Stadtschloss Berlin: Der Thread für den Wiederaufbau

  • Tchobans Fassadenentwurf ist doch gar nicht als Rekonstruktion angedacht! Die Aufgabe des Wettbewerbs bestand darin die Spreefassade neu zu gestalten und Tchoban hat genau dies getan. Im Gegensatz zu den meisten anderen hat er sich allerdings darum bemüht, die neue Fassade in perfekten Einklang mit den anderen zu bringen (indem eine vierte Fassade im Stil des Barocks entworfen wurde).
    Der Tchoban-Entwurf ist genau so neu wie der Stella-Entwurf und wenn man den Tchoban-Entwurf als "Disneyland" bezeichnet, kann man das mit Stellas und allen anderen Entwürfen genau so machen. Ganz egal ob sie im historistischen oder im modernen Look daherkommen. Keinen hat es vorher so gegeben, nie hat das Schloss so ausgesehen.


    Abgesehen davon wirkt der Tchoban Entwurf meiner Meinung nach allerdings etwas langweilig und monoton. Vielleicht hätte er selbst irgendeinen Clou in der Fassade einbringen können, anstatt dort einfach Copy/Paste zu benutzen.

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  • Baukunst, die Überlegenheit bzgl. amerikanischen Städtebaus die da zwischen den Zeilen mitschwingt würde ich mir deutlich überlegen. Natürlich sind die USA der Staat auf den wohl jedes positive und negative Klischee zutrifft, weil es solch ein vielfältiges Land ist. Aber es gibt dort zahlreiche Beispiele von Städtebau die alles in den Schatten stellen was man in Europa finden kann - gerade im 20. Jahrhundert, wo die USA die kulturelle Führerschaft der westlichen Welt den Europäern in jedem Lebensbereich abgenommen haben. Städte wie Boston - oder auch kanadische Städte wie Vancouver - haben eine dermaßen hohe Lebensqualität, wie man das bei keinen Millionenstädten in Europa finden kann. Mit einem wirklich stimmigen Mix aus Alt und Neu, da stimmt dann auch die abgegriffene Phrase von "bewussten Brüchen aus Alt und Neu", die bei uns zumeist ja nur ein Feigenblatt für "besser haben wir es nicht hinbekommen" ist.


    Gerade die Offenheit und spielerische Kreativität mit der sich Amerikaner und Kanadier aus allen Architekturepochen bedienen macht diese Städte so lebenswert. Und nur weil eine römische klassizistische Säule im 21. statt im 19. Jahrhundert gebaut wurde ist sie nicht weniger "original", denn auch im 19. Jh. war es nur eine Kopie der antiken Bautradition. Dass daraus Klassiker wurden ist lediglich der seitdem vergangenen Zeit zu verdanken. Deinen Begriff von "Original" und "Kitsch" halte ich für zu eindimensional, Pardon. Im Übrigen, welch Ironie bei diesem Thema - einer 100%igen Reko auf einem freien Baufeld - so zu argumentieren, wieso die eine Fassade rekonstruiert werden sollte, die andere aber zwingend zeitgenössisch gestaltet werden muss. Paradox!

  • Auf die Gefahr hin in gnadenlose Off topic abzuschweifen aber das große Manko Nordamerikanischer Städte ist doch die gnadenlose Zersiedelung des innerstädtischen Umfelds. Was selbstverständlich auch auf die städtebauliche Situation eben jender Innerstädte zurückzuführen ist. Mit Lobpreisungen möchte ich da persönlich nicht um mich schmeißen.

  • Schlossecken

    Das Thema reizt natürlich zu allen möglichen Ausflügen in die Architekturtheorie, -geschichte, -polemik; aber zurück zum corpus delicti:


    Quelle: Stiftung Berliner Schloss:



    In diesem Entwurf finde ich den Übergang zwischen der Rekonstruktion und der modernen Fassade misslungen. Ich begreife auch nicht warum der Gebäudeflügel mit moderner Fassade durch eine Einkerbung abgesetzt wird, die moderne Fassade aber bereits davor beginnt. Sehr gut, dass für die südost Ecke mit dem Rondell eine bessere Lösung in Aussicht steht. Ich hoffe doch, dass auch die hier abgebildete nordost Ecke noch verändert wird.
    Mit der modernen Fassade zur Spree kann ich leben aber der Übergang ist der schwierige Knackpunkt. Hier zeigt sich das Können des Architekten (oder sein Versagen). In dem oben dargestellten Entwurf mit Rondell wird vor den Übergang verschämt ein Bäumchen gestellt, dass jedenfalls deutet eher auf ein Versagen hin.

  • ^
    Wobei man bei dem modernern Teil direkt neben der Fassadenreko ja später ebenfalls die barocke Fassade noch realisieren kann.

  • ^^


    Besonders unverständlich ist hierbei ja auch, dass die neue alte Fassade noch an der eigentlichen Wand plötzlich aufhört, bevor der Versatz zur Stella Fassade erfolgt. Man aber gleichzeitig deren Struktur durch farblich abgesetzten Putz nachskizziert. Das wirkt absolut lächerlich und die Stirnseite selbst wirkt durch die angedeuteten Fugen eher wie die Stirnseite eines Plattenbaus.
    Fazit meinerseits: Das darf man auf keinen Fall so umsetzen.

  • Baumeista, ich wüsste nicht, wo in meinen letzten Beiträgen zwischen den Zeilen irgendne Überlegenheit ggü dem amerikanischen Städtebau stecken soll und du hier die Ehre der neuen Welt verteidigen musst. Hab ich nicht dran gedacht und dementsprechend auch nicht so geäußert. Der Disneyland-Begriff sollte es wohl nicht gewesen sein.


    Es ist m.E. gar nicht paradox, die Tschoban-Fassade abzulehnen, sondern konsequent im Sinne einer ernsthaften Rekonstruktion. Wie gesagt, nicht weil sie stilistisch oder handwerklich schlecht wäre, sondern weil sie falsch spielt (es waren drei, nicht vier Barockfassaden, uralte Planung einer vierten hin oder her). Was wirklich nach Reko aussieht, sollte immer auch eine sein. Ob Fassaden-, Teil- oder Vollreko sei zunächst zweitranging, primär gehts doch darum, ob es zu einem Zeitpunkt XY von außen wirklich mal so aussah und das genau dort. Wenn man das wie Tschoban nicht akzeptiert und nicht wenigstens (auch schon grenzwertig) etwas Transloziertes rekonstruiert ( z.B. Nussbaum Nikolaiviertel, Leibnizhaus Hannover) sondern völlig frei auf exakt-alt erfindet, ist sicher kein Verbrechen und sieht womöglich gut aus. Nur ist das keine Rekonstruktion! Tschobans Fassade ist so beliebig und ortsunabhängig reproduzierbar, wie von Denkmalpflegern und Rekogenern als Hauptargument unentwegt befürchtet und propagiert. Das Wasser auf deren Argumentations-Mühlen sollte man sich getrost sparen. Bei einem zeitgemäßen Ostflügel ist sofort klar, dass es hier nie so aussah! Dies soll KEINESFALLS ne Absage an eine historistische Gestaltung mit Kapitellen, Säulen etc. sein, da man bei historistischen Bauten im Gegensatz zu Rekos (mit entsprechender Patina natürlich) praktisch immer die (neuzeitliche) Entstehungszeit erkennen kann. Ein historistischer Ostflügel wäre ehrlicher als diese irreführende Barock-Kopie und - wenn schon keine in allen Punkten weit überlegene Renaissance-Reko - wesentlich schöner und passender zum Rest als die puristische Stella-Planung.

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  • Im Tagesspiegel wurde eine neue Visualisierung der Südseite veröffentlicht. Man kann wohl davon ausgehen, dass es sich hierbei langsam aber sicher um finale Entwürfe handelt, wie der Übergang zwischen historischer und moderner Fassade bewerkstelligt werden soll.



    Quelle: Tagesspiegel

  • Fassadenübergang Rekonstruktion - Moderne

    ^ Ich muss dem Tagesspiegel recht geben: Es ist eine runde Sache. Die Lösung für diese Ecke gefällt mir gut. Umso mehr ist dem Spender zu Danken. Es ist sehr gut nachzuvollziehen, warum 2 Millionen gerade für das Rondell gespendet wurden.


    Es bleibt aber zunächst bei der oben gezeigeten absolut unbefriedigenden Lösung an der NO-Ecke und hier gab es ja auch kein Rondell. Hoffentlich wird Stella hier eines glücklichen Tages noch von der Muse geküsst.

  • Die Illustration ist ja mehr als armselig. Die runde Ecke ist ja keine Ecke mehr...


    Na, wenigstens wird die Spreefront der "modernen" Fassade gegenüber wieder schön. Berlin ist doch immer für Brüche. Hier ein besonders schöner:



    (C) gemeinfrei

  • Danke für das Foto. Es bedarf IMHO schon einer enormen Verdrängungsleistung der "Modernisten" angesichts solcher Fotodokumente steif und fest zu behaupten dass Rekonstruktion untauglich zur Stadtreparatur und Stadtgestaltung seien. Gibt es Debatten darüber auch im Schlossumfeld zu rekonstruieren?

  • Also so toll sind die Häuser auf dem eingstellten historischen Foto auch nicht.Sie wirken etwas heimelig und leben vom Standort am Wasser.Meiner Meinung nach nicht rekonstruktionswürdig,da Stangenware zu damaliger Zeit und auch nicht berlintypisch.



    Moderne Architektur sollte und ist IMHO ebenso im Stande,dass Schloß würdig einzufassen.Mit 0815 Blockrandbebauung oder gediegenem Patzschke Eintopf wird dies schwierig werden.Auf keinen Fall sollte sich die Neubebauung an der gepflegten Langeweile des Diplomatenpark am Klingelhöfer Dreieck oder ähnlicher Projekte orientieren.


    Gefragt sind m.E. gruppenfähige,durchaus mutige Solitär, im besten Sinne des International Style.


  • Gefragt sind m.E. gruppenfähige,durchaus mutige Solitär, im besten Sinne des International Style.


    :confused: na dann gib doch mal ein paar Beispiele, was du dir darunter so vorstellst. Was zum Beispiel ist ein 'gruppenfähiger, mutiger Solitär' - und wie soll der bitte an diese Stelle passen?

  • Haha, da bin ich auch gespannt drauf... :lach:


    Außerdem: "Sie wirken etwas heimelig und leben vom Standort am Wasser."
    Ja, ganau! "Heimelig"!
    Das genau passte und passt auch jetzt zu der Schloss-Rückseite und könnte auch sehr gut als Vorbild für eine Neuauflage mit aktuellem Material und frischen Farben dienen. "Townhouses" eben...
    Danach kann man ja die Stella-Rückseite anpassen!


    Übrigens @ Konstantin: Ist das ein Foto aus der Zeit vor dem Brückenschlag an der Schloss-Apotheke?

  • Hier mal aus der anderen Richtung, vom Schlossdach... ich denke es müsste aus ähnlicher Zeit sein.



    (Bildrechte abgelaufen)

  • wie man unschwer erkannen kann,


    ist beim ersten foto die heutige Karl-Liebknecht Straße noch nicht durchgebrochen, beim zweiten Foto ist sie schon vorhanden.


    Mag ja sein das "die" Modernisten nun in Zugzwang geraten weil die gezeigten Bilder so "idyllisch" sind.
    "Die Rekonstruktionisten" bleiben aber die Antworten stets schuldig wie heutige Nutzungen (Verkehr, Dienstleistungen, Einzelhandel) mit den alten Strukturen vereinbart werden können.


    Ich will mich weder in das "Modernistenlager" noch in das der "Rekonstruktionsreaktionäre" einordnen lassen. Fixpunkt heutiger (in diesem Sinne moderner) Stadtplanung sollte meiner Meinung nach mehr als nur das normativ aufgeladene streben nach Ästhetik sein. Funktion ist eben auch bedeutsam.



    D.

  • Also mich erinnert das Bild in #1292 extrem an Sankt Petersburg. Eine identitätsstiftende Häuserfront ist das nun weiß Gott nicht. Wäre schön, wenn es das noch gäbe, aber ich kann nicht nachvollziehen, warum man das rekonstruieren sollte.