Stadtschloss Berlin: Der Thread für den Wiederaufbau

  • By the way: Wer hat es denn zu verantworten, dass das Berliner Schloß in einer zweischaligen Bauweise entsteht? Die Energieeinsparverordnung, weil sonst die Mauern im Erdgeschoss über 2 Meter haben müssten.


    Aber auch wenn man das beiseite lässt kann ich den Unterschied nicht erkennen. Die Vollziegelfassade war im Barock die billigste Lösung, die den statischen Erfordernissen entsprach und keine materialästetische Aussage. Das gilt für die Sandsteinsäulen des Barocks genauso, deshalb wollte der Landeskonservator Engel das Brandenburger Tor nach 1990 wie in der Erstfassung weiss tünchen - völlig zurecht.


    Wenn einem bei dem Anblick einer zweischaligen Fassade die Aura abgeht, weil hinter der ersten Schicht Ziegel keine zweite ist, hat vielleicht zuviel über Zaubersteine gelesen. Hätte Schlüter Beton gehabt, hätte er diesen eingesetzt - das zeigen die Bauten der Römer mit opus caementium.


    Das Adlon ist keine Kopie, auch keine Nachschöpfung sondern ein postmoderner Bau.

  • ... Die Vollziegelfassade war im Barock die billigste Lösung, die den statischen Erfordernissen entsprach und keine materialästetische Aussage...


    ... und warum ist dann eine Vollziegelfassade beim Neuen Palais in Potsdam nur aufgemalt, immer mit der Begründung der Schlossführer versehen, dass Ziegel ein so wertvoller und teurer Baustoff war und der sparsame Friedrich II sich Ziegel nicht leisten konnte? Das hat mich schon immer gewundert.

  • ^Die Vollklinkerfassade ist auf dem Putz des Vollziegelbaus nur aufgemalt, weil die speziell gebrannten, frostfesten Klinker seinerzeit wie heute viel teurer waren als Mauerziegel.

  • "Überpräsenz der Gegenwart"

    Die Flucht in Rekonstruktionen findet ja u. a. deswegen statt, weil die Gegenwartsarchitektur (in Form der Architektenschaft) offensichtlich einfach nicht bereit ist aus dieser Monotonie auszubrechen, die man in Ermangelung irgendwelcher markanten Merkmale, wir sind ja inzwischen fast bei Rohbauästhetik angekommen, als "internationalen Stil" bezeichnet.


    Das mag sein. Neben solchen qualitativen Aspekten, gibt aber einen ganz einfachen quantitativen.


    Im historischen Mittel werden pro Generation (also alle 25-30 Jahre) 2-5% des historischen Baubestandes durch Neubauten ersetzt. Dazu kommen natürlich Neubauten an neuen Standorten.


    In der Moderne ist es aufgrund der Industrialisierung und starken Bevölkerungswachstums ohnehin zu einem überdurchschnittlichen Zuwachs an Neubauten/Generation im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten gekommen. Bereits das hat zu einer "Überpräsenz der Gegenwart" im baulichen Bestand auch in Ländern geführt, die vom Krieg und seinen Folgen verschont geblieben sind.


    In Deutschland kommt hinzu, dass hier im Zweiten Weltkrieg (je nach Schätzung) zwischen 40 und 60 % der Gebäude der Innenstädte vernichtet wurden - in Einzelfällen wie in Köln waren es auch 90% und mehr. Dazu kamen die Verluste im Zuge des Wiederaufbaus, als großflächig noch erhaltene Gebäude abgeräumt wurden. Statt sich nur mit der üblichen Ersatzquote von 2-5% im gewachsenen Stadtbild (+ Neubauten) verewigen zu können, hatten die beiden auf den Krieg folgenden Generationen daher Gelegenheit, die deutschen Städte ganz überwiegend nach Ihren Vorstellungen zu prägen.


    Wenn nun an einigen Stellen Gebäude dieser beiden Generationen (Teil-)Rekonstruktionen weichen müssen, zeigt das nur, dass der Verlust an baulichem Erbe als unerträglich und die Dominanz des Baustils zweier Generationen als zu einseitig empfunden werden. Es ändert aber insgesamt nichts an der völligen Dominanz der Nachkriegsarchitektur in deutschen Städten. Die Aufregung der Gegner solcher selektiver (Teil-)Rekonstruktionen ist daher schwer nachvollziehbar.

  • Die Vollziegelfassade war im Barock die billigste Lösung, die den statischen Erfordernissen entsprach und keine materialästetische Aussage.


    Davon abgesehen ist das, was man im ehemaligen Preußen so als "Barock" bezeichnet in den Augen der Bayern, Österreicher oder Italiener höchstens etwas reicher verzierter Klassizismus. Es hat mich schon immer etwas erstaunt, dass eine Begründung für die Rekonstruktion ist, dass dieses Schloss ein besonderer Vertreter des Barock gewesen sei. Als sowas würde ich doch eher derlei oder derlei bezeichnen. Pointiert gesagt würde ich die im Krieg teilweise zerstöre und hinterher restlos gesprengte "Endform" als ein ziemliches "Gebastel" und "Stil-Sammelsurium" bezeichnen. Insofern steht die Rekonstruktion, die halt nun "moderne" Elemente hinzufügt, ironischerweise in guter Bautradition dieses Gebäudes.

  • Zum Adlon, das ich nicht sonderlich schätze: am Pariser Platz stehen überall Aufsteller, auf denen mit zahlreichen Bildern die Geschichte des dortigen Stadtbildes veranschaulicht wird. Wer sich also tatsächlich für die Geschichte und das Alter von Bauten interessiert, muss nur die Augen aufmachen. Zudem ist das Adlon selbst für kurzsichtige Menschen gut als Neubau erkennbar. Ein Haus muss einem doch nicht ins Gesicht brüllen, dass es nach dem Krieg errichtet wurde, damit man die Dinge unterscheiden kann - die Bevölkerung besteht doch nicht nur aus kompletten Vollhonks.

  • Zum Adlon, ... - die Bevölkerung besteht doch nicht nur aus kompletten Vollhonks.


    Ich meinte das nicht in Bezug auf die Berliner Bevölkerung, der unterstelle ich mal, dass sie sich mehr als andere sogar, sehr geschichtinteressiert zeigt. Ich dachte da an japanische Freunde von mir, die kamen gerade aus Paris nach Berlin. Und sie konnten es nicht fassen, dass das was hier alt aussieht nicht unbedingt alt sein muss. Sogar am Potsdamer Platz hatten sie Probleme den Kolhoff Tower zeitlich richtig einzuordnen. Und es sind durchaus intellektuell gebildete sehr feine Menschen. Meistens hilft ja die Klopfmethode. Wenn sich das Klopfen gegen die Fassade meist hol und und nach Plastik anhört hat man wieder eine Niete gezogen.

  • Meistens hilft ja die Klopfmethode. Wenn sich das Klopfen gegen die Fassade meist hol und und nach Plastik anhört hat man wieder eine Niete gezogen.


    Wenigstens die Klopfprobe wird das neue Schloss ja bestehen:):):)



    Bei allem Respekt vor japanischen und chinesischen Touristen. Bei aller Bildung, die diese Personen haben, so ist ihr Reiseverhalten doch meist ganz anders als das der Europäer. Ich kenne diese ganzen Horden vor dem Dom in Köln. Die kommen an, Foto vom Dom, Foto mit Person vorm Dom, Foto mit Gruppe vorm Dom, rein in den Dom, das ganze Programm noch mal, dann noch schnell in den extra eingerichteten Messerladen gegenüber um Geschenke zu kaufen, rein in den Bus uns ab zur Loreley. Dann weiter nach München und Neuschwanstein, dass war der Deutschlandurlaub.


    Aber ich will ihnen auch nicht direkt einen Vorwurf machen, ich würde bei traditioneller japanischer Architektur wohl auch nicht direkt sehen, was wirklich alt ist und was nicht. Hängt halt damit zusammen, dass sich die Stile (asiatisch, westlich) so gravierend unterscheiden.

  • Ich dachte da an japanische Freunde von mir, die kamen gerade aus Paris nach Berlin. Und sie konnten es nicht fassen, dass das was hier alt aussieht nicht unbedingt alt sein muss.


    Mal ehrlich gesagt, was interessiert uns die Verwunderung japanischer Touristen über echt alte oder unecht alte Berliner Gebäude?
    Außerdem wundert mich deren Verwunderung doch sehr, denn gut 90% aller "alten" Burgen und Schreine in Japan sind Nachbildungen aus verkleidetem Beton, weil sie entweder dem Krieg, Feuern, Erdbeben oder der Abrisswut früherer Generationen nicht standgehalten haben. So traditionell verwurzelt die Japaner in einigen Bereichen zweifelsohne sind, so unachtsam gehen sie mit ihrem baulichen Gut um.

  • Davon abgesehen ist das, was man im ehemaligen Preußen so als "Barock" bezeichnet in den Augen der Bayern, Österreicher oder Italiener höchstens etwas reicher verzierter Klassizismus. Es hat mich schon immer etwas erstaunt, dass eine Begründung für die Rekonstruktion ist, dass dieses Schloss ein besonderer Vertreter des Barock gewesen sei.


    Barock war eben nicht Barock. Es gab erhebliche Stil-Unterschiede zwischen dem katholisch geprägten Süddeutschland und dem protestantischen Norden. Insofern war das Schlüter-Schloss durchaus ein bedeutender Vertreter des 'norddeutschen Barock'.

  • Gelungen wäre es vielleicht, wenn anstelle der Betonwände die mich heute andreuen rote Ziegelwände stehen würden die wohl eher dem historischen Kern entsprächen. Meinetwegen könnte der Aufbau auch 50 oder 70 Jahre dauern, dann aber bitte authentisch, ein Generationenprojekt.


    Was weg ist, ist weg. Es ist mir schleierhaft, wie Leute so etwas Neugebautes toll finden können. Nie, nie wird es das alte Flair haben.


    Camondo ist wohl ein Comedy-Bot der NSA. So viel Unlogik und Widersprüche liest man selten. Man lese selbst:


    Aber alles was Du da heute hinstellst auch wenn es nur teil- total oder garnicht rekonstruiert ist, ist doch etwas NEUES. wie kann denn das Geschichte atmen oder etwas vom genius loci versprühen? der hier immer beschworen wird. Ich bleibe meinem Motto treu. Alles andere ist verschwurbelte Romantik! :nono:


    Etwas altes kann man nicht zurückbringen. wenn es einmal weg ist, ist es weg. Auch die Aura oder das Flair oder was weiss ich. Natürlich kann man das bedauern, tue ich ja auch manchmal. Es dann aber wiederzubeleben ... wird niemals das gleiche sein. Und das ist das was mir Unbehagen bereitet. Wie heute schon beim Adlon, dass Menschen die sich nicht die Mühe machen sich vorher mit der Historie des Hauses zu befassen, auf eine falsche Fährte lockt. Somit wird Geschichte eben nicht erlebbar sondern zu etwas anderem. Nur noch zu einem schwachen Schein.


    Lieber Camondo,


    du sprichst hier nicht von Japanern oder Chinesen. Was soll diese Art der Diskussion? Willst du uns hier alle veräppeln? So diskutieren vielleicht kleine Kinder, die schnell alles leugnen oder irgendwelche Geschichten erfinden, falls man ihre Widersprüche aufdeckt. Aber vielleicht bist du ja auch nur ein Bot. Lustig ist ja auch, wenn man völlig wertlose Argumentationen aufzieht und sich dann über entsprechende Polemik beschwert.


    So gut wie jeder Deutsche weiß, daß der Pariser Platz einmal eine Brache war, mit viel Tamtam wiederaufgebaut wurde und daß auch das Adlon unter großer Anteilnahme neu errichtet wurde. Man sieht auch leicht an der Stockwerkshöhe, daß das Adlon ein Neubau ist. Komm bitte nicht mit Ausflüchten von Japanern oder Chinesen, wenn du vorher eindeutig von Deutschen und Berlinern sprachst.


    Es ist mir außerdem schnuppe, ob die Proportionen des Adlon angeblich nicht stimmten. Für mich stimmen sie. Dein subjektiver Eindruck ist kein bindender Maßstab. Komm doch mal aus deiner Ideologen-Ecke heraus und argumentiere konsistent und logisch. Dann können wir weiterreden.


    Und es ist mal wieder sehr bezeichnend, daß viele meiner Argumente und auch die anderer gar nicht berührt wurden. Vielleicht sollte manch Modernist jetzt endlich mal Konsequenzen ziehen und akzeptieren, daß andere Menschen gute Gründe haben, auf Tradition zu setzen.

  • Echter Berliner
    Ihre unkontrollierten Ausfälle zeigen nur einmal mehr, dass ich mit meiner Meinung, und im Gegensatz zu Ihnen, sitilisiere ich ich meine Meinung nicht zu einer Art dumpfen Volksempfinden hoch, nicht so falsch lag. Sie haben mich auch in rein garnichts verstanden.

  • Hmmm, was denkt wohl ein asiatischer Tourist, wenn er vor dem Kölner Dom steht? Vielleicht, dass er ein wunderschönes und beeindruckendes Zeugnis des Mittelalters ist, ist er auch, aber auch wieder nicht. Ihr werdet es sicher alle wissen, Anfang des 19. Jahrhunderts war der Kölner Dom ein Torso:



    Bild: gemeinfrei



    Ebenfalls Anfang des 19. Jahrhunderts hat man originale Pläne aus dem Mittealter entdeckt:



    Bild: gemeinfrei


    In der Mitte des 19. Jahrhunderts hat man dann unter preußischer Herrschaft begonnen, den Kölner Dom fertig zu bauen. Man entwickelte die alten Entwürfe weiter und verband sie mit Bautechniken der Neuzeit. So besteht die Dachkonstruktion z.B. nicht aus Holz, sondern aus Stahl. Es wäre niemandem damals eingefallen, einen Dachstuhl aus Holz zu fordern, weil nur er "original" wäre. Man wusste damals, dass es primär um den Entwurf geht und nicht um die Konstruktion.


    Wenn dieselben Bedenkenträger und Schlechtredner von heute damals unterwegs gewesen wäre, hätte es diesen wunderbaren Kölner Dom nie gegeben. Wäre ja vielleicht auch nicht schlimm gewesen, ist ja nur eine Kopie, unhistorisch und täuscht ein Alter vor, das er nicht hat ..... Nein!


    Den "originalen" Kölner Dom hat es nie gegeben, man hat ihn im Mittelater nur zu 15% fertig bekommen. Das Stadtschloß gab es zu 100%. Es wurde im Krieg beschädigt und dann zerstört. Ich sehe keinen Grund, warum man die jetzt entstehende Rekonstruktion weniger ein Original sein sollte als der Kölner Dom, eine der größten Sehenswürdigkeiten Deutschlands und Identifikationsbau der Kölner Nr.1 :daumen:

  • Jedes Gebäude ist Original. Auch das Adlon am Pariser Platz. :)


    Der Kölner Dom ist eben ein schwieriger Fall, gleichwohl natürlich auch ein Original, ein sehr vielschichtiges. Zu vielschichtig vielleicht für den Verstand von Hardcore-Modernisten, die nun nämlich ihre absurden und formalistischen Thesen hinsichtlich Rekonstruktionen und Historisierungen hinterfragen müßten.


    Letztlich zählt meiner Meinung nach nur, wie gelungen ein Gebäude ist. Historische Bezüge können auch aus unserer aktuellen Zeit heraus gelungen sein. Es geht um die Liebe zum Detail und ob man mit heutigen Maßstäben wertig arbeitet. Man muß also keine Ziegelmauern verwenden. Oder Holz für die Dachkonstruktion.


    Wenn denn die Modernisten hier einfach nur von ihren ästhetischen Vorlieben erzählten ohne diesen herablassenden ätzenden Tonfall, dann wäre das ja völlig in Ordnung und eine interessante Diskussionsgrundlage. Stattdessen versucht man sich am formalistischen Endsieg über alles Historisierende, da es ja nicht original sei.


    Man kann ja noch nicht einmal davon ausgehen, daß hier das Wort formalistisch verstanden wird. Mit Metaphern hat man's auch nicht so. Also entweder bin ich ein Genie, oder es hapert bei einigen Leuten gewaltig. :)


    Ich kann übrigens mit den Betonwänden des Schlosses gut leben, wenn man den Innenraum würdevoll als modernes Schloß gestaltet.



    Sie haben mich auch in rein gar nichts verstanden.


    Na dann, erklär' doch mal, was ich genau nicht verstanden habe. Ich bin gespannt. Achte dabei bitte aber auf Konsistenz und Logik. :)

  • Den "originalen" Kölner Dom hat es nie gegeben ...


    Bei "echten" originalen Kathedralen wie z.B. in Freiburg, Ulm oder Regensburg wurde doch im Laufe der Zeit auch jeder Stein von den dortigen Dombauhütten ausgewechselt. Da bleibt letztendlich nicht viel übrig, was tatsächlich "original" ist.


    Da stellt sich mir doch die Frage: Was macht ein Gebäude original?


    Ist es denn überhaupt wichtig, ob ein Gebäude original ist?


    Die Fake-Architektur des Kölner Doms ist heute auch original, nämlich originale Architektur des 19. Jahrhunderts. Damit ist dieses Fake immerhin älter als der Großteil des architektonischen Bestandes in Berlin.

  • Ein weiteres Beispiel wäre die Kathedrale Notre-Dame in Paris. Bei der letzten Sanierung durch den Architekten Viollet-le-Duc ist fast die gesamte Fassade ausgetauscht worden. Trotzdem kommt niemand auf die Idee, diese Kirche als "Fake" zu bezeichnen.


    Deshalb ist meine Referenz der Entwurf, der im Diskurs zwischen Architekt und Bauherrn zur Ausführung gelangt ist.

  • Ja, für mich ists auch zweitrangig bzw. ich "glaube" an die Originalität des Entwurfs, eben weil auch bei den goth. Kathedralen sicher kaum noch einer der sichtbaren Steine dem Jahr der Fertigstellung entspricht. Ich dachte dabei eher an das Disneyland-"Argument" im Zusammenhang mit Rekos.

  • eben weil auch bei den goth. Kathedralen sicher kaum noch einer der sichtbaren Steine dem Jahr der Fertigstellung entspricht


    Falsch, das sind alles die selben viele Mio. Jahre alten Steine. Er wurde zwischenzeitlich höchstens vom geologischen Lagerort, einem späteren "Steinbruch", entfernt und woanders hin verbracht, als "Baustein". Der Sandsteinboden meiner Eingangstreppe ist genauso alt wie der Sandsteinboden in alten römischen Palästen. Alles andere sind absolut willkürliche menschliche Fiktionen und Projektionen von "Originalität" und Zeithorizonten, wo man biographische Lebensspannen menschlicher Wesen auf tote Materie projeziert. "Original" kann lediglich ein Entwurf sein, nicht das Material. Denn da der Mensch diese Materialien gar nicht erst geschaffen hat (sondern Urknall, Planetenbildung, geologische Aktivitäten, usw.) kann er auch nicht am Anfang einer "Material-Biographie" stehen. Er verbringt höchstens einzelne Materialportionen an verschiedene Orte (was natürlich konsequent gedacht auch alle Neukompositionen von Materialien beinhaltet, auf den Kern reduziert handelt es sich dabei stets nur um Ortveränderungen der einzelnen Materialportionen ggf. runter bis in den Nanobereich). Der Mensch ist kein "Schöpfer" von etwas anderem, als seinen eigenen Gedanken. Er kann diesen höchstens stofflichen Ausdruck verleihen, bzw. versuchen mit stofflichen Mitteln dem Original in seinen Gedanken dabei möglichst nah zu kommen, diese Verkörperung wird dabei aber nie näher an das Original kommen können, als ein "Faksimile".


    Deswegen hatte ich noch nie Probleme mit Rekonstruktionen bzw. fand diese ganze Originalitätsdiskussion schon immer vorgeschoben nach dem Motto, man ist "aus Prinzip" gegen Rekos, sei es aus persönlichen Geschmacksgründen, und sucht dann halt vermeintlich objektivierbare Argumente für diese Position, um sich nicht auf seine subjektive Meinung zurückführen bzw. beschränken zu lassen (dann steht wieder nur "Geschmack gegen Geschmack", statt einem vermeintlichen Sachargument wie "Originalität").


    Mehr noch, ich lehne genau darum auch die aktuelle Mode des "kritischen Denkmalschutzes" ab, in der "Zeitspuren" auf einem willkürlichen Stand erhalten werden (was in sich natürlich genauso willkürlich ist, wie Zeitspuren zu beseitigen, nur dass dabei der eigentliche Originalentwurf immer unkenntlicher wird). Es ist und bleibt genauso eine Abkehr vom Original(entwurf) wie das aktuelle Stadtschloss. Und was ist da eigentlich der Originalentwurf, da es mehrfach umgebaut wurde? Das wäre willkürlich, sich für einen der vielen "Originalentwürfe" zu entscheiden. Also kann man die nicht willkürlichere Entscheidung genauso treffen, den letzten bekannten Zustand des Gebäudes zB durch eine vierte, zeitgenössische, Fassade zu ergänzen.


    Ich konnte also beiden Kritiken am Stadtschlossentwurf noch nie etwas abgewinnen und hoffe, dass mein redlicher Versuch meinem abstrakten Empfinden verständlichen Ausdruck zu verleihen, ein paar Momente eurer Aufmerksamkeit findet. Vielleicht konnte ich damit ja einen Gedanken anregen, der dem einen oder anderen in der Form noch gar nicht gekommen ist.