Stadtschloss Berlin: Der Thread für den Wiederaufbau

  • Wenn wir uns also mal vom originalen Steinmaterial entfernen, was ich im Übrigen für richtig finde, ich hab da keinen "Reliquienfetisch", und uns dem Originalentwurf zuwenden, wieso durfte dann im 19. Jahrhundert, über hundert Jahre nach dem Barock, so einfach mal der barocke Bau von Stüler mit einer Kuppel ergänzt werden? Die Kuppel hast du im übrigen gelobt. Warum sollte es dann völlig verboten sein im 21. Jahrhundert im Sinne des Weiterbauens eine stilistisch an den restlichen Bau angelehnte Ostfassade neu zu schöpfen?


    Frühere Ergänzungen zu loben, mögliche zukünftige Ergänzungen aber ohne je einen richtigen Entwurf dafür gesehen zu haben, als nicht authentisch genug am "Originalentwurf" zu verdammen zeugt aber auch nicht gerade von Prinzipientreue...ich nenne so etwas schizophren...


    Im Übrigen setzt man bei der jetzigen Fassadenrekonstruktion wohl weniger wegen der "Authenzität" auf Ziegelmauerwerk, sondern dies hat schlicht und einfach praktische Gründe: Die großen Sandsteinblöcke müssen ja von irgendwas gehalten werden. Sie einfach mal an den Betonrohbau zu schrauben geht nicht, dabei gäbe es auch viel zu viele Wärme-/kältebrücken. Beton geht auch nicht, weniger wegen einer möglichen Armierung, sondern weil der Zement sich physikalisch/chemisch bei direktem Kontakt nicht gut mit dem Sandstein vertragen würde, zudem wäre das Einschalen hochkompliziert, da der Sandstein ja auch nicht versifft werden darf. Lochziegel im Großformat dürften auch nicht druckfest genug sein. Was bleibt also übrig? Die kleinformatigen Vollziegel in traditioneller Mörtelvermauerung. Realität kann so nüchtern sein...

  • Hier ging es um die Barockfassade und einen Entwurf eines Architekten, die Erscheinung einer Barockfassade auch auf der Ostseite, wo es diese so aber nie gab, zu simulieren.


    Ich bin nicht gegen ERGÄNZUNGEN. Das ganze Humboldtforum innerhalb der Barockfassade ist eine einzige Ergänzung. So wie es die Kuppel einer anderen Zeitschicht gewesen sein mag. Ich wäre aber z. B. ebenso dagegen, hätte es nie eine Kuppel gegeben, nun eine solche zu entwerfen, ohne dabei sichtbar zu machen, dass diese aus dem 21. Jahrhundert stammt! Originalität kommt aus dem Entwurf - und der Entwurf ist eben auch immer ein Produkt seiner jeweiligen Zeit. Das ist also sogar sehr konsequent im Sinne des Originalitätsbegriffes anhand der eigentlichen Gestaltungsidee eines Architekten.


    Wenn dieser Architekt hingegen für die Ostfassade einfach irgendwas anderes historisierendes vorgeschlagen hätte, von mir aus voller Säulen und Skulpturen und hastenichgesehen, aber klar erkennbar wäre, dass es eben ein eigener Entwurf ist und nicht einfach Streifen aus den drei originalen Barockfassaden "copy n paste" an die Ostseite geklebt, dann hätte man darüber durchaus diskutieren können. Mir geht es hier einzig darum, dass dieser Vorschlag für die Ostfassade evident eine Originalität vortäuscht die diese Fassade aber nicht hätte oder willst du mir erzählen, diesen Entwurf hat sich der Architekt vollkommen selbst, aus reiner Eigenleistung, überlegt und nur ganz zufällig hat er die Anmutung der schon vielfach beschriebenen "copy n paste" Fassade, die quasi jeder hier im Forum als spontane Reaktion äußerte?


    Darum ist dieser Vorschlag für die Ostseite für mich sogar "doppelt nicht authentisch". Erstens, weil er vortäuscht aus einer längst vergangenen Zeit zu stammen und zweitens - und weitaus problematischer - weil er darüber hinaus auch noch für den unbeleckten Laien den Eindruck erwecken würde, dass diese Ostseite zum Originalentwurf der damaligen Barockfassade gehören würde.

  • Nicht nur der Spendenstand, die Webseite wird generell recht schlecht verwaltet für so ein großes Projekt.
    Aus meiner Sicht falsche Prioritäten, Spender wollen schließlich bei Laune gehalten werden.

  • Letztlich ist es ja ein offenes Geheimnis, dass der Bund einspringt, sollte es am Schluß an Spenden mangeln. Die Extrawürste, wie diese Rotunde oder die Kuppel, hat man mit dafür zweckgebundenen Spenden ja eh schon gesichert und der Rest, wenn nicht über Spenden dann eben vom Bund (der Bund würde nicht zuschauen, wie das Humboldtforum äußerlich zur halbfertigen Bauruine wird).


    Das macht es sicher auch - weil es eben jeder weiss - schwierig Spender zu gewinnen. Weil eben mit den Spenden nicht das ganze Projekt steht und fällt, wie es zB bei der Frauenkirche noch war.

  • ^Da hat man (der Bund) durch sein Hickhack, was letztlich ja überhaupt erst die angesprochene Finanzierungszusage erforderte, in der Tat sehr unglücklich agiert. Aber das kann mE dennoch nur die halbe Wahrheit sein. Denn es hieß, dass gewisse Ausstattungen und Extrawünsche unabhängig von zweckgebundenen Spenden definitiv erst kommen, wenn man die restlichen Gelder hat. So könnte es in der Tat passieren, dass die rekonstuierten Wände zunächst relativ "nackte" und unfertig aussehen, weil Elemente wie Zierfiguren erst ergänzt werden, wenn der Bund sein Geld zurück hat. Dann würde evtl. selbst Jahre (im worst case: Jahrzehnte) später hie und da ein mobiles Fahrzeug zum Einsatz kommen, um letzte Zierelemente hochzuhieven.


    Bezüglich des Spendenstandes befürchte ich also auch, dass der Elan vielleicht momentan nicht so groß ist wie erhofft. Bisher kamen Updates häufig kurz nachdem es gewisse Sprünge beim Spendenstand gab, was ja auch strategisch klug ist. Zuletzt experimentiert(e) man lieber mit kostemlosen Eintritt in die Humboldtbox, was sicher die Spendenbereitschaft ankurbeln soll. Da die Website dies aber als eine Art virtuelle Humboldtbox ergänzen sollte, ist es mE strategisch sehr unklug diese verrotten zu lassen. Es sollte nicht der Eindruck vermittelt werden, dass allmählich die Luft raus ist. Eher sollten noch mehr erste Appetitanreger zu MacGregor und der Konzeptfindung (wenn auch zunächst allgemein) gestreut werden. Eigentlich wäre es sogar ein guter Zeitpunkt, mit etwas mehr inhaltlicher PR, was das Interesse am Leben erhalten und sicher auch der Hülle helfen würde...

  • ^genaues dazu wissen nur die Verantwortlichen und darüber werden sie nun definitiv Stillschweigen bewahren, um die Spendenwerbung nicht zu sabotieren. Aber auch das glaube ich nicht / das war meiner Meinung nach nur der Versuch, wieder etwas zurück zu rudern, damit die Leute eben gerae nicht aufhören zu spenden, weil der Bund am Ende ja doch zahlt.


    Nein, definitiv wird nicht sehenden Auges riskiert werden, dass das Humboldtforum in irgend einer Form bei Eröffnung eine unfertige Fassade hat, da gehe ich jede Wette ein. Sollte es knapp werden, dann werden sich Reko-Organisatoren, Kulturstaatsminister usw. treffen und man wird aus den üppig sprudelnden Steuereinnahmen des Bundes erneut ein Extrawürstchen für Berlin abzwacken, wie schon so oft zuvor, wenn es ansonsten eng wurde.


    Denk nur an das neue Museum der Moderne für "läppische" 200 Mio. € am Kulturforum, die der Bund ja auch nur springen lässt, weil das Land Berlin (als eigentlich für Kultur zuständige Gebietskörperschaft) das Geld dafür nicht lockermachen wollte oder konnte und ansonsten die wertvolle Schenkung, von privaten Sammlern Moderner Kunst an die Allgemeinheit, gefährdet gewesen wäre (Meisterwerke von Künstlern wie Miró und Dalí, die eigentlich Jedermann ein Begriff sind, werden der Allgemeinheit von den Pietzschs geschenkt, unter der Bedingung, dass diese auch in einer Dauerausstellung präsentiert werden und nicht in Depots oder Wechselausstellungen "verkümmern"). Da hat man auch erstmal Berlin selbst machen lassen und als dann absehbar war, dass Berlin es nicht gebacken bekommt, ist der Bund eingesprungen.


    Nachdem das Humboldtforum inkl. Fassadenreko sogar vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde wird der Bund hier definitiv nicht zurückstehen, wenn es darum geht die Fassadenreko fertig zu finanzieren - lass dir das nur nochmal auf der Zunge zergehen, über wieviele Einzelbauvorhaben stimmt denn der Bundestag sonst ab, wahrscheinlich kann man Bundestagsabstimmungen zu einzelnen Gebäuden in der ganzen Geschichte der Bundesrepublik an einer Hand abzählen, wobei mich nicht einmal wundern würde, wenn dies die erste Einzelbaustelle überhaupt ist, die der Bundestag beschlossen hat (nicht ein Stadtparlament, nicht ein Landtag, nein der Bundestag, Vertretung aller 80 Mio. Deutschen). Ausgeschlossen, dass man da eine halbfertige Rekofassade einweihen wird.

  • Um die Legitimation des Humboldtforum nebst Reko durch die höchsten Gremien unserer Nation noch einmal kurz zusammen zu fassen:


    Am 4. Juli 2002 beschließt das Plenum des Deutschen Bundestages den Bau des Humboldtforum nebst Reko-Fassade sowie den Architekturwettbewerb dazu. Mit 66 % Ja-Stimmen, d. h. sogar eine Bundestagsmehrheit, mit der man das Grundgesetz ändern könnte. Solch eine Mehrheit ist nicht besonders leicht zu organisieren.


    Am 13. November 2003 beschließt der Bundestag dies erneut mit einer deutlichen Mehrheit aller abgegebenen Stimmen (fast Einstimmigkeit, nur 4 Gegenstimmen, der 4 PDS Abgeordneten nämlich), zur Bekräftigung nach der zwischenzeitlich stattgefundenen Debatte, um keine Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass der Deutsche Bundestag entschlossen hinter diesem Projekt steht. Zwischenzeitlich fand sogar eine Bundestagswahl statt, d. h. das Humboldtforum wurde von zwei verschiedenen Legislaturen gleichlautend beschloßen!



    Am 4. Juli 2007 bekräftigte das Bundeskabinett das Vorhaben noch einmal, d. h. nicht nur Bundestag sondern auch Bundesregierung stehen ausdrücklich dahinter (inklusive der damaligen wie auch heutigen Bundeskanzlerin).


    Auch der Spiegel berichtete über die de facto sichere Finanzierung der Reko-Fassade auch ohne Spenden schon einmal ("natürlich" treu seiner modernistisch-linken Linie mit einem durchgehend kritischen Unterton), schon lange ist also intern die Finanzierung der Reko-Fassade durch den Bund als "Plan B" beschlossen und gesichert.


    Nichtdestrotrotz würde ich eine Spendenfinanzierung schon alleine deswegen begrüßen, weil dies weiteren Reko-Bestrebungen überall in der Republik - man darf die Symbolwirkung des Humboldtforum auf keinen Fall unterschätzen! - massiv fördern würde. Dann könnte ähnlich Schule machen, dass bei ohnehin anstehenden Neubauvorhaben der öffentlichen Hand die öffentliche Hand ihren Neubau in Kubatur alter Gebäude, die Bürger rekonstruiert sehen wollen, auf eigene Kosten errichtet ("Sowieso-Kosten") und die Fassadenreko zulässt, wenn sie von Spendern privat finanziert wird. Das Humboldtforum hat hier durchaus "Pilotcharakter" und daran, wie das dort funktioniert, wird abhängen, ob das ein Präzedenzfall zur Nachahmung wird oder nicht.


    Aber: der Kassensturz erfolgt erst ganz am Schluss. Gut möglich, dass die Spendenbereitschaft erst richtig anzieht, sobald man nicht nur grauen Beton sondern auch mehr von der eigentlichen Reko-Fassade sieht.

  • Ich bin erst mal davon überzeugt, dass die Spenden bis 2019 eingesammelt sein werden, zur Not springt VW oder ein vergleichbares Unternehmen ein. Sollte es dennoch nicht reichen, wird der Bund natürlich einspringen. Es wird wohl kaum einen Staatsakt mit Bundespräsident und co geben und das Schloß ist nicht fertig.


    was sein kann ist dass man dann auf ein paar Skulpturen verzichtet wobei ich mir auch das nicht vorstellen kann, weil diese ja bestimmt ein Jahre Vorlauf haben und vermutlich schon an ihnen gewerkelt wird. In der Summe bin ich mir also sicher dass es ein fertiges Schloss zur Eröffnung geben wird.


    und mal ehrlich, wenn noch zehn Millionen oder so fehlen, das ist im Haushalt so ein lächerlicher Betrag. Wenn man sieht, wie bereitwillig man beim BER oder beim bundesnachrichtendienst locker Milliarden nachschießt, dann werden wohl zehn Millionen für ein solch entscheidendes und prägendes Projekt drin sein. Vor allem weil die PR in den dem Projekt nicht grade wohlgesonnenen Medien verheerend sein würde.

  • ^klar, die latent modernistisch-linke Journaille in Deutschland ist chronisch gekränkt darüber, dass man ihre ganzen Nörgelkommentare im Feuilleton und Leitartikel, in denen sie verbißen gegen die Fassadenreko angeschrieben haben, nicht zur Politik gemacht wurden. Ungeheuerlich, was sich die Politik hier erlaubt, aus Sicht der "vierten Macht", die inzwischen ja gewohnt ist, dass man ihren Meinungskampagnen irgendwann von politischer Seite doch mal nachgibt. Hier hat sich die Politik erstaunlich souverän verhalten und die Nörgler einfach nörgeln lassen. Auch wenn diese - zumindest in der "veröffentlichten Meinung" - die krasse Mehrheit bildeten.


    Man wird denen also definitiv nicht die Genugtuung geben, dass irgendwas fehlt. Stattdessen wird das Humboldtforum majestätischer als auf jeder Visu aussehen, es wird ein ganz großes Hallo bei der Eröffnung geben und Besucher aus dem In und Ausland werden es begeistert, als neue Touristenattraktion ersten Ranges noch vor Reichstagskuppel & Co., in die Herzen schließen. Und die Nörgler werden sich wieder in ihr Feuilleton zurückziehen und die selben Pamphlete schreiben, wie schon zu Studentenzeiten im Proseminar, die schon damals niemand in der "normalen Welt" interessierten. Und ich werde mich schadenfroh, wie ein kleiner Belzebub die Hacken zusammen schlagend und "Gnarh-Gnarh-Gnarh" feixend, freuen und ReinhardR auf ein Getränk im Humboldtforum-Dachcafé einladen.

  • Ich denke so mancher Großspender ist wahrscheinlich bereit das ein oder andere Extra zu finanzieren, hält sich aber vorerst zurück, solange die Devise heißt, erst muss der ganze Rest spendenfinanziert sein. Vor allem um die Skulpturen mache ich mir da mal wenig Sorgen. Vermutlich wird es spätestens im Jahr 2018 nochmal den Schwenk geben, dass nun doch wieder zweckgebundene Spenden möglich sind.
    Rekonstruktionen der Innengestaltung, wie etwa der Gigantentreppe, sind meiner Meinung aber vorerst chancenlos, hier müssten die Gelder sehr bald bereit stehen, um dies beim Zeitplan zum Innenausbau zu berücksichtigen.


    Schwierig zu beurteilen finde ich die Innenportale. Eine spätere Hinzufügung würde den Museumsbetrieb doch erheblich stören. Und insbesondere am Schlossforum benötigt man ja zumindestens eine provisorische Fassade. Es wäre aber unsinnig dafür erst Geld auszugeben, wenn kurze Zeit später doch die Rekonstruktion kommt. Nun sind die Innenportale am Schlossforum bis auf die Schmuckkartusche recht schlicht und damit noch relativ preiswert zu bekommen. Eine Lösung könnte sein, dass man sich darauf einigt, dass nur diese Portalbekrönung ausschließlich per Spenden finanziert wird, der Rest aber auch vom Bund vorgestreckt wird.

  • Vorurteile

    Kein Mensch interessiert sich für einen Bau des Vorklassizismus, also des Barock.


    Wenn das so wäre, warum wird dann das barocke Stadtschlosss rekonstruiert?


    Die wenigen Bauten des Barock, die Berlin überlebt haben (ist ja nur eine Handvoll) wurden nach 1990 ruiniert.


    Dann wurden also Charlottenburger Schloss, Dt. Dom, Franz. Dom, Alte Bibliothek, Zeughaus, Friedrichstadtkirche etc. nach 1990 ruiniert?


    ...die Geschichte qualitätvoller Architektut beginnt für die meisten Architekten eben mit den Schinkelschen Kuben...


    So ein Unsinn! Wie kommst du darauf? Die absolute Mehrheit der Architekten interessiert sich sehr wohl für ALLE Epochen der Baugeschichte! Das Bewusstsein für die Qualitäten der Antike, Romanik, Gotik, Barock wird u.a. in den Hochschulen gelehrt. Das Interesse an historischen Baustilen ist bei den heutigen Architekten um einiges größer, als es im Historismus der Fall war! Auch wenn ich mich wiederhole; Ende des 19. Jhd. wurden unzählige Gebäude des Mittelalters und des Barock BEWUSST zerstört. Vom Denkmalschutz war damals keine Rede!

  • So ein Unsinn! Wie kommst du darauf? Die absolute Mehrheit der Architekten interessiert sich sehr wohl für ALLE Epochen der Baugeschichte! Das Bewusstsein für die Qualitäten der Antike, Romanik, Gotik, Barock wird u.a. in den Hochschulen gelehrt. Das Interesse an historischen Baustilen ist bei den heutigen Architekten um einiges größer, als es im Historismus der Fall war! Auch wenn ich mich wiederhole; Ende des 19. Jhd. wurden unzählige Gebäude des Mittelalters und des Barock BEWUSST zerstört. Vom Denkmalschutz war damals keine Rede!


    Da muss ich dich enttäuschen, die meisten Leute die Architektur studieren inreressieren sich [wie in ihrer Generation scheinbar normal] kein bischen für Architekturgeschichte. Auch wird dasselbige Fach sehr oberflächlig und kurz behandelt, von Ernsthafter Auseinandersetzung mal ganz zu schweigen. Die heutigen studenten schauen nur den ganzen Tag in Archdaily was gerade so gemacht wird und kopieren es mehr schlecht als recht. Die Unis sind nunmal darauf angewiesen eine gewisse Anzahl studenten aufzunehmen, was im umkehrschluss heißt das eine menge Slacker-Existenzen sich dort festmachen, die Dozenten frustriert sind und mit der Zeit immer teilnahmsloser werden weil nur eine Bruchteil der Studenten sich sinnvoll beteiligt.
    Die Dozenten haben auch allgemein das Problem, je nach Alter, das sie schon einiges gesehen haben und dementsprechend schnell von Sachen gelangweilt sind und deswegen auf eine besonders große Optische Reizüberflutung angezogen werden und Inhalt komplett vergessen. Bis auf einige Ausnahmen natürlich, aber die kriegt man erst in höheren Semestern wenn es Wahlpflichmodule gibt in dem der Hänger-Anteil reduziert werden kann.
    Historische Architektur spielt keine Rolle maximal eine Synthetische Variante des Rationalismus da der aber zurzeit recht Mainstream ist, wird er auch selten gern gesehen.

  • Da muss ich dich enttäuschen, die meisten Leute die Architektur studieren inreressieren sich [wie in ihrer Generation scheinbar normal] kein bischen für Architekturgeschichte. Auch wird dasselbige Fach sehr oberflächlig und kurz behandelt, von Ernsthafter Auseinandersetzung mal ganz zu schweigen.


    An welcher Hochschule hast du -wenn ich fragen darf- denn Architektur studiert und wieviele Leute, die heute Architektur studieren, kennst du?

  • An welcher Hochschule hast du -wenn ich fragen darf- denn Architektur studiert und wieviele Leute, die heute Architektur studieren, kennst du?


    Ich studiere noch in Leipzig und durch Studienreisen kenne ich Architekturstudenten aus Berlin, Dortmund, Weimar, Wien, Mailand, Stuttgart und Aachen. (Außerdem kommen eine Menge Masterstudenten aus anderen als "härter" geltende Unis und Hochschulen um in Leipzig einen ruhigen zu schieben)
    Überall ist es das gleiche Bild nur mit dem Unterschied das die "härteren" Unis sich größere Selektion leisten können und das die Slacker herausspült werden welches ein gewisses Grundniveu ermöglicht aber auch mit durchwachsener Expertise durchsetzt ist aus den schon von mir genannten Gründen des "gelangweilten Dozenten".

  • Dieses Geplauder aus dem Nähkästchen - unter der Annahme, dass dies nicht erst jetzt so ist sondern das einstige Musenfach "Studium der Architektur" schon geraume Zeit in solch einem Niedergang befindlich ist - würde dann auch erklären, warum die Architektur so stagniert und die immer-gleiche Sauce immer neu aufgekocht wird.


    Nichtsdestotrotz geht es hier um das Stadtschloss und gerade, wenn viele Architekten dann doch Nachahmer ohne nennenswerte Eigenleistung und Kreativität wären, dann wird man durchaus annehmen dürfen, dass ein erfolgreiches Projekt "Wiederaufbau Stadtschlossfassade" nebst entsprechender Wirkung und dem Haus-in-Haus Konzept (Humboldtforum) so manchen Architekt dazu inspirieren wird, modernistische Architektur/zeitgenössische Ansprüche an Gebäude sowie historische Architekturvorbilder nicht mehr als Widersprüche zu begreifen, sondern es als Bereicherung zu betrachten, sich eines größtmöglichen Werkzeugkastens zu bedienen.


    Ohne Not hat sich die Architektur ja selbst gestalterisch kastriert, indem sie den rechtwinkligen Rohbau zum ästhetischen Standard hochjazzte und wortwörtlich tausende Gestaltungsmittel und Ornamente in den "Giftschrank" verbannte. In der Tat dürften die meisten Jungarchitekten Begriffe wie "Pilaster" nur noch mit Veranstaltungen zur Architekturgeschichte in Verbindung bringen und gar nicht zu ihrem aktiven Repertoire zählen. Eine künstlerische Verflachung, die als "fortschrittlich" verbrämt wird.


    Die komplett neu gestaltete Passage des Humboldtforums und die größtenteils neu gestalteten Innenhöfe in Kombination mit Barockelementen, das wird eine ganz besondere und neuartige, noch nicht gekannte, Wirkung erzielen. Und damit letztlich auch zu den durchschnittlichen Provinzarchitekten "durchtröpfeln", gerade weil "Berlin" und "prominentes Bauwerk", egal was man davon halten mag, es wird Spuren in der bundesdeutschen Architektur hinterlassen. Dem wird, ganz wertungsfrei, Jedermann zustimmen müssen.

  • Ohne Not hat sich die Architektur ja selbst gestalterisch kastriert, indem sie den rechtwinkligen Rohbau zum ästhetischen Standard hochjazzte und wortwörtlich tausende Gestaltungsmittel und Ornamente in den "Giftschrank" verbannte. In der Tat dürften die meisten Jungarchitekten Begriffe wie "Pilaster" nur noch mit Veranstaltungen zur Architekturgeschichte in Verbindung bringen und gar nicht zu ihrem aktiven Repertoire zählen. Eine künstlerische Verflachung, die als "fortschrittlich" verbrämt wird.


    Nein, das ist kurz gefasst die Synthese aus Bauherrenbedürfnisse, Technophilie im Westen [damit auch im Osten und Süden infiziert] und den kurzeitigen Massenwohnungsbauerfordernissen der Nachkreigszeit. Auch das Überwindungsdogma das im normalfall nicht so heftig und Ideologisch vebrämt währe hätten die Weltkriege nicht den Gesellschaftlichen Wechsel ermäglicht.



    Die komplett neu gestaltete Passage des Humboldtforums und die größtenteils neu gestalteten Innenhöfe in Kombination mit Barockelementen, das wird eine ganz besondere und neuartige, noch nicht gekannte, Wirkung erzielen. Und damit letztlich auch zu den durchschnittlichen Provinzarchitekten "durchtröpfeln", [....] Jedermann zustimmen müssen.


    Wenn dann müsste es zum Größeren Architekturbüro durchdringen, da die auf die Mainstream Produktion angewiesen und beteiligt sind. Die meisten "Provinzarchitekten" wiederum sind weitaus innovativer und auf eine gewisse Formale Kostenästhetik angewiesen, auch lässt sich im kleineren Rahmen eher eine Haltung durchsetzen den im grostädtischen Architekturwettbewerb wo man sich meisten Stylistisch auf die Jury einschießt. Bestes beispiel für gute "Provinzarchitektur" Thomas Krüger [wenn wir mal in Berlin und Umgebung bleiben wollen].
    Am ende wird es aber die großen Architekturbüros nicht jucken da die auch aufgrund ihrer größe der investorengerechten "Mode" folgen müssen. Schließlich haben sich meines erachtens nichtmal GMP die ganz großen "Prostituierten" der Architektur am Wettbewerb Stadtschloss beteiligt [oder?].

  • Jain.
    Also, wenn ich mir die frühere "Investorenarchitektur" anschaue - denkst du, ein Wertheim hatte Geld zu verschenken, als er seine Einkaufspaläste errichtete? Er hat erkannt, dass Menschen, wenn man ihnen nicht nur Paletten voller Waren, in einem beleuchteten und beheizten Betonwürfel, zum reingreifen hinstellt, sondern Waren in einer tollen Umgebung anbietet, dann auch bereit sind, mehr Geld zu bezahlen und dort auch länger zu verweilen (d. h. insgesamt mehr einzukaufen).


    Was immer man vom Konzept des damaligen "Warenhauses" insgesamt heutzutage halten mag, diese Grundannahme ist zeitlos richtig und deren mangelnde Beachtung heutzutage sicherlich ein Grund für die Krisen im Einzelhandel und den massiven Siegeszug des Internets (da sich der Einzelhandel auf solche "Abholstellen" reduziert hat, hat er sich gleichzeitig dem brutalen Preiskampf ausgeliefert und da kann er mit dem Internetversandhandel nun einmal auf Dauer nicht mithalten).


    Nur: ein Herr Wertheim mag ein super Kaufmann gewesen sein, aber eben kein Architekt - niemand kann alles gleichzeitig gut. Also brauchte es doch Architekten, die ihm die entsprechenden Entwürfe vorschlugen. Und daran mangelt es doch heute. Schau dir Beiträge zu Architekturwettbewerben an, abgesehen von balla-balla Entwürfen, die eh nicht ernst gemeint sind (weil zB die Wettbewerbsvorgaben absichtlich ignorierend) alles sehr mutlos und "einfarbig". Wie sollen sich denn Bauherren für kreative Entwürfe entscheiden, wenn man sie ihnen nicht vorschlägt? Da können die Bauherren doch noch so wohlmeinend sein! Das ist ja auch hier häufig das gemischte Fazit der User im Forum: "Mich haut der Siegerentwurf jetzt zwar nicht vom Hocker, aber er ist wohl doch der beste unter den Wettbewerbsbeiträgen" liest man doch häufig sinngemäß. Das hat ja seinen Grund!


    Oder öffentliche Bauten, wie oft sehe ich, dass sich Kleinstädte richtig viel Geld nehmen um ein stadtbildprägendes Gebäude zu errichten. Ein kürzliches Beispiel jenes hier: in einer bayerischen Kleinstadt mit 20.000 Einwohnern sollte ein gemeinsames Haus für Jugendliche, für lokale Vereine und auch lokale Musiker gebaut werden, ein Ort des "Miteinanders", welches auch zum Verweilen einladen sollte und natürlich auch ein bauliches Aushängeschild werden sollte. Für das Städtchen erkleckliche 7 Mio. Euro hat man sich das Gebäude kosten lassen.


    Früher hätte man da halt irgend eine kleine Version eines klassizistischen Gebäudes entworfen und es hätte den Ort geschmückt. Willst du wissen, welcher Entwurf gewonnen hat und nun dort gebaut wurde? Dieser hier (die Fassade ist fertig!). Das lasse ich jetzt mal unkommentiert so stehen. Denn die Realität der "modernen Architektur" ist ihr größter, eigener Kritiker. Deine Zunft hat in meinen Augen schlicht verlernt angenehme Gebäude zu bauen, die ohne wortreiche Ver-/Erklärung überzeugen.


    Und am mangelnden Budget hat es sicher nicht gemangelt, 7 Mio. € für solch ein kompaktes Gebäude sind schon eine "Hausnummer", das kannst du nicht mit Kostendruck schönreden.

  • Mir ging es ja auch um die Architektur seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in dem sich die Bauindustrie umgestellt hat zu einer Massenproduktion, der viele "Handwerkliche" Angebote erst jetzt durch Technischen Ersatz wieder anbieten kann. Dabei sind nunmal zwei Grunsätzlichkeiten zu beobachenten:
    A] die Baulobbyisierung zum BIP-Wirtschaftsmotor [schaut auch mal alle Überhitzten Länder heutzutage an in denen gibt es eine Absurd große Bauindustrie]
    B] die Angleichung an andere Industristrategien, wie z.b. geplante Obsoleszenz, Designorintierte Verkaufsstrategien


    Das ganze führt nun einal dazu das eine Architekt heutzutage gewissen Blödsinn bauen muss um erstens im Kostenrahmen den die Bauindustrie überhaupt anbietet als auch den von der Baulobby offerierten Baugesetzen gerecht zu werden. Speziell in Deutschland ist es sehr schwer sich gegen das BGB und die ENeV durchzusetzen und wenn dann nur mit wackeligen, nichtversicherbaren Sondergenehmigungen. Ein weiterer Zwangfaktor von "von der Stange" zu bauen ist das das BGB einem als Architekten rechtlich an ALLEM schuld gibt, wenn der Installateur es verkackt hat oder der Bauingenieur ist erst einmal der Architekt haftbar zu machen sobald es etwas mit in den von den Honorarordnungen festgeschreibenen Leistungphasen zu tun hat. Wenn man nun einmal die Bauüberwachsungsphase macht [und die bildet Leistungtechnisch mit nunmal den Löwenanteil] und man nicht gut genug "überwacht" hat gehen einem die Fehler anderer auf seine Kosten. Man kann das dann zwar aufdrößeln aber nur mit langwierigen Gerichtsverfahren, in dem der Schuld-Betrieb wahrscheinlich schon Pleite gegangen ist und man von froh sein kann das man 0/0 raus hat und die Versicherungsprmie sich nicht zu krass erhöht.
    Das andere Lied sind die Vergabeordnungen, um z.b. eine Schule, Hospital oder Flughafen bauen zu können muss man sowas schonmal gemacht haben. Was absurd ist für eine Junges Büro da mal in einem der seltenen offenen Wettbewerben oder durch Bürozusammenschlüsse da schwer drankommt. Deswegen bekommen immer dieselben Verdächtigen solche Aufträge und die Bauen auch lieber was sich schon Bewährt hat weil, ein Experiment bedeutet einen neues Verdsicherungsrisiko was einem den Job kosten kann. Denn ein fehler bei einem großen Projekt bezahlt die Verssicherung nur einmal. Man darf auch nicht shizophrene Bauherren und ihre ständigen Änderungswünschen vorallem in den heikelsten Bauphasen vergessen [siehe Elbphilharmonie].


    Die Bauindustrie will nicht anderes als Betonklötze, die Architekten sind davon abhängig.