Und wo sollen die Rekonstruktionen hin? Wo ist der Mehrwert, für den Ort, also für den Raum? Die Diskussion und die Argumentation, dass Rekos definitiv befürwortet werden, obwohl sie frei von irgend einem Kontext diskutiert werden (Tarsis ausgenommen) zeigt doch, dass es nur um Objekte und nicht um Raum geht. Und das Ergebniss, dass irgendwo zwischen belangloser Nachkriegsbebauung ein altes gotisches Bürgerhaus steht, fände ich maximal bescheiden. Ich empfinde die Alte Waage nicht gelungen, weil sie völlig isoliert da steht und der Raum kaum profitiert. Den Michaelishof könnte man als Gegenbeispiel nennen, dort ist ein halb vorhandener, historisch geprägter Raum ohne auffällige Architektur arrondiert worden.
Auch nach längerem Blick auf die historisch-synoptische Karte erkenne ich keinen sinnvollen Standort für Rekonstruktionen, die mehr als ein iroliertes Objekt umfassen. Dieser müsste ja ein paar Kriterein erfüllen:
- Verfügbarkeit von Flächen, möglichst wenige Eigentümer
- räumlicher Zusammenhang, am besten Verbindung zwischen den Traditionsinseln
- ein früherer Bestand, der auch heute eine sinnvolle Nutzung erhalten könnte
Sehe ich nicht, wo dieser Standort sein sollte. Finde ich wie erwähnt auch nicht sinnvoll. Sinnvoll fände ich eine Orientierung an historischen Räumen und Parzellenstrukturen und eine darauf aufbauend gute Architektur. Für eine solche Stadtreparatur sähe ich auch politische und gesellschaftliche Mehrheiten. Für eine neue Rekonstruktionsdebatte wie bei der Schlossattrappe, die bis heute viele Diskurse vergiftet sehe ich keine Initiativen geschweige denn Mehrheiten in Braunschweig.
Räumlich interessant fände ich die Güldenstraße, welche man bei einem Rückbau im Zusammenhang mit dem Straßenbahnbau für eine Stadtreparatur nutzen könnte. Den Bereich Kennedyplatz/Auguststraße, die Kannengießerstraße und den Bereich nördlicher Bohlweg/Wilhelmstraße. Allen diesen Projekten steht die Mutter aus Groß Vahlsberg im Wege. Solange die Innenstadt einseitig auf den Autoverkehr ausgerichtet ist, sehe ich keine Optionen für Stadtreparaturen in größerem Maßstab.
Und nur noch mal zur Erinnerung: Aktuell werden die letzten freien Flächen mit Gebäuden wie der Casa Reha und anderen stadträumlich und architektonisch wertfreien Gebäuden bebaut. Obwohl deren Schwächen offensichtlich sind, werden solche Projekte in Presse, Bürgerschaft und Rat eher positiv aufgenommen. Da liegt der eigentliche Schlüssel für eine qualitätvollere Stadt.
Mein Eindruck ist der, dass Städte, welche in der Breite gut funktionieren, nicht versuchen alle Probleme an einem kleinen Idyll wett zu machen. Frankfurt war für mich ein absolutes Negativbeispiel was die Qualität von Räumen angeht (Mainufer abgesehen).