Der Artikel im Tagesspiegel trägt alles zusammen, was das Projekt Humboldt-Forum aka Stadtschloß wohl schon jetzt zu einem der größten Berliner Bauskandale der Nachkriegszeit werden läßt...
Ein dubioser Wettbewerb mit einem Pinocchio Stella, dubiose Kostenpläne, ein zweifelhafter Förderverein und eine unseriöse Zeitplanung, und das alles gedeckt von einem Bundesbauminister, der meint, daß er damit durchkommt...
Im Vergleich zu diesem zu erwartenden Desaster wirken zumindest in finanzieller Hinsicht die Aktivitäten der bisherigen Berliner Platzhirschin auf diesem Gebiet, Sigrid Kressmann-Zschach geradezu wie ein Kindergarten...
Stadtschloss Berlin: Der Thread für den Wiederaufbau
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In Fachkreisen werde dem Projekt Stadtschloss keine Realisierungschance mehr eingeräumt.
Da kann der Bundestag wohl entscheiden, was er will...?Ja, offensichtlich hat in wichtigen Fragen künftig nicht mehr der Souverän zu entscheiden, sondern eine Handvoll Architektur-Lobbyisten, die gegen jeden querschießen, der sich in ihr Revier wagt.
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Was heißt hier Souverän? Wir leben nicht mehr im Kaiserreich wo der Souverän agieren kann wie es ihm beliebt; und das ist auch gut so.Dass das Projekt momentan (und eigentlich auch nicht erst seit heute) unter so einem ungünstigen Stern steht, hat ja wohl nicht irgendeine Architektenlobby zu verantworten. Vielmehr sind es verschiedene Umstände die sich aufsummiert haben (u.a. Jäger hat es in der Zusammenfassung recht gut erläutert) und den Wiederaufbau des Stadtschlosses nun am seidenen Faden hängen lassen. Es gibt sicherlich keine optimale Vorgehensweise solch ein großes Projekt über die Bühne zu bringen, aber etwas mehr Sensibilität vor allen in den entscheidenen Etappen wäre seitens des Bundes mehr als angebracht gewesen. Es wäre schade, wenn der Baubeginn dadurch verzögert werden würde (das scheint mittlerweile unvermeidlich) und vor allem wenn es zu der abgespeckten Sparversion käme.
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Nun ja, ich würde mal sagen, der Bundestag als Volksvertretung und damit eben als Vertretung des Souverän (denn: "alle Staatsmacht geht vom Volke aus" Art. 20, 2 GG)Soviel nur als Randnotiz auf Deine Frage.
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ähem... Der Souverän in diesem Lande ist das Volk, repräsentiert durch gewählte Vertreter. Genannt Parlament, oder auch Bundestag.
Und ja, natürlich ist es eben jenen Lobbyisten zu verdanken, dass das Projekt am 'seidenen Faden' hängt. Anstatt unterstützend und unbürokratisch im Sinne der Mehrheitsentscheidung Hilfe anzubieten bzw. Alternativen aufzuzeigen, wird der ungeliebte Konkurrent torpediert mit allem was irgendwie geeignet erscheint.
Man will keinen Wiederaufbau, und erst recht nicht durch einen Außenstehenden. Das haben die Protagonisten in diesem miesen Spiel schon lange vor der Entscheidung klargestellt und sie werden natürlich auch jetzt nicht plötzlich umfallen. -
Als kleine Randnotiz: Das war eine rhetorische Frage.
Ansonsten empfehle ich diesen Wikipedia-Artikel.
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Geht es jetzt also darum, wie Demokratie funktioniert? Am Ende haben wir ohnehin keinen Einfluss darauf, was kommt. Ich hoffe nur, dass bald was kommt womit alle irgendwie leben können (oder müssen). All der Ärger ist dann auch irgendwann wieder vergessen. Auch wenn keiner der Entwürfe mich wirklich überzeugt hat...
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Nun, dann sind wir uns ja (hoffentlich) alle einig, dass ein Souverän eben nicht zwangsläufig der Kaiser ist, und können wieder zum Thema zurückkehren. -
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Ansonsten empfehle ich diesen Wikipedia-Artikel.Warum? Was hat denn bitte die Gewaltenteilung mit dem Thema zu tun? Die politischen Entscheidungen werden im Allgemeinen nicht durch Gerichte oder Polizei getroffen...
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@ tel33
ich glaube, dass war genau der gedanke von bato. wir haben die gewaltenteilung, deswegen muss sich auch der bund (bundestag,etc) an die übergeordneten spielregen halten. genaudafür gibt es dann gerichte, wenn hieran zweifel besteht.
insofern, wenn etwas durch ein gericht gekippt wird, weil unrechtmäßig, dann ist das gericht als prüfende instanz genau der faktor, der mit den anderen gewalten-teilen das system zum souverän macht... -
@ tel33
Auch ich stimme Kaktus und Bato zu. Und den Schlossbefürwortern ist nicht geholfen, wenn Mutmaßungen, ungenaue bzw. ahnungslose Presseberichterstattung und Weinerlichkeit zu einem Cocktail verrührt werden.
Der Bundestag als Volksvertretung kann nicht selbst ein Gebäude bauen. Das ist Aufgabe der Verwaltung, die sich an zahlreiche Regeln und damit eben auch an das Vergaberecht zu halten hat. Wenn sie das nicht hinkriegt, hat der Bundestag keinerlei Möglichkeit, "unbürokratisch" zu helfen und etwa Stella in rechtswidriger Weise zu einem Auftrag zu verhelfen. Was man sich allerdings schon fragen kann, ist, warum es nicht wenigstens zu einem politischen Statement reicht ("Wir bauen wie geplant" o. ä.). Das mag viele Gründe haben - vielleicht auch die klitzekleine Ablenkung durch die Wahl.
Auf der anderen Seite kann ein Ausschreibungsvorgang, der zwischendurch schief läuft, auch nicht so ohne weiteres gestoppt werden, was die "informierten Architektenkreise" wohl verkennen. Realistisch ist aus meiner Sicht, dass sich zwar alles verzögert, am Ende der Planungsauftrag - an wen auch immer - trotzdem erteilt und auch das Schloss gebaut wird.
Und zu Oswalt: Niemand braucht sich m. E. sagen zu lassen, dass er eine "Rufmordkampagne" betreibt. Wie man in den Wald hineinruft etc.
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Die letzten Presseartikel schlagen hier ja wirklich hohe Wellen!
Erstmal aufräumen:
1.) Gewaltenteilung:
Bundestag = Legislative, macht Schloßbaubeschlüsse.
Bundesbauministerium = Exekutive, vergibt Aufträge zur Umsetzung dieser Beschlüsse.
Bundeskartellamt = Exekutive, prüft Vergabeaufträge (und erlässt, weil Behörde, keine „Urteile“ – auch wenn das gerade viele Pressefritzen zur Nichtigkeitsentscheidung des Amtes schreiben!).
OLG Düsseldorf = Judikative, ist Gericht und entscheidet (lediglich) darüber, ob das Amt richtig geprüft hat (durch Urteil, nicht durch Gesetz – Legislative – und auch nicht durch Verwaltungsakt – Exekutive).Auf dieser Basis:
2.) Der Bundestagsbeschluß und die Juryentscheidung im Architekturwettbewerb für Stella bleiben bestehen. Ebenso ist meines Wissens auch der Architektenvertrag des Bauministeriums mit Stella weiter gültig. Nichtig ist allein die Auftragsvergabe an die unter Stellas Leitung arbeitenden Partnerbüros (s.o. 1.). Die Entscheidung des Bundeskartellamts unterliegt derzeit der Prüfung im Be-schwerdeverfahren. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, was umgekehrt heißt, daß die Entscheidung des BKartA erst einmal keine Wirkung entfaltet.
3.) Im Vergabeverfahren wird nicht entschieden, w a s gebaut wird, sondern w e r den Auftrag ausführt. Zwar mußte (und muß) bei der Auftragsvergabe sichergestellt sein, daß nicht nur Stella - wegen seines Urheberrechts am Gewinnervorschlag – als einziger Kandidat für die Umsetzung seiner Pläne verbleibt. Insofern ist die rechtliche Konstruktion entscheidend.
Soweit ich weiß, sind jedoch die Juryentscheidung, der Architektenvertrag mit Stella und die Ver-gabeentscheidung des Bundesbauministeriums nicht veröffentlicht worden, geschweige die Kartellamtsentscheidung. Bekannt ist nur, daß die unter Stellas Leitung arbeitenden Partner nach der Kartellamtsentscheidung nicht zum Zuge kommen sollen.
Unter diesen Umständen steht die Umsetzung von Stellas Gewinnervorschlag aus dem Architekturwettbewerb aber rechtlich nicht in Frage. Allenfalls die Politik könnte abrücken. Dies würde jedoch – auch wenn einige Schloßgegner das behaupten – allenfalls den Stellavorschlag beerdigen können, nicht die Rekonstruktion der Schloßfassaden (vorausgesetzt, daß es nicht zu einem neuen Bundestagsbeschluß kommt).4.) Die Kartellamtsentscheidung spricht zwar für Nachlässigkeit der Auftragsvergabe an Stella. Allerdings läßt sich nur spekulieren, daß Sorgfaltswidrigkeit im Spiel ist, solange die Vergabeentscheidung und die Entscheidungen zur Nichtigkeit (BKartA, OLG, evtl. BGH) nicht öffentlich zugänglich sind. Solche Spekulation ist nutzlos und müßig. Außerdem ist zu bedenken, daß von den Gegnern bei einem derart politisch und emotional aufgeladenen Großprojekt alle Mittel in Bewegung gesetzt werden, um es zu verhindern.
5.) Die Presseartikel aus der TAZ und dem Tagesspiegel sollen offenbar im Sinne der Schloßgegner eine neue Debatte anfeuern (oder eher: die alte, durch Bundestagsvotum entschiedene, Debatte wieder aufwärmen). Philipp Oswalt (über den die TAZ schreibt) hat mit seinem „Palastbündnis“ und seinen ständigen Attacken gegen von Boddien vor allem seinen Ruf ramponiert, aber keine überzeugende Alternative zum Schloßneubau aufzeigen können. Er, ebenso wie übrigens Jäger im Tagespiegel, bewegen sich in der Wortwahl oft hart an der Grenze zur Beleidigung. Wer sich von dem Lärm der Oswalts, Jägers und so weiter beeindrucken läßt, hilft weniger dem Schloßprojekt als vielmehr seinen Gegnern.
6.) Meines Erachtens sollten die Schloßfreunde die ganze Aufregung sparen. Da zum Schloß weiter keine Alternativen ersichtlich sind, sollte man vielmehr mit den Planungen fortfahren und bei Bestätigung der Nichtigkeit der Vergabe erstmal ein neues Vergabeverfahren durchführen. Nur wenn bis dahin die praktischen Schwierigkeiten unüberwindbar sind, lohnt es sich, das Projekt insgesamt noch mal zu hinterfragen.
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Auf der Internetseite des Bundeskartellamtes (Vergaberecht/Entscheidungen 2009) hat die Vergabekammer die Entscheidung (Aktenzeichen: VK-3 157/09, Vergabe von Architektendienstleistungen) veröffenlicht. Mir fehlt aber im Moment die Konzentration, um die 52 Seiten der Entscheidung zu lesen.
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Ich habe doch einmal kurz die Entscheidungsgründe überflogen: Der Vertrag ist nach dem damals geltenden § 13 Vergabeverordnung (VgV) (heute: §§ 101a, 101b Abs. 1 Nr. 1 GWB) nichtig, weil der Auftraggeber die übrigen Teilnehmer nicht 14 Tage vor dem geplanten Vertragsschluss über den Namen des Teilnehmers, dessen Angebot angenommen werden soll, informiert hat.
Außerdem liegt ein Verstoß gegen § 97 Abs. 4 GWB vor, weil Stella die Eignungskriterien (Anzahl der Mitarbeiter oder einen bestimmten Jahresumsatz) anscheinend nicht erfüllt.
Fazit: Sowohl für die zügige Umsetzung des Vorhabens als auch für Stellas Entwurf sieht es gegenwärtig aus juristischen Gründen schlecht aus. Es gilt aber die Entscheidung des OLG Düsseldorf abzuwarten.
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Danke, uhima.
Die Entscheidung hatte ich wegen der Anonymisierung nicht gefunden.@Team: Die Entscheidung ist abrufbar unter:
http://www.bundeskartellamt.de…/Vergabe09/VK3-157-09.pdfNach den Ausführungen auf S. 31 ist der Architektenvertrag zwischen Stella und dem Bund in der Tat nichtig, weil die anderen Wettbewerbsteilnehmer über die Entscheidung, Stella mit den weiteren Planungen zu betrauen, nicht informiert wurden.
Insb. S. 44 – 49 ermöglichen es im übrigen, die vergaberechtliche Problematik der Auftragsvergabe an Stella nachzuvollziehen.
Für den Fall, daß Stellas Büro nicht leistungsfähig sein sollte, zeigt das Amt auf S. 50 der Entscheidung selbst Möglichkeiten auf, die bei einer eventuellen Neuvergabe grundsätzlich ebenfalls in Betracht gezogen werden könnten.
Das weitere Verfahren wird zeigen, ob die Entscheidung Bestand hat, und es wird in diesem Fall interessant sein, welcher Weg eingeschlagen wird, um das Projekt vergaberechtskonform umzusetzen. Es dürfte aber jedenfalls zu weit gehen, dieses Projekt gegenwärtig schon für tot zu erklären.
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Ich weiß gar nicht warum die taz das Gerichtsurteil aus dem letzten Jahr wieder vorkramt ... das ist doch ein alter Hut!
Das Urteil war bereits im November 2008 rechtskräftig und in allen Tageszeitungen, im Artikel wird jedoch suggeriert, es handele sich um eine aktuelle Entscheidung - sehr komisch.Baunetz berichtete bereits einen Tag später.
Einen Einblick ins Urteil bekam man hier.Nichts gegen die taz im Allgemeinen, aber der Artikel scheint Kampagne zu sein.
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wer es noch nicht gesehen bzw. gelesen hat: in der aktuellen ausgabe der bauwelt (in der übrigens auch das jacob-und-wilhelm-grimm-zentrum von max dudler ausführlich vorgestellt wird) schreibt dieter hoffmann-axthelm einen meines erachtens recht treffenden kommentar zu den chancen, die sich aus den juristischen streitigkeiten einerseits, der arbeit der archäologen andererseits ergeben. zitat: "..."
den artikel in voller länge gibt es zum download hier:
http://www.bauwelt.de/arch/bau…9_38/bw_2009_38_0008-0009
Hinweis der Moderation: Die Einbindung des Zitats wurde editiert. Grund: Unerlaubtes Pressezitat.
Bitte künftig auf die Richtlinien für das Einbinden von Texten achten. Vielen Dank.
Bato -
Zum Abschied hat Herr Tiefensee noch Manfred Rettig zum geschäftsführenden Vorstand der "Stiftung Berliner Schloß - Humboldtforum" ernannt. Nachzulesen heute auf baunetz.de. Rettig war bis Anfang 2009 Geschäftsführer der Bundesbaugesellschaft Berlin mbH. Im Artikel wird diese Besetzung in Bezug zum Ausscheiden von Herrn Tiefensee aus der Bundesregierung gesetzt.
Desweiteren werden die Chancen, dass es zum Wiederaufbau kommt als gering eingestuft. Auch wenn der Artikel im Kommentar polemisiert, so zeigt er doch die wesentlichen Fakten auf: die rechtswidrige Vergabe an Stella, einen Förderverein, der nur geringe Mittel einwirbt, die finanziell bislang unberücksichtigte archäologische Komponente und den Deckel des Bundes bei € 552 Mio maximalen Gesamtkosten € 440 Mio zu übernehmen. -
Desweiteren... Polemik!
Die Vergabe an Stella war nicht "rechtswidrig", sie ist durch Falschangaben Stellas erschlichen worden,
daß der Förderverein bislang nur nettto 11 Millionen eingeworben hat, liegt an der völligen Werbeverweigerung der Politiker insbesondere einer Schloss-Info-Box, während die erfolglose "temporäre Kunsthalle" gepusht wurde,
das Problem der bislang unberücksichtigten archäologischen Komponente ließe sich leicht durch ein Bekenntnis zu diesem historischen Geschenk und einer finanziellen Würdigung bereinigen.
Die Deckelung des Bundes bei € 552 Mio maximalen Gesamtkosten € 440 Mio zu übernehmen ist eh ein Unding.
Das historische Schloss an dieser Stelle sollte uns nicht weniger sondern mehr als die BND-Zentrale an der Chausseestraße wert sein.Die angeblichen "Probleme" sind alle von denen gemacht, die das Schloss nicht wollen.
Man sollte nicht so tun, als wären sie gottgegeben.