisch einiges zum Besseren zu entwickeln. So teuer kann es nicht sein, sonst würde es auch anderswo nicht funktionieren.


    Dexter, du sagst Nürnberg habe noch immer ein Präkariatsproblem. Das kann ich zwar nicht unterstützen, dem aber auch nicht widersprechen, zumal du zeitgleich einen vorhandenen Mittelstand und vorhandenes Vermögen ansprichst. Ohne das näher zu analysieren würde ich behaupten dass die wichtigste Schlussfolgerung daraus die Gelichgültigkeit an der Architektur der Stadt ist. Die Stadtverwaltung, die zu recht lobst aber auch kritisierst, hat eben keine Rechtsgrundlage, um hier gestaltend einzugreifen. Gestaltungssatzungen gibt es nicht und der Denkmalschutz wäre noch das einzige Instrument zur positiven Einflussnahme. Der Denkmalschutz ist aber bei den Nürnbergern ein Schreckgespenst und daher politisch oft nicht gewollt. Man findet es schön, wenn etwas liebevoll udn aufwändig hergerichtet wird, dann wird "unser schönes Nürnberg" gelobt, aber im eignen Garten regiert der Billigheimer. Wie schon oft kritisiert zählt in Nürnberg nur das was unter Denkmalschutz steht, das drumherum wird dem Zufall überlassen. Die Diskussionen um die Hauptpost, oder den Südbahnhofshallen würden anders laufen, stünden sie unter Denkmalschutz.
    Aber selbst wenn es den Denkmalschutz gäbe, den Milchhof konnte es nicht retten, die Lessingsäle ebenso wenig. Und das frustriert den aufmerksamen Beobachter.
    Hier finde ich darf die Stadt durchaus Kritik aushalten müssen, denn man hätte hier auch andere Geschütze auffahren müssen. Denkmale sind eben etwas besonderes, und hier muss man sich auch die Zeit nehmen einen geeigneten Investor zu finden mit einem überzeugenden Konzept. Soetwas dauert halt seine Zeit.


    Den oft planlos wirkenden Flächenausverkauf (Marienzeile, Milchofgelände, Brunecker Straße), das Einwandern und expandieren von Autohäusern in die Innenstadt - für mich ein Relikt aus der Vergangenheit - (Mercedes am Wöhrder See, Kropf an der Bessemerstraße, Porsche in Thon) zeigt auch mangelnde Visionen bei der Stadtpolitik. Das Geschehen wird sich selbst überlassen und die Unternehmen wurschteln wie es ihnen gefällt.


    Ich denke das sind die Dinge, die Demien kritisiert und die sich auch am Stadtbild ablesen lassen.

  • Diese Diskussion wird wohl zu nichts führen. Nürnberg ist eine lebendige Stadt, deren Bewohner allerdings eine gewisse Larmoyanz pflegen. Was sollen die Bewohner des Zonenrandgebietes sagen? In Oberfranken, z.B. im Fichtelgebirge hat sich praktisch alles verändert.


    Besonders die Eigentümerstruktur in Nürnberg verdient vertiefte Betrachtung, denn hier sehe ich die Ursache für die mangelnde optische Attraktivität von bspw. Sanierungen. Es steht verhältnismäßig wenig Bausubstanz die älter ist als 50 Jahre unter Denkmalschutz, daher hat jeder Eigentümer freie Bahn und kann machen was er will.
    ... Selten ist mal ein Haus in einer Hand, sondern das Eigentum ist oft auf viele Kleinbesitzer verteilt. Und hier wird oft gespart gespart gespart, was ich sehr schade finde. Nahezu immer geht dies einher mit optischen Beeinträchtigungen.



    Das erinnert dann aber schon an den Osten, also an Polen. Die dortigen, sehr kleinteiligen Besitzverhältnisse führen auch zu wenig überzeugenden Sanierungs- und Neubauergebnissen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Stahlbauer ()

  • Ich werde es jetzt dabei bewenden lassen, scheinbar wird hier zum Teil jegliche Kritik auch ein Stück weit persönlich genommen und von Auswärtigen nicht oder nur sehr widerwillig zugelassen.


    Während ich mir ein mittlerweile doch recht umfangreiches Bild von Nürnberg gemacht habe und mit absolut augenfälligen und berechtigten Kritikpunkten komme (die nothor und harher auch in weiten Teilen ähnlich sehen) wirfst du mit Vorurteilen um dich und maßt dir an Dresden dank einem (wie es klang) Schnelldurchlauf von Hauptbahnhof bis Brühlsche Terrassen und zurück beurteilen zu können.
    Allein der weiße Hirsch stellt sämtliche Stadtteile der Arbeiterstadt Nürnberg in Sachen Kultiviertheit so krass in den Schatten, unglaublich. Wie könnte man so etwas leugnen.


    Jeder der die Wohnquartiere in ihrer Gesamheit oder auch die allgemeine Aufenthaltsqualität dieser Städte auch nur halbwegs objektiv vergleicht, wird die bereits erwähnten erheblichen Qualitätsunterschiede nicht verleugen können (und sei es nur dass man in DD Platz hat und sich nicht in dunklen,engen Straßen einen knapp 1 Meter breiten Gehsteig mit Kinderwagenfahrerinnen und “Gegenverkehr“ teilen muss).


    Dass sich Dresden und Leipzig demographisch zukünftig in einer Abwärtsspirale wiederfinden halte ich für mehr als unwahrscheinlich. Selbst wenn deine Behauptung, die sich offenbar aufgrund von tendenziösen, überzogenen Medienberichten verfestigt hat, zutreffen würde so ließe sich dennoch ein weiterer Zuwachs verzeichnen, da beide Städte ihr Umland sozusagen “aussaugen“ und sehr attraktiv für jüngere Leute aus den neuen Bundesländern sind ,die, wenn es nach dir geht in weiten Teilen ja eh ähnlich ticken und sich demzufolge ja nicht daran stören dürften.


    Im Übrigen ist Leipzig als “Linkenhochburg“ bekannt und auch dort gibt es bereits Brennpunkte die denen westdeutscher Großstädte ähneln (falls dass zum guten Ton gehören sollte um in deinen Augen nicht fremdenfeindlich zu wirken).


    Dass derartiges Gedankengut in den alten Bundesländern ebenfalls vorhanden ist und lediglich, wenn überhaupt, hinter vorgehaltener Hand augesprochen wird um nicht gesellschaftlich geächtet und als persona non grata degradiert zu werden, wird gern unterschlagen. Sodass sich zwei Personen die eventuell das Gleiche denken belügen, aus Angst vor dem jeweils Anderen und Demonstrierende (unabhängig was ich davon halte) mit physischen Übergriffen und Entlassung rechnen müssen.


    Bezüglich der Arbeitslosen
    http://www.nuernberg.de/intern…tschaft/arbeitsmarkt.html rangiert
    Dresden 0,7 Prozent hinter Nürnberg und Leipzig lässt ebenfalls einige westdeutsche Großstädte hinter sich und findet sich im Mittelfeld.
    Zudem sind die Mieten in L sehr moderat und es ist nicht der “Oberschicht“ vorbehalten in herrschaftlichen Altbauten mitsamt aller Details zu wohnen.
    Die niedrigeren Lebenshaltugskosten relativieren das niedrigere Einkommen total. Es sei denn man steht darauf sich an einer höheren Zahl auf dem Lohnzettel zu ergötzen von der dann aber die Hälfte für Miete drauf geht.


    Bezüglich der Wirtschaft muss sich DD ebenfalls nicht verstecken, anders als von dir dargestellt ( https://de.wikipedia.org/wiki/…tschaft_und_Infrastruktur , Leipzig ebenfalls im Aufwind: http://www.welt.de/sondertheme…adt-und-ihrer-Region.html )


    Mit Radebeul ( http://www.welt.de/print-welt/…lionaere-im-Weinberg.html ) kann Dresden auch auf eine sehr gut situierte Nachbarstadt verweisen.


    Nichts für ungut aber das Nürnberg natürlich der aufgeblasene Zwerg ist während DD und L locker den Raum bieten so viele Einwohner wie Frankfurt oder sogar mehr zu beherbergen und vielleicht auch erreichen werden (hatten sie ja früher bereits), ist eigentlich klar.



    Eigentlich habe ich keine Lust auf so ein unnötiges Aufgeilen an der “eigenen“ Stadt aber du tust diesen beiden Städten sehr Unrecht mit deinen Ausführungen (Fokus auf DD und L; halb entvölkerte Landstriche in Vorpommern etc. freilich ausgenommen).


    Ich möchte diese beiden Städte hier ebenso wenig als perfekt hochstilisieren, was sie natürlich nicht sind (kann verstehen wenn man sich an den Plattenbauten in DD stört), aber in Anbetracht der vielen geschlossenen Altbausubstanz und dem was man daraus macht läuft da schon einiges sehr richtig.
    Mir scheint viele Menschen aus eher unattraktiven Städten, beispielsweise im Ruhrpott, wissen gar nicht um die Schönheit dieser Städte und wären extrem positiv überrascht von “Dunkeldeutschland“.
    Viele aus Westdeutschland stammende Studenten mit denen ich mich in DD unterhalten habe erging es so.


    Das war es von mir zu dem Thema, zumal das ja eig nicht wirklich in diesen Thread gehört.


    zum Soli:
    Ich störe mich daran, dass der Soli (wird übrigens sehr gut und sinnvoll eingesetzt) oft als Ausrede für unbefriedigende Zustände herhalten muss, obwohl bis 1990 offenbar auch keine großen Sprünge gemacht wurden was verschönernde Maßnahmen anbelangt (“Installation“ von Straßenbegleitgrün im großen Stil; Schaffung attraktiver Plätze; keine Nutzung billigster Materialien https://de.wikipedia.org/wiki/…nhof_Eberhardshof_O_2.jpg – gräßlich; Altstadt- Aufwertung).


    PS Die von demian gescholtene Nürnberger Verwaltung und Stadtregierung ist einer der effizientesten Deutschlands. Leider liegt die Betonung auf Verwaltung, nicht auf Gestaltung. Dies ist wirklich zu beklagen. Mehr Visionen bitte!


    Dass die Verwaltung gut sein mag wollte ich nicht in Abrede stellen und interessiert mich auch eher weniger. Ich habe bereits geschrieben in welcher Hinsicht ich die Stadt für inkompetent halte.




    Visionen:
    -Neptunbrunnen auf den Hauptmarkt (jaja Veranstaltungen, nimmt viel Platz weg..)
    -Volksbad sanieren
    -Egidienplatz aufwerten wie geplant (Autos weg, Pflaster, Brunnen)
    -Pellerhaus-Fassade rekonstruieren
    -kürzlich in der zeitung: Laufer gasse darbt – reaktion der stadtverwaltung: noch mehr feste, ich bin dafür die vorhanden Bauten nach und nach aufzuwerten (sebalder kontor+höfe frechheit in meinen augen),
    -Sprossenfenster + ordentlicher Putz an vielen Altstadthäusern
    -Ausnutzung kleiner innerstädtischer Brachflächen als Mini-Parks zum Luft schnappen -mehr Straßenbegleitgrün
    -Hauptmarkt Westseite: Aufwertung durch Dacherker, Chörlein und angemessene Fenster
    -vorhandene Plätze so gestalten, dass sie diese Bezeichung auch verdienen
    -Rücksichtsvoller Umgang mit alter, identitätsstiftender Substanz

    3 Mal editiert, zuletzt von Demian ()

  • Demian


    Die Visionen, die du da am Schluss gelistet hast, schwirren schon lange in Nürnberg herum. Leider muss ich zugeben, dass da nichts geschieht, denn von der unglaublich effizienten Stadtverwaltung kommt nichts oder nur im Schneckentempo.


    Das sind viele Punkte, die etwa die Altstadtfreunde aufgegriffen haben. Die sind auch sehr aktiv, aber die können eben auch nicht alles stemmen.
    Typisch für Nürnberg war ja auch die Diskussion um die Ausmalung des Rathaussaales. Die Stadt und auch das Landesdenkmalsamt sind der glorreichen Meinung "Was weg ist, ist weg".
    Wenn man immer so verfahren hätte, wie würden da unsere Städte nach dem Weltkrieg nun in Deutschland aussehen? In Nürnberg wäre z.B. fast gar nichts mehr da, weder Kirchen, noch Dürerhaus, noch Burg.
    Und auch der Wiederaufbau der ausbebrannten Marthakirche wird nur teilweise nach altem Vorbild vollzogen. In Weimar gab es bezüglich der Herzogin Anna Amalia Bibliothek ganz sicher keine Diskussion über die Rekonstruktion.
    Bei einer Diskussion kritisierte Dr. Schröder (Albertina, Wien) die wiederaufgebaute Dresdner Frauenkirche. Er meinte, der Innenraum wäre derart häßlich, da würde er gar nicht gerne reingehen...
    In anderen Städten sieht man das nicht so verkrampft, Beispiele eben Dresden oder auch Frankfurt/Main.

  • @ demian
    auch ich behaupte nicht das Nürnberg die schönste aller Städte ist und unterstütze deine zuletzt genannte Auflistung gern, wende mich aber gegen deinen einseitigen, häufig unsachlichen Argumentationsstil der wohl aufgrund von Heimweh eben auch so emotional ausfällt.

    ich bin dieses Wochenende in Nürnberg und werde von Frankfurtern (Main) begleitet.
    Was sagen die?

    - Nürnbergs Innenstadt sei sehr beeindruckend
    - die Stadt fühle sich "rau aber herzlich" an
    - die Altbausubstanz wäre häufig unter ihren Möglichkeiten und schreie nach investment (das man hier mal gern tätigen würde)
    - insgesamt erwarten viele unkundige eine art großes Rosenheim oder Bad Tölz und sind ziemlich überrascht vom herben touch und dem industrie-erbe der stadt

    Auf Makro-Ebene:
    Nürnberg hat das Tal der Tränen (90er/frühe 00er) hinter sich gelassen und gehört zu den wirtschaftlich führenden deutschen Städten in seiner heutigen Größenklasse (welche die Stadt erst nach dem Krieg erreicht hat). Das war ab 45 ein steiniger Weg mit vielen Höhe- und Tiefpunkten, ging aber nach Daten, Zahlen Fakten gut auf.
    In der tat braucht es nun neue Ansätze in der Stadtführung, gerade bez. Städtebau. Zum Teil gibt es diese bereits (bspw. Tiefes Feld), im Umgang mit Altbauvierteln fehlt ein Masterplan.

    d.

  • Demian,
    bitte nimm die Diskussion hier nicht zu persönlich, aber wenn du mit langen Listen an Mängeln und Unzulänglichkeiten deine Wahlheimat so kritisiert kommt halt Gegenwind, du hast es ja selbst gesagt, wozu diskutieren, wenn man Gegenargumente nicht aushalten kann. Das gilt hier für alle.
    Stahlbauer sagt es schon, die Diskussion führt zu nichts. Exakt. Denn ich denke das Problem kann man nicht in den Details lösen, hier mal eine Sanierung, da mal eine Reko, vielleicht ein paar Bäume. Nach dieser Strategie wird nämlich seit Jahrzehnten verfahren, und die Diskussionen um jeden Ort laufen immer gleich. Während man sich vielleicht sogar durchgerungen hat etwas zu bewegen stürzt an anderer Stelle wieder einiges den Bach hinab.
    Die Stadt verwaltet anscheinend sehr effizient, aber die Politik gestaltet nicht. Mag an der Großen Koalition im Rathaus liegen, aber mein Eindruck ist das auch die Stadträte so jeweils ihre Lieblingskinder haben und dort mal eine Tafel aufstellen lassen, dort eine Parkbank, hier mal eine Lichtinstallation, aber der Masterplan, wie Dexter beschreibt, fehlt. Wo soll Nürnberg in 20 Jahren sein, welche Perspektiven werden für die Stadtteile gesehen und mit welchen Instrumenten will man dorthin? Solche Programme kenne ich nur für die sog. "Sanierungsgebiete" wie St. Leonhard und Gostenhof, die allerdings ebenfalls schon seit Jahrzehnten laufen, mit wenig Druck umgesetzt werden und daher auch oft ihre Wirkung verfehlen.


    Wenn ich meine geliebten Vergleiche mit Leipzig oder Halle heranziehe, dann bezieht sich das lediglich auf sehr begrenzte Untersuchungsgegenstände, wie den Umgang mit Altbausubstanz und der Schaffung von wirtschaftlichen Anreizen und rechtlichen Rahmenbedingungen dafür. Soetwas fehlt in Nürnberg gänzlich. Wobei es die Ostgroßstädte vermutlich aus genannten Gründen einfacher haben, denn die Eigentumsverhältnisse sind von wesentlich einfacherer Struktur. Wenn die Stadt Nürnberg auch nur ein Durchschnittsmietshaus verschönert wissen wollte, müsste sie auf durchschnittlich 8 Teileigentümer zugehen um sie zu überzeugen.

  • Vereine

    Übrigens, Harher hat es angesprochen, hat Nürnberg ein beeindruckendes Potenzial an Vereinen und Initiativen zu bieten, allen voran die Altstadtfreunde. Die Altstadtfreunde gestalten aktiv die (Alt-)Stadt mit, und ihnen zum Dank sieht sie heute nicht noch schlimmer aus. Aber auch die Vorstadtvereine, die Architekturinitiativen wie Baulust und die Stadtbildinitiative machen Öffentlichkeitsarbeit, um Aufmerksamkeit zu schaffen, die wiederum die Politik so beinflussen soll, die Weichen vielleicht doch in eine baukulturell spannendere Zukunft zu stellen. Die Stadt selbst wird diese Arbeit nicht erledigen, sie tut nur das wozu sie eine gesetzliche Ermächtigung hat. Hier sei dir das Buch "Der Wiederaufbau der Altstadt von Nürnberg" von Erich Mulzer (Gründer der Altstadtfreunde), erschienen in Erlangen 1972 ans Herz gelegt. Es beschreibt gut und zeigt es in teils erschreckenden Fotos, mit welchem Elan man auch seitens der Stadt nach dem Krieg an den Wiederaufbau gegangen ist, und wie das fast schlagartig aufgehört hat.


    Insofern ist zu wünschen, dass sich jeder, der sich nur ein bisschen für Nürnbergs Baukultur interessiert, auch an der Diskussion beteiligt. Allein hier im Forum kann man viel zeigen und drauf hinweisen, aber das allein reicht halt nicht.

  • Gegenwind gern aber die Behauptungen Dexters bezüglich Dresdens waren eben eher klischeehaft und entsprachen nunmal nicht der Wahrheit (über fremdenfeindlich kann man diskutieren, aber weite Teile ist schon sehr überzogen), während ich berechtigte Probleme N´s angesprochen habe.


    Denn ich denke das Problem kann man nicht in den Details lösen, hier mal eine Sanierung, da mal eine Reko, vielleicht ein paar Bäume.


    Zieht man das konsequent und im größeren Stil durch finde ich schon dass das bereits einen deutlichen und fühlbaren Unterschied machen würde.


    Wie auch immer, ich habe zunächst nur auf negative Dinge fokussiert, was erstmal extrem wirken kann, obwohl ich N natürlich auch Positives abgewinnen kann:


    Altstadt gefällt mir trotz Allem immer noch gut
    Altstadtfreunde (Wie würde es ohne sie aussehen!? und andere Initiativen)
    Hauptbahnhof; Opernhaus, Friedhöfe
    viele schöne Kirchen auch außerhalb der Altstadt (Dreieinigkeitskirche, Reformations-Gedächtniskriche, St. Anton, St Ludwig, St Peter sind bisher meine Favoriten)
    eine Menge prächtiger, gut erhaltener Schulhäuser
    die vielen Herrensitze
    Teils sehr ansprechende U-Bahn Bahnsteige (Opernhaus!, Weißer Turm, Hohe Marter, Schweinau, St Leonhard, Friedrich Ebert Platz..)
    moderate Mietpreise + Lebenshaltungskosten
    U Bahn (wenn auch leider teuer)
    nette Viertel (auch wenn die “Füllbauten“ die Stimmung leider oft ein bisschen dämpfen):
    Gärten hinter der Veste
    Prinzregentenufer
    Rennweg (je nach Straße mal sehr, mal gar nicht)
    Nibelungenviertel
    St Leonhard um die U-Bahn herum (ist mir sogar lieber wenn es etwas heruntergekommen ist ,als dass es kaputt saniert wird)
    Gostenhof hat echt Flair
    Teile der Südstadt (Ecke Humboldtpalais), Kleinweidenmühle und Himpelshof

  • @ demian

    ich freu mich das du auch positives aus N zu berichten weißt!

    zu meiner Darstellung von Dresden:
    sicher ist das überspitzt. ich kenne die Stadt auch etwas besser und weiß das sie auch wunderbare Ecken hat. Immerhin war Dresden lange Residenzstadt und die Staatsdiener, Adelsfamilien usw. mussten repräsentativ wohnen.
    Wenn man aber am Bahnhof aussteigt und ins Zentrum läuft weiß man davon nichts und sieht nur das was ich beschrieben hab. Du als Kenner der Stadt wirst das weniger intensiv erleben weil du es gedanklich eben bereits mitverbuchst.

    Wenn nun ein Nicht-Kenner von Nürnberg eine bayrische Wolstandsidylle in N vermuten wird, ist die Überraschung nicht weniger groß beim Spazierengehen.

    d.

  • Dexter
    Stimme dir zu.


    nothor
    Ich hätte gern gewusst wie es um deinen Spaziergang durch St Leonhard steht, den du in der Galerie im Thread Nürnberg -Nordbayerns Metropole angekündigt hast?
    Habe deine Spaziergänge immer gern angeschaut als ich noch nicht in N gewohnt habe (jetzt natürlich auch noch) und finde, dass auch die Bilder aus deinem Thema Nürnberg Nordost -Ein Spaziergang durch Rennweg einen Platz in der Galerie verdient hätten.


  • Zieht man das konsequent und im größeren Stil durch finde ich schon dass das bereits einen deutlichen und fühlbaren Unterschied machen würde.


    Das meinte ich ja bezogen auf den Diskurs in Nürnberg, man diskutiert sehr heiss über jeden einzelnen Flecken, über jede Straße - sei es nur um die Innere Laufer Gasse vor einiger Zeit, die ja wieder verpufft ist. Aber ein konzept, eines Was wollen wir haben, was wollen wir nicht mehr haben, gibt es nicht. Das einzige zudem sich die Stadt da sehr eindeutig positioniert ist das Thema Spielhallen.


    Zu den Spaziergängen, ja, St. Leonhard brennt mir unter den Nägeln, einfach weil ich da sehr gerne wieder hingehen mag zum Fotografieren, einzig ich finde einfach keine Zeit dafür. Ein paar Straßen habe ich zwar schon, aber eben so manches Highlight noch nicht. Vielleicht klappt es im Herbst, wenn es den Altstadtfreunden gelungen ist eine Schulpalast - Fahrradtour durch den Süden zu organisieren, und dabei das Schulhaus in St. Leonhard angesteuert wird.


    Ein paar vorzeigbare Fotos zusammenhängend zu einem Stadtteil zu fotografieren dauert schnell mal einen halben Tag, und dabei sollte das Wetter trocken, aber bedeckt sein sonst hat man die untere Gebäudehälfte immer im Schatten. Aber danke für deine Rückmeldung!

  • @ Demian
    Wie oben zu lesen, bin ich auch sehr kritisch bezüglich Nürnberg, obwohl ich hier ein Eingeborener bin ...
    Wollte aber doch auch noch was Positives anfügen. Bei aller Skepsis hinsichtlich Stadtpolitik und Wirtschaftskraft, zum Wohnen ist Nürnberg sicherlich nicht übel.
    Habe schon oft von "Zugereisten" gehört, dass es aber erst so was wie Liebe auf den zweiten Blick ist. Vielleicht gerade weil Nürnberg halb Großstadt halb Kleinstadt ist.
    Aber welche Stadt in dieser Größe verfügt noch über eine solche Stadtmauer, über eine Burg und doch noch über sehr schöne Ecken in der Altstadt?
    Wenn ich da an Leipzig denke, da ist dort doch weitaus weniger geboten, schon wenn man mal die Hauptkirchen vergleicht. Natürlich gibt es dort schöne Passagen und Höfe. Mit herausragenden Baudenkmälern ist da nicht viel los. OK, Rathaus und Börse, aber sonst?
    Über Städte wie Stuttgart, Hannover, Dortmund, Duisburg usw. brauchen wir gar nicht zu reden ...

  • Ein paar vorzeigbare Fotos zusammenhängend zu einem Stadtteil zu fotografieren dauert schnell mal einen halben Tag


    Das glaube ich gern.



    harher:
    Die Altstadt gefällt mir, wie angeführt, auch gut und hat durch Stadtmauer und Burg ein Alleinstellungsmerkmal in D und eine ausgeprägte Identität.


    Es kommt halt drauf an was einem wichtig ist.
    Als ich noch in D gewohnt habe war ich höchstens ein Mal pro Woche in der Innenstadt.
    An der Frauenkirche etc. war ich sogar nur wenn ich Besuch von außerhalb bekommen habe.
    Da N relativ überschaubar und sehr auf die Altstadt konzentriert ist, bin ich es hier etwas öfter.
    Aber was bringt mir eine wunderschöne Altstadt wenn ich die ganze Woche im letzten Loch hausen muss (nicht, dass das in N unbedingt der Fall wäre).


    Eine tote, hässliche Altstadt ist natürlich auch sehr problematisch aber das ist wieder etwas Anderes.
    Auch ich würde N´s Altstadt den Zuschlag geben wobei ich betonen möchte, dass es auch einige hässliche Ecken und Totalausfälle gibt.
    Nichtsdestotrotz gefällt mir L´s Altstadt und schneidet im deutschlandweiten Vergleich
    ,wie du auch meinst, gut ab.


    Die Gründerzeitviertel von L haben es mir angetan.
    Was da selbst in entlegeneren Stadtteilen so rumsteht ist schon sehr beachtlich.
    Das kann mir N nicht in der Geschlossenheit, dem Umfang und der Opulenz bieten.
    Tendenziell breitere Straßen, mehr Bäume, Parks und hohes Sanierungsniveau, bla aber das hatten wir ja alles schon...


    Mal ein Beispiel, wo ich nicht wohnen wollen würde:
    https://www.google.de/maps/@49…nyeldg!2e0!7i13312!8i6656



    http://www.nordbayern.de/regio…estaltet-werden-1.4249806
    Habe mir gerade mal die Planungen zum Nelson Mandela Platz angesehen und freue mich über das Rasenparterre und die vielen neuen Bäume. Hätte es aber besser gefunden wenn das Parterre den westlichen Teil, wo das Cafe entstehen soll, auch noch umfassen würde. Die Bilder des Westteils wecken bei mir spontan Erinnerungen an den Aufseßplatz (Steinwüste), der ja nun nicht so attraktiv ist. Zudem würde ich entlang des “Bahnhofboulevards“ Baumscheiben mit Beet gut finden.
    Veranstaltungen scheinen auch das Allheilmittel zu sein...
    Naja, eine Verbesserung wird es auf jeden Fall sein aber für diese Menge an Geld könnte es ruhig richtig schön werden.

  • Mal ein Beispiel, wo ich nicht wohnen wollen würde:
    https://www.google.de/maps/@49…nyeldg!2e0!7i13312!8i6656


    Strukturell schwierig, aber lösbar. Derzeit ist die Straße aber als Stellfläche für Fahrzeuge zu geringsten Unterhaltskosten gestaltet. Außer mal mit der Kehrmaschine durchfahren braucht die Öffentliche Hand dort nämlich nichts machen. Um hier etwas Attraktivität heraus zu holen muss viel Kreativität her. Nun stelle dir aber die Randbebauung noch um 2 Etagen höher vor, das wäre doch gruselig. In amerikanischen Filmen wären das die Kulissen, in denen die Gangster Polizisten umlegen.

  • Nürnberg-Johannis ist westlich der Achse Brückenstraße tatsächlich nicht sehr schön. Stadteinwärts (z.B. Campestraße) ist der Stadtteil aber ganz attraktiv.
    Ich selbst bin eben sehr auf die Altstadt fixiert, da ich im Burgviertel lebe.

  • Finde, dass da eigentlich auch eine Menge recht netter Häuser rumstehen und die WBG-Siedlung gefällt mir auch gut.
    Die vielen Autos, keine Bäume und verbesserungsürdige Altbauten machen viel kaputt.

    Aber die Helmstraße ist schon übel. Klar kann man da mehr Attraktivität rausholen, ich würde aber trotz beispielsweise einseitigem Parken, Begrünung und Einbahnstraße nicht dort wohnen wollen. Einfach zu eng und dunkel.


    Nun stelle dir aber die Randbebauung noch um 2 Etagen höher vor, das wäre doch gruselig. In amerikanischen Filmen wären das die Kulissen, in denen die Gangster Polizisten umlegen.


    Dass die gesteigerte Etagenhöhe mit breiteren Straßen einhergehen muss/sollte ist klar.