^Ich antworte zuerst auf deinen Beitrag aus dem Kölner Bereich.
Es geht mir nicht darum, ob man vor der Tür parken kann oder nicht, sondern darum, dass der Eigelstein als ein typisches „Veedelszentrum“ nicht mit der Bonner (meinetwegen auch Kölner) Innenstadt als Oberzentrum vergleichbar ist. Das Angebot des Handels richtet sich sicher in erster Linie an die Bewohner des Viertels bzw. der angrenzenden Viertel, umfasst also überwiegend Waren des täglichen Bedarfs: es gibt Lebensmittelmärkte, Drogerie, Kiosk, Apotheke, Bäckerei, Optiker, solche Läden wie KODi, TEDi, Angebote für Migranten. Alles andere bringt der Paketbote. Wer dort einkaufen oder die Gastronomie aufsuchen will, braucht kein Auto, weil man zu Fuß oder mit dem Fahrrad schnell vor Ort ist. Wohl kaum jemand, der keinen Bezug dorthin hat oder etwas sehr Spezielles will, wird aus Rodenkirchen, Pulheim oder Düren zum Eigelstein fahren, um zu shoppen oder essen zu gehen. In Bonn sind vielleicht Endenich, Poppelsdorf oder die Nordstadt/ Kölnstraße vergleichbare Subzentren, wobei Poppelsdorf mit der Gastromeile ein wenig hervorsticht.
Demgegenüber sind Oberzentren wie die Bonner und die Kölner Innenstadt, aber auch kleinere Zentren wie Siegburg z.B., viel stärker auf den Handel und höherwertige, langlebige Konsumgüter ausgerichtet (Kleidung und Schuhe, Sportartikel, Haushaltswaren, Bücher, Elektronik, Spielzeug). Das funktioniert nur, wenn Kunden erstens zahlreich kommen, also auch aus dem Umland, einschließlich Eifel, Bergisches Land etc. und zweitens auch Geld da lassen, also kaufkräftig sind. Wohnungen gibt es in der Bonner Innenstadt kaum (noch), weil alles auf den Handel ausgerichtet ist. Deswegen ist die Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem Auto immens wichtig. Der ÖPNV in Bonn ist bei Weitem nicht so gut wie der Kölner, aber genauso teuer und oft keine Alternative. Der Bonner Innenstadt geht es noch gut, aber der Leerstand, auch länger anhaltend, hat zugenommen, genauso Betteleien, Dreck, eine teilweise schwierige Klientel und obendrauf kommen die unseligen 2G-Regeln. Die Konkurrenz durch den Online-Handel ist massiv spürbar (Bonn liegt bei Paketbestellungen laut Statistik weit vorne). Irgendwann setzt dann eine Abwärtsspirale ein, die dann kaum mehr aufzuhalten ist.
Zum Verkehr in Bonn:
Ich kenne Bonn mit dem Auto, zu Fuß und mit dem ÖPNV (das Fahrrad ist für mich ein Sportgerät). Ich habe das Wehklagen über den Verkehr in Bonn nie verstanden. Klar, im Berufsverkehr staut es sich an bestimmten Stellen, z.B. auf der Reuterstraße, es gibt Baustellen und jahreszeitlich bedingte Staus. Aber allgemein kommt man doch gut durch und kann, wo erlaubt, auch 50 fahren. Selbst die Stadtwerke sagen, dass Tempo 30 ihre Busse ausbremst (z.B. in der vergangenen Diskussion um Tempo 30 auf der Kaiserstraße).
Und klar ist auch, wenn Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit kommt, wird es innerhalb des bebauten Bereichs kaum Ausnahmen geben. Der Ton in der Debatte und die Rigorosität im Handeln sind eindeutig. Auf der Reuterstraße gilt heute bereits Tempo 30 zwischen Autobahn und Bonner Talweg. Die Ratskoalition will das bis einschließlich der Reuterbrücke ausweiten. Und zwar ganztags, nicht nur nachts aus Lärmschutzgründen, wie in Berlin. Tempo 30 auf der Adenauerallee würde genauso kommen wie auf der B 56. Ausnahme im innerörtlichen Bereich bliebe vielleicht die B 9.
Thema Autobahn:
Die Ratskoalition samt OB will den Ausbau der A 565 im Zuge des Neubaus des „Tausendfüßlers“ verhindern. Eigentlich war vor Jahren der überparteiliche Konsens erreicht, dass der Venusbergtunnel nicht kommt, die A 565 stattdessen aber sechsspurig ausgebaut wird. Jetzt wollte die Koalition einen Neubau der Autobahn wie bisher, als vierspurige Stadtautobahn mit verengten Fahrstreifen und ohne Standstreifen, dafür mit Radwegen, durchsetzen. Als „Kompromiss“ will man nun noch immerhin Standstreifen erlauben, die im Bedarfsfall freigegeben werden können.
Die Autobahn als Alternative ist also auch nicht erwünscht, von einem neuen Vollanschluss an der Brühler Straße als Ersatz für den Halbanschluss „Tannenbusch“ und zur Entlastung des Bonner Nordens hört man nichts mehr. Ein geplanter Halbanschluss an der Schlesienstraße (A 555) wurde vom Bund abgelehnt mit Hinweis auf den damals ebenfalls geplanten Anschluss in Bornheim und mit dem Argument, Autobahnen seien nicht zur Entlastung von Stadtstraßen da.
Zusammenfassend:
Mich störte nicht die Kappung des Cityrings vor dem Bahnhof, wenn es Alternativen gäbe. Als solche war mal der „Citybogen“ im Gespräch, also die Stärkung der Verbindung über Belderberg und Oxfordstraße. Jetzt sollen Umweltspuren auf dem Belderberg kommen. Gleichzeitig ist eine Verdoppelung des Takts der Linie 66/ 67 geplant, was gut ist, aber die Durchlässigkeit am Bertha-von-Suttner-Platz weiter verringert. Und ich bin sicher, dass im kommenden Jahr auch auf der Oxfordstraße eine Umweltspur beschlossen wird (Richtung Brücke) und eine Protected Bike Lane (Richtung Stadthaus).
Mich stört die Rigorosität in der politischen Debatte, nicht nur lokal, nicht nur in der Verkehrs-, sondern generell z.B. in der Energie- oder Coronapolitik. Absprachen und Versprechen werden ignoriert und gebrochen, es zählt nur noch das was man glaubt politisch durchsetzten zu können, ohne Rücksicht auf die Belange von Minderheiten. Die eigene Position wird als „Wahrheit“ wahrgenommen und das eigene Handeln mit einer vermeintlich moralischen Überlegenheit selbst legitimiert. Andere Positionen werden überhört, verächtlich gemacht und bekämpft, ein Ausgleich findet nicht mehr statt.