Stadtschloss Berlin: Der Thread für den Wiederaufbau

  • Die Betonelemente am Kanzleramt altern ebenso wenig mit hübscher Patina. Das ist aber in der Tat weniger ein Material- sondern ein Konzeptproblem (klar kann man Naturstein auch schlecht verbauen). Wenn man mit "cleanen Entwürfen" arbeitet, die auf der Visu und vielleicht am Eröffnungstag eben so "toll clean" aussehen sollen, dann hat man in meinen Augen generell versagt. Ein Entwurf muss auch in Jahren und Jahrzehnten, entsprechende Instandhaltung vorausgesetzt, überzeugen. Ähnlich einem Mensch; als junger Teenie ganz gut auszusehen, solange man etwas Sport treibt, ist nun wirklich keine Kunst. Aber je älter man wird, umso mehr ist man von Altersgenossen umgeben, deren Attraktivität deutlich nachlässt. Ansehnlich zu altern ist nicht trivial. Ob für Mensch oder Gebäude.


    Derzeit vermag ich ehrlich gesagt keinen Grund zu sehen, warum langfristig das Humboldtforum eine so lange Lebensspanne haben sollte, wie die davon bautechnisch getrennt aufgemauerte Rekofassade des Stadtschloss (auf drei Seiten).


    Man wird sich aus ästhetischen Gründen in einigen Jahren mit ziemlicher Sicherheit dazu entscheiden, die Reko zu komplettieren, wenn vielleicht die "neurotischen" Nachkriegsgenerationen auch keine Rolle mehr spielen sondern es pragmatischer zugeht.


    Und so zurückhaltend wie Stella geplant hat - er hat gerade nicht auftrumpfend versucht einen "Bruch zwischen Alt und Neu" mit Show-Effekten der Moderne zu setzen, a lá Glaspyramide in Versailles usw. - würde mich nicht einmal wundern, wenn er das insgeheim sogar goutieren würde bzw. "eingepreist" hat.


    Denn wenn sich ein Architekt solange mit einem großartigen Gebäude wie dem alten Stadtschloss befasst - das musste er, um seinen Beitrag abzugeben, definitiv - dann kann der doch kaum anders, als großen Respekt für dieses über Jahrhunderte gewachsene Gebilde, an dem zahlreiche Generationen von Architekten, Bildhauern usw. mitwirkten, zu entwickeln.


    V. a. wenn man kein Nachkriegsdeutscher mit den entsprechenden Neurosen ist, sondern Italiener. Wo man ganz anders und ideologisch unbefangener mit baulichem Erbe umgeht, vgl. das was die Nationalisten in Italien geschaffen haben und was ganz selbstverständlich gehegt und gepflegt wird, wie tolle Bauten jeder anderen Epoche auch, ohne sich dabei ständig in jedem Nebensatz von faschistischer Ideologie abgrenzen zu müssen (vgl. dieses Wahrzeichen Roms, was noch heute als Staatssymbol Italiens gilt und seinerzeit von Nationalisten angeschoben und unter Mussolini fertiggestellt wurde). Dementsprechend "fehlt" ihm vermutlich auch das politische Sendungsbewusstsein, was es für deutsche Architekten ja sichtlich "unerträglich" sein lässt, historische Architektur jenseits von dem ollen "bewussten Bruch zwischen Alt und Neu"/Ruinenkult oder "kritischer Rekonstruktion" zu ertragen (wir Deutschen brauchen es halt "kritisch", deutsche Akademiker allemal).


    Darum waren beim Wettbewerb zum Humboldtforum soviele verkorkste Entwürfe aus Deutschland dabei, zahlreiche davon vollkommen unsinnige politische Profilierungsentwürfe, die ganz bewusst die Vorgaben mißachteten und somit die Zeit aller Beteiligten verschwendeten. Somit ist es auch gar nicht erstaunlich gewesen, dass ein Italiener kommen musste, um einen Entwurf zu liefern, der die Vorgaben erfüllt und dabei - das ist doch eigentlich das Merkmal des Humboldtforum schlechthin - zurückhaltend dem Gesamtkunstwerk der drei historischen Fassaden das Canvas liefert.


    Schaut euch die Arbeiten doch an, glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass die Ostfassade "für die Ewigkeit" gebaut wird? Ganz anders, wie gesagt, die drei Reko-Fassaden. Dickes Ziegelmauerwerk, darauf die klassische Fassade. Das ist "für die Ewigkeit" gebaut. Nicht nur optisch - sondern konzeptuell. Siehe schon mein Eingangsstatement, alle fixieren sich immer nur auf den optischen Unterschied zwischen Rekofassaden und Humboldtforum. Der Unterschied liegt jedoch, wenn man die ohnehin rein menschlich-subjektive Ästhetik wegabstrahiert, in Materialität und Bautechnik. Die Rekofassaden wären ja auch mit weniger werthaltigen Konzepten umsetzbar gewesen, wenn es nur um die Optik gegangen wäre. Billiger dazu.


    Stella wollte, genauso wie die Schlossfreunde, die Reko für die Ewigkeit. Und er hat sich dabei so im Hintergrund gehalten mit seiner Humboldtforum-Ergänzung, dass eine spätere Voll-Reko offen bleiben kann - auch das ganz bewusst, meine ich.

  • oh man Pumpernickel, du hast aber wirklich schwer zu tragen an deinem Nachkriegsdasein.
    Wie man von der durch Wetter bedingten Patina beim Kanzleramt zu dieser neuen wegweisenden theorie von dir kommen kann,...
    Verwehren möchte ich mich ganz entschieden gegen deinen Vergleich von italienischem Faschismus und deutschen Nationalsozialismus. Dazu könnte dir ein Italiener bestimmt noch entschiedeneres erklären. Ich möchte nur soviel dazu bemerken, dass die Einen eben nicht 6 Millionen fabrikmässig getöteter Menschen zu verantworten haben und deswegen wahrscheinlich ein ”entspannteres” Verhältnis zu Ihrem Faschismus und seiner künstlerischen und architektonischen Ausprägung haben als die Anderen.
    Man kann halt nie aufhören den Leuten die Dinge zu erklären, nicht wahr?!
    Das alles in das Humboldtforum hineininterpretieren zu wollen... ein etwas selbstzerstörerrischer Ansatz wie ich finde.

  • Wunschdenken

    Trotz vieler schöner Worte ist die "Rekonstruktion" der Ostfassade eine Illusion.
    Wie soll die auch bewerkstelligt werden? Es fehlen doch ganze Gebäudeteile!
    Und einfach Fassadenteile von West nach Ost zu duplizieren wäre wirklich Disney.
    Es ist schon alles gut so wie es ist.


    ps: die Homepage der Humboldt-Box ist tot.

  • @Pumpernickel: In Berlin wird mE auch halbwegs unaufgeregt mit repräsentativer Architektur der NS-Zeit wie dem Olympiastadion oder dem Flughafenkomplex Tempelhof umgegangen. Der Reichstag hat die Zeit der Kontaminierung ebenfalls gut überstanden und die Siegessäule wurde auch nicht aus reiner Symbolpolitik rückversetzt, um Hitler sozusagen zu korrigieren. Ich sehe da irgendwie nicht ganz Dein Problem und noch weniger den Zusammenhang zum Humboldtforum, das ja nicht einmal unter dem Faschismus entstanden ist oder maßgeblich durch die Nazis umgestaltet und umgedeutet wurde. Und mit dem preußischen Bauerbe haben die meisten doch noch viel weniger Berührungsängste. Umgekehrt empfände ich eine übersteigert positive oder verherrlichende Beziehung zu diesen Bauwerken oder gar ihrer Entstehungszeit dann eher doch befremdlich. Ich finde, diesbezüglich ist alles schon ganz gut so gekommen, wie es jetzt ist. Und DASS man überhaupt Teile des Stadtschlosses rekonstruiert und mit einer zeitgemäßen Botschaft verbindet, ist mE vielmehr ein Zeichen der Souveränität. Dass man dabei an gewissen anderen Stellen bewusst mit dem Original bricht, mag ästhetisch schwer zu verdauen sein (wobei es mir da primär auf die Qualität der Ausführung und den Gesamteindruck ankommt). Mit der Symbolik einer solchen Geste habe ich hingegen überhaupt kein Problem. Man sollte sich mE weder zu sehr vor der Vergangenheit und ihren repräsentativen Bauwerken fürchten bzw. sie abergläubisch bekämpfen, noch sollte dieses "Erbe" so verklärt werden, dass man selbst bei einer Reko ehrfürchtig jede Abweichung als Sakrileg oder neurotischen, selbst zerfleischenden Vaterlandshass empfindet.


    Odysseus: Vielen Dank für den Hinweis! ich war schon etwas ungeduldig auf neuere Aufnahmen. Darf man das APH hier denn nicht erwähnen oder ausschreiben? Mit dem Skryscraper-Forum wird doch auch nicht so verfahren? BTT: Bezüglich der Materialwirkung der Ostfassade bin ich nach den ersten Bildern nun eher positiv gestimmt (wobei ich eben bei Sichtbeton auch keine allzu großen Erwartungen habe). Die Ausführung scheint immerhin recht ordentlich zu werden. Die zurückhaltende Architektursprache ist mE angemessen.

  • ^klar, simple Verwechslung.


    Camondo: ich habe mit keiner Silbe die NS Zeit erwähnt, viel mehr geht es mir darum, dass alles, was irgendwie mit Nationalstolz, nationaler Grandessa und Repräsentation zu tun hat in Deutschland sofort Assoziationen zum Faschismus und zur NS Zeit auslöst (q. e. d.!), selbst wenn es ein Preußenschloss ist. Und Hitler mag viel gewesen sein, aber er hat sich auch selbst nie als Monarch, König oder Kaiser von Deutschland bezeichnet.


    Du wirst nicht verneinen können, dass diese ganze Rekodiskussion um das von den Sozialisten gesprengte Stadtschloss Berlin wesentlich unaufgeregter verlaufen wäre, wenn nicht alles aus der deutschen Geschichte vom schlechten Gewissen bzgl. der NS Zeit überstrahlt würde. Selbst ein Wohnsitz von Monarchen, aus dem Barock, den die Nazis im Übrigen - siehe historische Quellen - selbst zu Gunsten ihrer Germania Pläne abreißen wollten und während ihrer Herrschaft großteils ungenutzt leer stehen ließen. Dem Stadtschloss kann man also nicht einmal eine Rolle in der NS Propaganda andichten, wie das die Reko-Gegner bei der Garnisonkirche PD wegen Hitlers Fototermin mit Hindenburg und der Garnisonkirche als Kulisse beharrlich versuchen (wohl aber eine wichtige Rolle in der Überwindung der Monarchie, nachdem dort die sozialistische Republik ausgerufen wurde; man sollte meinen, eine Symbolik die selbst Linksintellektuelle goutieren).


    Es bleibt nur, dass es ein erhabenes, prunkvolles Gebäude war, ein Denkmal für Preußens Gloria und den (preußischen) Nationalismus. Und schon das ist offenbar zuviel Stolz und zu wenig Scham, um damit pragmatisch umzugehen und ein hübsches Gebäude einfach ein hübsches Gebäude sein und wiederauferstehen zu lassen. Gerade weil Nationalismus nicht mit NS Faschismus gleichzusetzen ist - das hast du höchstselbst im Zusammenhang mit dem italienischen Nationalismus mit Vehemenz festgestellt! - halte ich es nicht für besonders differenziert, die preußische Gloria, die nun einmal Teil der berliner Regionalgeschichte ist, nicht losgelöst von deutscher Schuld aus der NS Zeit zu diskutieren.


    Das ist doch der Kern, warum eine Voll-Reko nie realistisch zur Debatte stand und schon diese Teilreko schrille Diskussionen auslöste, im Zusammenhang mit dem Hauptstadtumzug nach Berlin war da gar von einer Symbolik, dass nun das Vierte Reich aufmarschieren würde (in Deutschland marschiert das Böse nämlich immer) und was man da alles für hysterische Debatten hatte und noch heute zu hören bekommt, wenn man manche Linksintellektuelle bzgl. des Humboldtforum schwadronieren hört. Was ja auch nur so heißt, weil es nicht Stadtschloss heißen "darf". Welchen Beleg für die deutsche Verklemmtheit bzgl. der (gesamten) eigenen Geschichte, auch den vielen Jahrhunderten in denen wir nicht "böser" waren als alle anderen Nationen, braucht es noch, als diese verklemmte Namensgebung im Kleinen - obwohl jeder auf der Straße vom Stadtschloss spricht - und die ganze "kritische Rekonstruktion" im Großen. Und das, meine ich, werden zukünftige Generationen einmal wesentlich entspannter sehen.

  • @Pumpernickel: Soso. Du erwähntest also wirklich mit keiner Silbe die NS-Zeit? Das waren also wirklich alles nur wir - kollektive Neurotiker - die solche seltsamen Zusammenhänge herstellen?


    Ich persönlich denke ja, dass eher anders herum ein Schuh draus wird und Du manchmal selber nicht mehr so genau weißt, was Du eigentlich redest. Wenn Du tatsächlich keinerlei Bezug zwischen Humboldtforum und der NS-Zeit wolltest, hättest Du vielleicht Themenbereiche wie deutsche und italienische Nationalisten, olle Mussolini, faschistoide Ideologie, Nachkriegsdeutschland (von welchem Krieg sprichst Du da genau, wenn nicht vom 2. Weltkrieg?) und vermeintliche Neurosen etc. aus dem Thema Humboldtforum heraushalten sollen. ;


    Du stellst eindeutig zuerst den Bezug zur NS-Zeit her. Niemand anderes als Du behauptest doch, dass es u.a. die NS-Zeit/ der zweite Weltkrieg war, der uns allgemein unlocker in Sachen Bauerbe machen würden (ein Vorwurf gegen den sich dann alle wehrten und das mE zu Recht). Dein ganzer Beitrag und unsere Reaktionen sind vielmehr ein q.e.d. GEGEN Deine Behauptungen.


    Edit: @Rotbewerter: Kannst Du das "Naja" nicht irgendwie besser artikulieren und mit Substanz füllen (gerne auch per PM)? So kann ich rein gar nichts damit anfangen.

    Einmal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Der Behauptung, die Nationalsozialisten hätten das Stadtschloss abreißen wollen, ist zu widersprechen. Geplant war nur eine Verlängerung der sogenannten Ost-West-Achse, wofür die damalige Kaiser-Wilhelm-Straße hätte verbreitert und zum Alexanderplatz hin durchbrochen werden sollen. Ausgeführt wurde alles dann durch die Kommunisten in Form der heutigen Karl-Liebknecht-Straße. Weitere Informationen dazu gibt es übrigens in diesem lesenswerten Buch.


    Bindestrichdiskussion bitte dort weiterführen. Hier ist es ins OT abgedriftet.
    Bato

  • Eine UNIONS-Beteiligung dürfte es in der nächsten Berliner Regierung nicht mehr geben.


    Damit haben die rot-grünen Chefideologen in der Stadtentwicklung freie Bahn. Entscheidungen innerhalb der CDU-Fraktion sind da unerheblich !

  • Aus der jüngsten Sonntagsfrage (Berlin) von RBB und Morgenpost ergibt sich, dass "Jamaica" wohl die wahrscheinlichste Mehrheitskonstellation ist, das ist eine Entwicklung in den Umfragen die sich schon länger abzeichnet. Dazu kennt man sich auf persönlicher Ebene und hat einen funktionierenden Arbeitsmodus gefunden, zwischen Berlin-SPD und Berlin-CDU. Alles spricht dagegen, dass die CDU beim nächsten Senat nicht mehr beteiligt ist, meine ich.


    Und somit ist schon sehr relevant, was die CDU hier für sich beschlossen hat. Sowas geht dann ja auch von Anfang an in Koalitionsverhandlungen mit ein. Und so sehr wie hier darüber mit Leidenschaft diskutieren, "in the great scheme of things" ist das keine weltbewegende Frage und die anderen Koalitionspartner, die bisher zu der Frage auch keine mir bekannten Parteibeschlüsse haben, würden das der Union im Sektor "Stadtplanung" dann sicherlich unproblematisch als Zugeständnis gönnen. Evtl. wurde das auch mit Hinblick darauf zum jetzigen Zeitpunkt von der Partei beschlossen, man läuft sich in den Sachfragen schon für Wahlkampf und Koalitionsverhandlungen warm (zu soviel mehr, als solchen "Symbolthemen", hat das Land ja auch in der nächsten Legislatur gar keine freien Finanzmittel zur Verfügung und mit irgendwas muss man ja Wahlkampf machen...).


    Inzwischen schätze ich die Chance, dass das Rekoschloss auch einen guten Teil seiner historischen Umfeldgestaltung erhalten wird, als höher denn je ein. Es gilt dieses Momentum zu nutzen und wo immer wir im Alltag können versuchen andere davon zu überzeugen, dass hier eine gute Stube Berlins in der Entstehung ist, die unsere ganze Unterstützung verdient.

  • Der Spitzenkandidat der AfD, Georg Pazderski, ist wie ich ein Schloss-Befürworter.
    Die anderen Kandidaten denken wohl ähnlich.
    Langfristig bestehen also gute Aussichten, dass sich für das Schloss und das historisch zu gestaltende Umfeld Mehrheiten im Abgeordnetenhaus finden werden.

  • Die groesste Mehrheit lt. Sonntagsumfrage haette Rot-Rot-Gruen, an 2. Stelle Rot- Schwarz und erst an 3. Stelle Jamaika... und da die SPD (derzeit noch) vor der CDU liegt haette sie den Auftrag zur Koalitionsfindung... aber wer weiss wie sich das bis September ändert. Ich hoffe die AfD wird sich in Berlin nicht festsetzen, egal wie es mit dem Humboldt-Forum weitergeht...

  • @ Pumpernickel: Wenn für Dich die aktuellen Umfragen sowohl auf Jamaika als auch auf eine fortgesetzte Regierungsverantwortung der SPD hindeuten, dann empfehle ich den Besuch bei einem Augenarzt – scheinst mir an Rot-Grün-Blindheit zu leiden... ;)


    Im Ernst: Das Parteienspektrum ist gerade derart ins Rutschen geraten, dass niemand, der es ernst meint, Monate vor der Wahl Prognosen über die nächste Koalition abgeben würde. Von daher ist der Beschluss der CDU bezüglich Brunnen und Pferde als Votum einer Partei ernstzunehmen, die sich dafür bewirbt, die Regierungsbeteiligung in Berlin fortzusetzen. Nicht mehr und nicht weniger.

    Einmal editiert, zuletzt von Architektenkind ()

  • Konstantin hat recht, bei den Flaggenmetaphern habe ich was verwechselt. Rot-Schwarz-Grün, das dürfte sowohl in Berlin wie im Bund nach den kommenden Wahlen Realität sein. In jedem Falle ist die CDU eine tragende Partei in Berlin und solch ein Beschluss ist eine wichtige Aussage zum Thema. Das ist alles worauf ich letztlich hinweisen wollte, politisch sind wir der Rückkehr der historischen Schlossumfeldgestaltung inzwischen näher denn je. Der Bund gibt 10 Mio für den Brunnenumzug, was schon zugesagt wurde wenn Berlin mitzieht, die Berlin-CDU hat nun einen dahingehenden Fraktionsbeschluss, das Thema hat immer mehr Momentum.

  • Ich würde den Umzug des Brunnens an seinen ursprünglichen Platz sehr begrüßen, genauso wie auch den der anderen einst im Schlossumfeld stehenden und heute noch erhaltenen Kunstwerke.
    Allerdings frage ich mich, was denn dann den heutigen Standort des Neptunbrunnens besetzen könnte? Eine zeitnahe Bebauung dieses Bereiches halte ich für unrealistisch. Wenn aber der Standort des Brunnens frei bliebe oder nur provisorisch belegt würde, wäre das in meinen Augen eine schmerzhafte Beschädigung des heutige durchaus beliebten Ortes. Abhilfe würde m.E. nur ein Kunstwerk / Brunnen schaffen, welches die Berliner ebenso annehmen und nutzen könnten, wie den heutigen Brunnen.

  • Ganz ehrlich? Ich frage mich, wie überhaupt darüber diskutiert werden kann ,ob der Brunnen und die Skulpturen wieder zum Schloss zurückkehren.


    Man gibt über 100 Millionen aus um die Fassade so exakt wie möglich zu rekonstruieren, weil es kaum noch original verwendbare Fragmente gibt und dann gibt es zumindest für das Schlossumfeld ca. Noch 80 Prozent der Originale und genau die sollen dann nicht wieder zurück. Das kann man rational doch gar nicht mehr erklären.

  • Natürlich kann man es "Außenstehenden" nicht schlüssig erklären, warum wir überhaupt zögern, einen Schlossbrunnen auch wieder vor eine rekonstruierte Schlossfassade zu setzen bzw. noch vorhandene Originale, die in den Nachkriegsjahrzehnten andernorts zur Gestaltung "recycled" wurden, wieder an ihren angestammten Platz zurück zu holen.


    Aber wir Deutschen diskutieren alles, was irgendwie eine historische Komponente hat, sei es bauliche Werke die älter als 71 Jahre sind, immer mit dem Gesamtkomplex "Deutsche Geschichte" (und damit meint man nicht die Romantik oder den Barock...) auf dem Buckel. Und daran trägt man eben schwer.


    Aber ja, es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Auch und gerade die Schule der kritischen Rekonstruktion insistiert eigentlich sonst darauf, Spolien und verstreute Originalsubstanz nach Möglichkeit stets an den Originalort zurück zu holen (also zB auch keine Repliken anfertigen und aufstellen, sondern die Originale, inklusive Zeitspuren).


    Und dazu kommt eben nach aktuellem Stand:


    1. Bürgergruppen wie zB die Gesellschaft Berliner Schloss e. V. setzen sich seit Jahren nachdrücklich für eine Rückkehr von Schlossbrunnen und den Pferden (veraltet "Rosse") ein;


    2. die Zusage des Bundes über rund 10 Mio. € für eine substantielle Sanierung und den Umzug des Schlossbrunnens vor die Schlossfassade kam dann letztes Jahr;


    2. nun hat sich eine der maßgeblichen politischen Kräfte eindeutig pro Rückkehr von Schlossbrunnen und Pferden positioniert.


    Wie gesagt, es fügt sich langsam. Und um in pure Spekulation abzugleiten: nachdem das Einheitsdenkmal gescheitert ist möchte man sicherlich nicht, dass das neue Humboldtforum, das sich der Bund auch reichlich Gelder kosten lässt und für internationales Aufsehen sorgt, von verwaisten und gestaltlosen Wüsten umgeben ist. Das dürfte politisch den letzten Ruck geben, glücklicherweise zeigt der Brunnen apolitische Figuren und nicht etwa eine "Germania" oder sonstige deutsch-historische Bezüge, sodass es auch sehr unwahrscheinlich ist, dass sich irgend jemand mit zuviel Freizeit findet, der den Brunnen irgendwie historisch skandalisiert und Bambule gegen die Rückführung des Schlossbrunnen macht (der Brunnen fand ja selbst in den Augen der "DDR Bilderstürmer" offenbar Gnade, sonst wäre er zusammen mit dem Schloss zerstört worden).


    Und man kann es nur wiederholen: das Schloss war zwar ursprünglich nicht mit dem Brunnen geplant worden, aber der Brunnen war ganz eindeutig und fraglos als Accessoire des Schlosses gefertigt worden. Die Barockfassade des Schlosses aufnehmend und vom Künstler nicht als "Solitär"-Wasserspiel inmitten eines großen Platzes angelegt, sondern für einen Standort vor dem Schloss, um mit ihm ein Ensemble zu bilden. Den Künstler und sein Werk zu respektieren heißt auch, es nicht aus dem Zusammenhang zu reißen bzw. diesen wieder her zu stellen, sofern das möglich ist. Wenn die Barockfassade wieder an alter Stelle zu sehen ist, dann diktiert schon der Respekt vor dem Künstler und dessen Werk, dass man den Brunnen wieder in das Ensemble, für das er geschaffen wurde, zurück bringt.


    Es gibt nur sachliche Argumente pro Brunnenumzug. Alleine der historisch bedingte, nachkriegsdeutsche Kleinmut mit allem, was irgendwie mit prunkvoller Gestaltung, "Auftrumpfen", Pracht zu tun hat steht hier entgegen. Wenn zukünftig Besuchergruppen aus aller Welt das Humboldtforum besuchen und bei ihrem Rundgang dann den Schlossbrunnen einen Block weiter, auf der anderen Seite des Ufers, vor den TV Turm und Rathauspassagen-Blöcken sehen, dann wird das definitiv niemand verstehen, dann wird das Augenrollen und hochgezogene Augenbrauen hervorrufen, wenn der Guide versucht die deutschen Verklemmtheiten, die zu diesem Schildbürgerstreich führten, zu erläutern. Wir machen uns damit schlicht lächerlich.

  • Ich fände es schön, wenn man sich bei diesem Thema auf eine sachlichere Diskussionsebene begeben könnte - bei den Entscheidungsträgern und auch hier im Forum.
    Natürlich gibt es auch rationale Gründe dafür, alles da zu lassen, wo es heute ist! Abgesehen davon, dass es viel Geld kostet die Kunstwerke umzusetzen, tragen sie eben auch wesentlich zur Qualität ihrer heutigen Standorte bei. Anders sieht die Situation für mich bei den Skulpturen aus, die heute im Lager herum stehen.