Bahnhofsviertel auf Metaebene

  • Ein Bild als Ausdruck der Anarchie im Viertel. Direkt am Kaisersack, an einem der meist frequentierten Punkte der Stadt, muss ein Gastronom selbst darauf hinweisen, dass Drogenhandel in seinen Außenplätzen nicht gestattet ist, weil die Behörden die Gesetzeslosigkeit in keinster Weise in den Griff kriegen.


    Le-Croissant.jpg

  • Blödsinn ist jedenfalls, dass Aufenthaltsverbote erst nach einer strafrechtlichen Verurteilung ausgesprochen werden könnten.

    Offenbar setzt man diese Aufenthaltsverbote tatsächlich auch schon um. Bei den kürzlich sehr medienwirksam festgenommenen Dealern von der Ecke Hauptbahnhof / Münchener Straße wurden laut diesem Artikel 2-monatige Aufenthaltsverbote ausgesprochen.

    Auf jeden Fall ein vielversprechender Weg: die Ecke ist auch deutlich besser geworden seither, allerdings ist die Zeitspanne auch erst ein paar Tage.

  • Hui.


    Ministerpräsident Boris Rhein meldet sich zu Wort, mit einem ambitionierten Beitrag. Viele vielversprechende Maßnahmen gegen Gesetzeslosigkeit und Elend werden in Aussicht gestellt, inklusive dem sehr bemerkenswerten Satz: "Wir wollen deshalb in Frankfurt die Kausalkette brechen und das Bahnhofsviertel – so weit es geht – für suchtkranke Menschen schließen".


    Ich wüsste gerne ob das mit der Stadt so abgestimmt ist, aber es klingt erst mal sehr vielversprechend, vor allem das er da mit seinem Namen reingeht zeigt, dass er sich daran messen lassen will. Sicherlich eine große Chance für das Viertel, ich kann mich lange nicht erinnern von verantwortlicher Seite mal so etwas weitgehendes gelesen zu haben.


    Ich persönlich werde ihn vor allem daran messen, wie viele Verkaufsorte geschlossen oder "unschädlich gemacht" werden. Bisher seit dem Amtsantritt von Rhein und Josef: 0.


    Artikel


    EDIT: die Stadt begrüßt das Ganze, Artikel.

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  • Zum Anlass der Landtagsdebatte letzte Woche und als erstes Zwischenfazit des 7-Punkte-Plans, der ja vor ein paar Wochen veröffentlicht wurde, der ja aber nur die Konsequenz einer schon länger laufenden Initiative zur Verbesserung der Zustände im Viertel ist, will ich mal wieder ein Zwischenfazit des Status Quo ziehen. Die Aussagen beziehen sich natürlich primär auf den nördlichen Teil.


    Die Situation hat sich in den letzten Wochen spürbar verbessert. Es sind viel weniger Dealer im Viertel, einige Brennpunkte wurden entschärft, es gibt weniger Hektik und weniger Belagerungszustand im Viertel. Mir fallen direkt ein Duzend besonders präsente Dealer auf, die seit ein paar Wochen einfach gar nicht mehr im Viertel zu finden sind. Auch wenn ich mit Kiosk- und Gastrobetreibern spreche, spiegeln diese mir deutliche Verbesserungen.


    Ohne jeden Sarkasmus sage ich: die Situation hat sich von einer 6- auf eine 5-6 verbessert. Noch ein paar Schritte dieser Größenordnung und wir haben hier akzeptable Zustände, aber natürlich muss das Ganze auch erst einmal verstetigt werden.


    Die Situation an den Sekundär-Hotspots am Rande des Viertels (Eingang Münchener, Eingang Taunus, Nordaufgang, Düsseldorfer Strasse): hier hat sich die Zahl der Dealer massiv reduziert, teilw. Sind gar keine mehr da. Die, die noch da sind, sind weniger aufdringlich sondern verkaufen ihre Drogen meist passiv in der Ecke ohne Passanten anzusprechen.


    Kaisersack: die Szene ist weiterhin da, aber es gibt deutlich weniger Dealer.


    Karlsplatz und Eingang Nidda/Moselstrasse. Das ist der Endgegner (Schnittpunkt von drei Konsumräumen), da ist die Situation weiterhin katastrophal, aber da finde ich es auch nicht so schlimm, da es sich hierbei nicht um Hauptverkehrswege handelt.


    Mittlere Taunusstrasse (Südseite): weiterhin dramatisch, dabei ließe sich das Problem dort wohl relativ einfach lösen … Inakzeptabel.


    Wie ist die Polizei vorgegangen. Nicht unbedingt extrem systematisch, aber sehr konsequent. Systematisch würde bedeuten, man schließt die Verkaufsorte. Zwar gibt es dort auch zunehmend Razzien, aber bisher mit begrenztem Erfolg, nur ein Laden war mal temporär dicht. Aber man spürt mittlerweile auch dort die Nervosität, es wird nicht mehr so offen und sorglos gedealt. Beim Hotelhandel gab es einige Erfolge, gerade letzte Woche wurden 200 Gramm Heroin gefunden. Auch wenn das der gestreckte Brutto-Wert sein dürfte, ist das sehr respektabel.


    Was man schön sieht: sobald die Situation im Viertel besser wird, kommen direkt viel mehr Normalbürger und nutzen die Wege.


    Es muss jetzt dringend auch beim Thema Vermüllung und Wildpinkeln / Fäkalien etwas gemacht werden, die hygienischen Zustände sind weiterhin katastrophal.


    Ich will noch ein Politikerstatement zum Besten geben:


    Elke Voitl: „Wenn Ministerpräsident Boris Rhein allen Ernstes das Bahnhofsviertel für drogenkranke Menschen schließen will, muss er auch die Verantwortung dafür übernehmen, wenn in Zukunft auf jedem Kinderspielplatz in dieser Stadt Dealer stehen.“


    Dieselbe Elke Voitl, für die im Zustand des Viertels keinen Handlungsbedarf erkennt („ das größte Problem des Viertels ist der Autoverkehr“), hat aber plötzlich ein Problem damit wenn in anderen Vierteln der Stadt einzelne Dealer auftauchen? Hier gibt es auch Kinder, hier gibt es Schulen (eine/bald zwei, zugegeben im Süden) trotzdem war es für Frau Voitl nie ein Problem das Hunderte von Dealern das Viertel belagern, dass wir hier in Dreck und Fäkalien ertrinken. Aber wehe die heile Welt der Kinder der feinen Klientel wird mal durch ein paar einzelne Dealerchen gestört, dann geht die Welt unter oder was?


    Frau Voitl hat kein bisschen Respekt vor den Bewohnern hier.

  • Das Crackzentrum kommt, allerdings nicht im Bahnhofsviertel sondern auf der anderen Seite der Düsseldorfer, in der Niddastrasse 76. Pressemeldung. In der FAZ steht noch etwas mehr, nämlich das Mike Josef daran festhält, die Anzahl der Konsumenten zu reduzieren.


    Ist das die richtige Ecke dafür? Es gibt dort weniger Publikumsverkehr, das stimmt schon. Es gibt dort allerdings viele Hotels und es dürfte weitgehend Vollbelegung durch Wohnungen herrschen. Ich bin mal gespannt auf die Reaktionen, wird die Stadt zusichern, dafür zu sorgen dass die Gegend halbwegs sauber und zivilisiert bleibt?



    EDIT, eine etwas längeren, generelle Ausführung dazu:


    Das Thema soll jetzt wohl schnell und ohne große Diskussionen über die Bühne gehen. So verstehe ich das bisherige Vorgehen der Politik. Bei einem derart heiklen Thema kann das auch sinnvoll sein, sonst können auch sinnvolle Dinge zerredet werden.


    Allerdings verstehe ich das bisherige Konzept, den Nutzen und das Vorgehen dieses Zentrums überhaupt nicht. Es wird immer vom Züricher Modellprojekt gesprochen (ich nehme an, es ist das hier: Link), das so erfolgreich verläuft. Dadurch wurde wohl der Straßenkonsum komplett und -handel weitgehend beseitigt, alles spielt sich in diesem Zentrum ab: Link.


    Jedem muss klar sein, dass zumindest die Crack-Leute das nicht wollen. Die haben keine Lust eingesperrt zu sein, die wollen rumlaufen, alle 15 Minuten ihren Stein rauchen, sich unterhalten, bisschen schnorren, ticken, Leute anquatschen, pfandsammeln usw.. Wenn man den öffentlichen Raum entlasten will, muss man mit harten polizeilichen Maßnahmen durchsetzen, dass der Konsum auch tatsächlich nur in diesem Zentrum stattfindet. Freiwillig passiert das nicht.


    Soll das Züricher Modell 1:1 so in Frankfurt umgesetzt werden? Was ist das Zielbild?

    • In Zürich wird der Kleinhandel im Zentrum erlaubt, in Deutschland fehlen dafür die rechtlichen Voraussetzungen. Wie geht man damit um?
      • Hypothese: Ich denke es wird geduldet werden. Ganz gemäß Frankfurter Tradition werden alle Augen zugedrückt, der Rechtsstaat ignoriert und das Thema totgeschwiegen. Das halte ich aber für riskant, wenn das irgendwann nicht mehr geht, bricht das ganze Konzept zusammen.
    • In Zürich wird der Konsum außerhalb des Zentrums konsequent unterbunden. Will man das in Frankfurt wirklich machen? Das ginge weit über das hinaus, was im Rahmen der als aggressiv angesehenen aktuellen Innenstadtinitiative (Rheinscher 7-Punkte-Plan) passiert: Weiterhin werden aktuell Konsumentengruppen an vielen Stellen geduldet. Das setzten SPD und Grüne durch? Das können die ihren Jungendorganisationen und linken Flügeln verkaufen? Ist das mit dem Land abgestimmt? Die Polizei spielt da DAUERHAFT mit? Hier habe ich sehr wenig vertrauen in die Behörden, daran glaube ich nicht, dafür braucht es einen Paradigmenwechsel, dahinter müssten sich alle Stakeholder öffentlich und sehr klar versammeln.
    • In Zürich ist das Zentrum nur in Zürich gemeldeten zugängig. Wie regelt man das in Frankfurt? Werden dann alle hier gemeldet? Wo konsumieren die, die nicht in Frankfurt gemeldet sind?


    Fragen über Fragen. Bisher habe ich da kaum Informationen. Ich vermute das wird wieder nur eine Alibi-Aktion, die man nicht konsequent durchzieht und die nichts bringt außer die Diskussion ruhigzustellen. Paar Jobs für die Klientel springen raus, man kann sagen dass man was tut und „huch“, am Ende hat es leider nicht funktioniert, konnte ja keiner ahnen. Am Ende wird es nur ein weiterer Konsumraum, der den öffentlichen Raum kein bisschen entlastet. Im Gegenteil, vor dem Haus wird derselbe Wahnsinn ausbrechen wie vor den anderen Konsumräumen.

    5 Mal editiert, zuletzt von Rud ()

  • Gegen das Crackzentrum regt sich Widerstand aus der Business Community, der Voitlsche Plan, das ganze möglichst ohne Diskussion und Information unter der Hand durchzukriegen könnte scheitern: Link und Link.


    Ich bin auch weiterhin absolut entsetzt über das Vorgehen:


    1) Von OB Mike Josef hört man dazu gar nichts mehr, er zieht sich aus diesem zentralen Vorhaben weitgehend raus und lässt Voitl im Regen stehen.


    2) Es gibt wirklich Null Komma Null Informationen seitens der Stadt, man hält komplett dicht: Was ist das Ziel des Zentrums? wie soll das Ganze werden im Vergleich zu Zürich? wie stellt man sich die Realität in der unmittelbaren Umgebung des Zentrums in Zukunft vor? Wie wird das finanziert (ursprüngliche Idee war das da was vom Bund kommt, jetzt will man was vom Land, Gespräche gab es aber wohl noch keine)? ...

  • Also den Widerstand kann ich jetzt echt nicht verstehen: Die Kreuzung Düsseldorfer und Niddastr. ist allein auf der einen Seite durch die unglückselige Überbauung so unangenehm, da macht doch absolut Sinn, durch ein Crackzentrum im Gallusteil die Frequenz an passierenden Dealern und Junkies etc. zu erhöhen! Man muss natürlich darauf achten, dass man die Fahrgäste an der Haltestelle "Platz der Republik" bestmöglich ins Geschehen miteinbezieht, und eventuell findet sich an der Ecke noch ein Plätzchen für eine Grundschule ...


    Und was soll man sonst noch sagen zu Voitls Ideen? Denn ehrlich gesagt weiß ich nicht mehr, ob die Pläne wie das Crackzentrum an der Stelle tatsächlich ernst meint, oder ob die Geld dafür bekommt, mit ihren Aktionen die AFD ins Kanzleramt zu regieren.


    Und Ironie und Satire bei Seite gelassen, es ist schon traurig, wie die gesamte Innenstadt immer mehr verkommt. Die Zustände an der Konsti werden auch immer unangenehmer, das richtige Wort ist "abgef_ckt". Gerade die kleinen inhabergeführten also einheimischen Frankfurter Gewerbebetreiber dürften in der Kasse merken, wenn solvente Kundschaft sich ob der Zustände den Gang in die Stadt erspart.


    Aber - um mit ein wenig Polemik zu schließen - die Interessen von Steuerzahlern sind natürlich nicht so cool wie die von Crackjunkies.


    Einmal editiert, zuletzt von *Gerald ()

  • Es gibt anscheinend eine Diskrepanz zwischen der Einrichtung einer Crack-Ambulanz an sich und der Art und Weise der Standortfindung. Niemand bestreitet anscheinend, dass so eine Einrichtung nützlich sein kann, aber in der Nachbarschaft will sie keiner. Wenn man Konsum außerhalb der Einrichtung unterbinden will (Züricher Weg), muss man erst mal eine Einrichtung haben, weshalb ich annehme, dass ein solches Vorhaben durchaus nützlich ist.


    Standortfindung in der Weise zu betreiben, dass man alle möglichen Standorte öffentlich ventiliert, führt zur augenblicklichen Zerredung aller Vorschläge, man kann davon ausgehen, dass niemand eine solche Einrichtung in seiner Nachbarschaft haben will. Wer die Art und Weise kritisiert, wie die Standortfindung kommuniziert wurde, beklagt im Grunde nur, dass er nicht früher Nein sagen durfte. Naiv anzunehmen, irgendjemand würde das Vorhaben freudig begrüßen, wenn er nur früh genug gefragt worden wäre. So läuft’s halt nicht. Deshalb ist es schon ok, wenn die Verwaltung Standorte prüft, ohne dass ihr irgendjemand sogleich reingrätscht. Die Kritik muss sie halt aushalten.


    Außer der Eignung nach Art, Größe, Lage, Zuschnitt und Ausstattung, kommt es auch auf die planungsrechtliche Zulässigkeit an; der HessVGH hat sich schon mehrfach dazu geäußert. Letztlich kommen dafür nur MI- und MK-Gebiete (Misch- und Kerngebiete) in Frage, weil nur dort solche Einrichtungen regelmäßig zulässig sind. In allen anderen Baugebietstypen, sind sie nur ausnahmeweise zulässig, was voraussetzt, dass ein B-Plan die Ausnahme ausdrücklich enthält. Unter dieser Voraussetzung wird die Standortsuche schon schwierig.

  • Absolut richtig was du sagst, auch die meisten Menschen, die ein solches Zentrum grundsätzlich begrüßen, wollen es auf keinen Fall in der eigenen Nähe. Ist in geringerem Umfang bei Flüchtlingsheimen und Windrädern (uvm) auch der Fall.


    Wenn man sich die das direkte Umfeld rund um den anderen Konsumraum auf der Nidda-, das Nachtcafe auf der Mosel- und den kleinen Konsumraum auf der Elbestraße anguckt muss man allerdings sagen: es ist schlimmstes zu befürchten. Die genannten Gegenden werden von 95% der Menschen als unbewohnbar angesehen (Beim La Strada ist es etwas besser, aber eben auch nur weil sich die Mainzer Landstrasse nicht zum abhängen eignet.). Stadt und Behörden sind die Anwohner/ Locals dort eben auch absolut scheißegal, die kümmern sich kein bisschen um Fäkalienbelastung, Vermüllung, nächtliche Verlärmung, Wegelagerei und Handel, uvm..


    Sofern die Stadt nicht einen U-Turn vollzieht und endlich beginnt ihre Kernaufgaben wahrzunehmen, werden die meisten Familien vom Crackzentrum wegziehen und auch z.B. das 7 Bello dürfte gefährdet sein. Vor ein paar Monaten hat ein indisches Restaurant gegenüber dem Nachtcafe aufgemacht, das war binnen einer Woche wieder zu und hat nie mehr aufgemacht! Niemand geht da freiwillig hin, wobei der Betreiber das hätte wissen müssen.


    Wahrscheinlich ist diese Gegend vom Widerstand der Anwohner her noch eine, in der man das leichter hinkriegt. Primär Mietwohnungen, da können die Anwohner ohne Wertverlust weg, sind auch viele Ausländer da, die dürften weniger vernetzt zu Journalisten und Politikern sein und auch nicht ganz so stark zu Bürgerinitiativen usw. neigen.


    Es bleibt die Frage: warum macht die Stadt komplett dich und gibt nicht einmal ein Mindestmaß an Informationen raus, um wenigstens ein paar Ängste zu nehmen und zu erklären was den Notwendigkeit und evtl. sogar positive Effekte des Zentrum sein könnten. Das ist die eigentliche, riesengroße Enttäuschung.


    Hinsichtlich Bahnhofsviertel ist die Stadtverwaltung einfach ein Totalausfall, die einzige Hoffnung bleibt das Land.