Charité - Bettenhaus und Ambulanzzentrum (ATIZ)

  • Um den Bogen zurück zur Architektur zu schlagen: mir ist es auch lieber, das Geld wird in die Patientenversorgung investiert statt in repräsentative Bauten, ein gestalterischer Minimalstandard sollte allerdings drin sein.


    Diese Sichtweise scheint ja hier sehr populär zu sein und dagegen kann man natürlich auch irgendwie immer schlecht was sagen. Dennoch erinnert mich das immer an das gegenwärtige Totschlagargument bei architektonisch anspruchsvolleren Projekten: Baut doch lieber mal Schulen und Kitas.


    Hätten jedenfalls unsere Urgroßväter auch so gedacht, wäre so mancher heute so bewunderter repräsentativer Bau nie entstanden. :nono:

  • Die Masse der Bauten war schon immer simpel gehalten. Überdauert hat die Bestenauslese (alles andere wurde längst abgerißen) eben nur das Sahnehäubchen und das gibt immer einen etwas schiefen Eindruck. Außerdem ist so mancher alte Klinik-Campus, den es ja überall in Deutschland gibt, seinerzeit zB als Sanatorium für die reiche Oberschicht gebaut worden und nicht als allgemeine Klinik, als was diese dann heute weiterhin genutzt werden. Auch das darf man nicht vergessen. Der gemeine Mann von der Straße hatte nie eine so gute medizinische Versorgung und Unterbringung wie in unseren Tagen. Ich zumindest habe "Anno Dazumal" mit meiner Herkunft nicht zur bürgerlichen Oberschicht gehört.

  • Zur architekturfernen Debatte beisse ich mir als an der Charité beschäftigter Wissenschaftler mal auf die Zunge, aber was mich tatsächlich interessieren würde:


    So über den Daumen gepeilt - wieviel wird denn durch den Wegfall des Backsteinsockels tatsächlich gespart? Ich nehme an, eine Summe eher im Promille- als im Prozentbereich der Gesamtkosten. Insofern halte ich das Kostenargument für absurd. Aber vielleicht belehrt mich hier jemand eines Besseren - von der Kostenkalkulation habe ich nämlich keine Ahnung.


    Denjenigen, denen ein reiner Zweckbau an dieser Stelle genug ist, empfehle ich einen Spaziergang über den Campus. Das sind keinesfalls alles Zweckbauten, die in früheren Jahrhunderten hier entstanden sind. Allerdings empfinde ich die weisse Fassade im oberen Bereich als gelungen - mir ist allerdings die alte Fassade noch in die Netzhaut gebrannt (mein Schreibtisch steht am Fenster mit direktem Blick auf das Bettenhaus).

  • ^^alle Epochen. Und selbst in der Pracht des antiken Rom gab es einfach gehaltene Gebäude en Masse. Erinnert und bewahrt wird immer das Herausragende, nicht das Mittelmaß oder gar das Mißlungene. Und zu Zeiten unserer Urgroßväter war das Krankenhauszimmer für den einfachen Bürger eher ein großer, karger Raum mit einem dutzend einfacher Metallbetten mit zuziehbarem Vorhang und dampfenden Bettpfannen, in einem kargen Gebäude, als irgend ein schickes, repräsentatives Gebäude.

  • naja ich rede jetzt aber schon von der Gestaltung der Fassaden. Und das es mal Zeiten gab in denen die Zahl der nicht erhaltenswerten Gebäuden deutlich geringer war als heute darüber lässt sich ja nur schwerlich streiten, außer man ist ein totaler Anhänger von Schuhkartons.

  • Die Abendschau des RBB berichtete heute über den aktuellen Bautenstand und durfte sich zu diesem Zweck auch im Inneren des Bettenturms umsehen.


    Auch der Tagesspiegel berichtet mal wieder über die Sanierung. Ich verlinke den Artikel hier nur der Vollständigkeit halber, da sich daraus im Prinzip nichts neues ergibt.

    4 Mal editiert, zuletzt von Petrichor () aus folgendem Grund: Link korrigiert und Tagesspiegel-Artikel nachträglich verlinkt.

  • Irgendwie recht grausam, wenn über solche Flächen immer das exakt identische Raster durchgezogen wird. Wobei die Fassade an sich zumindest auf dem dritten Bild gar nicht mehr so billig und lieblos auf mich wirkt (da muss ich erst mal den realen Eindruck abwarten). Aber als riesige Fläche fühle ich mich davon wie gesagt trotzdem etwas erschlagen. Vielleicht kann es dereinst u.a. zusammen mit dem BND den neuen Architekturstil der "Gigantonomischen Monotonie" einläuten.

  • ^ Naja, so richtig neu ist die Idee ja nicht, Hochhäuser mit einer monotonen Alufassade zu bekleben - nur galt sie gestalterisch eigentlich seit den Achtzigerjahren als überholt. Erinnert sei an das in den späten Sechzigern entworfene World Trade Center selig. Wobei das alte WTC - anders als das Bettenhaus - dank seiner immensen Höhe und der Betonung der Vertikale bei aller Monotonie elegant wirkte, und seine Fassade eben nicht nur Dekoration war, sondern tragendes Element der Struktur (was natürlich am Ende eine tragische Rolle spielte).

  • Wie Du schon schreibst, wirkte das WTC geradezu elegant im Vergleich. Ich meine ja auch nicht einfach nur die Tatsache, dass da ein großer Kasten eine recht gleichförmige Rasterfassade bekommt (dafür gibt es natürlich zahlreiche Beispiele). Aber beim Bettenturm habe ich anders als beim WTC einfach nicht das Gefühl, dass das recht enge Raster irgendwo zu den Proportionen des Baukörpers passt. Beim WTC wurde mE mit einigen wenigen und vergleichsweise einfachen Stilmitteln ein recht passables Gesamtergebnis erreicht (mein Traum von einem Hochhaus war es dennoch nicht) was natürlich auch durch die Zwillingsstruktur und die Gesamthöhe begünstigt wurde. Gerade das zeigt mE, dass man nicht planlos tausend Variationen an eine Fassade klatschen muss, um sie ansprechend zu gestalten. Aber bei der Charité steht eben allein/ primär die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund was auch nachvollziehbar ist.

  • ^Das war also der Grund für die fröhliche Musik, die bis zum Dorotheenstädtischen Friedhof schallte, von wo ich gestern dieses Foto geknipst habe.


  • Also diese Baustelle ist richtig vorbildlich.
    Von der ganzen Stadt gut einsehbar, keine lästigen Bauzäune und Sichtfolien und gut voran geht es auch noch.
    Eine reine Freude, wenn der Entwurf nicht so reduziert worden wäre






    Gruss an unseren fleissigen Kranmann



    Bildquelle Theseus532

  • Danke, gruß zurück. Zur zeit ist erstmal Montage Stop für die Fassade. Wir bauen auf der Nordseite die Windschilder ab. Fassade ist drei wochen im vorlauf.

  • Die DDR hatte in den Anfängen im Stalinschick eine nette Alternative zur brutalen Westmoderne. Leider hat sie diese dann im Laufe des sozialistischen Daseins in Sachen unmenschlicher Scheusslichkeit noch überboten - die Charité bildete den bitteren Schlusspunkt. Nun wird diese fast schon neoklassizistisch, sprich weiss und elegant gegliedert, mit einem (ein wenig hysterischen) Raster überzogen. Wenn das Teil fertig ist, wird es zum Fanal für andere Projekte werden. Dringend warten andere Wegwerfbauten darauf (auch in der Schweiz), dass man sie endlich anständig einkleidet. Fassadenveredelung, die sofort das ganze Panorama pimpen wird.


    PS.: Die Verarbeitung ist tadellos. Das wird gut so.

  • Ich würde mal meinen Wegwerfbauten warten vor allem auf eines: Dass sie weggeworfen werden. Es liegt ihnen sozusagen in den Genen.

  • Weitere aktuelle Bilder, zunächst die Ostseite mit dem Neubau:




    Ansicht Luisenstraße, bei Sonne sieht es nicht ganz so trist aus:






    Hinten ist der Neubau (noch Rohbau) zu sehen:


  • Der gelbe Windschutz ist weg.und gibt neue Einblicke frei.

    Fernansicht

    Osterweiterungsbau ( OP-Trakt?)

    Mit Verbindung zum Bettenturm

    Verbindung Bettenturm - Westtrakt
    Hier wurde gerade ein neues Verbindungselement eingehoben.