Stadtschloss Berlin: Der Thread für den Wiederaufbau

  • Sehen Dom oder Reichstagsgebäude auch plump und klobig aus, weil diese nicht mehr den ursprünglichen, reichen Zierrat auf dem Dach haben? Oder die St-Hedwigs-Kathedrale? Oder zig andere vereinfacht rekonstruierte Bauten Berlins?.


    Ja absolut, die habe ich in meiner Aufzählung nicht genannt. Aber in der Tat wenn man sie mit dem Zustand vor Zerstörung vergleicht, kann man zu der Beurteilung gelangen.

  • Kann man, selbstverständlich. Aber du idealisierst dabei aber doch nur wieder die Taube auf dem Dach. Auch damals war eine Vollreko keine Option. Nach der "ganz oder gar nicht"-Herangehensweise wären die Ruinen von Dom, Reichstagsbau und Kathedrale also abgetragen und durch irgendwelche Nachkriegskästen ersetzt worden, anstatt in einer kritischen Rekonstruktion bis heute Berlin stark zu prägen. Selbst ohne besonders detailverliebten Schmuck. Der Vergleich von Vorkriegsfotos mit dem Ist-Zustand ist hingegen nie realistisch gewesen, der perfekte Vorkriegszustand stand nie zur Debatte. Und so ist es auch hier. Du solltest dich also lieber fragen, willst du ein zeitgeschmäcklerisches Werk wie die Wippe oder willst du reduzierte Reko-Kolonnaden mit einem zurückhaltenden Einheitsdenkmal?

  • ^ Das ist ja nicht die Frage. Du hast gefragt ob diese Gebäude ohne ihren Zierrat also die Vorkriegsfassung, plump und klobig aussehen. Und ich sage ja. Was hat das mit idealisieren zu tun? Du kommst nicht umhin vielleicht weniger beim Reichstag aber bei Dom und Kathedrale allemal, zu sagen, dass sie jetzt ohne ihre großen Laternen viel gedrungener und schlechter proportioniert daherkommen. Und ich habe doch gesagt was ich will, weder Wippe noch Reko-Kollonaden. Da bin ich ganz bei Konstantin.
    Wer bestimmt eigentlich in Berlin, dass wenn rekonstruiert wird, nur die Situation direkt vor Zerstörung rekonstruiert wird?
    Hat man beim Wiederaufbau vieler romanischer Dome ja auch nicht gemacht, sondern ganz bewusst sich nur auf eine Zeitschicht, die der Entstehung beschränkt und alle nachträglichen Zufügungen aus Gotik, Renaissance, Barock etc. weggelassen.

  • Richtig. Aber du sagtest doch gestern Abend "Dann soll man sich lieber was neues einfallen lassen oder garnicht.", also "ganz oder gar nicht", wenn ich dich richtig verstehe. Und ich meine das führt in diesem Fall ganz klar zu "dann gar nicht" und der Wippe oder wer weiss, was man sich stattdessen zeitgeschmäcklerisches einfallen lässt. Ich sehe das nicht als eine Frage der besten Lösung, die eine Gruppe am zufriedensten macht sondern als den besten Kompromiss, mit dem alle Gruppen noch am besten leben können.


    Die Schlossfassade bekäme auch ohne wilhelminischen Zierrat durch die voluminösen Kolonnaden den "dritten Schlosshof" zurück, ganz egal was man sich ggf. zeitgeschmäcklerisches als Einheitsdenkmal im Raum innerhalb der Kolonnaden einfallen lässt, es kann nicht mehr disruptiv auf das Stadtpanorama und die Stadtschlossfassade wirken, da es von den Kolonnaden verdeckt werden würde und hätte umgekehrt einen Sockel, um feierlicher zu wirken, als dies ohne Kolonnaden, mit einem einfachen Geländer an der Uferkante (was, wenn nicht maximal plump, wäre das denn umgekehrt?), wirken würde, ganz egal, wofür man sich letztlich als Denkmal entscheidet. Darum halte ich es für die beste unter vielen nicht perfekten Alternativen, eine kritische Kolonnaden-Reko mit einem Einheitsdenkmal zu verbinden.

  • Camondo: Tendenziell stimme ich da zu. Aber insgesamt bin ich dennoch recht zufrieden mit dem Ergebnis, insbesondere wenn man mögliche Alternativen bedenkt. So plump finde ich das Ergebnis dann im Vergleich nicht mal mehr...

  • @ Pumpernickel


    Definiere rekonstruierte Kollonaden. Mit oder ohne Figurenschmuck? Ohne Figurenschschmuck ist nichts halbes und nichts ganzes und sieht einfach nur nach was Verstümmeltem aus. Mit Figurenschmuck wäre dann die Alternative aber die ist nicht zu verwirklichen, also bleibt nur nach weiteren Möglichkeiten zu suchen.
    Eingedenk der Ablehnung der Wippe.

  • Es ist doch noch nicht mal entschieden wie die Rekonstruktion ausfallen soll. Wenn wir dort eine "kritische Rekonstruktion" bekommen, wirds dann wohl eher wie die James-Simon-Galerie daherkommen. Die Frage ist also, wird hier die Idee der Ostseite fortgeführt oder eben die Idee der Fassaden-Reko.
    Ich könnte mir vorstellen die Kollonaden ohne Figurenschmuck zu errichten, mit der Option diesen dann nachträglich anzubringen. Finanziert ebenfalls über Spenden, es wird die Zeit zeigen wie sich das Spendenaufkommen für die Stadtschlossfassade entwickelt.
    Der Blick vom Schinkelplatz auf die Kollonaden kann sehr gut ohne diversen Figurenschmuck leben, also ist das für mich eine annehmbare Alternative.

  • Camondo
    So, wie sie waren, ohne die Figuren auf dem Dach. Analog der Stadtschlossfassade natürlich aber mit den ganzen in Stein gearbeiteten Ornamenten am Kolonnadenbauwerk selbst. Alles andere wäre ja auch keine Rekonstruktion. Während das Weglassen der Dachfiguren einfach nur ein Weglassen ist, wäre eine Reko ohne Ornamentik des Kolonnadenbauwerks keine Reko mehr, kein Weglassen, sondern ein komplett anderes Bauwerk, das nur an einen historischen Vorgänger angelehnt ist.


    Dann könnte man auch gleich die James-Simon-Galerie nachbauen. Sowas will mit Sicherheit niemand. Und es wäre auch sehr inkonsequent und sinnfrei, da ja direkt gegenüber die Stadtschlossfassade mit aller Ornamentik rekonstruiert wird. Es ergäbe keinen Sinn, nun bei den wesentlich kleineren Kolonnaden diese Ornamentik verbißen abzulehnen.


    Verzichtet wird also auf das Reiterstandbild mit Sockel mit Wilhelm sowie die Figuren auf dem Dach. Das ist das, was ich als kritische Rekonstruktion bezeichnen würde.
    Das wäre wohl mehrheitsfähig. Und auch das, was der Bund selbst gerne hätte. Er hat sichtlich gefallen daran gefunden, sich "seine" Hauptstadt sukzessive repräsentativer auszubauen. Anders sind die ständigen Kultus-Extrawürste für Berlin gar nicht mehr zu erklären. Dazu passt eine verkopfte Puritanerlösung des "wir machen uns bundesdeutsch-klein und demütig und bescheiden und schämen uns Deutsche zu sein" einfach nicht. Der Bund will es sicherlich repräsentativ und prunkvoll. Muss aber die Gratwanderung beachten, dass es nicht in Chauvinismus umschlägt und man nicht Applaus von falscher, unerwünschter Seite erhält. Also kann man gut auf die Dachfiguren und den reitenden Wilhelm verzichten, das ist auch eine Geste um sich von Restauration und Revanchismus überzeugend zu distanzieren, aber die Kolonnaden zurück vor die neue Stadtschlossfassade holen - denkmaltechnisch gesehen eine Ergänzung des nach wie vor vorhandenen Bauwerks!

  • Mh, also obwohl ich kein Kaiserstandbild vor dem Schloss sehen möchte bin ich bei dem Figurenschmuck da nicht so sicher. Man verzichtet dort ja eigentlich nicht auf irgendeinen Zierrat sondern auf Kunstwerke von Begas erschaffen. So wie Schinkels Bauwerke wiedererstehen hat evtl. dieser Künstler auch ein Anrecht auf ein "Wiedererstehen"? Ausserdem würde der Schmuck mit den vielen Tierskulpturen sehr gut zum Neptunbrunnen passen der dann ja auch wieder "um die Ecke" stehen würde ;)
    Eine Frage der Ansicht: Sind die Kolonnaden mit Zierrat protzig behangen gewesen ("Wilhems Zoo") oder waren sie eher das Grundgerüst eines Gesamtkunstwerkes, ausgestattet mit lebendigen, ausdrucksstarken Tierskulpturen?

  • Ich finde es ja mittlerweile schon echt amüsant, was in Deutschland mittlerweile alles als überladen, protzig, kitschig und viel zu viel gilt.


    Ich war vor 3 Monaten in Rom und habe mir dort das Nationaldenkmal angesehen. Da kann man sagen: "Mein lieber Scholli, eine Nummer kleiner wäre auch nicht schlecht gewesen".


    Das alte deutsche Nationaldenkmal war dagegen eine Gartenlaube. Das Problem in Deutschland ist doch, dass man das "Sehen" verlernt hat. Da man durch Krieg und Nachkriegszeit fast alle dieser opulenten Bauten verloren hat sind heute 3 Skulpturen an der Wand und 3 Ornamente schon "zu viel". Ich glaube, das man Dinge wie Relief, Fassadentiefe, Ornament, Verspieltheit etc. erst mal wieder lernen muss und manche hier auch ertragen.


    Und das soll kein Blaubrief für "Mehr ist Mehr" sein. Im Historismus gab es leider auch furchtbare Entgleisungen. Aber das Nationaldenkmal als überladen, schwüstig oder völlig überdekoriert anzusehen, das kann ich nicht sehen.


    Ich finde die Kolonnaden mit den zwei seitlichen Quadrigen, den Adlern und den Wappen eigentlich sehr hübsch (eines ist übrigens das bayrische, da die ja einiges davon finanzieren werden, wäre so ein bayrisches Wappen unter dem Adler doch gar nicht schlecht;) ). Beim Reiterstandbild hätten der Kaiser und die 4 Löwen vermutlich gereicht, die restlichen Figuren waren vielleicht etwas viel. Aber da der Kaisser eh nicht zurück kommt, würden die Kolonnaden im Ursprungszustend sehr gut passen und mit dem Portal III sehr gut korrespondieren.


    Ich finde, man muss so viel Kälte und Stringenz im aktuellen Städtebau vertragen. Warum dann an einer Stelle nicht auch mal 3 Figuren mehr. Ich weiß nicht wem das weh tun soll. Wenn es z.B. über Spenden kommt, warum nicht.


    Und alle die damit nichts anfangen können, müssen diesen einen Platz ja nicht aufsuchen. Es zwingt sie ja keiner. Ich fände es toll, mal einen einzigen Berliner Platz zu erleben, in dem die goldene Zeit Berlins erlebbar würde. Und nein, ich will keinen Kaiser, keine Armee, keine Monarchie zurück, sondern lediglich das Raumgefühl dieser Epoche einmal erleben. Ich finde, einen solchen Platz würde Deuschland aushalten und vielleicht würde man dann auch wieder lernen, dass "zu wenig manchmal eben doch zu wenig" ist.

  • Ich finde es ja mittlerweile schon echt amüsant, was in Deutschland mittlerweile alles als überladen, protzig, kitschig und viel zu viel gilt.


    Das Problem in Deutschland ist doch, dass man das "Sehen" verlernt hat. Da man durch Krieg und Nachkriegszeit fast alle dieser opulenten Bauten verloren hat sind heute 3 Skulpturen an der Wand und 3 Ornamente schon "zu viel".


    Interessante These. Hier die Gegendarstellung aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert:



    Quelle Wikipedia


    Man muss sich nur mal die Löwen im Tierpark ansehen (und sich dann gut 150 weitere Viecher und gut 50 Menschen dazudenken). Dann ahnt man, woher die Kritik und der Spott kamen. Die Kolonnaden allein werden schon mächtig wirken. Das Denkmal kann man sich da mE sparen.

  • @ Jan


    vom Denkmal redet ja auch keiner. Es geht einzig und allein um die Kolonnaden. Und wer mal in Rom oder Wien war, der lernt erst mal, was monumental wirklich bedeutet. In Wien zum Beispiel stehen Bauten von der Dimenson des Reichstags in Massen rum. Man gehe mal den Ring lang.


    Wer den Petersdom sieht und dann behauptet, der Berliner Don wäre monumental, sorry, für die preußische Provinz vielleicht, aber verglichen mit anderen Städten ist das nichts. Ich weiß gar nicht woher das kommt, dass in Berlin immer alles monumental sein soll. Paris, Wien und Rom spielen da mit ganz anderen Dimensionen.


    Faktisch war das deutsche Nationaldenkmal ein eher überschaubares Denkmal. Und die von dir gepostete Kritik mag einigen Zeitgenossen vielleicht so rüber gekommen sein, gerade weil in der Zeit des Historismus gerade in Berlin sehr großzügig mit Bauschmuck umgegangen wurde und man in der Kunst ja bereits langsam zur Moderne überging und sich eine Gegenströmung bildete.


    Trotzdem gehört diese Epoche auch dazu. Und ich mag den Historismus sehr, gerade als Kontrapunkt zur heutigen Zeit. Ja, bei manchem Warenhaus hat man es vielleicht in Berlin mit den Putten und Figuren übertrieben, aber von diesen Beispielen hat sich im Original doch kaum bis gar nichts erhalten. Man hat manchmal das Gefühl, wenn man einmal ein Bauwerk aus dieser Zeit rekonstruieren würde, dass die Angst besteht, Harald Glööckler persönlich würde ganz Berlin mit Kronen und Kitsch zuwerfen. Aber nichts davon wird je geschehen, allein, weil man sich eine solche Art der Dekoration in kapitalistischen Zeiten gar nicht mehr leisten kann und will.


    Eigentlich hatte der Historismus in seiner Verschwendung etwas sehr antikapitalistisches :D:D:D

  • Ja, hin und wieder etwas mehr Mut zum Historismus würde Berlin nicht schaden. Berlin wird trotzdem nie Wien werden. Aber etwas mehr Wien täte Berlin gut.

  • ^ Berlin bleibt Berlin, und weder ein Bisschen Wien oder ein Bisschen Paris oder ein Bisschen New York braucht es. Es ist schon ganz okay so, manchmal zum Haare raufen und fremdschämen aber immer noch ganz bei sich. Und nur so ist es das geworden was es ist, einmalig.

  • ^^
    5 Euro ins Phrasenschwein ;)


    Beim rbb gibt es übrigens eine Umfrage zur Kolonnaden-Reko. 66% der User sprechen sich dort für eine Reko aus. Über den Aussagewert einer solchen Umfrage lässt sich natürlich streiten.

  • Vom Eosanderportal aus werden wir künftig diesen schönen Blick zur Schlosskolonnade mit der Bauakademie im Hintergrund haben:



    Bild mit freundlicher Genehmigung von Treverer, Quelle gemeinfrei.

  • ich versuche mich bei den Reko-Diskussionen zurück zu halten. Die sind meist so emotional aufgeladen, dass eine sachliche Diskussion fast unmöglich ist. Grundsätzlich finde ich dass der Sinn einer Reko immer vom individuellen Projekt abhängt und bin weder pauschal für noch gegen Rekonstruktionen. Z.B. in Frankfurt eher für Rom/Dömer aber eher gegen neues Schauspiel. (Neu im Sinne von neuer Reko.)


    Hier muss ich jetzt aber einfach mal sagen dass bei dem von Architektator gelinkten Bild "schön" vermutlich das letzte Adjektiv ist, dass mit über die Lippen gekommen wäre. Mich würde tatsächlich mal interessieren welche Merkmale dazu führen diesen Bau als schön einzustufen.


    Für mich wirkt das eher wie ein unansehnliches Monstrum.

  • Wenn hier etwas ein "unansehnliches Monstrum" war, dann die zum Glück gescheiterte Einheitswippe. Die Kolonnaden dagegen korrespondieren hervorragend mit dem Eosanderportal sowie den anderen Säulengängen auf der Museumsinsel, geben sowohl dem Stadtschloss als auch der Bauakademie einen würdevollen Rahmen und bieten sogar noch öffentlichen Raum für Ausstellungen oder Konzerte unter freiem Himmel. Mehr kann man sich für diesen Ort wirklich nicht wünschen.

  • Hier muss ich jetzt aber einfach mal sagen dass bei dem von Architektator gelinkten Bild "schön" vermutlich das letzte Adjektiv ist, dass mit über die Lippen gekommen wäre. Mich würde tatsächlich mal interessieren welche Merkmale dazu führen diesen Bau als schön einzustufen.


    Zugegeben das Bild sieht in dieser Darstellung etwas trist aus, aber hallo das ist eine 100 Jahre alte Fotografie die Lithografisch nachbearbeitet wurde und dann von Treverer nochmals um die Standbilder auf den Pavillions und des Reiterstandbildes Wilhelms reduziert wurde.


    Um deine Frage zu beantworten kann ich eigentlich nur aud die Lektüre dieses Threads verweisen. Dort gibt es einige aufschlussreiche Statements zu lesen die genau deinen Wissensdurst stillen dürften.


    Zum Beispiel hat es Pumpernickel in seinem Beitrag schön herausgearbeitet - Siehe hier im Forum

  • Auch in den anderen Darstellungen kann ich den Kolonnaden nichts abgewinnen und so richtig wird mir auch aus diesem Thread nicht klar warum diese so toll sein sollen. Für mich reduzieren sich die Argumente meist auf sie sind toll weil sie toll (und alt) sind.


    Na ja, so wie es aussieht muss ich einfach nur abwarten und dann kann ich das Original bewundern (oder auch nicht). Vielleicht werde ich dann eines besseren belehrt.